Urteil des VG Wiesbaden vom 18.01.2010

VG Wiesbaden: künstliche befruchtung, beihilfe, wohl des kindes, vorbehalt des gesetzes, altersgrenze, wörtliche auslegung, private krankenversicherung, krankenkasse, fürsorgepflicht

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Gericht:
VG Wiesbaden 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 K 678/09.WI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 27a Abs 3 S 1 SGB 5, § 6
Abs 1 Nr 13 BhV vom
30.01.2004, § 2 Abs 1 AGG, §
10 Abs 1 AGG, Art 3 Abs 1 GG
Altersgrenzen für Beihilfefähigkeit einer künstlichen
Befruchtung
Leitsatz
Gemäß § 58 Abs. 1 BBhV sind die Beihilfevorschriften für Aufwendungen, die vor dem
Inkrafttreten der Bundesbeihilfeverordnung entstanden sind, weiter anwendbar.
Nach § 27a Abs. 3 SGB V i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV a.F. ist eine
Kinderwunschbehandlung nur dann beihilfefähig, wenn das Alterserfordernis im
Behandlungszeitpunkt von beiden Ehepartnern eingehalten wird (vgl. BSG, U. v.
25.06.2009 - B 3 KR 7/08 R -).
Die Übernahme der Regelung des § 27a SGB V in das Beihilferecht begegnet keinen
rechtlichen Bedenken (vgl. Bay. VGH, B. v. 19.09.2006 - 14 ZB 06.1844 -, NJW 2007,
1377).
Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV a.F. verstößt nicht gegen die Bestimmungen
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Beihilfe für eine künstliche Befruchtung.
Der Kläger ist 1968 geboren. Seine Ehefrau ist am XXX.1966 geboren. Sie ist als
Angestellte gesetzlich krankenversichert. Die Kinderlosigkeit der Eheleute beruht
auf der Sterilität des Klägers. Die Kinderwunschbehandlung begann im Mai 2008.
Für den ersten Versuch entstanden Aufwendungen in Höhe von 6.356,19 €, die der
Kläger mit Antrag vom 28.09.2008 geltend machte. Von den Aufwendungen
entfielen 4.473,25 € auf den Kläger. Die restlichen Behandlungskosten betrafen
seine Ehefrau.
Mit Bescheid vom 14.10.2008 lehnte das Bundesverwaltungsamt die Gewährung
von Beihilfe ab. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen richte sich nach § 6 Abs. 1
Nr. 13 BhV i.V.m. § 27a SGB V. Nach den BMI-Hinweisen müssten die dort
genannten Altersgrenzen von beiden Ehepartnern zu Beginn des jeweiligen
Behandlungszyklus eingehalten werden. Da die Ehefrau des Klägers zum Zeitpunkt
der Behandlung bereits 41 Jahre alt gewesen sei, könnten die Aufwendungen nicht
als beihilfefähig anerkannt werden. Auch wenn die Behandlung vor Vollendung des
40. Lebensjahres der Ehefrau stattgefunden hätte, käme eine Beihilfe nur zu den
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40. Lebensjahres der Ehefrau stattgefunden hätte, käme eine Beihilfe nur zu den
dem Kläger zuzuordnenden Aufwendungen in Betracht.
Am 06.11.2008 erhob der Kläger Widerspruch. Er vertrat die Auffassung, § 27a
SGB V knüpfe allein daran an, dass der Versicherte die Altersgrenze nicht
überschritten habe. Eine Beschränkung auf die ihn betreffenden Aufwendungen sei
unzulässig. Mit Bescheid vom 07.04.2009 wies das Bundesverwaltungsamt den
Widerspruch zurück. Die Altersgrenze müsse von beiden Partnern eingehalten
werden. Das von dem Kläger angeführte Verursacherprinzip gelte nur für den
Bereich der privaten Krankenversicherung und finde im Beihilferecht keine
Anwendung. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung und im Beihilferecht
sei vom Körperprinzip auszugehen. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten
des Klägers am 09.04.2009 zugestellt.
