Urteil des VG Wiesbaden vom 16.10.2009

VG Wiesbaden: rechtsgrundlage, vermessung, amt, anhörung, kostenregelung, bestimmtheitsgebot, verkehr, erstellung, grundstück, öffentlich

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Gericht:
VG Wiesbaden 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 K 26/09.WI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 21 Abs 3 VermGeoInfG HE, §
1 VwKostG HE, § 21 Abs 1
VermGeoInfG HE
Zu den Voraussetzungen einer Gebäudeeinmessung von
Amts wegen
Leitsatz
Vor der Durchführung der Gebäudeeinmessung von Amts wegen bedarf es regelmäßig
keiner erneuten Fristsetzung für den Gebäudeeigentümer, damit dieser zunächst seiner
Verpflichtung zur Gebäudeeinmessung nachkommen kann.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der am 12.01.2009 erhobenen Klage gegen den
Kostenbescheid Nr. 81284 des Beklagten vom 17.12.2008, mit dem dieser Kosten
für die Gebäudeeinmessung des Wohnhauses des Klägers in der Gemarkung xxx,
Flur xxx, Flurstück xxx – A-Straße – in Höhe von 779,45 Euro, darin enthalten
Leistungen des Amtes für Bodenmanagement in Höhe von 100 Euro, geltend
macht. Mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom 03.04.2008, dessen Zugang
der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestritten hat, informierte der Beklagte
über die Einleitung eines Gebäudeeinmessungsverfahrens von Amts wegen. Mit
Schreiben gleichen Datums forderte er bei dem Amt für Bodenmanagement
Vermessungsunterlagen für das Grundstück des Klägers an. Das Amt für
Bodenmanagement stellte dem Beklagten für erbrachte Leistungen mit
Kostenbescheid vom 16.04.2008 einen Betrag in Höhe von 100 Euro zuzüglich
19% Umsatzsteuer in Höhe von 11,40 Euro in Rechnung, auf Kostenbescheid und
Anlage wird Bezug genommen (Bl. 48f GA). Nachdem der Kläger mit Schreiben
vom 05.12.2008 mitteilte, er habe keinen Auftrag erteilt, auch sei nicht der
Beklagte, sondern das Katasteramt zuständig, erläuterte der Beklagte mit
Schreiben an den Kläger vom 09.12.2008 unter Hinweis und Beifügung der
gesetzlichen Rechtsvorschriften das Verfahren und die Kostenregelung der
Gebäudeeinmessung. Mit Schreiben vom 08.12.2008 übermittelte er dem Kläger
ein „Kostenangebot“.
Der Kläger macht geltend, er habe den Beklagten zu keinem Zeitpunkt mit der
Gebäudeeinmessung beauftragt. § 21 Abs. 4 des Hessischen Vermessungs- und
Geoinformationsgesetzes scheide als Rechtsgrundlage aus, da der Beklagte keine
andere Vermessungstätigkeit auf dem Grundstück des Klägers ausgeführt habe.
Auch § 21 Abs. 3 greife nicht, diese Norm sei unter systematischer Einbeziehung
des § 21 Abs. 4 einschränkend dahin auszulegen, dass dem Bürger zunächst die
Gelegenheit zu geben sei, die Vermessung selbst zu veranlassen. Der Kläger habe
die Einmessung noch zurückgestellt, weil die Erstellung eines genehmigten Carport
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die Einmessung noch zurückgestellt, weil die Erstellung eines genehmigten Carport
noch ausstehe. Er, der Kläger, hätte die Vermessung durch das Katasteramt
ausführen lassen, weil dann keine Umsatzsteuer angefallen wäre. Die
eigenmächtige Einmessung gegen den Willen des Klägers lasse eine
Vergütungspflicht nicht entstehen. Die Bestimmungen des Hessischen
Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes seien verfassungskonform dahin
auszulegen, dass mangels vorheriger Information bzw. mangels vorheriger
Gelegenheit, selbst eine Beauftragung zu veranlassen, kein Vergütungsanspruch
entstanden sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Klägerbevollmächtigte
darauf hingewiesen, dass der belastende Bescheid schon mangels
vorausgegangener Anhörung rechtswidrig und aufzuheben sei. Auch sei der
Bescheid deshalb rechtswidrig, weil die einschlägigen Rechtsgrundlagen dort nicht
genannt seien. Eine Rechtsgrundlage für die Erhebung der Umsatzsteuer sei im
Übrigen nicht erkennbar. Vorsorglich weist der Kläger darauf hin, dass der Beklagte
auf die vom Amt für Bodenmanagement dem Beklagten in Rechnung gestellte
Umsatzsteuer nochmals Umsatzsteuer erhoben habe, obwohl diese Kosten
lediglich als durchlaufende Kosten anzurechnen seien.
