Urteil des VG Stuttgart vom 14.02.2017

asylg, evangelische kirche, christentum, überzeugung

VG Stuttgart Urteil vom 14.2.2017, A 11 K 6712/16
Leitsätze
1. Hat ein Flüchtling bereits ausreichende Sicherheit vor Verfolgung in einem anderen Staat gefunden, kann er
nicht mehr die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Bundesgebiet beanspruchen.
2. Ein im Laufe des Verfahrens sich widersprechendes oder sich steigerndes Vorbringen spricht gegen die
Glaubhaftigkeit des Vortrags des Asylsuchenden.
3. Bei der Prüfung, ob ein ernst gemeinter religiöser Einstellungswandel vorliegt, kann von einem erwachsenen
Asylbewerber im Regelfall erwartet werden, dass dieser schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den
inneren Beweggründen für die Konversion machen kann und im Rahmen seiner Persönlichkeit und
intellektuellen Disposition mit den Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Tatbestand
1
Der am ...1988 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 30.03.2014 in das
Bundesgebiet ein. Am 16.04.2014 beantragte er die Gewährung von Asyl.
2
Bei der Anhörung in Karlsruhe am 22.04.2014 gab der Kläger an, er habe sich in der Türkei 7 Monate lang
aufgehalten. Von dort aus sei er direkt nach Deutschland geflogen. Mit Schriftsatz vom 24.02.2015 trug der
Kläger vor, seine Konversion habe im Wohnheim zu Problemen geführt. Es sei zu einer Schlägerei
gekommen, als bekannt geworden sei, dass er eine Tätowierung in Form eines Kreuzes auf dem linken Arm
habe.
3
Am 27.03.2016 wurde der Kläger von Pfarrer M in der Evangelischen M Kirche in K u T getauft.
4
Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung in Karlsruhe am 08.07.2016 trug der Kläger vor, im Iran lebten
noch seine Eltern, vier Schwestern und seine Großfamilie. Nach dem Abitur habe er die Universität besucht.
Er habe ein Vordiplom im Bereich Architektur und Graphik. Auf der Oberschule habe er Elektronik gelernt.
Sein Geld im Iran habe er verdient mit der Herstellung und der Montage von Duschkabinen, Saunakabinen
und Sanitärartikeln. Die letzten 3 Jahre, bis auf 15 Tage vor der Ausreise, habe er in der Wohnung seiner
Eltern in Teheran gewohnt. Beim Militärdienst habe er zwei armenische Landsleute kennengelernt. In den
ersten 2 Monaten während der Grundausbildung hätten die beiden die Aufgabe gehabt, den Gebetsraum zu
reinigen, die Zeremonien zu begleiten und sie hätten Notizen bzw. Bücher verteilt. Nach den 2 Monaten sei
er nach Ghom versetzt worden. Nach Ende des Wehrdienstes im Jahr 1389 sei er im Ringen sehr aktiv
gewesen. Er sei auch Mitglied in einem Verein in Teheran gewesen. Im Sommer 1392 habe er eine Person
namens M R kennengelernt, der in der gleichen Gewichtsklasse gewesen und sein Trainingspartner
geworden sei. Nach 6 bis 7 Monaten sei die Freundschaft immer stärker geworden. Sie hätten sich auch
nach dem Training besucht und seien in ständiger Verbindung gewesen. Als er seinen Freund zu einer
islamischen Zeremonie eingeladen habe, habe dieser ihm mitgeteilt, er sei kein Moslem mehr, er würde an
das Christentum glauben. Er habe ihn gefragt, ob er mehr über die Religion erzählen könne. Dann habe sein
Freund ihm einen Film gegeben. Ende 1392 sei er das erste Mal zu einer Sitzung der privaten Gemeinde in
die S Straße eingeladen worden. In den nächsten 2 Monaten habe er diese Gemeinde sieben weitere Male
besucht. Dort seien sehr nette Leute gewesen und es seien Freundschaften entstanden. In der Gemeinde
sei man immer auf das heilige Buch fokussiert gewesen. Eines Tages habe er beruflich als Monteur einen
Auftrag in Esfahan erhalten. Ein Freund der Gemeinde habe ihm jemanden in Esfahan vorgestellt. Diese
Person habe er kontaktiert und dann auch getroffen. Der Bekannte sei auch Christ gewesen. Er (der Kläger)
habe nach Sitzungen gefragt und den Wunsch geäußert, anwesend zu sein. Der Bekannte habe ihm
mitgeteilt, sie seien keine Privatgemeinde, sondern immer im Freien unterwegs. 10 Tage habe er sich in
Esfahan aufgehalten. Während der Sitzung am zweiten Sonntag habe er erfahren, dass M N, ein Freund von
ihm, in Teheran festgenommen worden sei. Er habe auch erfahren, dass die private Gemeinde in Teheran
durchsucht worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei aber nur die Mutter des Hausbesitzers anwesend gewesen.
Seine neuen Freunde in Esfahan hätten ihn gewarnt. Er habe seinen Vater angerufen. Dieser habe ihm
mitgeteilt, es sei nichts geschehen, er brauche kein Angst zu haben. Dann hätten seine neuen Freunde in
Esfahan mit seinem Vater am Telefon gesprochen und ihm mitgeteilt, wie die Sache insgesamt meist ablaufe.
