Urteil des VG Wiesbaden vom 21.06.2010

VG Wiesbaden: flexible arbeitszeit, disziplinarverfahren, beförderung, ausschluss, staatssekretär, disziplinarrecht, gesundheit, sanktion, hessen, neubeurteilung

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Gericht:
VG Wiesbaden 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 L 354/10.WI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 9 DG HE
Berücksichtigung eines Verweises bei Beförderung
Leitsatz
Bis zur abschließenden Klärung der Vorwürfe kann ein Bewerber von einer
Beförderungsmaßnahme auch dann ausgeschlossen werden, wenn (lediglich) ein
Verweis von dem Dienstherrn ausgesprochen worden ist und der Dienstherr deshalb
erhebliche Zweifel an der Eignung hegt.
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen zu 2. hat die Antragstellerin zu tragen. Die außergerichtlichen
Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.721,52 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die als Regierungsoberrätin in dem Hessischen Ministerium für
Arbeit, Familie und Gesundheit tätig ist, wendet sich gegen die vorgesehene
Beförderung der Beigeladenen zu Regierungsdirektorinnen und
Regierungsdirektoren.
Mit Schreiben vom 13.06.2008 hatte der Antragsgegner ein Disziplinarverfahren
gegen die Antragstellerin wegen des Vorwurfs, am 19. und 20.05.2008 gegen die
Dienstvereinbarung über die flexible Arbeitszeit im Hessischen XXX verstoßen zu
haben, eingeleitet. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens fand eine Beweisaufnahme
statt, bei der fünf Zeugen vernommen und ein Ortstermin durchgeführt worden ist.
Im April 2009 reichte die Antragstellerin ein Attest hinsichtlich ihrer
Schwerhörigkeit ein. Am 25.05.2009 gab der Antragsgegner das wesentliche
Ergebnis der Ermittlungen bekannt. Am 16.06.2009 ging die Stellungnahme des
Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dem Antragsgegner zu. Unter
Berücksichtigung dieser Stellungnahme ergänzte der Ermittlungsführer das
wesentliche Ergebnis der Ermittlungen. Am 09.10.2010 entschied der
Dienstvorgesetzte, der Antragstellerin einen Verweis zu erteilen, der am
03.11.2010 erlassen wurde. Gegen die Disziplinarverfügung hat die Antragstellerin
am 02.12.2009 Klage erhoben. Über das Verfahren, das unter dem Aktenzeichen
XXX anhängig ist, ist noch nicht entscheiden.
Zum Beförderungstermin 01.04.2010 waren bei dem Ministerium für Arbeit,
Familie und Gesundheit 11 Stellen der Besoldungsgruppe A15 zu besetzen. Neben
der Antragstellerin bekundeten 15 Bedienstete ihr Interesse. Im März 2010 wurden
die Abteilungen um die Erstellung erforderlicher Beurteilungen gebeten. Die
Beurteilung der Antragstellerin für die Zeit vom 01.09.2006 bis 01.10.2009 schließt
mit dem Gesamturteil, dass die Leistungen „die Anforderungen übertreffen“. Die
Beigeladenen haben durchweg eine Beurteilung „im Spitzenbereich“ erhalten. Eine
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Beigeladenen haben durchweg eine Beurteilung „im Spitzenbereich“ erhalten. Eine
Beigeladene wurde mit „übertreffen erheblich die Anforderungen“ bewertet.
Mit Auswahlvermerk vom 07.04.2010 schlug I 1 vor, die Antragstellerin unabhängig
von ihrer letzten Beurteilung angesichts des laufenden Disziplinarverfahrens von
einer Beförderung auszuschließen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der
Eignung der Antragstellerin für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes.
Nach der Rechtsprechung sei der Dienstherr berechtigt, einen Beamten für die
Dauer einer gegen ihn durchgeführten disziplinarischen Untersuchung von einer an
sich möglichen Beförderung auszunehmen, da er sich andernfalls in Widerspruch
zu seinem eigenen Verhalten setzen würde. Am 12.04.2010 entschied der Minister
auf der Basis des Auswahlvermerks nebst Anlagen zugunsten der Beigeladenen.
Am 13.04.2010 wurden die Frauenbeauftragte und die
Schwerbehindertenvertretung beteiligt. In seiner Sitzung vom gleichen Tage
stimmte der Personalrat des Ministeriums den Beförderungen zu. Mit Schreiben
vom 13.04.2010 wurde die Antragstellerin über die Auswahlentscheidung
unterrichtet. Mit Schreiben vom 15.04.2010 legte sie Widerspruch gegen die
Auswahlmitteilung ein.
