Urteil des VG Wiesbaden vom 31.03.2009

VG Wiesbaden: nato, daten, akkreditierung, betroffene person, persönliche verhältnisse, empfehlung, rechtsgrundlage, stadt, strafverfahren, informationssystem

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Gericht:
VG Wiesbaden 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 L 353/09.WI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 BDSG, § 5 BKAG, §
14 BKAG, § 123 VwGO, § 25
Abs 1 BKAG
Übermittlung personenbezogener Daten eines freien
Journalisten durch das BKA an das NATO-Hauptquartier
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das
für eine Presseakkreditierung des Antragstellers bei der Nato für den Nato-Gipfel
am 03. bis 04. April 2009 abgegebene Votum zurückzunehmen und gegenüber
dem Nato-Hauptquartier zu erklären, dass jegliches Votum bezüglich Journalisten
durch das BKA gegenüber dem Nato-Hauptquartier wegen fehlender
Rechtsgrundlage unzulässig ist.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben Antragsteller und Antragsgegnerin je zur Hälfte
zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 5.000,-- Euro.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist freiberuflicher Pressefotograph. Er beabsichtigt als
Fotojournalist im Auftrag der Zeitung „D“ vom Nato-Gipfel Straßburg/Kehl vom 03.
bis 04. April 2009 zu berichten. Um an dem Gipfel teilnehmen zu können – zu
berichten – ist eine Medienakkreditierung erforderlich. Diese erfolgt durch die Nato.
Insoweit teilte die Bundesregierung durch das Bundespresseamt im Internet mit,
dass für die Pressearbeit des Gipfeltreffens die Nato verantwortlich sei, ebenso
erfolge die Medienakkreditierung ausschließlich über die Nato.
Mit Mail des Nato-Hauptquartiers vom 00.00.2009 wurde der Antrag auf
Akkreditierung des Antragstellers ohne Angaben von Gründen abgelehnt. Auf
Anfrage des Antragstellers nach einer Begründung und einer
Rechtsschutzmöglichkeit teilte ihm das Nato-Hauptquartier per Mail mit, das die
Entscheidung auf einem Negativvotum des Bundeskriminalamtes beruhe. Insoweit
heißt es in der Antwortmail, in der auf die Mitteilung der Entscheidung durch das
Bundeskriminalamt verwiesen wird: „The decision has been notified to NATO by the
German Federal Police, the BKA“ (übersetzt: Die Entscheidung wurde der Nato
durch die Deutsche Bundespolizei, dem BKA, mitgeteilt).
Aufgrund eines Auskunftsersuchens vom 00.00.2009 teilte das Bundeskriminalamt
dem Antragsteller mit Bescheid vom 00.00.2009 mit, dass im Rahmen des mit der
Nato vereinbarten standardisierten Akkreditierungsüberprüfungsverfahrens für den
Nato-Gipfel 2009 die persönlichen Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum) eines
Bewerbers, nachdem dieser bei der Nato um Akkreditierung als Journalist ersucht
habe, an das BKA übermittelt werden. Dort erfolge sodann eine Überprüfung der
Person mittels eines automatischen Datenabgleichs im polizeilichen
Informationssystem INPOL. Die Daten des Betroffenen würden auf der rechtlichen
Grundlage des § 25 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 BKAG abgeglichen. Dies diene dem
Ziel, mögliche Gefahren für die Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes
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Ziel, mögliche Gefahren für die Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes
sowie deren Staatsgäste im Falle einer Akkreditierung zu erkennen. Bei einer
Bewertung der Ergebnisse des Datenabgleichs durch das BKA werde der Nato
gegenüber eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen, ohne dass eine
Übermittlung der gegebenenfalls im BKA oder bei den Landespolizeien zu der
Person vorliegenden Erkenntnisse stattfinde. Über den Antragsteller lägen
verschiedene Informationen vor. Er werde in INPOL mit dem Hinweis „Straftäter
linksorientiert“ zugeordnet. Bundesweite Ermittlungen hätten bislang keine
Anhaltspunkte für eine rechtskräftige Verurteilung ergeben. In den Fällen in denen
die Verfahrensausgänge bekannt sind, seien die Strafverfahren gemäß § 154 StPO
oder gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In einem Verfahren sei der
Antragsteller freigesprochen worden. Eine aktuelle Verhandlung zum
Strafverfahren gegen den Antragsteller wegen schweren Landfriedensbruches und
weiterer Straftaten sei derzeit vor dem Landgericht E anhängig. Die Empfehlung
zur Nichtzulassung sei seitens des BKA unter Beachtung der
datenschutzrechtlichen Bestimmungen ausgesprochen worden. Eine
abschließende rechtliche Bewertung habe nicht dem BKA, sondern der Nato
oblegen, sie sei Veranstalter des Nato-Gipfels und für die Akkreditierung der
Journalisten zuständig.