Danach habe sein Vater seine Meinung geändert. Er habe vorgeschlagen, nach Nowshahr in eine
Ferienanlage zu gehen. Hierbei handele es sich um eine Ferienanlage für Angestellte, die bei der Telekom
arbeiteten. Sein Vater habe seinen Aufenthalt dort organisiert. Am nächsten Tag sei er in den Norden des
Iran gefahren. Mit seinem Vater sei er in täglichem Kontakt gewesen. Am zehnten Tag seien zwei Personen
in seinem Elternhaus erschienen und hätten nach ihm gefragt. Sein Vater habe den Personen mitgeteilt,
dass sein Sohn geschäftlich unterwegs sei. Weitere zwei Tage später habe sein Vater die zwei Personen, die
nach ihm gefragt hätten, erneut in ihrem Viertel gesehen. Sein Vater habe ihm vorgeschlagen, den Iran zu
verlassen, mit seinem Reisepass sei dies kein Problem. Der Schlepper habe ihm jedoch mitgeteilt, es sei
riskant, mit dem eigenen Reisepass vom Flughafen auszureisen. Dieser habe ihn auf dem Landweg illegal in
die Türkei gebracht. Während seines Aufenthaltes in der Türkei sei die elterliche Wohnung nachts gestürmt
worden. Seine Eltern hätten unterschreiben müssen, dass sie keine Kenntnis von ihrem Sohn hätten und
der Behörde mitteilen würden, wenn sie Nachrichten von ihm erhielten. 6 Monate habe er in der Türkei
zugebracht. Über das Schicksal der restlichen Gemeindemitglieder sei ihm nichts bekannt. Mit einem
gefälschten israelischen Reisepass sei er von Istanbul nach Frankfurt geflogen. In Deutschland besuche er
jeden Sonntag die Gemeindekirche. Einmal monatlich gebe es Sitzungen mit dem Pastor. Er nehme auch an
den Zeremonien und Festlichkeiten teil. In der Gemeinde in K fühle er sich durch die Stärke seines Glaubens
Gott nah. Er verspüre eine Art von Glück. In Deutschland habe er seine erfolgreichen Zeiten. Er habe eine
Arbeit und könne gut leben. Sein Vater sei sehr herzkrank gewesen. Er habe gebetet. Seine Heilung sei ihm
sehr wichtig. Er sei glücklich, dass er in Deutschland gut leben könne. Früher sei immer eine dritte Person
zwischen Gott und ihm gewesen. Der Zusammenhalt zwischen den Christen sei ihm wichtig und dies habe
er in dieser Form in seinem Heimatland nicht erlebt. In der Kirche könne er beten und äußere seine
Dankbarkeit. Er gehe aber nicht jeden Sonntag in die Kirche. Die monatlich vom Pastor angebotenen Kurse
besuche er. Die Atmosphäre finde er sehr schön. Die anderen Teilnehmer gäben ihm Energie. Seine Taufe sei
in Anwesenheit seiner Freundin erfolgt. Für ihn sei es eine Art Wiedergeburt gewesen.
5
Mit Bescheid vom 10.10.2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag auf
Asylanerkennung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus ab und
stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde
mit einer Ausreisefrist von 30 Tagen die Abschiebung in den Iran angedroht. Das gesetzliche Einreise- und
Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde ausgeführt, das Vorbringen des Klägers sei unsubstantiiert, vage und beruhe auf
Spekulationen. Der Kläger habe den Iran verlassen, ohne einen Anhaltspunkt dafür zu haben, dass gegen
ihn Ermittlungen eingeleitet worden seien. Bei der behaupteten Durchsuchung der elterlichen Wohnung
seien keine Beweismittel gefunden worden.
6
Am 19.10.2016 hat der Kläger Klage erhoben.
7
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.10.2017 aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
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hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen;
10 höchst hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5
oder 7 AufenthG vorliegen.
11 Die Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.
14 In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, im Iran habe er nach dem Abitur zwei Jahre
lang das Studienfach Grafik studiert, das er mit dem Diplom abgeschlossen habe. Er habe im Iran
Duschkabinen und Saunen hergestellt und eingebaut. Monatlich habe er zwischen drei und dreieinhalb
Millionen Tuman verdient. Den Militärdienst habe er von 1387 bis Ende 1389 geleistet. Bis 15 Tage vor
seiner Ausreise habe er in Teheran bei seinen Eltern gewohnt. Seine gesamte Verwandtschaft lebe noch im
Iran. Im Iran sei er im Besitz eines gültigen iranischen Reisepasses gewesen; dieser befinde sich nach wie
vor im Iran. Politisch aktiv sei er nicht gewesen, es habe im Iran auch keine Festnahme gegeben.
15 Zum Ausreisegrund befragt gab der Kläger an, während des Militärdienstes habe er sich mit zwei Personen
angefreundet, die ihren Dienst in der Moschee hätten leisten müssen. Es habe sich um zwei Armenier
gehandelt. Eines Tages hätten sich die beiden mit anderen Personen gestritten. Er sei bei diesem Streit
dazwischen gegangen. Daraufhin habe er eine Strafe von fünf Tage Einzelhaft erhalten. Außerdem habe er
stundenlang um das Militärgelände laufen müssen mit einem Rucksack voller Steine. Diese ungerechte
Behandlung habe seine Sichtweise auf den Islam verändert. Zwei Monate nach Dienstantritt sei er in die
Nähe von Ghom versetzt worden. Nach dem Militärdienst habe er in seinem Beruf gearbeitet und sportlich
sei er als Ringer tätig gewesen. Sein Vater sei Trainer im Verein gewesen. Mit seinem Trainingspartner
namens M habe er dreimal wöchentlich trainiert. Nach sechs Monaten habe er sich mit M angefreundet,
dann habe er ihn auch außerhalb des Trainingsgebäudes getroffen. Er habe festgestellt, dass er und M
weitere Gemeinsamkeiten außer dem Ringen hätten. Nach Rückkehr von einer Mekka-Reise seiner Mutter
habe es eine Feier gegeben, hierzu habe er M eingeladen. M habe eine SMS geschickt, dass er nicht kommen
könne. Eine Woche später habe sich M bei ihm entschuldigt und ihn zu sich nach Hause eingeladen. Dort
habe M ihm seine Freundin vorgestellt. Gemeinsam hätten sie gegessen. Dabei habe M mitgeteilt, dass er
konvertiert und seine Freundin Armenierin sei. Er habe von M mehr über das Christentum wissen wollen.
Ihm habe die ganze Zeit etwas gefehlt, da er ohne Glauben nicht leben könne. Später hätten M und seine
Freundin ihn in einen Hauskreis mitgenommen. Von der Entwicklung der Mitglieder dieses Hauskreises sei er
beeindruckt gewesen. Im Hauskreis sei nicht nur aus der Bibel gelesen worden. Es habe enge
Freundschaften gegeben. Dadurch sei auch bei ihm eine Entwicklung eingetreten. Er habe das Gefühl
gehabt, dass er früher einen falschen Weg eingeschlagen habe. Er habe die Liebe in sich selbst entdeckt und
den Weg der Rettung gefunden. Sieben Mal habe er an Sitzungen des Hauskreises teilgenommen. Dabei
habe er Hoffnung für das Leben geschöpft. Für ihn sei Glaube etwas privates bzw. Intimes. Er wolle
nunmehr etwas Intimes mitteilen. Vor vier Jahren habe er sich ein Kreuz tätowieren lassen. Beruflich habe
er sich dann eine Woche in Esfahan aufhalten müssen. Dies habe er M mitgeteilt. M stamme selbst aus
Esfahan. M habe erklärt, dort seien nette Jungs im Ringverein, er (der Kläger) könne dort auch trainieren.
