Urteil des VG Wiesbaden vom 05.03.2008

VG Wiesbaden: stand der technik, luft, erlass, feuerungsanlage, erfüllung, anpassung, vorsorge, grenzwert, betreiber, messung

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Gericht:
VG Wiesbaden 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 E 1161/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 BImSchG, § 5 BImSchG, §
26 BImSchG
Nachträgliche Festlegung neuer Grenzwerte für eine
genehmigungsbedürftige Feuerungsanlage
Leitsatz
Eine nachträgliche immissionsschutzrechtliche Anordnung ist nach § 17 BImSchG nur
bei einem akutellen oder aktuell drohenden Pflichtverstoß des Betreibers zulässig
Tenor
Der Bescheid des C. vom … wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer am 5. Oktober 2007 rechtzeitig erhobenen Klage wendet sich die Klägerin
gegen eine immissionsschutzrechtliche Anordnung des beklagten Landes vom
04.09.2007. Mit dieser Anordnung wurden für die von der Klägerin betriebene
genehmigungsbedürftige Feuerungsanlage auf dem Betriebsgrundstück in D, E-
Straße ... nachträglich neue Grenzwerte festgelegt. In der Begründung der
Anordnung wird dargelegt, dass die Anordnung erforderlich sei, weil die TA Luft
Vorsorgeanforderungen enthalte, die für den Betrieb der klägerischen
Feuerungsanlage einschlägig seien und diese Vorsorgeanforderungen strenger
seien als die bereits in anderen Verwaltungsakten auferlegten Pflichten. Die
vorgenommene Überprüfung habe ergeben, dass die klägerische Anlage die
Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen teilweise nicht
erfülle. Dann werden die einzelnen Anordnungspunkte näher begründet. Für
weitere Einzelheiten der Anordnung und ihrer Begründung wird auf die
Ausführungen im angegriffenen Bescheid Bezug genommen.
Am 5. Oktober 2007 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden
erhoben.
Die Klägerin hält die Anordnung für rechtswidrig. In Ermangelung eines aktuellen
oder konkret drohenden Pflichtenverstoßes habe keine gesetzliche Grundlage zum
Erlass der nachträglichen Anordnung gem. § 17 BImSchG bestanden. Sie habe im
Nachgang zum Erlass der streitgegenständlichen Anordnung durch den TÜV
Rheinland erneut die Wahrung verschiedener in der TA Luft 2002 verankerter
Grenzwerte überprüfen lassen. Hernach ergebe sich, dass sämtliche der in der
streitgegenständlichen Anordnung geregelten Grenzwerte eingehalten und
deutlich unterschritten werden. Die Ergebnisse stellten sich wie folgt dar:
Grenzwert gem. Anordnung vom 04.09.2007Messergebnis TÜV November
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Grenzwert gem. Anordnung vom 04.09.2007Messergebnis TÜV November
2007Ziffer 1.1.1a0,15 g/m³0,04 g/m³Ziffer 1.1.1b10 mg/m³6 mg/m³Ziffer 1.1.280
mg/m³53 g/m³
Hinsichtlich des Mischbetriebs mit Holzabfällen und Heizöl EL seien ebenfalls Werte
festgestellt worden, die deutlich unterhalb der Grenzwerte gelegen hätten, nämlich
für Kohlenmonoxid 0,02 g/m³ und für gesamt C 3 mg/m³. Sämtliche in der
Anordnung angeführten Grenzwerte würden also von der Anlage eingehalten und
deutlich unterschritten. Eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG setze
stets einen aktuellen Pflichtenverstoß voraus. Die Vorschrift gestatte nachträgliche
Anordnungen zur Erfüllung der sich aus dem BImSchG und den auf dieser
Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten des
Anlagenbetreibers nur dann, wenn die Anordnung zur Erfüllung der Pflichten des
Anlagenbetreibers erforderlich sei. Das sei nur der Fall, wenn die den
Anlagenbetreiber treffenden Pflichten ohne die Anordnung nicht erfüllt werden. Der
Anwendungsbereich des § 17 BImSchG sei deshalb nur dann eröffnet, wenn ein
Pflichtenverstoß im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vorliege oder
aufgrund konkreter Anhaltspunkte drohe (vgl. Landmann/Rohmer, Umweltrecht,
Band 1, § 17 BImSchG, Rn. 72; Jarass, BImSchG, 6. Auflage, § 17 Rn. 12). Die
Vorschrift des § 17 BImSchG beinhalte demgegenüber keine Grundlage zur
Festschreibung von Grenzwerten ohne konkreten Anlass. Die hier betroffenen
Vorsorgepflichten seien in § 5 BImSchG verankert und würden u.a. durch die TA
Luft konkretisiert. Einer Festschreibung in der Genehmigung bedürfe es zur
Wahrung der Vorsorgepflichten grundsätzlich nicht. Nur bei konkret absehbaren
oder bereits nachweislich bestehenden Verstößen könne nach Maßgabe des § 17
BImSchG die Festsetzung entsprechender Grenzwerte in der Genehmigung im
Wege der nachträglichen Anordnung erforderlich und zulässig sein. Dem
entspreche auch die Regelung der Ziffer 6.2.1 der TA Luft, die ebenso keine
generelle Verankerung der dortigen Grenzwerte in immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungen fordere, sondern lediglich vorsehe, dass die Behörde die
"erforderlichen Anforderungen" erlassen solle, um die Anlage an die
Vorsorgeaufwendungen anzupassen, "wenn die Anlage diesen Anforderungen nicht
entspricht." Auch die TA Luft sehe damit eine Verankerung der Grenzwerte nur bei
Pflichtverstößen gegen die konkretisierten Vorsorgepflichten vor.Etwas anderes
könne sich entgegen den Erwägungen in der angegriffenen Anordnung auch nicht
aus der IVU-Richtlinie (Richtlinie 96/61/EG) ergeben. Die IVU-Richtlinie verlange in
ihrem Artikel 13 Abs. 1, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen
treffen, damit die zuständigen Behörden die Genehmigungsauflagen regelmäßig
überprüfen und ggf. auf den neuesten Stand bringen. Art. 13 Abs. 2 sehe
bestimmte Fälle vor, in welchen eine Überprüfung zu erfolgen habe. Vorgaben
dazu, ob und in welchem Rahmen auf Grundlage einer solchen Überprüfung
Anpassungen der Genehmigungsauflagen vorgenommen werden müssten,
enthalte die Richtlinie nicht. Sie sehe lediglich vor, dass auf Grundlage einer
Überprüfung die Genehmigungsauflagen "gegebenenfalls" auf den neuesten Stand
gebracht werden. Soweit man hierin überhaupt eine Anforderung an die
Mitgliedsstaaten erkennen wolle, könne sie allenfalls darin bestehen, bei
"gegebenenfalls" bestehender Erforderlichkeit eine entsprechende Anpassung
vorzunehmen. Erforderlich könne eine Anpassung der Genehmigungsauflagen
aber nur dann sein, wenn im Rahmen des Anlagenbetriebs nicht ausreichend
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen werde, somit ein
aktueller Pflichtenverstoß vorliege. Etwaige Anforderungen der IVU-Richtlinie
deckten sich damit mit den Anforderungen des § 17 BImSchG, so dass eine
veränderte Auslegung unter keinem Gesichtspunkt geboten sei. Unabhängig
davon gelte die IVU-Richtlinie nicht für die Anlage der Klägerin, was in der
streitbefangenen Anordnung zu Recht ausgeführt werde.
