Urteil des VG Wiesbaden vom 07.02.2008

VG Wiesbaden: gewöhnlicher aufenthalt, aufenthaltserlaubnis, scheinehe, visum, befragung, spanien, lebensgemeinschaft, kreis, einreise, ehepartner

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Gericht:
VG Wiesbaden 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 E 1146/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 28 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG,
§ 5 Abs 2 AufenthG, Art 6 Abs
1 GG
Gewöhnlicher Aufenthalt bei einer Ehe mit einer Deutschen,
Einreise ohne Visum
Leitsatz
1. Zum Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" eines abgelehnten Asylbewerbers, der
außerhalb seines Zuweisungsortes bei seinem deutschen Ehepartner lebt.
2. Zum Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG ohne Durchführung eines Visumsverfahrens.
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis vom 08.05.2007 und den Antrag auf Zustimmung zum
Zuzug des Klägers von D nach Wiesbaden unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der
jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und reiste am 02.08.2003 mit
einem Visum zum Studium in das Bundesgebiet ein. Er erhielt in der Folgezeit eine
Aufenthaltsbewilligung. Innerhalb der in § 16 Abs. 1 AufenthG festgelegten Zeit
schaffte es der Kläger nicht, mit dem Studium zu beginnen. Eigenen Angaben
zufolge reiste er im August 2005 in Richtung Marokko aus. Nachdem er sich in
Spanien aufgehalten hatte, dort aber keinen Asylantrag stellte, da ihm das
Asylverfahren dort zu lange dauerte, kehrte er Mitte November 2006 in das
Bundesgebiet zurück, um dort einen Asylantrag zu stellen. Im Rahmen des
Asylverfahrens wurde der Kläger nach E zugeteilt. Zuständige Ausländerbehörde
für diesen Ort ist die Kreisverwaltung D. Am 03.05.2007 heiratete der Kläger vor
dem Standesamt der Stadt E die deutsche Staatsangehörige Frau C., die in
Wiesbaden wohnt. Bereits mit Schreiben des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge vom 18.04.2007 wurde der Asylantrag des Klägers abgelehnt und
dieser aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland einen Monat nach
unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Gegen diese
Entscheidung erhob der Kläger vor dem VG X Klage, die er aber am 08.05.2007
zurücknahm.
Mit Schreiben vom 08.05.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm eine
Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Unter demselben Datum stellte er einen solchen
Antrag auch bei der Ausländerbehörde des Kreises D und beantragte dort
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Antrag auch bei der Ausländerbehörde des Kreises D und beantragte dort
zugleich, ihm den Zuzug zu seiner Ehefrau nach Wiesbaden zu gestatten. Die
Ausländerbehörde des Kreises D übersandte diesen Antrag an die Beklagte mit
der Ausländerakte des Klägers und der Bitte um Mitteilung, ob dem Zuzug im
Rahmen einer Duldung zugestimmt werde. Mit Schreiben vom 21.06.2007 lehnte
die Beklagte gegenüber der Ausländerbehörde D die Zustimmung zum Zuzug des
Klägers ab, da der Verdacht des Schließens einer Scheinehe bestehe. Der Kläger
sei ohne Visum und damit unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG werde nicht im
Ermessenswege abgesehen. - Dieses Schreiben erhielt der Klägerbevollmächtigte
zur Kenntnis.
Mit Schreiben vom 10.07.2007 übersandte die Beklagte dem Kläger ein an die
Kreisverwaltung D gerichtetes Schreiben vom 05.07.2007, in welchem die Beklagte
ihre Ausführungen aus dem Schreiben vom 21.06.2007 vertiefte. Der Kläger trat
dem Vorwurf der Scheinehe mit Schreiben vom 04.07.2007 entgegen.
Am 01.10.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, er habe keine
Scheinehe geschlossen. Im Zusammenhang mit der Eheschließung habe er beim
Standesamt E zwei ausgiebige Scheinehebefragungen über sich ergehen lassen
müssen. Die Vorwürfe seien dabei entkräftet worden. Die Beklagte habe hingegen
weder eine eigene Befragung durchgeführt noch die Befragung aus E
berücksichtigt. Daher sei die Ablehnung der Zustimmung zum Zuzug und der
beantragten Aufenthaltserlaubnis rechtsfehlerhaft. Abgesehen davon, dass er im
November 2006 nicht illegal eingereist sei, weil er sofort nach seiner Einreise einen
Asylantrag gestellt habe, lägen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2
AufenthG vor, so dass er das Visumverfahren nicht nachholen müssen. Denn er
habe aufgrund seiner Eheschließung einen Anspruch auf Erteilung eines
Aufenthaltstitels und einen solchen auf Zustimmung zum Zuzug zu seiner Ehefrau
nach Wiesbaden. Die Beklagte habe ermessensfehlerhaft gehandelt, insbesondere
habe sie die Bedeutung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK im Ausländerrecht
verkannt.