Mit Antrag vom 31.03.2009, eingegangen beim Verwaltungsgericht Wiesbaden am
selben Tage, begehrt der Antragsteller Rechtsschutz im Rahmen einer
einstweiligen Anordnung. Er ist der Auffassung, dass zum einen die Ablehnung
eines Positivvotums bzw. Negativvotums lediglich im Falle besonderer
Versagungsgründe zulässig sei. Versagungsgründe seien insbesondere
sicherheitsgefährdende Gründe in der Person des Antragstellers. Diese könnten
Tatsachen sein, die die Annahme rechtfertigten, der Antragsteller werde bei der
Veranstaltung der Nato durch sein Verhalten erhebliche Störungen bezwecken
oder eine Gefahr für Leib oder Leben der Teilnehmer darstellen. Solche Gründe
seien vorliegend nicht ersichtlich. Noch im Februar 2009 habe der Antragsteller
über den europäischen Polizeikongress in F-Stadt berichtet, ohne dass es zur einer
Störung gekommen sei. Auch sei ein Negativvotum an das Nato-Hauptquartier
unzulässig, weil es insoweit an einer entsprechenden Rechtsgrundlage fehle. Da es
sich bei der Übermittlung eines Negativvotums um die Übermittlung
personenbezogener Daten handele, sei eine Übermittlung an zwischenstaatliche
Stellen gemäß § 14 BKAG zulässig, jedoch nicht an die Nato, da diese von § 14
BKAG nicht erfasst sei.
Der Antragsteller beantragt,
1.die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
unverzüglich das Negativvotum für eine Presseakkreditierung bei der Nato zu
widerrufen,
2.die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet,
bezüglich einer Presserklärung des Antragstellers für den Nato-Gipfel
Straßburg/Kehl der Nato unverzüglich ein Positivvotum zu erteilen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass der Antragsteller mit seinem Antrag
auf Akkreditierung selbst personenbezogene Daten mitgeteilt und sich zugleich
mit einer Überprüfung einverstanden erklärt habe. Mit der Einreichung des Nato-
Akkreditierungsformulares würden sich die Antragsteller damit einverstanden
erklären, dass ihre persönlichen Daten „gespeichert und in Verbindung mit meiner
Akkreditierung verwendet werden“. Im Übrigen sei die Mitteilung an die Nato im
Einklang mit dem BKA-Gesetz erfolgt. Die Empfehlung sei ohne Angabe von
Gründen und insbesondere auch ohne Übermittlung von der dem BKA zur Person
vorliegenden Daten erfolgt. In der Empfehlung sehe man selbst keine
Übermittelung von personenbezogenen Daten.
II.
Der Antrag ist zulässig und nach summarischer Prüfung begründet, § 123 Abs. 1
VwGO.
Dem Antragsteller steht ein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Übermittelung
einer Bewertung an das Nato-Hauptquartier ist offensichtlich unzulässig, denn es
fehlt an einer normenklaren Rechtsgrundlage, welche einen entsprechenden
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fehlt an einer normenklaren Rechtsgrundlage, welche einen entsprechenden
Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigt.