Über M habe er in Esfahan R kennengelernt. R habe ihn durch die Stadt geführt. Zehn Tage habe er sich in
Esfahan aufgehalten. Am zweiten Sonntag habe R von M einen Anruf erhalten, wonach es in der Gemeinde
in Teheran eine Razzia gegeben habe, M N sei festgenommen worden, M habe fliehen können. Dann habe er
mit seinem Vater Kontakt aufgenommen. Sein Vater habe ihm berichtet, dass es zu Hause eine Razzia
gegeben habe, dabei sei nur seine Mutter anwesend gewesen. Nach einer halben Stunde habe sein Vater
erneut angerufen und mitgeteilt, er habe einen Aufenthalt in Nowshahr organisiert. Sein Vater habe für die
Telekom gearbeitet. In Nowshahr befinde sich eine Unterkunft für Angestellte der Telekom. 15 Tage lang
habe er sich dort aufgehalten. Während dieser Zeit habe er nur mit seinem Vater Kontakt gehabt. Sein Vater
habe ihm in dieser Zeit mitgeteilt, er habe zwei fremde Leute in der Straße beobachtet, die sein Haus
observiert hätten. Außerdem hätten auch zwei Personen zu Hause nach ihm (dem Kläger) gefragt. Sein
Vater habe sich Sorgen gemacht, dass er (der Kläger) bei einer Festnahme wegen seiner Tätowierung
verdächtig sei. Mit Hilfe eines Bekannten seines Vaters sei er in die Türkei gereist. Sechs Monate habe er sich
in der Türkei aufgehalten. In der Türkei habe er das Haus nicht verlassen dürfen. Der Schlepper sei
beauftragt gewesen, ihn nach Kanada zu bringen. 20.000 EUR habe der Schlepper gekostet. Dieses Geld
habe sein Vater direkt an den Schlepper bezahlt. Mit einem israelischem Pass sei er nach Frankfurt geflogen.
In Frankfurt sei ihm der Pass abgenommen worden. Der Schlepper habe ihn von Frankfurt aus in ein Haus in
der Nähe von Mannheim gebracht. Zwei Tage habe er in dem Haus verbracht. Dann sei der Schlepper
verschwunden.
16 Auf Fragen des Gerichts gab der Kläger an, die Tätowierung habe er sich im Iran machen lassen. Seine
Familie habe hiervon Kenntnis erlangt. Sie habe sich nicht hiergegen gewandt. Sein Vater sei nicht religiös.
Zwar sei seine Mutter gläubig, sie habe ihn aber gelassen. An Treffen des Hauskreises in Teheran habe er
erstmals Anfang 1392 teilgenommen. Sie hätten im Hauskreis viel gebetet. Andere Mitglieder des
Hauskreises hätten sich auch missionarisch betätigt. Zwischen acht und zwölf Personen hätten an den
Sitzungen des Hauskreises teilgenommen. Die Treffen hätten in einem Haus in der S Straße oder im Park
stattgefunden. Im Vordergrund habe die Gemeinschaft gestanden. Es sei um gemeinsame Unternehmungen
gegangen. Die Treffen hätten ca. 1 Stunde gedauert. Während dieser Stunde hätten sie gebetet und
versucht, den Zusammenhalt zu verstärken. Auf Vorhalt: Sie hätten auch über Gott gesprochen. Die Gruppe
sei von N geleitet worden. Dieser habe über Gott gesprochen und an ihn seien Fragen gerichtet worden. N
sei kein studierter Theologe gewesen. Die Mitglieder des Hauskreises sei nicht getauft gewesen. Armenier
hätten nicht zum Hauskreis gehört. In Esfahan habe er einmal an einem Hauskreis teilgenommen. M habe
diese Menschen gekannt, weil sie den gleichen Glauben gehabt hätten. Auf Vorhalt: M habe Kontakt zu R
hergestellt. R habe ihn mit zu dem Hauskreis genommen. Der Hauskreis habe sich auch in einem Haus
getroffen, anwesend seien 10 bis 12 Personen gewesen. Als er die Nachricht von R über die Razzia in
Teheran erhalten habe, sei er bei der Arbeit gewesen. Mit dem eigenen Auto sei er nach Nowshahr
gefahren. Im Haus seiner Eltern habe es insgesamt vier Razzien gegeben. Die erste Razzia habe am
gleichen Tag stattgefunden, als es auch eine Razzia gegen den Hauskreis gegeben habe. Drei Personen
hätten an der Haustür seine Mutter nach seinem Aufenthaltsort befragt. Das Haus sei auch durchsucht
worden. Seine Mutter sei aufgetragen worden, ihm mitzuteilen, er solle sich melden. Bei der Durchsuchung
des Hauses sei nichts mitgenommen worden. Die drei anderen Razzien hätten stattgefunden, als er sich
außerhalb Irans aufgehalten habe. Dies habe er per Skype von seinem Vater erfahren. Die erste der drei
Razzien habe am persischen Neujahrsfest stattgefunden. Die Personen hätten nach seinem Aufenthaltsort
gefragt. Gründe seien nicht genannt worden. Seinen Vater hätten sie mitgenommen. Er habe versprechen
müssen, den Aufenthaltsort seines Sohnes mitzuteilen. Eine weitere Razzia habe ca. zwei Monate später
stattgefunden. Seine Eltern hätten sich immer ahnungslos gestellt. Es hätte kein gutes Bild abgegeben,
wenn seine Eltern Nachforschungen über einen Rechtsanwalt angestellt hätten. In der Türkei sei er von
Woche zu Woche vertröstet worden. Es sei nicht geplant gewesen, dass er sich sechs Monate in der Türkei
aufhalte. In der Türkei habe er nicht bleiben können, da es sich um ein islamisches Land handele. Das Haus,
in dem er sich in der Türkei aufgehalten habe, habe er nicht oft verlassen können.