Für die gestellten Anträge sei auch die Beklagte und nicht der Kreis D zuständig,
da er, der Kläger, seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" im Sinne des § 1 a Abs. 1 der
Verordnung über die Zuständigkeiten der Ausländerbehörde in Wiesbaden habe.
Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des OVG Hamburg zu einem
vergleichbaren Fall.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. die Beklagte zu verpflichten, dem Zuzug des Klägers von D nach Wiesbaden
zuzustimmen,
2. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28
Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass sie für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht
zuständig sei. Der Kläger sei verpflichtet, sich nur im Bereich der
Ausländerbehörde des Kreises D aufzuhalten und er sei auch nicht in Wiesbaden
gemeldet. Zuständig sei daher ausschließlich die Ausländerbehörde des Kreises D.
Wegen der verweigerten Zustimmung zum Zuzug des Klägers nach Wiesbaden
werde auf das Schreiben vom 05.07.2007 an den Kreis D verwiesen.
Mit Beschluss vom 17.01.2008 ist der Rechtsstreit auf den Vorsitzenden der
Kammer als Einzelrichter übertragen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte Bezug genommen. Die beigezogenen Behördenakten (2 Hefter)
wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Der Kläger und seine Ehefrau wurden in der mündlichen Verhandlung
informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten dieser informatorischen
Anhörungen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat nur dahingehend Erfolg, dass der Kläger einen Anspruch auf erneute
Entscheidung über seine Anträge auf Zustimmung zum Zuzug nach Wiesbaden
und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gegen die Beklagte hat. Dies beruht
darauf, dass hinsichtlich der vom Kläger gestellten Anträge noch keine Spruchreife
vorliegt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Zwar hat der Kläger nicht ausdrücklich einen
Bescheidungsantrag gestellt, ein solcher ist aber immer als Minus in einem
Verpflichtungsantrag enthalten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdnr.
201).
Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte für die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis für den Kläger zuständig ist. Nach § 1 a Abs. 1 der
Verordnung über die Zuständigkeiten der Ausländerbehörden vom 21.06.1993
(GVBl. I, S. 260) ist zuständig die Ausländerbehörde, in deren Bezirk die
Ausländerin oder der Ausländer den "gewöhnlichen Aufenthalt" hat oder wenn ein
gewöhnlicher Aufenthalt nicht bekannt ist, in deren Bezirk sich die Notwendigkeit
der Maßnahme oder Entscheidung ergibt, soweit nichts anderes bestimmt ist. Was
als "gewöhnlicher Aufenthalt" in diesem Sinne anzusehen ist, ist in hessischen
Normen - wie auch in anderen landesrechtlichen Vorschriften - nicht geregelt.
Daher ist nach übereinstimmender obergerichtlicher Rechtsprechung für die
Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts auf die gesetzliche Definition
des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zurückzugreifen. Danach hat jemand den
gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen
lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend
verweilt. Hierfür ist eine in die Zukunft gerichtete Prognose erforderlich, die alle in
Betracht kommenden Umstände berücksichtigt. Neben den tatsächlichen
Verhältnissen gehören dazu auch ausländerrechtliche Regelungen und
Entscheidungen, die den Verbleib eines Ausländers an einem bestimmten Ort
beeinflussen. Dies können beispielsweise räumliche Aufenthaltsbeschränkungen
nach § 56 Abs. 1 AsylVfG sein, aus dessen Regelung sich unmittelbar ergibt, dass
der Aufenthalt des Ausländers außerhalb des Bereichs seiner
Aufenthaltsbeschränkung nur vorübergehend ist.
Da der Kläger im Zusammenhang mit seinem Asylverfahren dem Kreis D
zugewiesen wurde und diese Zuweisung auch nicht mit rechtskräftiger Ablehnung
des Asylantrags erloschen ist, sondern bis zu einer Ausreise oder anderweitigen
Erledigung fortgilt (OVG Koblenz, Beschluss vom 16.01.2004 - 10 B 11661/03; s.