Insgesamt sei festzuhalten, dass eine Grundlage für die nachträgliche Anordnung
gemäß § 17 BImSchG nur bestehen könne, soweit ein aktueller Pflichtenverstoß
vorliege oder aufgrund konkreter Anhaltspunkte drohe. Das sei hinsichtlich der
unter Ziffern 1.1.1.b und 1.1.2. festgesetzten Grenzwerte zu keinem Zeitpunkt der
Fall gewesen und hinsichtlich der Ziffer 1.1.1.a (Faktor Kohlenmonoxid) zumindest
fraglich. Zwar habe der Messbericht des TÜV Rheinland vom 03.02.2005 insoweit
hinsichtlich der Messungen Nr. 2 und 3 leichte Überschreitungen des Grenzwertes
von 0,15 g/m³, nämlich eine Emission von 0,19 bzw. 0,24 g/m³ ausgewiesen. Die
Messungen Nr. 1 und 4 wiesen allerdings Werte von 0,12 g/m³ und 0,11 g/m³ aus,
die unter dem Grenzwert lägen. Angesichts dieses diffusen Messergebnisses und
angesichts des bis zum Erlass der streitgegenständlichen Anordnung vergangenen
Zeitraums von über zwei Jahren könne dieser Messbericht nicht als ausreichende
Grundlage für die Annahme eines aktuell bestehenden oder drohenden
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Grundlage für die Annahme eines aktuell bestehenden oder drohenden
Pflichtenverstoßes angesehen werden. Hier wäre es Sache der Behörde gewesen,
entweder eigene Messungen durchzuführen oder im Wege des § 26 BImSchG
aktuelle Messungen zur Verifizierung etwaiger Überschreitungen zu verlangen.
Wären Ermittlungen erfolgt, hätte sich herausgestellt, dass durch Umstellung der
Anlage zwischenzeitlich der Grenzwert deutlich unterschritten werde. Der
Messbericht des TÜV Rheinland vom 09.11.2007 weise insoweit einen Wert von
0,04 g/m³ einheitlich bei allen Messungen auf. Die angegriffene Anordnung sei
daher insgesamt rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin beantragt,
die Anordnung des C. vom … (Az. ...) aufzuheben.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält ihre Anordnung für rechtmäßig. Für eine Anordnung nach § 17 BImSchG sei
eine aktuell nachweisbare bzw. konkret drohende Pflichtverletzung nicht
erforderlich. Die Anordnung habe ihre Rechtsgrundlage in §§ 52 Abs. 1 und § 17
BImSchG. Das Immissionsschutzrecht unterliege als dynamisches technisches
Recht einem ständigen Wandel. Normen und Bescheide müssten möglichst rasch
dieser dynamischen Entwicklung angepasst werden. Die TA Luft sei am 24. Juli
2002 als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift novelliert worden. Die neuen
niedrigeren Grenzwerte müssten durch nachträgliche Anordnung umgesetzt
werden. Die Anordnungsbefugnis nach § 17 BImSchG sei das wichtigste
immissionsschutzrechtliche Instrument beim Vollzug im Bereich der
genehmigungsbedürftigen Anlagen. Sie stehe im Spannungsfeld unterschiedlicher
Interessen und verfolge zwei Zwecke: Sie solle zum einen die tatsächliche Erfüllung
der immissionsschutzrechtlichen Pflichten sicherstellen und durchsetzen. Zum
anderen diene die Anordnungsbefugnis nach § 17 BImSchG dem Zweck der
Konkretisierung der allgemein formulierten Grundpflichten des § 5 BImSchG und
habe insoweit grenzziehende Funktion. Beiden Zwecken diene die
streitgegenständliche Anordnung.
Die angegriffene Vorgehensweise entspreche auch der allgemeinen
Verwaltungspraxis in Hessen. Dementsprechend seien bereits in einer Vielzahl von
anderen Verwaltungsvorgängen solche Anordnungen ergangen und auch in
Zukunft stehe diese Vorgehensweise an. Damit komme dem vorliegenden
Streitverfahren grundsätzliche Bedeutung zu.
Im übrigen habe bei allen drei Werten eine aktuelle, mindestens aber drohende
Pflichtverletzung vorgelegen, was im Einzelnen dargelegt wird.
Für weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt,
auch den der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist auch begründet, denn die Anordnung vom ...
ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie ist von der
Ermächtigungsgrundlage des § 17 BImSchG nicht gedeckt.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG steht es im Ermessen der zuständigen
Behörden, zur Erfüllung der sich aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz und der
auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen nachträgliche
Anordnungen zu erlassen. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift folgt, dass
nachträgliche Anordnungen nur zur Verhinderung eines aktuell drohenden
Pflichtenverstoßes zulässig sind. Tatbestandliche Voraussetzung für eine
nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG ist also, jedenfalls nach
herrschender Literaturmeinung (vgl. z.B. Landmann/Rohmer, UmweltR, BImSchG,
§ 17 Rdnr. 57; Feldhaus, Bundesimmissionsschutzgesetz, Kommentar, § 17 Rdnr.
9; Jarass, BImSchG, Kommentar, § 17 Rdnr. 12 ff.), der sich die Kammer
anschließt, ein - zumindest drohender - Pflichtenverstoß des Betreibers. Der
Pflichtenverstoß muss im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vorliegen oder
aufgrund konkreter Anhaltspunkte drohen (Landmann/Rohner § 17 Rdnr. 72). Dass
ein derartiger aktueller Pflichtenverstoß im Zeitpunkt der Entscheidung des
beklagten Landes vorgelegen hätte, ist jedoch nicht ermittelt worden. Ausgehend
von seiner Rechtsauffassung, dass nachträgliche Anordnungen aufgrund von § 17
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von seiner Rechtsauffassung, dass nachträgliche Anordnungen aufgrund von § 17
BImSchG auch ohne konkreten Pflichtenverstoß zulässig sind, hat das beklagte
Land vielmehr lediglich die Änderung der TA Luft im Jahr 2002 im Laufe des Jahres
2007 aufgegriffen, um die gegenüber der Anlagengenehmigung verschärften
Grenzwerte nunmehr durch eine nachträgliche Anordnung gegenüber der Klägerin
verbindlich festzuschreiben. Die Kammer hat zwar Verständnis für den Wunsch der
zuständigen Behörden, gegenüber Betreibern von immissionsschutzrechtlich
genehmigungspflichtigen genehmigten Anlagen möglichst vollziehbar die von der
Anlage einzuhaltenden Grenzwerte, auch soweit sie sich gegenüber der
Anlagengenehmigung geändert haben, festzuschreiben, um bei Verstößen schnell
und effektiv einschreiten zu können. Der Gesetzgeber hat mit § 17 BImSchG aber
für nachträgliche Anordnungen einen anderen Weg gewählt. Hier ist zunächst die
Eigenverantwortlichkeit der Betreiber gefragt, die unaufgefordert aufgrund der
gesetzlichen Grundpflichten den gefahrlosen Betrieb ihrer Anlage zu gewährleisten
haben (vgl. § 5 BImSchG). Die Behörden werden entlastet, indem gerade nicht
vorgeschrieben wird, nachträgliche Anordnungen "auf Vorrat" zu produzieren. Nur
bei konkretem Anlass aufgrund eines Pflichtenverstoßes, der belegt, dass der
Betreiber seiner gesetzlichen Verpflichtung zur ständigen Anpassung an den
Stand der Technik nicht nachkommt, ist nach Ermessensausübung eine
nachträgliche Anordnung aufgrund § 17 BImSchG zulässig.
Die vorliegende nachträgliche Anordnung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil
der von der Klägerin dem beklagten Land vorgelegte Messbericht des TÜV aus
dem Jahr 2005 eine Überschreitung des Grenzwerts der TA Luft 2002 hinsichtlich
des Faktors Kohlenmonoxid bei Verwendung des Brennstoffs Holz bei zwei von vier
Messwerten dokumentiert. Zwar stellt diese Grenzwertüberschreitung einen
einmaligen Pflichtenverstoß dar, allerdings mit der Besonderheit, dass zwei der
vier Messwerte innerhalb der zulässigen Grenzen liegen. Eine Bewertung dieser
Messwerte durch das beklagte Land ist nach dem Inhalt der vorgelegten
Behördenakten vor Erlass der nachträglichen Anordnung aber genauso wenig
erfolgt, wie eine Prüfung, ob es sich dabei um eine dauerhafte Überschreitung
handelt, die auch im Herbst 2007 noch bestand, so dass sie in diesem Zeitpunkt
noch Anlass für die streitgegenständliche Anordnung hätte sein dürfen. Die von
der Klägerin vorgelegte neue Messung des TÜV Rheinland (vgl. Messbericht vom
09.11.2007) belegt das Gegenteil: Es wurden aktuell alle in der nachträglichen
Anordnung festgelegten Grenzwerte eingehalten. Da in der fraglichen Zeit seit
2002 auch keine wesentlichen Änderungen an der Anlage vorgenommen wurden,
darf davon ausgegangen werden, dass auch im Zeitpunkt des Erlasses der
angefochtenen Anordnung aktuell kein Pflichtenverstoß drohte.