Am 08.05.2009 hat der Kläger Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, die Aufwendungen seien insgesamt beihilfefähig. Es
entspreche Sinn und Zweck des § 27a SGB V, dass die Beklagte Beihilfe zu den
gesamten Behandlungskosten gewähre, da die Ehefrau des Klägers nicht
behandlungsbedürftig sei und deshalb keinen Leistungsanspruch gegenüber ihrer
Krankenkasse habe. Indem die Beihilfe wie die gesetzliche Krankenversicherung
auf das Körperprinzip abstelle, die private Krankenversicherung indes auf das
Verursacherprinzip entstehe eine Versorgungslücke. Die Kosten für die bei der
Ehefrau durchgeführten Maßnahmen würden weder von der Krankenkasse noch
von der Beihilfe des Bundes übernommen. Während der Bund nach dem
Körperprinzip erstatte, sei nach dem hessischen Beihilferecht von dem
Verursacherprinzip auszugehen. Ein sachlicher Grund für diese
Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Der Kläger sei unter 50 Jahre alt und
erfülle das Alterskriterium. § 27a SGB V knüpfe allein daran an, dass der
Versicherte, mithin vorliegend der Kläger, die Altersgrenze nicht überschreite. Das
Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.06.2009 betreffe § 27a SGB V, nicht die
Regelungen der Beihilfe. Das beamtenrechtliche Versorgungsprinzip gehe
erheblich weiter als die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse.
Der Wortlaut des § 27a SGB V stelle allein auf den Versicherten ab und nicht auch
auf dessen Ehegatten. Für die wörtliche Auslegung spreche auch, dass nur die
Kosten des Versicherten getragen würden und nicht die Gesamtkosten der
Eheleute. Von der wörtlichen Auslegung müsse auch deshalb ausgegangen
werden, um dem Status eines Bundesbeamten und der Versorgungspflicht des
Staates gerecht zu werden. Der Beihilfegeber habe keine Aussage dazu getroffen,
dass eine generalisierende Betrachtungsweise der Konzeptionswahrscheinlichkeit
der Ehefrau maßgeblich sein solle.
Es sei willkürlich anzunehmen, dass Eltern und im Besonderen Mütter über 40
Jahre das künftige Wohl des Kindes gefährdeten. Durch die Regelung der
Altersbegrenzung habe der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen
seiner Befugnis zu einer typisierenden Betrachtungsweise überschritten. Die
Ablehnung einer Beihilfegewährung wegen Überschreitung der Altersgrenze stelle
einen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung dar. Auch sein kein
Grund dafür ersichtlich, dass Bundesbeamte bei gleicher Ausgangslage anders
behandelt würden als hessische Landesbeamte. Wegen der Einzelheiten des
Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 08.05.2009, 03.12.2009 und 30.12.2009
verwiesen.
Der Kläger beantragt,
1. unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom
14.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 07.04.2009 die Beklagte zu
verpflichten, dem Kläger Beihilfe für die Kinderwunschbehandlung zu gewähren,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.178,10 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2008 zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für insgesamt
drei Versuche der Kinderwunschbehandlung nach der ICSI-Methode Beihilfe zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie nimmt Bezug auf den Widerspruchsbescheid. Eine Beihilfegewährung sei zu
Recht abgelehnt worden, da die Ehefrau des Klägers zum Zeitpunkt der
Behandlung das 40. Lebensjahr bereits vollendet gehabt habe. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 03.07.2009 verweisen.
Mit Beschluss vom 25.05.2009 hat sich das von dem Kläger entsprechend der
Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids angerufene
Verwaltungsgericht in Mainz für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an
das erkennende Gericht verweisen.
Mit Beschluss vom 27.07.2009 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter
zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Beihilfevorgänge
(1 Hefter).
Entscheidungsgründe
Der Verpflichtungsantrag zu 1. ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid
des Bundesverwaltungsamts vom 14.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheid
vom 07.04.2009 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen
Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht ein Anspruch auf
Beihilfegewährung für die Kinderwunschbehandlung nicht zu.
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Beihilfe zu der im Mai 2008
durchgeführten Behandlung ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen
in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen des Bundes (Beihilfevorschriften – BhV –)
vom 30.01.2004. Diese Vorschriften verstoßen zwar gegen den Vorbehalt des
Gesetzes und sind deshalb nichtig. Sie sind aber nach der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2008 – 2 C 24/07 – (Buchholz 232 § 79 BBG
Nr. 126) für einen spätestens bei Ablauf der Legislaturperiode endenden
Übergangszeitraum weiter anwendbar, soweit sie im Übrigen mit höherrangigem
Recht vereinbar sind. Dem hat sich das erkennende Gericht angeschlossen (U. v.
21.09.2009 – 8 K 765/08.WI –). Inzwischen erklärt § 58 Abs. 1 BBhV die
Beihilfevorschriften für Aufwendungen, die vor dem Inkrafttreten der
Bundesbeihilfeverordnung am 14.02.2009 (§ 59 BBhV) entstanden sind,
ausdrücklich für weiter anwendbar.