Gleichzeitig hat sie um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie ist der Auffassung, sie sei zu Unrecht von dem Beförderungsverfahren
ausgeschlossen worden. Aus dem erteilten Verweis resultiere kein
Beförderungsverbot. Ohne Hinzutreten besonderer Umstände könnten hieraus
keine Zweifel an der Eignung für ein höherwertiges Amt hergeleitet werden. Die
von dem Antragsgegner zitierte Rechtsprechung betreffe anders gelagerte
Sachverhalte, bei denen noch völlig offen gewesen sei, wie das Disziplinarverfahren
ende. Demgegenüber stehe hier fest, dass „lediglich“ ein Verweis verhängt
worden sei. Diese Maßnahme könne im gerichtlichen Verfahren nur aufgehoben
oder bestätigt werden. Eine Verböserung sei ausgeschlossen. Das
Disziplinarverfahren sei mit der Intention geführt worden, die Antragstellerin für die
Durchführung der früheren Konkurrenteneilverfahren abzustrafen und unter Druck
zu setzen, diese Verfahren zurückzunehmen. Die Vorwürfe seien just nach
Einleitung des zweiten Eilverfahrens erhoben worden. Das Verfahren habe ohne
ersichtlichen Grund eineinhalb Jahre gedauert. Der Antragstellerin sei mehrfach
mitgeteilt worden, die Behörde könne sich die Einstellung des Disziplinarverfahren
oder die Erteilung lediglich einer Missbilligung vorstellen, sofern die Antragstellerin
ihre Eilanträge zurücknehme. Zwei Wochen nach Einleitung des dritten
Eilverfahrens sei der Verweis erteilt worden. Bei einer Gesamtschau verdichte sich
der Eindruck einer „Retourkutsche“. Der Antragsgegner habe das
Auswahlverfahren aus dem Jahre 2009 abgebrochen, um über den Ausschluss der
Antragstellerin die mehrmals für rechtswidrig erklärte Beförderungsmaßnahme
durchzubringen.
Die Auswahlentscheidung sei auch deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner
einen Eignungs- und Leistungsvergleich unterlassen habe. Die Beurteilung der
Antragstellerin sei fehlerhaft. Auch seien die Beurteilungen der Bewerber im
Hinblick auf die unterschiedliche Länge der Beurteilungszeiträume nicht
vergleichbar. Die Beurteilungsnoten seien nicht ausreichend gespreizt. Die Praxis
des Antragsgegners, nur die beiden höchsten Noten zu vergeben, komme einem
Differenzierungsverbot gleich. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die
Schriftsätze vom 15.04.2010, 20.04.2010, 27.04.2010, 11.05.2010 und 27.05.2010
verwiesen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum
Abschluss eines erneut durchzuführenden Auswahlverfahrens zu untersagen, die
Beigeladenen zur Regierungsdirektorin bzw. zum Regierungsdirektor zu ernennen
und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A15 BBesG einzuweisen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Antragstellerin sei zur Recht von dem
Beförderungsverfahren ausgeschlossen worden, da das Disziplinarverfahren noch
nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Zwar sei nach einem Verweis eine
Entscheidung über eine Beförderung nach pflichtgemäßem Ermessen zulässig.
Hierauf komme es aber nicht an, da durch die Erhebung der Klage der Vollzug des
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Hierauf komme es aber nicht an, da durch die Erhebung der Klage der Vollzug des
Verweises gehemmt sei.
Es könne keine Rede davon sein, dass das Disziplinarverfahren mutwillig
eingeleitet worden sei. Auf den Zeitpunkt der Pflichtverstöße der Antragstellerin
habe der Antragsgegner keinen Einfluss gehabt. Die Antragstellerin sei bereits am
29.04.2008 von ihrem Abteilungsleiter eindringlich auf die ordnungsgemäße
Bedienung des Zeiterfassungsgeräts und die Einhaltung der mit ihr getroffenen
Vereinbarung über Telearbeit und die Dienstvereinbarung über die flexible
Arbeitszeit hingewiesen worden. Dies zeige, dass es nicht darum gegangen sei, die
Antragstellerin mit einem Disziplinarverfahren zu überziehen. Unter
Berücksichtigung der sehr umfangreichen Ermittlungen könne bei einer
Verfahrensdauer von einem Jahr und knapp fünf Monaten nicht von einer
überlangen Verfahrensdauer die Rede sein. Gegenstand des Gesprächs zwischen
der Antragstellerin und dem Staatssekretär sei keine irgendwie geartete
Verknüpfung zwischen dem Disziplinbarverfahren und der anhängigen
Konkurrentenklage gewesen. Die Auswahlentscheidung 2009 habe wegen der
Notwendigkeit der Neubeurteilung eines anderen Bewerbers aufgehoben werden
müssen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom
22.04.2010 und 01.06.2010 verweisen.