Nach alledem ist die angefochtene Anordnung schon deshalb rechtswidrig, weil im
Zeitpunkt ihres Erlasses kein aktueller Pflichtenverstoß der Klägerin zu befürchten
war.
Ein aktuell drohender konkreter Pflichtenverstoß lässt sich schließlich auch nicht
daraus herleiten, dass die TA Luft 2002 neue, schärfere Grenzwerte bestimmt.
Allein die Verschärfung von Grenzwerten, auch wenn sie vom beklagten Land als
"enorm" bewertet werden, führt nicht quasi automatisch zu drohenden
Pflichtenverstößen eines jeden Anlagenbetreibers. Immerhin sind die Betreiber
einer genehmigungspflichtigen Anlage schon von Gesetzes wegen verpflichtet, in
eigener Verantwortlichkeit dafür zu sorgen, dass ausreichend Vorsorge gegen
schädliche Umwelteinwirkungen getroffen und der Stand der Technik ständig
eingehalten wird (§ 5 Abs. 1 BImSchG). Das gilt auch für die Einhaltung der
verschärften Grenzwerte der TA Luft 2002. Nur wenn z.B. aufgrund der Bauweise
oder der Betriebsart der Anlage oder aufgrund aktueller Messwerte zu erwarten ist,
dass die neuen Grenzwerte nicht eingehalten werden, darf dies zum Anlass für
eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BISchG genommen werden.
Darüber hinaus ist der Bescheid ermessensfehlerhaft.
Selbst wenn man aufgrund der TÜV-Messung aus dem Jahr 2005, jedenfalls für den
Faktor Kohlenmonoxid, einen 2007 noch aktuellen Pflichtenverstoß annehmen
wollte, fehlen in der Begründung der Anordnung notwendige
Ermessenserwägungen zu der Frage, ob und warum 2007 eine Anordnung in der
vorliegenden Form notwendig gewesen ist. Die Anlage der Klägerin ist seit ihrer
Errichtung im Jahr 1987 über 30 Jahre lang im Wesentlichen beanstandungsfrei
betrieben worden. Auf die Messwertüberschreitung aus dem TÜV-Bericht 2005 hat
das beklagte Land über zwei Jahre hinweg nicht reagiert. Wenn diese
Überschreitungen dann doch Anlass zum Einschreiten sein sollten, wäre ein solch
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Überschreitungen dann doch Anlass zum Einschreiten sein sollten, wäre ein solch
spätes Vorgehen erklärungsbedürftig. Hinzu kommt, dass die Klägerin im Rahmen
der Anhörung vor Erlass der Anordnung ihre Gesprächsbereitschaft erklärt und
deutlich gemacht hat, dass sie an einvernehmlichen Regelungen interessiert ist.
Dieses Gesprächsangebot durfte das beklagte Land nicht einfach ignorieren. Mit
diesen Fragen hätte sich die Begründung der angefochtenen Verfügung
auseinandersetzen müssen und sich bei der Ermessensausübung nicht, wie
geschehen, auf den Hinweis beschränken dürfen, dass die Anordnung
verhältnismäßig sei. Die Anordnung leidet deshalb selbst dann, wenn man
annehmen wollte, dass der von § 17 BImSchG geforderte aktuell drohende
Pflichtenverstoß vorliegt, an wesentlichen Ermessensfehlern und ist auch aus
diesem Grund rechtswidrig und aufzuheben .
Als unterliegender Beteiligter hat das beklagte Land die Verfahrenskosten zu
tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Wegen der vom beklagten Land überzeugend dargelegten grundsätzlichen
Bedeutung ist die Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.