Die Voraussetzungen, unter denen danach Aufwendungen für eine künstliche
Befruchtung beihilfefähig sind, liegen nicht vor. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV
gelten die Regelungen des § 27a SGB V entsprechend mit der Maßgabe, dass an
die Stelle der Krakenkasse die Festsetzungsstelle tritt. Nach § 27a Abs. 3 SGB V
besteht Anspruch auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche
Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Danach scheidet vorliegend
eine Beihilfegewährung aus. Zwar erfüllt der Kläger das Alterserfordernis, doch war
seine Ehefrau bei Behandlungsbeginn bereits 41 Jahre alt. Die
Kinderwunschbehandlung ist nur dann beihilfefähig, wenn das Alterserfordernis im
Behandlungszeitpunkt von beiden Ehepartnern eingehalten wird.
Allerdings ist dem Kläger zuzugeben, dass dies nicht bereits aus dem Wortlaut der
Regelung in § 27a Abs. 3 SGB V folgt. Dieser stellt vielmehr allein auf das Alter des
Versicherten, mithin hier auf das Alter des beihilfeberechtigten Klägers ab. Doch
ergibt sich die Notwendigkeit, dass das Paar insgesamt die Alterserfordernisse
erfüllt, aus Systematik und Zweck der Regelung. Das Bundessozialgericht hat
hierzu in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 25.06.2009 – B 3 KR 7/08 R
– ausgeführt:
„Der Anspruch auf Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung knüpft nicht an
den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand des versicherten Ehegatten an,
sondern an die Unfruchtbarkeit des Ehepaares. Folglich stellt nicht das Vorliegen
einer Krankheit den Versicherungsfall dar, sondern die Unfähigkeit eines
Ehepaares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, und die daraus resultierende
Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung (stRspr, vgl BSGE 88, 62, 64 = SozR
3-2500 § 27a Nr 3; BVerfGE 117, 316, 325 f = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 34;
BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 5 RdNr 13 mwN) . Deshalb besteht auch eine
hinreichende Erfolgsaussicht als Leistungsvoraussetzung für Maßnahmen zur
künstlichen Befruchtung (§ 27a Abs 1 Nr 2 SGB V) nur, wenn von dem betroffenen
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künstlichen Befruchtung (§ 27a Abs 1 Nr 2 SGB V) nur, wenn von dem betroffenen
Paar insgesamt die Überwindung der Kinderlosigkeit erwartet werden kann und mit
einer Gefährdung des Kindeswohls nicht zu rechnen ist. Dies schließt
Leistungsansprüche generell aus, wenn das Alter auch nur eines Beteiligten -
unabhängig von seinem Versichertenstatus und ohne Berücksichtigung
individueller Gegebenheiten - die erfolgreiche Herbeiführung einer
Schwangerschaft nicht mehr erwarten lässt bzw anzunehmen ist, dass sie mit
unwägbaren Risiken behaftet ist. Dies folgt auch aus § 27a Abs 1 Nr 2 SGB V,
dessen typisierender Konkretisierung die Altersgrenzen des § 27a Abs 3 Satz 1
Halbsatz 2 SGB V dienen.