17 Auf Fragen des Gerichts zur Konversion teilte der Kläger mit, im Asylbewerberwohnheim in Deutschland
habe er einen Mann kennengelernt, der ein Kreuz um den Hals getragen habe. Dieser habe ihn zur M Kirche
gebracht. Den ersten Kontakt zur M Kirche habe er im April 2014 gehabt. Die Hinwendung zum
Christentum sei ein Zufall gewesen. Später habe er festgestellt, dass diese Religion seiner Überzeugung
entspreche. Sein neuer Glaube habe sein Leben positiv beeinflusst. Am Islam habe ihm missfallen, dass viele
Pflichten zu erfüllen seien, bevor der Gläubige zu Gott gelange. Die Entscheidung für die Konversion sei
erfolgt, als er sich für die Tätowierung entschieden habe. Die Taufe sei für ihn wie eine Neugeburt; deshalb
habe er sich auch für eine Taufe an Ostern entschieden. Vor der Taufe habe er ein- bis zweimal an
Vorbereitungskursen teilgenommen; Inhalt sei der Ablauf der Taufe gewesen. Außerdem habe er über zwei
Jahre einmal monatlich an einem Alphakurs teilgenommen. Dort sei über den Weg und die Wunder von Jesus
gesprochen worden sowie über die Gemeinschaft. Durch den Alphakurs habe er Geduld und Vergebung
gelernt. Er habe weiter gelernt, Kontakt aufzunehmen und Liebe zu schenken. Weiter sei er zur inneren
Ruhe gekommen. Seit ca. zwei Jahren sei er im Besitz einer persischen Bibel. Die bei der Taufe
vorgenommenen Handlungen bedeuteten Reinigung und Wiedergeburt. Die Taufe sei in deutscher Sprache
erfolgt. Den Taufspruch habe er selbst ausgewählt. Im Nachhinein habe er seinen Vater über die Taufe
informiert, jedoch nicht seine Mutter und seine Geschwister. Der Unterschied zwischen den großen
christlichen Konfessionen bestehe darin, dass katholisch etwas Allgemeines sei, beim Protestantismus es sich
um etwas Korrigiertes handele. Den hierarchischen Aufbau der evangelischen Landeskirche kenne er nicht.
In der Bibel gebe es ein Altes und ein Neues Testament. Im Neuen Testament werde vom Leben Jesu
berichtet. Das Neue Testament hätten sechs Personen geschrieben, unter anderem Matthäus und Johannes.
Kenntnisse zur Bergpredigt habe er nicht. Das Kreuz habe im Christentum die Bedeutung, dass Jesus
Mensch geworden sei, um alle zu retten. Bei der Heiligen Dreifaltigkeit handele es sich um Vater, Sohn und
Heiliger Geist. Die Bedeutung liege darin, dass Gott im Himmel sei, wir seine Söhne seien und nach dem Tod
der Geist zurück zu Gott gehe. Besonders beeindruckt habe ihn in der Bibel die Textstelle, wo eine Frau, die
gesündigt habe, gesteinigt werden sollte. Jesus habe gesagt, alle seien Sünder. Für ihn sei besonders
wichtig, andere nicht zu verurteilen. Christliche Feiertage seien Ostern, Weihnachten, Pfingsten und
Karfreitag. Pfingsten werde sieben Wochen nach Ostern gefeiert. An Pfingsten sei Jesus den Jüngern
erschienen. Martin Luther habe die evangelische Kirche revolutioniert. Im Islam brauche man Mittelsmänner,
um zu Gott zu gelangen. Bei dieser Religion müsse man Angst vor Gott haben. Weiter müsse man
Repressalien befürchten, wenn man nichts Gutes getan habe. Demgegenüber gebe es im Christentum eine
direkte Beziehung zu Gott. Der Mensch werde durch Gott geführt. Der Tod sei Erlösung und ein Christ
brauche keine Angst zu haben. Auf Frage, wie der Kläger seinen christlichen Glauben praktiziere, gab er an,
er habe Vergebung und Liebe gelernt und innere Ruhe gefunden. Er gehe in die Kirche und verhalte sich wie
ein guter Christ. Den Gottesdienst besuche er regelmäßig. In der Kirche gebe es eine Tafel, auf der die
Gebete angezeigt seien, die gesprochen würden. Er wisse dann, worum es gehe. Die Teilnahme am
Gottesdienst, der in deutscher Sprache erfolge, sei ihm wichtig. Stückweise könne er dem Gottesdienst
folgen. Zu Beginn des Gottesdienstes bete der Pfarrer, dann wiederhole die Gemeinde die Gebete,
dazwischen gebe es Klavierstücke und am Ende des Gottesdienstes würden die anstehenden
Veranstaltungen verkündet. Er nehme weiter an der Abendmahlzeremonie, an der Osterveranstaltung und
an jahreszeitlichen Festen teil. An eine Rückkehr in den Iran denke er nicht, deshalb wisse er auch nicht, wie
er seinen neuen Glauben bei einer Rückkehr in sein Heimatland leben würde. Dort sei er in Gefahr und
könne nicht überleben.
18 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Akte der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
19 Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und
entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden
ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
20 Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG.
21 Dem Schutzbegehren des Klägers steht bereits der Grundsatz der Subsidiarität des internationalen
Flüchtlingsschutzes entgegen.
22 Zwar ist die Regelung des § 27 AsylG nicht einschlägig, da diese in Fällen anderweitiger Sicherheit vor
Verfolgung in einem sonstigen Drittstaat nur die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG,
nicht aber die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG ausschließt (vgl. BVerwG, Urt. v.
08.02.2005 - 1 C 29/03 - BVerwGE 122, 376). Auch die Flüchtlingszuerkennung nach § 3 AsylG ist jedoch
vom Grundsatz der Subsidiarität des Konventionsschutzes sowohl im Verhältnis zum Schutz durch den
Staat oder die Staaten der Staatsangehörigkeit des Betroffenen als auch im Verhältnis zum einmal erlangten
Schutz in einem anderen Drittstaat geprägt; der Flüchtlingsschutz vermittelt kein Recht auf freie Wahl des
Zufluchtslandes und insbesondere kein Recht auf freie Wahl eines Zweit- oder Drittzufluchtslandes, sondern
stellt lediglich sicher, dass der Flüchtling nicht in den Verfolgerstaat abgeschoben oder der Gefahr einer
solchen Abschiebung in einem Drittstaat (Kettenabschiebung) ausgesetzt werden darf (vgl. BVerwG, Urt. v.
08.02.2005 - 1 C 29/03 - a.a.O.). Hat der Flüchtling bereits ausreichende Sicherheit vor Verfolgung in einem
anderen Staat gefunden, kann er grundsätzlich nicht mehr die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im
Bundesgebiet beanspruchen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.02.2005 - 1 C 29/03 - a.a.O.; VGH Mannheim, Urt. v.
03.11.2011 - A 8 S 1116/11 - juris -).