Der Kläger beantragt,
den Kostenbescheid vom 17.12.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die Voraussetzungen für die Kostenforderung mit dem Bescheid
vom 17.12.2008 für gegeben.
Mit Schriftsatz vom 20.10.2008 bzw. 08.04.2009 haben die Beteiligten einer
Entscheidung durch den Berichterstatter zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den
Berichterstatter, § 87a Abs, 2, 3 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kostenbescheid vom 17.12.2008 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO.
Der Bescheid ist dem Grund und der Höhe nach nicht zu beanstanden, so dass
der Kläger zu Recht zur Zahlung von Kosten für die Einmessung seines Gebäudes
in Anspruch genommen worden ist.
Die Kostenpflicht des Klägers ergibt sich aus § 21 Abs. 1, 3 und 5 des Hessischen
Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes (HVGG) i. V. m. § 1 Hessisches
Verwaltungskostengesetz (HVwKostG) i. V. m. der Verwaltungskostenordnung für
den Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesplanung
vom 19.3.2004 (VwKostO-MWVL) i. V. m. Nr. 715 des hierzu ergangenen
Verwaltungskostenverzeichnisses. Aus § 21 Abs. 1, 3 und 5 HVGG ergibt sich, dass
der Grundstückseigentümer die Kosten der für die Fortführung des
Liegenschaftskatasters von Amts wegen durchgeführten Einmessung eines neu
errichteten Gebäudes zu tragen hat. Nach § 21 Abs. 5 Satz 1 HVGG entsteht die
Kostenschuld für die Gebäudeeinmessung und die anschließende Fortführung des
Liegenschaftskatasters zum Zeitpunkt der Vermessung. Daher ist der
Kostenheranziehung das zu diesem Zeitpunkt gültige Kostenverzeichnis zugrunde
zu legen. Danach hat der Kläger die Kosten für die von Amts wegen erfolgte
Einmessung seines Grundstücks zu tragen. Auch die Berechnung der Höhe der
Kosten, die vom Kläger mit Ausnahme der Umsatzsteuer nicht angegriffen wird, ist
nicht zu beanstanden.
Der Beklagte ist als öffentlich bestellter Vermessungsingenieur nach § 15 Abs.2
Nr. 2 HVGG auch grundsätzlich zuständig für die Vornahme der
Gebäudeeinmessung und damit für die Geltendmachung der Kosten gegenüber
dem Kläger als Gebäudeeigentümer und Kostenschuldner nach § 21 Abs. 5 HVGG.
Die vom Kläger gegen den Kostenbescheid erhobenen Einwände greifen nicht
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Die vom Kläger gegen den Kostenbescheid erhobenen Einwände greifen nicht
durch.