Für dieses Normverständnis sprechen zudem die Entstehungsgeschichte des §
27a SGB V und die Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber hat die schon in den
Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über künstliche
Befruchtung vom 14.8.1990 […] eingeführte Altersgrenze für Frauen von 40 Jahren
in Gesetzesrang erhoben und zugleich die nach jenen Richtlinien früher noch
zugelassene Ausnahme für Frauen bis zum Alter von 45 Jahren beseitigt. Doch
auch zuvor waren Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung grundsätzlich - von
genehmigungspflichtigen Ausnahmen abgesehen - ausgeschlossen "bei Frauen,
die das 40. Lebensjahr vollendet haben" (Ziffer 9 der Richtlinien über künstliche
Befruchtung, aaO, S 21) . In dieser Formulierung kam deutlicher als nunmehr in §
27a Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V zum Ausdruck, dass auch dem Ehepartner
nach Vollendung des 40. Lebensjahres der Ehefrau Leistungsansprüche nicht mehr
zustehen sollten, und zwar unabhängig vom Versichertenstatus. Daran hat die
heutige gesetzliche Formulierung "für weibliche Versicherte" nichts geändert. Wie
sich aus den zusätzlichen Altersgrenzen in § 27a Abs 3 Satz 1 SGB V, der
Streichung der vom Bundesausschuss noch zugelassenen Ausnahme für weibliche
Versicherte bis zum Alter von 45 Jahren und der Begrenzung der Zahl der
möglichen erfolglosen Versuche auf ausnahmslos drei ergibt, sollten die
Neuregelungen nach dem Willen des Gesetzgebers an dem bis dahin geltenden
Rechtszustand ansetzen und davon ausgehend Ansprüche auf Leistungen zur
künstlichen Befruchtung auf Fälle "medizinischer Notwendigkeit" beschränken (so
ausdrücklich BT-Drucks 15/1525 S 83) . Damit wäre es nicht vereinbar, einem
Ehegatten Ansprüche auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung zu gewähren,
obwohl nach der typisierenden und generalisierenden Betrachtungsweise des
Gesetzgebers von einer positiven Erfolgsaussicht der durchgeführten Maßnahmen
wegen des Alters seines Ehepartners gerade nicht mehr ausgegangen werden
kann (ebenso BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 4 RdNr 10; BSG, Urteil vom 3.3.2009 - B
1 KR 12/08 R -, SozR 4-2500 § 27a Nr 7 RdNr 13) .“
Die Regelung begegnet für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
keinen rechtlichen Bedenken. Weder hat der Gesetzgeber mit der Bestimmung der
Altersgrenze von 40 Jahren seine Befugnis zur Typisierung und Generalisierung
überschritten. Noch ist das gemeinschaftsrechtliche Verbot der
Altersdiskriminierung nach der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000
verletzt. Auch insoweit folgt das Gericht den überzeugenden Ausführungen des
Bundessozialgerichts in der angeführten Entscheidung und macht sie sich zu
Eigen.
Indem die Beihilfevorschriften die entsprechende Anwendung der Regelung des §
27a SGB V anordnen, nehmen sie die typisierende und generalisierende
Betrachtungsweise des Gesetzgebers, wonach von einer positiven Erfolgsaussicht
der künstlichen Befruchtung bei Überschreiten der Altersgrenze durch das
Ehepaar nicht mehr ausgegangen werden kann, in die Bestimmung der
beihilferechtlichen Anspruchsvoraussetzungen auf. Auch insoweit ist ein
Rechtsverstoß nicht ersichtlich. Hierzu hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
in einem Beschluss vom 19.09.2006 – 14 ZB 06.1844 – (NJW 2007, 1377)
angemerkt:
„Bei der Regelung der Beihilfe - einer auf Grund der Fürsorgepflicht nur
ergänzenden Hilfeleistung des Dienstherrn - kommt dem Normgeber wie auch
sonst bei der Gestaltung der Rechtsverhältnisse von Beamten ein weites
Ermessen zu. Der Normgeber muss mithin nicht jeden Unterschied zum
Ansatzpunkt für eine Differenzierung nehmen. Andererseits muss der Beamte
wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile
hinnehmen, die sich aus der - am Alimentationsgrundsatz orientierten -
pauschalisierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben
und keine unzumutbare Belastungen bedeuten (BVerfG vom 7.11.2002 BVerfGE
106, 225/232 f.; BVerwG vom 3.7.2003 BVerwGE 118, 277/280 ff. und vom
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106, 225/232 f.; BVerwG vom 3.7.2003 BVerwGE 118, 277/280 ff. und vom
20.10.1976 BVerwGE 51, 193/198 ff., BayVGH vom 6.4.1994 Az. 3 B 93.909, vom
13.4.2005 Az. 14 ZB 04.1722 und vom 19.7.2005 Az. 14 ZB 05.1428; BayVerfGH
vom 28.4.1992 BayVBl 1992, 463/466).