23 Der Kläger hat sich eigenen Angaben zufolge nach seiner Ausreise aus dem Iran länger als drei Monate in
der Türkei aufgehalten. Der Grundsatz des non-refoulement gilt auch in der Türkei. Flüchtlinge aus dem Iran,
bei denen Leben oder Freiheit der Person wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit
zu einer bestimmten Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung bedroht sind, erhalten einen zeitlich
befristeten Status für die Dauer des Asylverfahrens. Dieses Verfahren wird weiterhin durch den UNHCR bis
zum erfolgreichen Resettlement in einen Drittstaat durchgeführt. In 51 Städten existieren karitative
Organisationen sowie die „Sozial Solidarity Foundation“, durch die die Flüchtlinge unterstützt werden
können (vgl. zum Ganzen Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Republik Türkei vom 29.09.2015). Bei dieser Erkenntnislage war der Kläger während seines sechsmonatigen
Aufenthalts in der Türkei dort tatsächlich sicher und diese Sicherheit bestünde fort, wenn der Kläger in die
Türkei zurückkehren würde. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts, warum
er nicht in der Türkei geblieben sei, lediglich geantwortet, die Türkei sei ein islamisches Land. Damit stellt der
Kläger nicht in Abrede, dass er in der Türkei vor asylrelevanten Übergriffen tatsächlich sicher war. Es gibt
auch keine Anhaltspunkte, dass der Kläger in die Türkei nicht zurückkehren könnte.
24 Unabhängig hiervon liegen aber auch die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
gemäß § 3 Abs. 1 AsylG nicht vor.
25 Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht
vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu
einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen
Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser
Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 2a), oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen
gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht
zurückkehren will (Nr. 2b).
26 Als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so
gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen,
insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1
Nr. 1 AsylG), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung
der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Nr.
1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Die Maßnahmen im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr.
2 AsylG können Menschenrechtsverletzungen, aber auch Diskriminierungen sein, die für sich allein nicht die
Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen; sie müssen aber in ihrer Gesamtheit eine Betroffenheit
des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im
Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG entspricht (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146,
67).
27 Nach § 3a Abs. 2 AsylG können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u.a. gelten die Anwendung
physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (Nr. 1), gesetzliche, administrative,
polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise
angewandt werden (Nr. 2), unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr.
3), Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder
diskriminierenden Bestrafung (Nr. 4), Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des
Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die
Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Nr. 5) und Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit
anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind (Nr. 6).
28 Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die
den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen
Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler
Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz
vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht
vorhanden ist oder nicht.
29 Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne
einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG geschützten Rechtsguts selbst zielt
(vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146, 67).
30 Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in
seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer
zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung
sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden
Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller festgestellten Umstände bei einem
vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung
hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.11.1991 - 9 C 118/90 - BVerwGE 89, 162 und Urt. v.
20.02.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146, 67).
31 Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden
erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein
ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er
tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen
dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird
(Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU). Zwar bleibt der der Prognose zugrunde zu legende
Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Verfolgung oder einen
ernsthaften Schaden i.S.d. Art. 15 RL 2011/95/EU erlitten hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 5/09
- BVerwGE 136, 377). Hat ein Antragsteller indes bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden
erlitten, für den streitet die widerlegbare tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und
Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU
misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei
(vgl. EuGH, Urt. v. 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u. a., Abdulla-, NVwZ 2010, 505). Dadurch wird der
Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass
sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland
erneut realisieren werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 5/09 - a.a.O.). Die Vermutung nach Art. 4
Abs. 4 RL 2011/95/EU kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die
Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl.
BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 5/09 - a.a.O.). Maßgebend ist, ob stichhaltige Gründe gegen eine erneute
Verfolgung sprechen, die in einem inneren Zusammenhang mit der vor der Ausreise erlittenen oder
unmittelbar drohenden Verfolgung stünde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.2011 - 10 B 32/11 - juris -; VGH
Mannheim, Urt. v. 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris -).
32 Ob ein Verfolgungsgrund zu bejahen ist, ist in einem eigenen Prüfungsschritt zu ermitteln und beurteilt sich
nach den Vorgaben des § 3b AsylG.
33 Nach § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften
Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
34 Es ist Sache des Antragstellers, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss
unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr
unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht. Hierzu gehört, dass der Antragsteller zu den in seine Sphäre fallenden
Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den
behaupteten Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, Urt. v.
22.03.1983 - 9 C 68/81 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44; Urt. v. 24.03.1987 - 9 C 321/85 - NVwZ 1987,
701 und Beschl. v. 19.03.1991 - 9 B 56/91 - NVwZ-RR 1991). Ein im Laufe des Verfahrens sich
widersprechendes oder sich steigerndes Vorbringen spricht gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrags des
Antragstellers; ändert der Antragsteller in einem späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, so muss er
überzeugende Gründe darlegen, weshalb sein früheres Vorbringen falsch gewesen ist (vgl. BVerwG, Urt. v.
12.11.1985 - 9 C 26/85 - juris -; Urt. v. 23.02.1988 - 9 C 32/87 - DVBl 1988, 653 und Beschl. v. 21.07.1989
- 9 B 239/89 - NVwZ 1990, 171; BVerfG, Beschl. v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 - InfAuslR 1991, 94;
Berlit/Dörig/Storey, Glaubhaftigkeitsprüfung bei Asylklagen aufgrund religiöser Konversion oder
Homosexualität, ZAR 2016, 281 ff.).
35 Die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das
Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit - und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit -
des von dem Antragsteller behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft (vgl. BVerwG, Urt. v.
16.04.1985 - 9 C 109/84 - BVerwGE 71, 180 und Urt. v. 12.11.1985 - 9 C 26/85 - InfAuslR 1986, 79).
36 In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben ist dem Kläger nicht aus individuellen Verfolgungsgründen die
Flüchtlingseigenschaft zu zuerkennen. Denn er war zum Zeitpunkt seiner Ausreise keiner anlassgeprägten
Einzelverfolgung ausgesetzt, weshalb ihm die Privilegierung aus Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nicht zu Gute
kommt.
37 Das Gericht konnte aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und des in ihr gewonnenen
Eindrucks von der Person des Klägers nicht die erforderliche volle Überzeugung davon gewinnen, dass die
von ihm behaupteten Vorfluchtgründe der Wahrheit entsprechen. Denn das Vorbringen des Klägers zu den
geltend gemachten Vorfluchtgründen enthält zahlreiche Widersprüche.
