Urteil des VG Trier vom 23.03.2007

VG Trier: grundstück, aufschüttung, begriff, garage, rechtsgrundlage, wahrscheinlichkeit, gebäude, belüftung, belichtung, besonnung

Baurecht
VG
Trier
23.03.2007
5 L 229/07.TR
Abweichend von dem Grundsatz, dass sich der Begriff der Grundstücksgrenze im Sinne des § 8 Abs. 9
Satz 1 a im Hinblick auf die Berechnung der mittleren Wandhöhe grundsätzlich aus der Sicht des
jeweiligen Baugrundstücks bemisst, ist in den Fällen, in denen auf dem Nachbargrundstück eine
Aufschüttung vorgenommen wurde, auf der ein grenzständiges Gebäude errichtet wurde, für die
Berechnung der mittleren Wandhöhe des Bauvorhabens auf die Geländeoberfläche des bebauten
Nachbargrundstücks abzustellen.
Für die Längenberechnung des § 8 Abs. 9 Satz 1 b LBauO kommt es nur auf die Länge der auf dem
Baugrundstück genehmigten bzw. vorhandenen Grenzgebäude, nicht aber auf eine Gesamtbetrachtung
unter Einbeziehung der auf dem Nachbargrundstück vorhandenen Grenzgebäude an.
Verwaltungsgericht Trier
5 L 229/07.TR
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Baunachbarrechts
hier: Antrag nach § 123 VwGO
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der Beratung vom 23. März 2007, an der
teilgenommen haben
beschlossen:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 3.750,00 € festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag der Antragsteller, den Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zum
bauaufsichtlichen Einschreiten gegenüber dem Beigeladenen zu veranlassen, kann keinen Erfolg haben.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden
könnte. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor
allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung
drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Lässt allerdings die im Eilverfahren
notwendigerweise nur summarische Überprüfung bereits erkennen, dass das von den Antragstellern
behauptete Recht zu ihren Gunsten nicht besteht, so ist auch nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine
einstweilige Anordnung nicht möglich, weil dann eine sicherungsfähige und sicherungswürdige
Rechtsposition fehlt.
In Anwendung dieser Grundsätze kann das Begehren der Antragsteller keinen Erfolg haben.
Als Rechtsgrundlage für die von den Antragstellern begehrte Verpflichtung des Antragsgegners zum
bauaufsichtlichen Einschreiten gegenüber dem Beigeladenen kommt zwar grundsätzlich § 81 Satz 1
LBauO in Betracht, wenn das Bauvorhaben, gegen das eingeschritten werden soll, gegen
nachbarschützende Vorschriften verstößt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 - 8 A
10936/02.OVG -, ESOVGRP).
Vorliegend spricht indessen keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Bauvorhaben des
Beigeladenen gegen die nachbarschützende Bestimmung des § 8 LBauO, auf die sich die Antragsteller
zur Begründung ihres Begehrens ausschließlich berufen, verstößt.
Soweit die Antragsteller geltend machen, das Bauvorhaben des Beigeladenen verstoße deshalb gegen §
8 Abs. 9 Satz 1b LBauO, weil die von dem Beigeladenen auf dessen Grundstück geplante Garage mit
einer Länge von 9,99 m unter Hinzurechnung der auf dem Grundstück der Antragsteller vorhandenen
Garage mit einer Länge von 6,00 m zu einer Gesamtgrenzbebauung von 15,99 m führe, vermag sich das
Gericht dem nicht anzuschließen. Nach der genannten Vorschrift dürfen Garagen ohne Abstandsflächen
oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsflächen gegenüber Grundstücksgrenzen errichtet werden,
wenn sie eine Länge von 12 m an einer Grundstücksgrenze nicht überschreiten. Der Begriff der
Grundstücksgrenze im Sinne dieser Vorschrift bestimmt sich dabei aus der Sicht des jeweiligen
Baugrundstücks, d.h. des Grundstücks, auf dem sich die fragliche Grenzbebauung befindet oder errichtet
werden soll (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2002 - 8 A 10675/02.OVG -). Von daher ist
insoweit nur auf die Länge des Bauvorhabens des Beigeladenen, nicht aber auf die Gesamtlänge der
beidseits der Grundstücksgrenze vorhandenen Bebauung abzustellen.