Gemessen daran ist weder die Höchstaltersbegrenzung in § 27a Abs. 3 Satz 1
SGB V noch ihre Übernahme in das Beihilferecht verfassungsrechtlich zu
beanstanden. Denn der Gesetzgeber hat - gestützt auf die vom Bundesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen Richtlinien - die
Höchstaltersbegrenzung („weiblich 40 Jahre“) mit der Erwägung normiert, dass
„bereits jenseits des 30. Lebensjahres das natürliche Konzeptionsoptimum
überschritten (…) und die Konzeptionswahrscheinlichkeit nach dem 40. Lebensjahr
sehr gering“ sei; zudem dienten die oberen Altersbegrenzungen „auch einer
starken Gewichtung des künftigen Wohls des erhofften Kindes“ (S. 83 der
Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung vom 8.9.2003, BT-Drs. 15/1525). Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die vom Bundesausschuss beschlossenen Richtlinien dem
Zweck dienen, die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche
Versorgung der Versicherten zu bieten (§ 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Den Richtlinien
kommt mithin - beispielsweise auch für die Feststellung des allgemein
anerkannten Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse - besondere Bedeutung
zu (BSG vom 21.2.2006 Az: B 1 KR 29/04 R Juris-Dokument KSRE102611518 ). Der
Senat hat auch keinen Anlass, an der Richtigkeit der Richtlinie des
Bundesausschusses zu zweifeln. Etwas anderes lässt sich insbesondere auch dem
vom Kläger zur Untermauerung seines Standpunktes herangezogenen
Jahresbericht des Deutschen IVF-Registers entnehmen. Denn zutreffend und
überzeugend weist der Beklagte darauf hin, dass bei der Altergruppe der 30-40-
jährigen die Erfolgsaussichten einer Kinderwunschbehandlung doppelt so hoch
seien wie bei den über 40-jährigen.
Daraus folgt, dass der Gesetzgeber seiner Entscheidung, staatliche Leistungen
nur bis zu bestimmten Altersgrenzen zu gewähren, nachvollziehbare medizinische
und sozialpolitische Erwägungen zugrunde gelegt hat. Der Senat sieht daher - mit
dem Verwaltungsgericht - auch keinen Anlass, die Sachgerechtigkeit dieser
Altersbegrenzung (so auch: HessLSG vom 29.6.2006 Az: L 8 KR 87/05 Juris-
Dokument JURE060087132 ) bzw. deren Übernahme in das Beihilferecht in Zweifel
zu ziehen.“
Dem schließt sich das erkennende Gericht aus den in der angeführten
Entscheidung genannten Gründen an.
Soweit der Kläger vorträgt, Bundesbeamte dürften nicht schlechter behandelt
werden als hessische Landesbeamte, die auch bei Überschreiten der Altersgrenze
Beihilfe erhielten, erscheint bereits fraglich, ob dies in tatsächlicher Hinsicht zutrifft
(vgl. Nitze, Hessische Beihilfenverordnung, Stand: Mai 2007, § 6 Anm. 53).
Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern eine entsprechende landesrechtliche
Regelung angesichts des erwähnten weiten Ermessensspielraums der Dienstherrn
bei der näheren Ausgestaltung der Fürsorgepflicht eine Verpflichtung des Bundes
nach sich ziehen könnte, die von ihm gewährten Beihilfeleistungen an die gleichen
Voraussetzungen zu knüpfen. Der allgemeines Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1
GG gebietet eine Gleichbehandlung nicht, da es sich um unterschiedliche
Sachverhalte handelt.
Die Beihilferegelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 BhV verstößt schließlich auch nicht
gegen die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Insoweit
kann offen bleiben, ob die Gewährung von Beilhilfen im Krankheitsfall dem
Anwendungsbereich des Gesetzes unterfällt. Verneint man dies mit der
Begründung, dass die Beihilfe kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2
AGG darstellt, weil sie kein wie auch immer geartetes Äquivalent zu einer
Arbeitsleistung des Beamten darstellt (so VG Koblenz U. v. 11.10.2007 – 2 K
256/07.KO –, zit. nach Juris), so ist das Gesetz nicht einschlägig. Geht man davon
aus, dass die Gewährung von Beihilfen als Entgelt i.S.d. Art. 141 EG über § 2 Abs. 1
Nr. 2 dem Geltungsbereich des AGG unterliegt (so v. Roetteken, AGG, Stand:
November 2009, § 2 RdNr. 46; § 3 RdNr. 82), so stellt sich die Regelung im Hinblick
auf die Ehefrau des Klägers nicht als eine unmittelbare Benachteiligung wegen des
Geschlechts im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG dar, da diese sich nicht in einer
mit einem gleichaltrigen männlichen Ehepartner vergleichbaren Situation befindet.