Mit Beschluss vom 26.04.2010 hat das Gericht die ausgewählten Bewerber zu dem
Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene zu 2. beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, in Anlehnung an die frühere Regelung in § 8 HDO werde
von einer mit einem Verweis belegten Beamtin eine gewisse Bewährungszeit zu
verlangen sein. Hierfür reichten die fünf Monate seit dem Erlass des Verweises
nicht aus. Wenn eine Beförderungsverbot während disziplinarischer Ermittlungen
trotz Unschuldsvermutung gelte, müsse dies erst recht für eine angemessen Zeit
nach einer Disziplinarmaßnahme gelten. Es wäre höchst befremdlich, die
Antragstellerin im November mit einem Verweis zu belegen und sie dann fünf
Monate später zu befördern. Deshalb gehe die Rüge, es fehle an einem
hinreichenden Eignungsvergleich, ins Leere. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Schriftsätze vom 05.05.2010 und 31.05.2010 verwiesen.
Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Akten der
Verfahren XXX, XXX und XXX, der Personalakten der Antragstellerin (2 Bände) und
eines Hefters mit Auswahlvorgängen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, da die
Ablehnungsentscheidung des Antragsgegners im Hinblick auf den von der
Antragstellerin eingelegten Widerspruch noch nicht bestandskräftig geworden ist
(vgl. dazu Hess. VGH, B.v. 17.01.1995 - 1 TG 1483/94 -, HessVGRspr. 1995, 82).
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Antragstellerin hat keinen
Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO).
Die Antragstellerin ist durch die Art und Weise des Auswahlverfahrens und die
hierauf beruhende Auswahlentscheidung nicht in ihrem von Art. 33 Abs. 2 GG und
Art. 134 HV gewährleisteten grundrechtsgleichen Recht auf (chancen-)gleichen
Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung verletzt worden. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der
Antragstellerin, der eine faire, chancengleiche Behandlung mit rechtsfehlerfreier
Wahrnehmung der Beurteilungsermächtigung und die Einhaltung des gesetzlich
vorgeschriebenen Verfahrens einschließlich etwaiger Anhörungs- und
Beteiligungsrechte umfasst, ist von dem Antragsgegner nicht verletzt worden.
Nach der Rechtsprechung des Hess. Verwaltungsgerichtshofs hat der Dienstherr
dem Bewerbungsverfahrensanspruch bei der Auswahlentscheidung dadurch
Rechnung zu tragen, dass er auf der Grundlage des gesamten für die persönliche
und fachliche Einschätzung der Bewerber bedeutsamen Inhalts der Personalakten
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und fachliche Einschätzung der Bewerber bedeutsamen Inhalts der Personalakten
– wobei der aktuellen Beurteilung wesentliche Bedeutung zukommt – Eignung und
Leistung der Bewerber im Hinblick auf das spezifische Anforderungsprofil des zu
besetzenden Dienstpostens einem Vergleich unterzieht und nach Feststellung der
insoweit bedeutsamen Tatsachen eine wertende Abwägung und Zuordnung
vornimmt, wobei diese Feststellungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen
schriftlich niederzulegen sind. Über dieses formelle Begründungserfordernis hinaus
muss die Begründung der Auswahlentscheidung inhaltlich den Bedingungen
rationaler Abwägung genügen, d.h. vom Gericht nachvollziehbar sein (Hess. VGH,
B.v. 26.10.1993 – 1 TG 1585/93 –, HessVGRspr. 1994, 34).