38 Im Rahmen der Schilderung des Grundes der Ausreise aus dem Iran teilte der Kläger mit, während des
Wehrdienstes sei er bei einem Streit zwischen zwei Armeniern und anderen Personen dazwischen gegangen
und habe als Strafe fünf Tage Einzelhaft erhalten; außerdem habe er stundenlang um das Militärgelände mit
einem Rucksack voller Steine laufen müssen. Von diesem Geschehen wusste der Kläger bei der Anhörung
beim Bundesamt indes nichts zu berichten. Insoweit handelt es sich um ein gesteigertes Vorbringen, das
zudem im Widerspruch steht zu der weiteren Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er sei im
Iran nicht festgenommen worden.
39 Widersprüche enthält auch das Vorbringen hinsichtlich der behaupteten Zugehörigkeit zu einer privaten
Gemeinde in Teheran. Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung machte der Kläger geltend, er habe das
erste Mal Ende 1392 an einer Sitzung des Hauskreises teilgenommen. Demgegenüber ließ sich der Kläger in
der mündlichen Verhandlung dahin ein, die erstmalige Teilnahme an dem Treffen des Hauskreises sei Anfang
1392 gewesen. Zudem trug der Kläger bei der Anhörung in Karlsruhe vor, er habe seinen Freund M gefragt,
ob er mehr über die Religion erzählen könne und habe von ihm daraufhin einen Film erhalten. Von einem
Film war in der mündlichen Verhandlung jedoch keine Rede mehr.
40 Auch zum angeblichen Geschehen in Esfahan gibt es unterschiedliche Angaben. In Karlsruhe trug der Kläger
diesbezüglich vor, er habe den Bekannten nach Sitzungen des Hauskreises gefragt und den Wunsch
geäußert, anwesend zu sein. Dieser habe erwidert, sie seien keine Privatgemeinde, sondern immer im
Freien unterwegs. Abweichend hiervon machte der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend, in
Esfahan habe er einmal an einem Treffen des dortigen Hauskreises teilgenommen und der Hauskreis habe
sich in einem Haus getroffen. Weiter gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, er habe sich bei der
Arbeit befunden, als er die Nachricht von R über die Razzia in Teheran erhalten habe. Demgegenüber trug
er bei der Vorprüfung in Karlsruhe vor, während einer Sitzung des Hauskreises am zweiten Sonntag habe er
erfahren, dass ein Freund von ihm namens N in Teheran festgenommen und dass die private Gemeinde in
Teheran durchsucht worden sei.
41 Erhebliche Widersprüche enthalten schließlich auch die Angaben des Klägers zu den behaupteten Razzien.
Insoweit trug der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor, im Haus seiner Eltern habe es insgesamt vier
Razzien gegeben und die erste Razzia habe am gleichen Tag stattgefunden, als es auch eine Razzia gegen
den Hauskreis in Teheran gegeben habe. Drei Personen hätten bei der ersten Razzia das Haus seiner Eltern
durchsucht. Im Gegensatz hierzu machte der Kläger beim Bundesamt in Karlsruhe geltend, sein Vater habe
ihm am Tag der Razzia gegen den Hauskreis mitgeteilt, es sei nichts geschehen, er brauche keine Angst zu
haben und erst am zehnten Tag danach seien zwei Personen am Elternhaus erschienen und hätten nach
ihm gefragt. Von einer Hausdurchsuchung war in Karlsruhe nicht die Rede. Zudem berichtete der Kläger in
Karlsruhe lediglich von einer weiteren Razzia in der elterlichen Wohnung während seines Aufenthaltes in
der Türkei; seine Eltern hätten anlässlich dieser Razzia unterschreiben müssen, dass sie keine Kenntnis vom
Aufenthaltsort des Sohnes hätten. Demgegenüber wusste der Kläger in der mündlichen Verhandlung zu
berichten, drei weitere Razzien hätten in der elterlichen Wohnung stattgefunden, als er sich außerhalb
Irans aufgehalten habe. Bei der ersten Razzia sei sein Vater auch mitgenommen worden.
42 Aufgrund dieser aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten hat das Gericht nicht die Überzeugung
gewonnen, dass der Kläger den Iran in einer ausweglosen Lage verlassen hat. Hinzu kommt Folgendes: Der
Kläger ist im Besitz eines gültigen iranischen Reisepasses. Dieser befindet sich nach wie vor im Iran. Der
Kläger hält es nicht für notwendig, sich diesen iranischen Reisepass zusenden zu lassen, um im
Bundesgebiet seine Identität nachzuweisen. Dies berührt in starkem Maße die Glaubwürdigkeit des Klägers
und damit auch die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens.
43 Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Iran auch keine Verfolgung aus religiösen Gründen.
44 Bei der Frage, ob einem Ausländer eine Verfolgung in Form einer schwerwiegenden Verletzung seiner
Religionsfreiheit droht, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
45 Zu den Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit (vgl. Art. 10 Abs. 1 GR-
Charta und Art. 9 EMRK) im Sinne von § 3a AsylG darstellen können, gehören nicht nur gravierende
Eingriffe in die Freiheit des Antragstellers, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern
auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (vgl. EuGH, Urt. v. 05.09.2012 - Rs. C-
71/11 und C-99/11 - NVwZ 2012, 1612; BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146, 67).
Denn vom Schutzbereich der durch § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG geschützten Religionsfreiheit wird auch die in die
Öffentlichkeit wirkende Praktizierung der Religion erfasst einschließlich des Rechts, den Glauben werbend zu
verbreiten und andere von ihm zu überzeugen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23/12 - a.a.O.). Der
Schutzbereich der Religion erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als
auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet; es kommt auf die
Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Gläubigen an, auch
wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende
Glaubensgemeinschaft ist (vgl. EuGH, Urt. v. 05.09.2012 - Rs. C-71/11 und C-99/11 - a.a.O.; BVerwG, Urt. v.
20.02.2013 - 10 C 23/12 - a.a.O.).