Bei der Bewertung des Bundeskriminalamtes handelt es sich um die Mitteilung
personenbezogener Daten. Die Bewertung bezieht sich auf den Antragsteller, ist
mithin eine Einzelangabe über persönliche Verhältnisse einer bestimmten
natürlichen Person (Betroffener), vgl. § 3 Abs. 1 BDSG.
Zwar ist gemäß § 25 Abs. 1 BKAG i.V.m. § 14 BKAG hinsichtlich einer
Gefährdungsprognose die Datenübermittlung durch das BKA an einen Dritten
zulässig. Erforderlich dafür ist jedoch die Verarbeitung und Nutzung
personenbezogener Daten zur Erfüllung seiner Aufgaben zum Schutz von
Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes.
Vorliegend geht es nicht um den Schutz der Verfassungsorgane der
Bundesrepublik Deutschland, sondern um Minister, Staatspräsidenten und
Präsidenten vorwiegend anderer Staaten. Soweit die Daten zum Schutz der
Mitglieder von Verfassungsorganen im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 5
BKAG gewonnen sind, ist ihre Übermittlung jedoch auch unter den
Voraussetzungen des § 10 und 14 BKA zulässig (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BKAG).
Vorliegend kommt eine Übermittlung nur nach § 14 BKAG, (Befugnisse bei der
Zusammenarbeit im internationalen Bereich) in Betracht. Gemäß § 14 Abs. 6
BKAG kann das Bundeskriminalamt personenbezogene Daten an Dienststellen der
Stationierungsstreitkräfte im Rahmen des Art. 13 des Zusatzabkommens zu dem
Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages und zur
Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland
stationierten ausländischen Streitkräfte vom 03. August 1959 (ZA-NTS)
übermitteln, wenn dies zur rechtmäßigen Erfüllung der in deren Zuständigkeit
liegenden Aufgaben erforderlich ist.
Damit ist die Möglichkeit gegeben, an Truppenbehörden von Parteien des
Nordatlantikvertrages in Deutschland Daten zu übermitteln. Nicht jedoch wird
dadurch erfasst eine Datenübermittlung an das Nato-Hauptquartier, denn das
Nato-Hauptquartier ist keine Truppenbehörde in Deutschland. Wie sich aus Art. 3
ZA-NTS eindeutig ergibt, sind mit dem Begriff „Truppenbehörden“ die Standort -
oder Hauptquartierbehörden in Deutschland für die in Deutschland stationierten
Truppen eines ausländischen Mitgliedstaates gemeint, nicht jedoch das Nato-
Hauptquartier. Dies wird auch in dem Vertrag zwischen Belgien, Frankreich,
Luxemburg, Niederlanden und dem Vereinigten Königreich und Nordirland (Gesetz
betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und
dem Nordatlantik-Vertrag vom 24. März 1955) insoweit festgestellt, als mit den
Truppenbehörden (späterer Vertrag) eigenständige Organe im Rahmen des Nato-
Vertrages geschaffen werden. Auf diese nimmt das BKA-Gesetz keinen Bezug.
Hinzu kommt, dass nach derzeitigem Kenntnisstand das Nato-Hauptquartier als
eigenständige Organisationsform über einen „angemessenen
Datenschutzstandard“ offensichtlich nicht verfügt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller bei seinem
Antrag auf Akkreditierung sich selbst damit einverstanden erklärt hat, dass seine
Daten gespeichert und in Verbindung mit seiner Akkreditierung verwendet werden.
Diese Erklärung umfasst jedoch keine Zustimmung zur Übermittlung der Daten an
das BKA. Insoweit hätte es einer ausdrücklichen Aufklärung und Ermächtigung
bedurft. § 4a BDSG setzt insoweit hinsichtlich einer Einwilligung voraus, dass die
betroffene Person aufgeklärt ist und über die Verwendungszwecke informiert wird.