Entgegen der vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung
geäußerten Auffassung ist der Bescheid nicht deshalb rechtswidrig, weil er nicht –
sämtliche – Rechtsgrundlagen für die Heranziehung ausdrücklich nennt. Soweit der
Kläger die fehlende Bestimmtheit und damit die Nichtigkeit des Bescheides
geltend machen will, greift sein Einwand nicht durch. Das Bestimmtheitsgebot des
§ 37 Abs. 1 VwVfG erfordert, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, der
Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen
Umständen, für die Beteiligten so unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr
Verhalten danach richten können (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37 RN 5). Diese
Voraussetzungen sind gegeben. Der Bescheid vom 17.12.2008 erhebt vom Kläger
Kosten in Höhe von 779,45 Euro wegen Vermessungsarbeiten, nämlich wegen der
Gebäudeeinmessung des näher bezeichneten klägerischen Grundstücks, unter
Bezugnahme auf die Verwaltungskostenverordnung des Hessischen Ministeriums
für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung. Damit werden
Regelungsgegenstand und Adressat der Regelung unmissverständlich i.S.d.
Bestimmtheitsgebotes festgelegt. Die (abschließende) Aufzählung der
Rechtsgrundlagen erfordert das Bestimmtheitsgebot dagegen nicht. Sofern die
Rüge des Klägers dahin zu verstehen sein sollte, dass er in der unvollständigen
Angabe der Rechtsgrundlage ein Begründungsdefizit i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2
VwVfG geltend macht, kann er auch damit nicht durchdringen. Denn spätestens
mit dem das Verfahren der Gebäudeeinmessung erläuternden Schreiben des
Beklagten vom 09.12.2009 und den als Anlage beigefügten einschlägigen
Rechtsvorschriften war dem Kläger bekannt, auf welcher Rechtsgrundlage die
Kostenerhebung erfolgen sollte, so dass es einer diesbezüglichen weiteren
Begründung im Kostenbescheid vom 17.12.2008 nicht bedurfte (§ 39 Abs. 2 Nr. 2
VwVfG).
Soweit der Kläger bestreitet, das Schreiben des Beklagten vom 03.04.2008
erhalten zu haben und geltend macht, der gegen ihn ergangene Kostenbescheid
sei rechtswidrig und aufzuheben, weil er nicht zuvor angehört worden sei, greift
sein Einwand ebenfalls nicht durch. Denn selbst wenn der Kläger das
Anhörungsschreiben vom 03.04.2008 nicht erhalten haben sollte, so hat er doch
mit seinem Schreiben vom 05.12.2008 an den Beklagten unmissverständlich zum
Ausdruck gebracht, dass er von der Maßnahme und der auf ihn zukommenden
Kosten Kenntnis hatte. Der Kläger hat auch nicht bestritten, das „Kostenangebot“
des Beklagten mit Schreiben vom 08.12.2008 erhalten zu haben, das eine
Aufstellung der voraussichtlichen Kosten enthält. Schließlich hat er nicht bestritten,
das an ihn gerichtete Schreiben vom 09.12.2008 erhalten zu haben. Darin hat der
Beklagte unter Hinweis und Beifügung der gesetzlichen Rechtsvorschriften das
Verfahren und die Kostenregelung der Gebäudeeinmessung dargelegt. Von einer
fehlenden Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass des Kostenbescheides vom
17.12.2008 kann danach nicht die Rede sein. Ob die Pflicht zur Anhörung gemäß §
28 Abs. 1 VwVfG entsprechend gilt vor Durchführung der Einmessung selbst, die
lediglich als Realakt einzustufen ist, kann dahinstehen (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer,
§ 37 RN 4a). Der Kläger hat seine Bedenken spätestens mit Schreiben vom
05.12.2008 geäußert, damit gilt eine etwa erforderliche fehlende Anhörung als
geheilt i. S. d. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG.