Diesen Anforderungen wird die vorliegende Auswahlentscheidung gerecht. Zwar
enthält sie keinen eingehenden Eignungs- und Leistungsvergleich der
Antragstellerin mit den übrigen Bewerbern. Doch ist dies unschädlich. Die
Antragstellerin ist nämlich unabhängig von dem schlechteren Gesamturteil in ihrer
letzten Beurteilung wegen der durch das anhängige Disziplinarverfahren
hervorgerufenen Zweifel an ihrer Eignung von dem weiteren
Beförderungsverfahren ausgeschlossen worden. Dies begegnet nach Auffassung
der Kammer keinen durchgreifenden Bedenken.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Dienstherr
berechtigt, einen Beamten für die Dauer einer gegen ihn durchgeführten
disziplinarischen Untersuchung und des gegebenenfalls anschließenden förmlichen
Disziplinarverfahrens von einer an sich möglichen Beförderung auszuschließen
(Urteil vom 13. Mai 1987 – BVerwG 6 C 32/85 –, Buchholz 236.1 § 31 Nr. 21;
Beschluss vom 24.09.1992 – 2 B 56/92 –, Buchholz 236.1 § 42 SG Nr. 1). Denn der
Dienstherr würde sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn
er einen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs
befördert und damit die Befähigung und Eignung des Betreffenden für eine
höherwertige Verwendung bejaht, obwohl er zuvor mit der Einleitung
disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass er Anlass sieht, die
Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem
bisherigen Status zu beanstanden. Eine Beförderung kann solange unterbleiben,
bis feststeht, dass der Beamte für die weitere Förderung uneingeschränkt
geeignet ist. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn regelmäßig dem Beamten das
daraus resultierende Risiko auferlegt wird; denn Disziplinarverfahren beruhen in der
Regel auf Umständen, die in der Person oder doch in der Sphäre des betreffenden
Beamten liegen. Es ist dem Dienstherrn nicht zuzumuten, seinerseits ein Risiko
einzugehen, eine Beförderung auszusprechen, wenn Zweifel an der
uneingeschränkten Förderungswürdigkeit aufgetreten sind (vgl. BVerwG, B. v.
03.09.1996 – 1 WB 20/96, 1 WB 21/96 –, Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 18).
Diese Grundsätze sind geeignet, auch hier die Nichtberücksichtigung der
Antragstellerin in dem Beförderungsverfahren zu rechtfertigen. Der Umstand, dass
die Antragstellerin bereits mit einem Verweis belegt worden ist, die von dem
Dienstherrn verhängte Maßnahme also feststeht, ändert hieran nichts. Zwar zieht
der Verweis kein disziplinarisches Beförderungsverbot nach sich (Umkehrschluss
zu §§ 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 HDG; vgl. GKÖD, § 6 BDG RdNr. 25). Auch kann im
Rahmen des anhängig gemachten Klageverfahrens gegen den Verweis wegen des
Verschlechterungsverbots keine härtere Disziplinarmaßnahme ausgesprochen
werden (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 60 RdNr. 25;
Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Auflage 2009, § 60 RdNr. 21). Insbesondere steht
damit eine Disziplinarmaßnahme, die ein disziplinarrechtliches Beförderungsverbot
nach sich zieht, nicht in Rede. Doch ist der Verweis noch nicht rechtskräftig.
Nachdem der Antragsgegner durch seine Begründung für den Ausschluss der
Antragstellerin zu erkennen gegeben hat, dass er im Hinblick darauf erhebliche
Zweifel an der Eignung der Antragstellerin hegt und deshalb für die Dauer des
Verfahrens eine Beförderung nicht in Betracht kommt, stellt sich die
Nichtberücksichtigung der Antragstellerin schon aus diesem Gesichtspunkt als
rechtsfehlerfrei dar (vgl. auch VG Frankfurt, B. v. 02.10.2003 – 9 G 4156/03 –, zit.