In diesem Fall erfolgte bereits eine Datenübermittelung von der Nato an das BKA.
Ohne die Sache weiter zu vertiefen wird insoweit auf die kritischen Stellungnahmen
der Datenschutzaufsichtsbehörden bezüglich der Akkreditierung zur
Fußballweltmeisterschaft Bezug genommen.
Hinzu kommt, dass nach den von dem BKA vorgelegten Unterlagen bezüglich des
Antragstellers zwar diverse Eintragungen in INPOL vorhanden sind, diese jedoch
nicht weiter spezifiziert wurden. So wird zum Beispiel bezüglich eines Eintrages des
PP G vom 00.00.2007 aufgeführt: „Zum Verfahrensgang liegen keine Erkenntnisse
vor, Verurteilungen liegen in der Kriminalakte nicht ein“. Der Polizeipräsident A-
Stadt teilt in seinem Schreiben vom 00.00.2009 bezüglich diverser Strafverfahren
mit, dass Verfahrenseinstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO nichts darüber
aussagten, ob ein Restverdacht vorliege oder die Einstellung wegen
Nichtvorliegens einer Straftat erfolgte. Für eine möglicherweise hieraus zu
treffende Entscheidung dürfte es erforderlich sein, die Ermittlungsakten bei der
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treffende Entscheidung dürfte es erforderlich sein, die Ermittlungsakten bei der
Staats- bzw. Amtsanwaltschaft anzufordern. Dies ist durch die Antragsgegnerin
nicht erfolgt. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte bereits im Beschluss vom
19.07.2006, Az.: 6 E xxx/06 ausgeführt:
„Mithin bleibt festzustellen, dass die Beklagte in eigener Verantwortung eine
polizeiliche Einschätzung hinsichtlich einer Gefährdungsprognose abgegeben hat,
sie es jedoch versäumte, alle vorliegenden Erkenntnisse in die
Prognoseentscheidung mit einzubeziehen. Zwar steht es ihr frei, im Rahmen ihrer
Aufgabenerfüllung auf eingestellte Daten im Rahmen der Zentralstellenfunktion im
polizeilichen Informationssystem zuzugreifen und diese zu verwerten. Eine alleinige
Verwertung reicht jedoch nur aus, wenn sichergestellt ist, dass diese Daten
vollständig sind und damit keine Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen zu
erwarten ist. Ein Regelsatz, dass in polizeilichem Informationssystem eingestellte
Daten bzw. bei den aktenführenden Dienststellen vorhandene Unterlagen
vollständig sind, gibt es nicht. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall“.
Genau dies zeigen die von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen und wird
bestätigt durch den Hinweis des Polizeipräsidenten in A-Stadt vom 00.00.2009. Die
Antragsgegnerin hat nicht dargetan, dass sie insoweit eine Prognoseentscheidung
durchgeführt hat, die den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Es drängt sich
vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin es bei Pauschalauskünften
belassen hat. Nach alledem steht zumindest fest, dass die Prognoseentscheidung
nicht alle für den Auskunftszweck wesentlichen Erkenntnisse erfasst hat, weswegen
sie allein aus diesem Grunde bereits rechtswidrig erscheint.
Ein Anordnungsgrund ist auch gegeben. Nur so kann der Ruf des Antragstellers im
Rahmen der Akkreditierung bei dem Nato-Hauptquartier vor Beginn des Nato-
Gipfels beseitigt werden.
Ein Positivvotum gegenüber dem Nato-Hauptquartier ist jedoch ebenfalls
unzulässig, da eine entsprechende Rechtsgrundlage fehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §155 Abs. 1 VwGO VwGO.
Der Wert des Streitgegenstandes folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG. Die
Kammer hat dabei den vollen Streitwert angesetzt, da die Veranstaltung in den
nächsten Tagen stattfindet.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.