Urteil des VG Wiesbaden vom 20.03.2009

VG Wiesbaden: aufschiebende wirkung, aufenthaltserlaubnis, achtung des privatlebens, integration, emrk, ausreise, ausländer, botschaft, besitz, körperverletzung

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Gericht:
VG Wiesbaden 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 L 85/09.WI(V)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 25 Abs 5 AufenthG, Art 8
MRK
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären
Gründen
Leitsatz
Keine Integration in der Bundesrepublik Deutschland bei Begehung zahlreicher,
teilweise erheblicher Straftaten
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 4 K 84/09.WI
gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 30.12.2008 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,-- € festgesetzt.
Gründe
I.
Der 0000 geborene Antragsteller ist türkischer Staatangehöriger. Er reiste 1973
mit einer Legitimationskarte als Arbeitnehmer in das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland ein und lebte zunächst in C-Statt, später in D-Stadt. Am 23.05.1978
meldete der Vermieter des Antragstellers diesen zum 01.03.1978 in die Türkei ab.
Am 02.01.1980 stellte der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland einen
Asylantrag. Zu diesem Zeitpunkt lag ein gültiger Reisepass der Türkei mit einer
Gültigkeit bis zum 16.03.1980 vor. Der Asylantrag wurde abgelehnt. Im Jahr 1982
ließ sich der Antragsteller von seiner Ehefrau in der Türkei scheiden und heiratete
im selben Jahr eine deutsche Staatsangehörige. Daraufhin wurde ihm am
07.01.1984 eine für ein Jahr gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt. Am 21.10.1985
wurde die Ehe geschieden, wobei die deutsche Ehefrau des Antragstellers
angegeben hatte, die Ehe sei lediglich geschlossen worden, um dem Antragsteller
eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Im Jahr 1986 beantragte der Antragsteller
bei der Kreisverwaltung E, ihn als Flüchtling anzuerkennen und gab an, er habe
seinen Pass am 02.06.1987 verloren. Im Dezember 1988 heiratete der
Antragsteller erneut eine deutsche Staatsangehörige, Frau F deren Namen er
angenommen hat. Etwa zwei Jahre später wurde die Ehe geschieden. Der
Antragsteller wurde immer wieder von verschiedenen Behörden, die aufgrund
seiner häufigen Umzüge für ihn zuständig waren, aufgefordert, sich einen Pass zu
beschaffen; diese Passbeschaffung ist bis heute nicht erfolgt. Seit dem Jahr 2000
ist der Antragsteller im Besitz von Fiktionsbescheinigungen. Während seines
Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ist der Antragsteller mehrfach
strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Auskunft aus dem Zentralregister weist
insgesamt 14 Eintragungen auf, die auf Verurteilungen zwischen dem 30.08.1978
und dem 12.12.2006 beruhen. Der Antragsteller wurde unter anderem wegen
Steuerhinterziehung, Körperverletzung, Verstößen gegen das Ausländergesetz,
Betrugs, versuchten Totschlags, fortgesetztem gemeinschaftlichen schweren
Diebstahls, Nötigung und Bedrohung verurteilt.
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Am 15.07.2008 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis, den der Antragsgegner mit Bescheid vom 30.12.2008
ablehnte. Gleichzeitig wurde der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik
Deutschland spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Zustellung des
Bescheides zu verlassen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihm die
Abschiebung in die Türkei angedroht. Zur Begründung führt der Antragsgegner
aus, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitere bereits daran, dass der
Antragsteller schon die Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG nicht erfülle. Der
Antragsteller sei unzählige Male aufgefordert worden, sich einen Pass zu
beschaffen, ohne dass dieser die Aufforderung befolgt habe. Ladungen zum
persönlichen Erscheinen in den Räumen der Botschaft sei er nicht
nachgekommen, er sei auch nicht zum türkischen Generalkonsulat gegangen. Die
Passlosigkeit des Antragstellers liege nicht daran, dass die türkische Botschaft
keinen Pass ausstellen wolle oder könne, sondern einzig daran, dass der
Antragsteller sich seit Jahren weigere, zur Botschaft zu gehen, um dort persönlich
vorzusprechen. Durch die selbstverschuldete Passlosigkeit erfülle der Antragsteller
bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG
nicht.