46 Allerdings stellt nicht jeder Eingriff in die so verstandene Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung im Sinne
des § 3a Abs. 1 AsylG dar. Zunächst muss es sich um eine Verletzung dieser Freiheit handeln, die nicht durch
gesetzlich vorgesehene Einschränkungen der Grundrechtsausübung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 GRCH
gedeckt ist. Weiterhin muss eine schwerwiegende Rechtsverletzung vorliegen, die den Betroffenen erheblich
beeinträchtigt. Das Verbot der Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich, allein oder in
Gemeinschaft mit anderen, kann eine hinreichend gravierende Handlung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1
AsylG darstellen, wenn der Antragsteller in seinem Herkunftsland tatsächliche Gefahr läuft, verfolgt oder
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Auch der unter
dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung in seinem Herkunftsland
kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146,
67). Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die
Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu erfüllen, hängt von
objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab. Die erforderliche Schwere in objektiver Hinsicht kann
insbesondere erreicht sein, wenn dem Antragsteller durch die Teilnahme an religiösen Riten in der
Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer
unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei
strafrechtsbewehrten Verboten kommt es maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im
Herkunftsland des Ausländers an; denn ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, begründet keine
erhebliche Verfolgungsgefahr. Darüber hinaus ist die im Fall der Religionsausübung drohende Gefahr einer
Verletzung von Leib und Leben sowie der (physischen) Freiheit hinreichend schwerwiegend, um die
Verletzung der Religionsfreiheit als Verfolgungshandlung zu bewerten (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10
C 23/12 - a.a.O.).
47 In subjektiver Hinsicht ist maßgebend, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die
verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar
ist. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des
einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler
Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23/12 -
BVerwGE 146, 67). Es reicht somit nicht aus, dass der Antragsteller eine enge Verbundenheit mit seinem
Glauben hat, wenn er diesen nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung
aussetzen würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23/12 - a.a.O.).
48 Die religiöse Identität als innere Tatsache lässt sich nur aus dem Vorbringen des Antragstellers sowie im
Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen
(vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40/15 - NVwZ 2015, 1678). Dafür ist das religiöse
Selbstverständnis eines Antragstellers grundsätzlich sowohl vor als auch nach der Ausreise aus dem
Herkunftsland von Bedeutung. Beruft sich der Antragsteller auf eine Verfolgungsgefährdung mit der
Begründung, er sei in Deutschland zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten,
muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben (vgl. BVerwG,
Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40/15 - a.a.O.). Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu
der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen
Einstellungswandel und nicht etwa nur deshalb erfolgt, um die Anerkennung als Flüchtling zu erreichen, und
der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Antragstellers prägt. In diesem Zusammenhang
kann von einem Erwachsenen im Regelfall erwartet werden, dass dieser schlüssige und nachvollziehbare
Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion machen kann und im Rahmen seiner
Persönlichkeit und intellektuellen Disposition mit den Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist (vgl.
BVerwG, Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40/15 - NVwZ 2015, 1678).
49 Nach diesen Grundsätzen führt der bloß formal vollzogene Übertritt vom islamischen zum christlichen
Glauben nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen im Falle einer
Rückkehr in den Iran. Dies folgt schon daraus, dass der Übertritt eines Iraners zum christlichen Glauben von
iranischen Stellen als undenkbar angesehen und als im Zusammenhang mit der Aufenthaltsproblematik
stehend beurteilt wird. Die Konversion eines Muslim zum Christentum stellt nach den Maßstäben der
islamischen Religion einen absoluten Tabubruch dar, der jenseits des Vorstellbaren liegt. Es wird daher davon
ausgegangen, dass der Konvertit es mit dem Übertritt nicht ernst gemeint habe und dieser allein der
Förderung des Asylverfahrens dienen sollte (vgl. Deutsches Orient-Institut, Stellungnahmen vom
22.11.2004 an VGH München, vom 06.12.2004 an OVG Bautzen und vom 09.05.2001 an VG Regensburg;
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 12.04.2007 an BAMF; OVG Münster, Beschl. v. 27.08.2012 - 13 A
1703/12.A - juris -).
50 Es bedarf deshalb vorliegend einer Überprüfung, ob die Konversion des Klägers aufgrund einer glaubhaften
Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne eines ernst gemeinten religiösen Einstellungswandels mit
einer identitätsprägenden festen Überzeugung und nicht lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruht.
Der formale, kirchenrechtlich wirksam vollzogene Übertritt zum Christentum in Gestalt der Taufe reicht für
die Gewinnung der Überzeugung, dass der Betreffende die unterdrückte religiöse Betätigung seines
Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, allein nicht aus
(vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40/15 - NVwZ 2015, 1678; OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.09.2014
- 13 LA 93/14 - juris -; OVG Münster, Beschl. v. 27.04.2015 - 13 A 440/15.A - juris - und Beschl. v.
03.11.2014 - 13 A 1646/14.A - juris -; VGH München, Beschl. v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - juris -; VGH
Mannheim, Beschl. v. 23.04.2014 - A 3 S 269/14 - juris -).
51 Nach diesen Grundsätzen ist das Gericht jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht von einer ernsthaften und die religiöse Identität des Klägers
bindend prägenden Hinwendung zur christlichen Religion überzeugt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
52 Eine hinreichend fundierte innere Auseinandersetzung mit dem Christentum konnte der Kläger nicht
darlegen. Es war ihm nicht möglich, in substantieller Weise seine Beweggründe zum Religionswechsel
aufzuzeigen. Danach gefragt antwortete der Kläger, die Hinwendung zum Christentum sei ein Zufall
gewesen. Später habe er festgestellt, dass die neue Religion seiner Überzeugung entspreche. Die Taufe sei
für ihn wie eine Neugeburt. Durch den Glaubenswechsel habe er Vergebung und Liebe erfahren und innere
Ruhe gefunden. Allein die Erkenntnis, dass der christlichen Religion Vergebung und Liebe innewohnt, reicht
zum Beleg einer identitätsprägenden festen Überzeugung nicht aus. Auch soweit der Kläger auf die im
Christentum gewonnene Ruhe abheben, beschreibt dies keinen Grund, der die Wahl des Christentums als
neue Religion rechtfertigt. Die vom Kläger benannten Motive ließen sich auch auf andere, friedlich
orientierte Religionen übertragen. Eine intellektuelle oder auch nur spirituelle Auseinandersetzung, die für
den Kläger ausschließlich zu dem Ergebnis führen konnte, den christlichen Glauben als seine neue Religion
anzuerkennen, ist nicht erkennbar.