nach Juris für den Fall einer Einstellung gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 BDG). Das Gewicht
der erhobenen Vorwürfe und die zu erwartende bzw. hier verhängte Sanktion sind
für den Eintritt des Beförderungshindernisses ohne Bedeutung. Es ist allein von
Belang, dass das Verhalten der Antragstellerin Anlass gegeben hat, die
Möglichkeit einer disziplinarischen Sanktion welcher Art auch immer in Betracht zu
ziehen. Mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens hat der Antragsgegner zu
erkennen gegeben, das jedenfalls ein Anlass zur Beanstandung des dienstlichen
Verhaltens der Antragstellerin besteht, vor dessen abschließender Klärung eine
Beförderung grundsätzlich ausscheidet (vgl. VG Frankfurt, B. v. 03.02.2009 – 9 L
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Beförderung grundsätzlich ausscheidet (vgl. VG Frankfurt, B. v. 03.02.2009 – 9 L
3461/08.F –, zit. nach Juris). Für eine darüber hinaus gehende
Ermessensentscheidung über die (mögliche) nachteilige Berücksichtigung eines
Verweises, wie sie nach Rechtskraft der Maßnahme unter Umständen geboten
sein mag (vgl. GKÖD, § 6 BDG RdNr. 25), besteht in diesem Verfahrensstadium
keine Notwendigkeit. Auch wenn es sich bei einem Verweis um die mildeste
Disziplinarmaßnahme handelt, die gegen einen Beamten ausgesprochen werden
kann, stellt er doch eine Reaktion auf ein Dienstvergehen dar, das so bedeutsam
ist, dass eine nicht disziplinarrechtliche Reaktion als nicht mehr ausreichend
erachtet wird (Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 6 BDG RdNr. 1). Er
dürfte von dem Antragsgegner deshalb selbst dann ausschlaggebend zum
Nachteil der Antragstellerin berücksichtigt werden, wenn diese leistungsmäßig mit
den anderen Bewerbern gleichstünde.
Das Gericht vermag nicht festzustellen, dass das Disziplinarverfahren mit der
Intention geführt worden wäre, die Antragstellerin abzustrafen. Eine derartige
Annahme verbietet sich schon im Hinblick auf den Umstand, dass die
Antragstellerin nach dem Vortrag des Antragsgegners bereits am 29.04.2008 von
ihrem Abteilungsleiter nachdrücklich auf die ordnungsgemäße Bedienung des
Zeiterfassungsgeräts hingewiesen worden ist. Ob die Verfahrensdauer angesichts
der konkreten Umstände noch angemessen war, kann dahinstehen. Auch eine
verzögerte Durchführung würde das Herausnehmen der Antragstellerin aus der
Beförderungsmaßnahme nicht rechtswidrig machen (vgl. OVG Thüringen, B. v.
16.10.2007 – 2 EO 781/06 –, zit. nach Juris). Dass Gegenstand des Gesprächs
zwischen der Antragstellerin und dem Staatssekretär eine Verknüpfung zwischen
dem Disziplinarverfahren und der anhängigen Konkurrentenklage gewesen wäre,
ist von der Antragstellerin nicht substantiiert dargetan worden. Der Behauptung,
der Abbruch des Auswahlverfahrens aus dem Jahre 2009 könnte mit dem
Disziplinarverfahren in Zusammenhang stehen, ist der Antragsgegner durch den
Hinweis, diese Entscheidung habe sich aus einem parallelen
Konkurrentenverfahren vor dem Verwaltungsgericht in XXX ergeben, überzeugend
entgegengetreten.
Da sich nach alledem der Ausschluss der Antragstellerin aus dem
Beförderungsverfahren im Hinblick auf das anhängige Disziplinarverfahren als
gerechtfertigt erweist, kommt es auf die übrigen Rügen der Antragstellerin nicht
mehr an.
Als unterliegender Teil hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen
(§ 154 Abs. 1 VwGO). Da der Beigeladene zu 2. einen Abweisungsantrag gestellt
und damit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es
der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen (§
162 Abs. 3 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen sind
nicht erstattungsfähig, da sie keinen Sachantrag gestellt haben.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1
und Abs. 5 Satz 2 GKG und berücksichtigt das Endgrundgehalt der
Besoldungsgruppe A15 nach der zum Zeitpunkt der Antragstellung (§ 40 GKG)
bekannt gemachten Besoldungstabelle des Landes Hessen. Danach errechnet
sich ein Betrag von 34.295,37 € (5.276,21 € * 13 / 2). Dieser Betrag ist nach der
Rechtsprechung des Hess. VGH (vgl. B.v. 20.12.2004 – 1 TE 3124/04 – m.w.N.)
wegen des in der Hauptsache zu erhebenden Bescheidungsantrags auf 3/4 zu
reduzieren. Wegen der Vielzahl der Beigeladenen findet eine weitere Ermäßigung
nicht statt (vgl. Hess. VGH, B. v. 22.03.2001 – 1 TG 2512/97). Danach errechnet
sich ein Streitwert von 25.721,52 € (34.295,37 € * 3 / 4).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.