Der Antragsteller habe aber auch keinen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Es fehle schon daran, dass er
nicht vollziehbar ausreisepflichtig sei und er zudem seine Passlosigkeit selbst zu
vertreten habe. Abgesehen davon sei seine Ausreise auch nicht aus rechtlichen
oder tatsächlichen Gründen unmöglich. Der Antragsteller könne sich trotz seines
relativ langen Aufenthalts nicht mit Erfolg auf Art. 8 EMRK berufen, da die hierfür
erforderliche Integration des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland
nicht gegeben sei. Er habe keine geregelten Einkünfte zur Sicherung des
Lebensunterhalts nachweisen können. Zudem habe er eine enorme kriminelle
Energie bewiesen und deutlich gezeigt, dass er sich nicht in die Rechtsordnung der
Bundesrepublik Deutschland einfügen wolle. Mit der Vielzahl der von ihm
begangenen Straftaten stelle er eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der
Bundesrepublik Deutschland dar. Art. 6 des Assoziationsabkommens EWG/Türkei
greife ebenfalls nicht zugunsten des Antragstellers, da die erforderlichen
Beschäftigungszeiten nicht nachgewiesen seien. Zudem sei der Antragsteller seit
dem Jahr 2000 lediglich im Besitz von Fiktionsbescheinigungen, so dass ihm seit
langem klar gewesen sein müsse, dass sein Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland keinesfalls gesichert sei. Dem Antragsteller sei es auch zuzumuten,
sich in seiner Heimat wieder zu reintegrieren, zumal dort zwei Kinder von ihm
lebten, die ihm zur Seite stehen könnten.
Am 29.01.2009 hat der Antragsteller Klage erhoben (4 K 84/09.WI) und zugleich
um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung trägt er vor, er habe
sich sehr wohl um die Beschaffung eines Passes bemüht, was ihm jedoch von den
türkischen Behörden in der Bundesrepublik Deutschland verwehrt worden sei.
Zuletzt habe er am 19.01.2009 in der türkischen Botschaft angerufen, um einen
Termin zur Beantragung eines Passes zu erhalten, was abgelehnt worden sei. Ihm
werde trotz seines Bemühens aus ihm unbekannten Gründen seit Jahren die
Ausstellung eines Passes verweigert. Den Verstoß gegen die Passpflicht hätten die
türkischen Behörden zu vertreten. Mit einem Schreiben vom 12.07.2007 habe das
türkische Generalkonsulat in Frankfurt mitgeteilt, dass die Ausstellung eines
türkischen Reisepasses unter anderem voraussetzen würde, dass die zuständige
Ausländerbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusichere; dies sei auch
heute gängige Praxis. Ohne entsprechende Hilfe des Antragsgegners werde er
auch in Zukunft den vom Antragsgegner geforderten Nationalpass nicht erhalten.
Aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und
der damit einhergehenden Integration habe er einen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG. Das Recht auf Achtung des Privatlebens
sei von Art. 8 EMRK geschützt. Er habe persönliche Bindungen allein in der
Bundesrepublik Deutschland, nur die dortigen Verhältnisse seien ihm vertraut und
auch nur dort lebten aufnahmebereite Verwandte. Er lebe in Deutschland mit
seiner Lebensgefährtin G, die EU-Bürgerin sei, und habe eine Vielzahl von
Freunden und Bekannten hier. Zudem habe er beinahe sein gesamtes
Berufsleben im Bundesgebiet verbracht und bemühe sich momentan nach
Kräften, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. So betreibe er gemeinsam
mit seiner Lebensgefährtin ein Reinigungsgewerbe, auch verfüge er über
ausreichende Deutschkenntnisse, um sich im Alltag und im Berufsleben
verständigen zu können. Die Türkei habe er vor 30 Jahren das letzte Mal besucht,
die dortigen Verhältnisse seien ihm nicht bekannt, was auch daraus resultiere,
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die dortigen Verhältnisse seien ihm nicht bekannt, was auch daraus resultiere,
dass er keine Familie mehr in der Türkei habe. Unzutreffend sei, dass zwei Töchter
von ihm in der Türkei lebten; vielmehr seien sie in der Bundesrepublik Deutschland
geboren und lebten auch hier. Er sei auch mit den Lebensverhältnissen in der
Türkei nicht mehr vertraut. Daher sei es für ihn unzumutbar, in eine ihm völlig
fremde Gesellschaft zurückzukehren. Hinzu komme, dass es sich bei seiner
Lebensgefährtin nicht um eine türkische Staatsangehörige handele und daher
auch für sie eine Ausreise in ein für sie völlig fremdes Land unzumutbar wäre. Was
die Passpflicht betreffe, so sei nach der Rechtsprechung das Ermessen der
Behörden gemäß § 5 Abs. 3 AufenthG in Fällen faktischer Integration dahingehend
reduziert, dass von der Einhaltung der Passpflicht abzusehen sei.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage (4 K 84/09.WI) gegen die Verfügung des
Antragsgegners vom 30.12.2008 anzuordnen sowie
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides vom 30.12.2008 und
führt ergänzend aus, dass es sich vorliegend nicht um eine Ausweisung handele,
sondern lediglich um die Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels mit
Ausreiseaufforderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten 4 L 85/09.WI und 4 K 84/09.WI Bezug genommen. Die
Behördenakten (4 Ordner) haben vorgelegen und sind bei der Entscheidung
berücksichtigt worden.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist nicht begründet, denn bei der
danach vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiegt
das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Aufenthaltsbeendigung das private
Interesse des Antragstellers, vorläufig in der Bundesrepublik Deutschland bleiben
zu können.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere der statthafte Rechtsbehelf, da der Klage
nach Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß §
84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Auch hinsichtlich
der ergangenen Abschiebungsandrohung als Maßnahme der
Verwaltungsvollstreckung ist eine aufschiebende Wirkung gemäß § 16
HessAGVwGO gesetzlich ausgeschlossen.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO
vorzunehmenden Abwägung der gegensätzlichen Interessen sind auch die
Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels zu berücksichtigen. Eine
summarische Überprüfung der angegriffenen Verfügung vom 30.12.2008 lässt
diese rechtmäßig erscheinen.