Die Regelung trägt vielmehr den biologischen Unterschieden der Geschlechter
Rechnung, nämlich dem typischerweise früheren Ende der Gebärfähigkeit von
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Rechnung, nämlich dem typischerweise früheren Ende der Gebärfähigkeit von
Frauen im Vergleich zur Zeugungsfähigkeit von Männern (vgl. zu § 27a SGB V
BSG, U. v. 03.03.2009 – B 1 KR 12/08 R –, zit. nach Juris, m.w.N.). Auch im Hinblick
auf die unterschiedliche Behandlung gegenüber Paaren, bei denen die Ehefrau
noch keine 40 Jahre alt ist, ist die Regelung zulässig, da sie objektiv und
angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und
2 AGG). Die Altersgrenze ist durch objektive Faktoren gerechtfertigt. Die
Konzeptionswahrscheinlich durch eine Behandlung nach der ICSI-Methode liegt
nämlich für unter 35-jährige Frauen bei über 30 %, für Frauen im 40.Lebensjahr
hingegen nach dem, IVF-Register 2006 nur bei 18 %. Gleichzeitig wird mit den
oberen Altersgrenzen dem Kindeswohl im Hinblick auf die mit dem Alter der Eltern
zunehmende Anzahl von Fehlbildungen Rechnung getragen (vgl. BSG, U. v.
03.03.2009 – B 1 KR 12/08 R –, zit. nach Juris, m.w.N.). Die Regelung ist auch
angemessen und erforderlich, da ohne Zugriff auf das Alter, auch wenn dies nur
ein grobes, keinesfalls aber willkürliches – wie der Kläger meint –
Differenzierungskriterium darstellt, die Möglichkeit der Erreichung dieses Ziels
deutlich herabsetzt wäre. Zwar mag es bis zu einem gewissen Grad individuelle
Unterschiede hinsichtlich der Konzeptionsfähigkeit und -wahrscheinlichkeit geben.
Doch wären die Beihilfestellen überfordert, wenn sie jeweils im Einzelfall die
Konzeptionswahrscheinlichkeit durch ein Sachverständigengutachten zu prüfen
hätten (VG München, U. v. 04.04.2006 – M 5 K 05.5933 –, zit. nach Juris). Nichts
anderes gilt für das Missbildungsrisiko, soweit es sich überhaupt vor Durchführung
der künstlichen Befruchtung abschätzen lässt.
Da der Verpflichtungsantrag des Klägers ohne Erfolg bleibt, ist auch der
Leistungsantrag zu 2. unbegründet. Einer Entscheidung über die Vorrangigkeit von
Ansprüchen der Ehefrau des Klägers gegenüber ihrer Krankenkasse bedarf es
deshalb ebenso wenig wie einer Entscheidung der Frage, ob die beihilfefähigen
Aufwendungen entsprechend § 27a Abs. 3 Satz 3 auf 50 % der Kosten der
Maßnahme (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 14.07.2009 – 4 B 4.08 –, zit. nach
Juris und Nr. 2 Hinweise des BMI zu Abs. 1 Nr. 13) begrenzt sind. Auch bedarf die
weitere Frage keiner Klärung, ob nach den Beihilfevorschriften des Bundes bei der
Erstattung von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung das in der
gesetzlichen Krankenversicherung geltende Körperprinzip angewandt werden darf
(vgl. dazu bejahend OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 14.07.2009 – 4 B 4.08 –, zit.
nach Juris; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 19.06.2009 – 10 A 10309/09 –, zit. nach Juris
und Nr. 7 Satz 1 Hinweise des BMI zu Abs. 1 Nr. 13).
Der Feststellungsantrag zu 3. ist unzulässig. Da die drei
Kinderwunschbehandlungen durchgeführt sind, ist der Kläger darauf zu verweisen,
seine Rechte durch Leistungsklage zu verfolgen (§ 43 Abs. 2 VwGO), was er
hinsichtlich der ersten Behandlung mit dem Antrag zu 1. auch getan hat. Für ein
Feststellungsbegehren ist insoweit kein Raum. Das Gericht weist ergänzend darauf
hin, dass der Feststellungsantrag – seine Zulässigkeit unterstellt – auch dann ohne
Erfolg geblieben wäre, wenn ein Behandlungsversuch nach Inkrafttreten der
Bundesbeihilfenverordnung am 14.02.2009 (vgl. § 59 BBhV) durchgeführt worden
sein sollte, was in der mündlichen Verhandlung offen geblieben ist. Auch nach den
Regelungen der Bundesbeihilfeverordnung vom 13.02.2009 wäre der Antrag nicht
begründet, da eine Behandlung im Hinblick auf das Alter der Ehefrau des Klägers
nicht den Grundsätzen nach § 27a SGB V entsprechen würde (§ 43 Abs. 1 BBhV).
Als unterliegender Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154
Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der
Kosten beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen
nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.