Darauf, dass der Kläger keinen Auftrag zur Gebäudeeinmessung erteilt hat,
kommt es nicht an, da die Voraussetzungen für eine Einmessung von Amts wegen
vorlagen. Wird die Gebäudeeinmessung bis zur Fertigstellung des Rohbaus, wie im
Falle des Klägers, nicht beantragt, sind die Behörden oder Personen nach § 15
Abs. 2 Nr. 1 und 2 HVGG befugt, auch ohne Auftrag (d. h. von Amts wegen) tätig
zu werden (§ 21 Abs. 3 HVGG). Soweit der Kläger behauptet, er habe die
Einmessung noch zurückgestellt, weil die Erstellung eines genehmigten Carport
noch ausstehe, kann er damit nicht gehört werden. Der Beklagte hat in der
mündlichen Verhandlung nochmals und im Einzelnen dargestellt, dass der Carport
bei der Gebäudeeinmessung nicht zu berücksichtigen ist. Die – geplante -
Ausführung des Carport hat damit keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der
Fertigstellung des Rohbaus und auf die Verpflichtung des Grundstückeigentümers,
bis zu diesem Zeitpunkt die Gebäudeeinmessung zu veranlassen (§ 21 Abs. 1
HGVV).
Entgegen der Ansicht des Klägers kann das Ermessen in § 21 Abs. 3 HGVV nicht
dahin einschränkend ausgelegt werden, dass dem Bürger nach Ablauf der
gesetzlichen Frist des § 21 Abs. 1 HGVV zunächst nochmals Gelegenheit zu geben
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gesetzlichen Frist des § 21 Abs. 1 HGVV zunächst nochmals Gelegenheit zu geben
ist, die Vermessung selbst zu veranlassen, um das Entstehen des
Vergütungsanspruchs hiervon abhängig zu machen. Weder Wortlaut, Zweck noch
Systematik geben dafür etwas her. Nach § 21 Abs. 1 HGVV obliegt dem
Gebäudeeigentümer die gesetzliche Pflicht, bis zur Fertigstellung des Rohbaus die
Gebäudeeinmessung zu veranlassen. Erst wenn er dieser gesetzlichen Pflicht nicht
nachkommt, greift die Ermächtigung des § 21 Abs. 3 HGVV ein und eröffnet die
Möglichkeit der Gebäudeeinmessung auch ohne Veranlassung des – gegen die
Pflicht nach § 21 Abs. 1 HGVV handelnden – Gebäudeeigentümers, um dem
öffentlichen Interesse an der Vollständigkeit des Liegenschaftskatasters genüge zu
tun. Dabei sieht das Gesetz weder ausdrücklich noch sinngemäß vor, dass dem
Gebäudeeigentümer nach Ablauf der gesetzlichen Frist des § 21 Abs. 1 HGVV eine
behördlicherseits einzuräumende Nachfrist gesetzt werden müsste, innerhalb
deren er die versäumte Handlung nachholen kann. Eine solche Nachfristsetzung
ist auch aus anderen rechtlichen oder verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten
weder ersichtlich noch geboten. Dass durch dieses Verfahren rechtsstaatliche
Grundsätze verletzt würden, wie der Kläger meint, erschließt sich dem Gericht
nicht.
Soweit sich der Kläger gegen die im Kostenbescheid geltend gemachte
Umsatzsteuer wendet, da für ihn eine Rechtsgrundlage nicht erkennbar sei, ist er
auf § 1 i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 4 UStG zu verweisen, wonach Leistungen der
Vermessungs- und Katasterbehörden bei der Wahrnehmung von Aufgaben der
Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters umsatzsteuerpflichtig sind.
Auch bei einer unmittelbaren Beauftragung der Katasterbehörden bzw. des Amtes
für Bodenmanagement durch den Kläger wäre diese Umsatzsteuer fällig
geworden. Der Beklagte hat die ihm vom Amt für Bodenmanagement mit
Kostenbescheid vom 16.04.2008 berechnete Umsatzsteuer in Höhe von 11,40
Euro seinerseits gegenüber dem Kläger auch nicht in Rechnung gebracht, so dass
der Kläger auf die Leistung des Amtes für Bodenmanagement auch nur einmal 19
% Umsatzsteuer zu zahlen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708
Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.