Des Weiteren können die Antragsteller mit ihrer Berufung auf § 8 Abs. 9 Satz 1a LBauO keinen Erfolg
haben. Diese Bestimmung macht die Errichtung grenzständiger Garagen davon abhängig, dass sie eine
mittlere Wandhöhe von 3,20 m über der Geländeoberfläche nicht überschreiten. Da im vorliegenden Fall -
soweit ersichtlich - eine Festsetzung der Geländeoberfläche in einem Bebauungsplan oder einer
Baugenehmigung nicht erfolgt ist, muss gemäß § 2 Abs. 6 LBauO auf die natürliche, "an das Gebäude"
angrenzende Geländeoberfläche als Bezugspunkt für die Höhenbegrenzung des § 8 Abs. 9 LBauO
abgestellt werden. Kommt es auf die Höhe grenzständiger baulicher Anlagen an, so ist die an die bauliche
Anlage angrenzende Geländeoberfläche zugleich die an der Grenze. Dabei bestimmt sich der Begriff der
Grundstücksgrenze im Sinne der genannten Norm grundsätzlich aus der Sicht des jeweiligen
Baugrundstücks, d.h. des Grundstücks, auf dem die vorliegend fragliche Bebauung errichtet werden soll
(vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2002 - 8 A 10675/02.OVG -, ESOVGRP).
Allerdings ist in der Rechtsprechung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. September 2005 - 8 A
10424/05.OVG -, ESOVGRP, und Beschluss vom 30. August 1996 - 1 B 12387/96.OVG -) anerkannt, dass
im Hinblick auf die Berechnung der mittleren Wandhöhe im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 1a LBauO nicht
stets auf das Höhenniveau des Baugrundstücks abzustellen ist, sondern in solchen Ausnahmefällen die
Geländeoberfläche des Nachbargrundstücks maßgebend ist, in denen aufgrund von Aufschüttungen des
Baugrundstücks an der Grenze auf dieser ein senkrechter Geländeabbruch entstanden ist. Hier gebietet
es der (auch) nachbarschützende Zweck der Abstandsvorschriften regelmäßig, die zulässige Höhe
grenzständiger Anlagen nicht vom erhöhten Grenzniveau des Baugrundstücks, sondern von dem
unveränderten des Nachbargrundstücks zu bemessen, um eine Umgehung der gesetzlichen Regelungen
zu vermeiden.
Vorliegend liegt indessen der umgekehrte Fall vor, in dem auf dem durch Aufschüttung erhöhten
Nachbargrundstück der Antragsteller bereits eine Grenzgarage errichtet wurde, die bezogen auf das
Grundstück des Beigeladenen die mittlere Wandhöhe von 3,20 m überschreitet, und der Beigeladene
nunmehr sein Grundstück aufschütten und auf der Aufschüttung eine grenznahe Garage errichten will. In
diesem Fall führt eine Bebauung auf dem Grundstück des Beigeladenen nicht zu unzumutbaren
Einflüssen auf Belichtung, Belüftung und Besonnung des Nachbargrundstücks der Antragsteller, wenn die
zulässige Höhe einer Grenzbebauung auf dem Grundstück des Beigeladenen auf der Grundlage der von
den Antragstellern vorgenommenen Aufschüttung ihres Grundstücks berechnet wird, denn damit wird
letztlich nur dem vom Gesetzgeber gewollten Grundzustand, dass von einer einheitlichen
Geländeoberfläche auf benachbarten Grundstücken auszugehen ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
28. September 2005, a.a.O.), Rechnung getragen.
Verstößt von daher das Bauvorhaben des Beigeladenen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gegen § 8
LBauO, so kann der Antrag der Antragsteller mit der auf § 154 Abs. 1 VwGO beruhenden
Kostenentscheidung keinen Erfolg haben.
Dabei entspricht es der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen den Antragstellern Partei aufzuerlegen, denn der Beigeladene hat sich durch Stellung
eines eigenen Antrags dem Risiko ausgesetzt, im Falle des Unterliegens gemäß § 154 Abs. 3 VwGO mit
Verfahrenskosten belastet zu werden (vgl. hierzu auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. März
1995 - 8 A 12977/94.OVG -).
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5
und 9.7.1 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs, DVBl. 2004, S.
1525). Dabei sieht die Kammer keine Veranlassung, die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung
nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzulassen, denn die Streitwertfestsetzung hat keine
grundsätzliche Bedeutung.