53 Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger ein gewisses Grundwissen über das Christentum
erworben hat. Mit dem Begriff „Bergpredigt“ konnte der Kläger nichts anfangen. Er kannte weder den
hierarchischen Aufbau der Evangelischen Landeskirche noch Unterschiede zwischen den großen christlichen
Konfessionen. Die Bedeutung der Dreifaltigkeit war dem Kläger nicht geläufig und er wusste nicht, dass es
lediglich vier Evangelisten ergibt. Mit Pfingsten verbindet der Kläger eine falsche Vorstellung (“Jesus ist den
Jüngern erschienen“), gleiches gilt im Hinblick auf Martin Luther (habe die evangelische Kirche
revolutioniert). Zum Ablauf des evangelischen Gottesdienstes befragt wusste der Kläger nur wenige
Einzelheiten zu benennen; die Verkündigung und das Bekenntnis (Lesung, Predigt, Glaubensbekenntnis,
Vater unser, Friedensgruß und Segen) sind dem Kläger ersichtlich nicht geläufig. Nach allem ist das Gericht
nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich dem Christentum wegen einer tiefen innerlichen Überzeugung
angeschlossen hat.
54 Diese Einschätzung wird auch durch die Angaben des Klägers zu einer Rückkehr in den Iran bestätigt. Das
Gericht hat den Kläger danach befragt, wie er seinen neuen Glauben bei einer Rückkehr in den Iran leben
werde. Auf diese Frage gab der Kläger an, an eine Rückkehr in den Iran denke er nicht, dort sei er in Gefahr
und könne nicht überleben. Konkretere Angaben zur Ausübung des christlichen Glaubens im Iran vermochte
der Kläger nicht zu machen. Eine überzeugende Auseinandersetzung mit einem Leben als Christ im Iran hat
ersichtlich nicht stattgefunden.
55 Im Ergebnis vermag das Gericht in dem vorgetragenen Glaubenswechsel keinen in letzter Konsequenz ernst
gemeinten religiösen Einstellungswandel zu erkennen, der nunmehr die religiöse Identität des Klägers prägt.
Aufgrund des Vorbringens des Klägers zu seiner Konversion in der mündlichen Verhandlung, des Eindrucks,
den er in der mündlichen Verhandlung gemacht hat und im Hinblick auf den widersprüchlichen Vortrag des
Klägers zum Vorverfolgungsgeschehen, der mit der vom Kläger geltend gemachten Wahrheitsliebe nicht zu
vereinbaren ist, konnte das Gericht nicht die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendige
Überzeugungsgewissheit gewinnen, dass er sich aufgrund einer inneren Glaubensüberzeugung dem
Christentum zugewandt hat und dass er nach einer Rückkehr in den Iran eine innere Verpflichtung
empfindet, den christlichen Glauben auch dort zu leben mit der Gefahr, einer menschenrechtswidrigen
Verfolgung ausgesetzt zu sein.
56 Allein die Tatsache, dass der Kläger in Deutschland Asyl beantragt hat, löst noch keine staatlichen
Repressionen nach einer Rückkehr in den Iran aus (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und
abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 09.12.2015). Denn den iranischen
Sicherheitsbehörden ist bekannt, dass Asylbewerber aus dem Iran überwiegend aus anderen als politischen
Gründen versuchen, in Deutschland einen dauernden Aufenthalt zu erreichen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v.
15.04.2015 - A 2 S 1923/14).
57 Auch der mehrjährige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigt nicht die Annahme, die
iranischen Staatsbürger würden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran
staatlichen Repressionen ausgesetzt sein. Zwar kann es bei einer Rückkehr in den Iran in Einzelfällen zu
einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, insbesondere zu
Kontakten während dieser Zeit. Die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen
Inhaftierung einher. Keiner westlichen Botschaft ist aber bislang ein Fall bekannt geworden, in dem
Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren oder psychisch oder physisch
gefoltert wurden. Es gibt derzeit auch keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis (vgl. Auswärtiges
Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom
09.12.2015). Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren
Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier erhalten und in den Iran
zurückkehren. Mit dieser gesetzlichen Wiedereinreise wird die frühere illegale Ausreise legalisiert (vgl.
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
vom 09.12.2015).
58 Umstände, die die iranischen Sicherheitsbehörden dazu veranlassen könnten, den Kläger der politischen
Oppositionsbewegung zuzurechnen und ihn deshalb bei einer Rückkehr in den Iran abweichend von dem
sonst üblichen Verfahren einer verschärften Befragung über die näheren Umstände seiner Ausreise und
seines anschließenden Aufenthalts in Deutschland zu unterziehen, sind nicht geltend gemacht und auch
nicht erkennbar.
59 Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
60 Nach dieser Bestimmung ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die
Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter
Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder
erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens
oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder
innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
61 Bei der Prognose, ob für den Ausländer im Drittstaat die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, ist der Maßstab
der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 5/09 -
BVerwGE 136, 377). Dass sich eine Vielzahl von Personen in derselben Situation befinden können, schließt
die Anwendung des § 4 Abs. 1 AsylG nicht aus.
62 § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG schützt indes nur vor Misshandlungen, die ein Mindestmaß an Schwere
aufweisen. Damit eine Bestrafung oder Behandlung tatsächlich mit den Begriffen unmenschlich oder
erniedrigend verbunden werden kann, müssen die damit verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das
in rechtmäßigen Bestrafungsmethoden enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement
hinausgehen. Kriterien hierfür sind aus allen Umständen des Falles abzuleiten wie beispielsweise aus der Art
der Behandlung oder Bestrafung und dem Zusammenhang, in dem sie erfolgt (vgl. EGMR, Urt. v. 07.07.1989
- 1/1989/161/217 -, Fall Soering, NJW 1990, 2183). Bei der Feststellung ob im Falle einer Abschiebung die
Gefahr einer Misshandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG im Zielstaat besteht, ist sowohl die allgemeine
Lage in diesem Staat als auch die persönliche Situation des Ausländers zu berücksichtigen (vgl. EGMR, Urt.
v. 30.10.1991 - 45/1990/236/302-306 -, Fall Vilvarajah, NVwZ 1992, 869).
63 Anhaltspunkte für das Vorliegen der genannten Voraussetzungen sind mit Blick auf die Ausführungen zur
Flüchtlingszuerkennung nicht ersichtlich.
64 Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5
oder 7 AufenthG. Für die Frage, ob für den Kläger in seinem Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für
Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG besteht, gilt das eben Ausgeführte
entsprechend.
65 Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung entspricht
den gesetzlichen Vorgaben (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG).
66 Auch die verfügte Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ist rechtmäßig. Das
gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist von Amts wegen zu befristen (§
11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die vom Bundesamt ausgesprochene Befristung des Verbots auf 30 Monate ab
dem Tag der Abschiebung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmens,
wonach die Frist fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen
Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung ausgeht. Anhaltspunkte dafür, dass die Frist ermessensfehlerhaft festgesetzt
wurde, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
67 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.