Der Antragsteller stützt seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf
§ 25 Abs. 5 AufenthG. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift liegen indes nicht vor. Dabei kann
dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller seine Passlosigkeit selbst verschuldet
hat, da der geltend gemachte Anspruch schon aus anderen Gründen scheitert.
Zum einen fehlt es bereits an dem Tatbestandsmerkmal des § 25 Abs. 5 Satz 1
AufenthG, wonach der Ausländer „vollziehbar ausreisepflichtig“ sein muss. Ein
solcher Fall liegt hier nicht vor, da der Antragsteller seit dem Jahr 2000
ununterbrochen im Besitz einer Fiktionsbescheinigung, ist.
Zum anderen ist seine Ausreise auch nicht im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1
AufenthG aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich. Der Antragsteller
beruft sich insoweit darauf, dass er seit 1973 ununterbrochen rechtmäßig im
Bundesgebiet lebe und dort fest integriert sei; eine Ausreise in die Türkei sei ihm
unzumutbar. In diesem Zusammenhang verweist er auf Art. 8 EMRK. Zunächst ist
zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK Ausländern kein Recht auf Einreise und
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zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK Ausländern kein Recht auf Einreise und
Aufenthalt in einem Staat garantiert und nur unter bestimmten Umständen eine
Entscheidung auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts einen Eingriff in das Recht auf
Privat- und Familienleben des Betroffenen bewirken kann (vgl. EGMR, Urteil vom
16.06.2005 – 60654/00 –). Nur dann, wenn die Verweigerung eines
Aufenthaltsrechts einen – rechtsfertigungsbedürftigen – Eingriff in das Privatleben
darstellt, wenn nämlich der Ausländer über starke persönliche, soziale und
wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat verfügt, ist ausnahmsweise durch
eine Aufenthaltsbeendigung bzw. die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts ein
Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK gegeben (EGMR, a.a.O.). Der Ausländer muss
also in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland integriert und
seinem Heimatland in einer Weise entfremdet sein, dass eine Reintegration nicht
möglich ist, wenn er also faktisch ein Privatleben allein in Deutschland führen kann
(Hess. VGH, Beschluss vom 29.05.2008 – 7 A 301/08.Z –). Diese Voraussetzungen
liegen aber im Falle des Antragstellers nicht vor. Zu einer Integration im
vorgenannten Sinne gehört nämlich auch, dass der Ausländer während des
langjährigen Aufenthalts sich eine wirtschaftliche Existenzgrundlage hat aufbauen
können, um im Wesentlichen ununterbrochen und weitgehend vollständig ohne
öffentliche Unterstützungsleistungen leben zu können, die für ein Leben im
Aufnahmestaat erforderlichen Sprachkenntnisse erworben hat und nicht in
erheblichem Umfang kriminell geworden ist (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom
26.10.2006 – 4 K 1753/06 – und Urteil vom 05.10.2005 – 11 K 3065/04 –). Schon
hinsichtlich des ersten Aspekts bestehen gewisse Bedenken, da aus den Akten
nicht ersichtlich ist, dass sich der Antragsteller während seines langjährigen
Aufenthalts eine wirtschaftliche Existenzgrundlage geschaffen hat, die es ihm
ermöglicht, im Wesentlichen frei von staatlichen Unterstützungsleistungen hier zu
leben. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da der Annahme einer Integration des
Antragstellers seine erheblichen Straftaten entgegenstehen. Zu Lasten des
Antragstellers finden sich in der Auskunft aus dem Zentralregister des
Bundesamtes für Justiz vom 17.07.2008 (Bl. 1.181 BA ff.) 14 Eintragungen.