auch § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG), würde dies dafür sprechen, dass der
gewöhnliche Aufenthalt des Klägers in D ist. Zu den für die Prognose
maßgeblichen ausländerrechtlichen Regelungen gehören allerdings auch
Abschiebungshindernisse, wie solche, die sich aus einer schutzwürdigen familiären
Beziehung nach Art. 6 Abs. 1 GG und einer damit zusammenhängigen örtlichen
Bindung ergeben. Das OVG Hamburg hat in einem Beschluss vom 26.04.2006
(NVwZ-RR 2006, 827, 828) ausgeführt, dass unter besonderen Umständen eine
Situation eintreten könne, in der der Aufenthalt des Ausländers nur in einem
bestimmten Teil des Bundesgebiets als zukunftsoffen anzusehen sei, weil es für
ihn unzumutbar sei, sich anderenorts aufzuhalten. Auch wenn er sich dort in
formaler Hinsicht zu Unrecht aufhalte, sei sein Aufenthalt gleichwohl in diesem
Sinne zukunftsoffen, wenn er einen Anspruch darauf habe, sich gerade an diesem
Ort aufhalten zu dürfen. Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in Wiesbaden, da er sich tatsächlich hier seit Juni 2007 ständig aufhält.
In Wiesbaden liegt auch der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen, da er seit
diesem Zeitpunkt zusammen mit seiner Ehefrau in einer gemeinsamen Wohnung
lebt. Dies steht nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der Befragung des
Klägers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung fest. Der Kläger hält
sich daher unter Umständen in Wiesbaden auf, die erkennen lassen, dass er hier
nicht nur vorübergehend verweilt. Da es dem Kläger aufgrund des Art. 6 Abs. 1 GG
ermöglicht werden muss, seine eheliche Lebensgemeinschaft aufrechtzuerhalten,
hat der Kläger trotz eines Verstoßes gegen die räumliche
Aufenthaltsbeschränkung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Wiesbaden
begründet.
Die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Frau lässt sich
auch nicht dadurch aufrechterhalten, dass sich die Ehefrau in den Bereich der
bisherigen räumlichen Aufenthaltsbeschränkung des Klägers begibt. Das OVG
Hamburg hat hierzu wörtlich ausgeführt: "Die Regelungen über die räumlichen
Beschränkungen des Aufenthalts geduldeter Ausländer oder (ehemaliger)
Asylbewerber haben nicht das Gewicht, einen deutschen Staatsangehörigen zu
nötigen, die eheliche bzw. familiäre Lebensgemeinschaft mit einem von derartigen
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nötigen, die eheliche bzw. familiäre Lebensgemeinschaft mit einem von derartigen
Beschränkungen Betroffenen statt am Heimatort am Ort dieser
Aufenthaltsbeschränkungen führen zu müssen" (NVwZ-RR 2006, 827, 829).
Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, die
zitierte Entscheidung des OVG Hamburg vom 26.04.2006 sei nicht einschlägig, weil
es in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt darum gegangen
sei, dass der Ausländer nicht nur mit einem deutschen Lebenspartner
zusammengelebt habe, sondern beide ein gemeinsames Kind gehabt hätten, ist
dem entgegenzuhalten, dass sich Art. 6 Abs. 1 GG, auf den das OVG Hamburg
entscheidend abgestellt hat, nicht nur die Familie, sondern auch die Ehe schützt.
Die Ausführungen des OVG Hamburg gelten daher nach Auffassung des Gerichts
nicht nur für eine Partnerschaft zwischen einem Ausländer und einem deutschen
Lebenspartner mit gemeinsamem Kind, sondern auch für den Fall einer Ehe
zwischen Ausländer und deutschem Ehepartner ohne Kind, was sich im Übrigen
auch aus der wörtlich zitierten Passage des OVG Hamburg ergibt.
Der vom Gericht vertretenen Auffassung steht auch nicht der Beschluss des Hess.
VGH vom 05.09.2006 (3 TG 1973/06) entgegen. Dies deshalb nicht, weil in dem
vom Hess. VGH entschiedenen Fall Art. 6 Abs. 1 GG keine Rolle gespielt hat. Der
Ausländer, um dessen gewöhnlichen Aufenthalt es in dem Verfahren ging, über
das der VGH zu entscheiden hatte, war nicht verheiratet, es ging also nicht - wie
im vorliegenden Verfahren - um die Aufrechterhaltung einer ehelichen
Lebensgemeinschaft.
Nach alledem ist also die Beklagte - und nicht die Kreisverwaltung D - für die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger zuständig.
Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Ehegatten eines
Deutschen zu erteilen ist, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im
Bundesgebiet hat, setzt voraus, dass eine echte Ehe geschlossen worden ist; eine
Scheinehe kann den Anspruch nicht auslösen, da eine Scheinehe nicht
schutzwürdig ist (vgl. § 27 Abs. 1 a AufenthG). Die informatorische Anhörung des
Klägers und seiner deutschen Ehefrau in der mündlichen Verhandlung am
07.02.2008 hat nach Überzeugung des Gerichts ergeben, dass nicht von einer
geschlossen Scheinehe ausgegangen werden kann. Auf die vom Gericht gestellten
Fragen hat es bei den Antworten der getrennt angehörten Ehepartner zahlreiche
Übereinstimmungen gegeben; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der
Sitzungsniederschrift vom 07.02.2008 verwiesen. Unterschiedliche Antworten hat
es bei der Vielzahl der Fragen lediglich im Hinblick darauf gegeben, wann die
Ehefrau des Klägers erstmals eine Heiratsabsicht geäußert habe. Der Kläger hat
hierzu erklärt, dies sei Ende 2005 gewesen, während die Ehefrau erklärt hat, sie
glaube, dies sei im Sommer 2006 gewesen. Die einzige weitere Unstimmigkeit hat
sich im Zusammenhang mit dem Kennenlernen im Internetportal ergeben. Der
Kläger hat hierzu erklärt, er habe zu seiner Frau von Spanien aus per Internet den
Kontakt gefunden, während seine Frau erklärt hat, ihr Mann sei noch in F gewesen,
als man sich im Internetportal kennengelernt habe.
Diese beiden Widersprüchlichkeiten hält das Gericht angesichts der Vielzahl der
Übereinstimmungen für nicht so gravierend, als sich damit das Bestehen einer
Scheinehe belegen ließe. Gerade bei Fragen nach Zeitpunkten, kann bei einer
Befragung schon mal ein Irrtum oder eine Erinnerungslücke auftreten. Soweit der
Kläger bei seiner Befragung erklärt hat, er habe seine Frau von Spanien aus per
Internet kennengelernt, dies sei Anfang 2003 gewesen, dürfte es sich offensichtlich
um einen offensichtlichen Irrtum handeln. Denn im Jahre 2003 war der Kläger noch
gar nicht in Spanien, hingegen war er wohl zu dieser Zeit zeitweilig in F, da dort
Verwandte von ihm leben (s. Bl. 41 ff. BA).
Abgesehen davon, dass sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau bei ihrer
Befragung einen glaubwürdigen Eindruck gemacht haben, spricht auch gegen das
Vorliegen einer Scheinehe, dass der Kläger und seine Ehefrau vom Standesamt E
zweimal befragt wurden und die Ehe dann dort geschlossen wurde. Das
Standesamt E ist demgemäß aufgrund der Befragungen des Klägers und seiner
Ehefrau ebenfalls nicht von einer Scheinehe ausgegangen, da anderenfalls eine
Eheschließung nicht erfolgt wäre.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setzt des Weiteren nach § 5 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 AufenthG voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum
eingereist ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor, da er von
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eingereist ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor, da er von
Spanien kommend im Jahr 2006 ohne ein Visum in das Bundesgebiet eingereist
ist. Von dem Erfordernis, mit einem Visum in die Bundesrepublik Deutschland
einzureisen, kann jedoch nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG unter anderem dann
abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind. Der Kläger hat einen solchen (bindenden)
Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG, da er - wie oben ausführlich dargelegt und begründet - die
Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. Damit sind gleichzeitig die
Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alternative AufenthG gegeben;
tatbestandsmäßig liegt also ein Ausnahmefall für ein Absehen von der
Durchführung des vorgeschriebenen Visumverfahrens vor.
Gleichwohl kann der Klage nicht in vollem Umfang stattgegeben werden, da § 5
Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen
Ermessen eröffnet (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 5 Rdnr. 62; VG
Göttingen, Urteil vom 21.04.2005 - 4 A 13/03, Juris). Eine Ermessensreduzierung
auf Null vermag die Kammer nicht zu erkennen; insbesondere kann von einer
solchen nicht deshalb ausgegangen werden, weil auf der Tatbestandsseite ein
Ausnahmefall im Sinne des § 5 Abs. 2 AufenthG bejaht worden ist. Denn dann
würde die "Kann-Regelung" in § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG keinen Sinn geben (vgl.
hierzu auch VG Göttingen, a.a.O., Juris Rdnr. 31). Da eine Ermessensausübung
durch die Beklagte noch nicht erfolgt ist, ist die Sache noch nicht spruchreif, so
dass ein Bescheidungsurteil zu fällen ist.
Die Beklagte hat nach alledem über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis und dem damit zusammenhängenden Begehren auf
Zustimmung zum Zuzug nach Wiesbaden erneut zu entscheiden, wobei sie ihrer
Entscheidung nicht die Annahme zugrunde legen darf, dass der Kläger eine
Scheinehe geschlossen hat. Vielmehr muss sie berücksichtigen, dass hier eine
"echte" Ehe vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich §§ 167 VwGO,
708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.