Zwischen 1978 und 2006, also während eines Großteils seiner Aufenthaltsdauer,
ist der Antragsteller in regelmäßigen Abständen strafrechtlich verurteilt worden.
Bei den Verurteilungen, die diesen Eintragungen zugrunde liegen, handelt es sich
auch nicht etwa um Verurteilungen wegen Bagatelldelikten. Vielmehr hat der
Antragsteller überwiegend schwere Straftaten begangen. Am schwersten wiegt
seine Verurteilung im Jahre 1984 wegen versuchten Totschlags zu vier Jahren und
sechs Monaten Freiheitsstrafe (Urteil des LG H vom 03.10.1984). Daneben finden
sich Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung (Urteil des AG I vom 30.08.1978),
Körperverletzung (Urteil des AG J vom 16.05.1983 und Urteil des AG K vom
06.02.2001), wegen Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie Beleidigung
(Urteil des AG L vom 02.04.1998), wegen Bedrohung in zwei Fällen (Urteil des AG L
vom 04.06.1998), wegen Betrugs (Urteil des AG M vom 15.05.1984 und Urteil des
AG N vom 12.12.2006), wegen Diebstahls geringwertiger Sachen (Urteil vom
12.03.1992 des AG O) und wegen fortgesetzten gemeinschaftlichen schweren
Diebstahls (Urteil vom 31.08.1993 des AG O). Daneben hat der Antragsteller
weitere Straftaten begangen, wie Verstöße gegen das Ausländergesetz und gegen
das Pflichtversicherungsgesetz. Diese hohe Anzahl von teilweise nicht
unerheblichen Straftaten, die der Antragsteller in regelmäßigen Abständen fast
über Jahre hinweg im Bundesgebiet begangen hat, stehen einer an Art. 8 Abs. 1
EMRK geschützten Integration in der Bundesrepublik Deutschland entgegen, so
dass er sich nicht mit Erfolg auf den Schutz dieser Menschenrechtsnorm berufen
kann.
Dem Antragsteller ist es auch nicht unzumutbar, in die Türkei zurückzukehren.
Zwar ist es richtig, dass er seit 1973 in der Bundesrepublik Deutschland lebt, wobei
unklar ist, ob er nicht 1978 zwischenzeitlich ausgereist ist (er wurde im Jahre 1978
von seinem Vermieter in Ludwigsburg zum 01.03.1978 in die Türkei abgemeldet);
zu berücksichtigen ist aber, dass der 0000 geborene Antragsteller erst mit 23
Jahren die Türkei verlassen hat und in das Bundesgebiet eingereist ist. Er hat also
23 Jahre in der Türkei verbracht, so dass ihm dieses Land und seine Gesellschaft
nicht völlig fremd sein können. Soweit er darauf verweist, dass auch für seine
Lebensgefährtin eine Ausreise in ein ihr völlig fremdes Land unzumutbar ist, ist
dem Antragsteller entgegenzuhalten, dass dieser Umstand unberücksichtigt
bleiben muss. Anders als bei einer Ehefrau ist das Zusammenleben mit einer
Lebensgefährtin nicht in besonderem Maße geschützt. Im Übrigen hat seine
Lebensgefährtin einen türkischen Vornamen, so dass davon auszugehen ist, dass
– auch wenn es hierauf nicht wesentlich ankommt – sie einen familiären türkischen
Ursprung hat.
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller seit dem Jahr 2000
keinen gesicherten Aufenthaltstitel mehr besitzt, sondern lediglich aufgrund von
Fiktionsbescheinigungen rechtmäßig im Bundesgebiet lebt. Sein Vertrauen darauf,
auf Dauer im Bundesgebiet bleiben zu können, ist daher auch insoweit nicht in
einem solchen Maß schutzwürdig, als dass es einen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG begründen könnte.
Nach alledem erfüllt der Antragsteller nicht die Voraussetzungen für eine Erteilung
eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Andere Vorschriften, aus denen
sich ein Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
ergeben könnte, sind nicht ersichtlich. Daher überwiegt das öffentliche Interesse
an der sofortigen Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers, so dass sein
zurückzuweisen ist.
Aufgrund dessen, dass der Eilantrag keinen Erfolg hat, ist auch der Antrag auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG, wobei der so
genannte Auffangstreitwert im Eilverfahren mit der Hälfte in Ansatz gebracht
wurde.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.