Urteil des VG Stuttgart vom 03.03.2017

grundstück, aufschiebende wirkung, auflösende bedingung, gebäude

VG Stuttgart Beschluß vom 3.3.2017, 2 K 6515/16
Rechtsgedanke der "bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft" im Denkmalschutz
Leitsätze
1. Der Eigentümer eines denkmalgeschützten Gebäudes kann durch die Errichtung eines Vorhabens in dessen
Nähe ausnahmsweise dann in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sein, wenn sich das
Vorhaben auf das Erscheinungsbild des denkmal-geschützten Gebäudes erheblich auswirkt.
2. Der zum Gebietserhaltungsanspruch entwickelte Rechtsgedanke der "bodenrechtlichen
Schicksalsgemeinschaft" ist auf die Konstellation übertragbar, dass das Baugrundstück und das im Eigentum des
Bauherrn stehende Grundstück zu einer denkmalrechtlichen Sachgesamtheit verbunden sind.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 10.10.2016 gegen die Baugenehmigung
des Antragsgegners vom 07.09.2016 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert wird auf 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1 Die Antragsteller wenden sich gegen die den Beigeladenen erteilten Baugenehmi-gung zur Errichtung von
zwei Mehrfamilienhäusern (15 Wohnungen) mit Tiefgarage, sechs offenen PKW-Stellplätzen, Müllraum und
Kinderspielplatz auf dem Grundstück Flst. 186 und 186/5, einer Teilfläche von Flst. 234/1 und 181/6, U-
Straße in E. Ausweislich der Baugenehmigung sollen die Gebäude auf den Flst. 186 und 186/5 errichtet
werden, welche im Eigentum der Beigeladenen stehen. Die Zufahrt zu den Gebäuden verläuft hauptsächlich
über das Flst. 181/6. Sie ist durch entsprechende Baulast der Eigentümerin gesichert. Zu einem kleineren
Teil verläuft die Zufahrt über das Flst. 234/1, welches im Eigentum der Stadt E steht.
2 Die Antragsteller sind seit Juli/August 2016 Eigentümer des östlich an das Baugrundstück angrenzenden
Grundstücks Flst. 186/3, U-Straße in E. Auf dem Grundstück befindet sich eine im Jahr 1900 erbaute Villa
(sog. Villa K.). Das Baugrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Sowohl das Baugrundstück, als auch
das Grundstück der Antragsteller bilden das ehemalige Anwesen der Villa K.. Ausweislich der Liste der
Kulturdenkmale in Baden-Württemberg Teil A 1 ist das auf den genannten Flurstücken befindliche Objekt
„Ehem. Villa K. mit Park, Einfriedung und Zufahrtsbrücke, 1900 von Werkmeister Albert Schönhut,
Göppingen (Sachgesamtheit)“ als Kulturdenkmal im Sinne von § 2 Denkmalschutzgesetz geschützt. Die
Zufahrtsbrücke mit zugehöriger Balustrade befinden sich auf dem Flst. 234/1. Zur Begründung heißt es, an
der Erhaltung des Anwesens bestehe aus wissenschaftlichem, künstlerischen und heimatgeschichtlichen
Gründen ein öffentliches Interesse. Im Einzelnen wird u.a. ausgeführt:
„Der historisierende (wohl
nachträglich) verputzte Fachwerk-Klinkerbau wurde 1900 von dem Göppinger Werkmeister Albert Schönhut
als Villa für den Fabrikanten K. erbaut. Das Gebäude mit mächtigem Dachreiter wird geprägt durch einen
freien Umgang mit historistischen Einflüssen in der Baumassenverteilung und durch ausgeprägte Elemente
des „Schweizerstils“ bzw. altdeutsche Stil- und Differenzierungsvorstellungen. Dieser von künstlerischen
Ambitionen getragene, etwas übersteigerte Mischstil ist charakteristisch für die Zeit um 1900.“
3 Mit Bauvorbescheid vom 05.05.2014 bestätigte der Antragsgegner die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
der Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit Carports und PKW-Stellplätzen auf den Flst. 186 und
186/5, allerdings mit einem erheblich größeren Grenzabstand als das nunmehrige Vorhaben. Der Bescheid
enthält in Ziff. 3 die „auflösende Bedingung“, dass die Bauherrschaft das Grundstück Fst. 234/1 von der
Stadt E erwirbt oder die Stadt E bereit ist, die Überfahrt über ihr Grundstück mittels Baulast sichern zu
lassen. Der Bescheid enthält in Ziff. IV den Zusatz, dass die Geltungsdauer des Bauvorbescheids aufgrund
der auflösenden Bedingung erst dann eintritt, wenn die Bedingung erfüllt ist. Gegen den Bauvorbescheid
hatten die Rechtsvorgänger der Antragsteller zunächst Widerspruch eingelegt, ihn dann aber
zurückgenommen.
4 Am 06.06.2016 beantragten die Beigeladenen beim Antragsgegner die Erteilung einer Baugenehmigung für
die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit 7 bis 8 Wohneinheiten mit Tiefgarage, nunmehr mit einem
Abstand zum Grundstück der Antragsteller von nur noch 3,52 m. Nachdem die Antragsteller das Grundstück
Flst. 186/3 erworben hatten, wurden sie als Angrenzer beteiligt. Mit Schreiben vom 18.08.2016 machten sie
verschiedene Einwendungen gegen das Vorhaben geltend, insbesondere eine Beeinträchtigung ihres
Denkmals und einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
5 Am 07.09.2016 erteilte der Antragsgegner den Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung unter
Gewährung einer Befreiung gem. § 6 Abs. 3 LBO: „Der Abstand der beiden Wohnhäuser zueinander beträgt
weniger als 9,60 m (die Gebäude werden jedoch auf dem gleichen Grundstück auf einer gemeinsamen
Tiefgarage errichtet).“
6 Die Antragsteller haben am 10.10.2016 Widerspruch gegen die ihnen am 09.09.2016 zugestellte
Baugenehmigung eingelegt und am 13.10.2016 den vorliegenden Eilantrag gestellt. Zur Begründung
beziehen sie sich im Wesentlichen auf ihre vorgebrachten Einwendungen und tragen ergänzend vor, durch
die Aufteilung des Anwesens in verschiedene Grundstücke habe sich nichts an der Denkmaleigenschaft des
Parks geändert. Das Grundstück der Antragsteller sei möglicherweise nicht korrekt erschlossen. Die in den
Plänen eingezeichnete Zufahrt zu den Wohngebäuden sei denkmalschutzrechtlich nicht umzusetzen, da
hierzu denkmalgeschützter Baumbestand beseitigt werden müsste. Daher sei zu erwarten, dass die Zufahrt
über die denkmalgeschützte Brücke erfolge. Diese sei jedoch nicht ausreichend sei, um im Brandfall eine
Feuerwehrzufahrt zu sichern. Die 14 Wohnungen in den beiden Gebäudekomplexen entfalteten eine
erdrückende Wirkung und verletzten das denkmalschutzrechtliche Rücksichtnahmegebot. Die
Antragsgegnerin habe die Einwendungen der Antragsteller ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt.
II.
7 Die Anträge der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer Rechtsbehelfe anzuordnen, sind gemäß § 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB, §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO statthaft
und auch sonst zulässig. Insbesondere wurden die Widersprüche gegen den am 09.09.2016 zugestellten
Bescheid binnen Monatsfrist (§ 70 VwVfG) eingelegt. Da der 09.10.2016 auf einen Sonntag fiel, endete die
Frist gem. § 167 Abs. 1 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 188 Abs. 2, 193 BGB erst am 10.10.2016.
8 Die Anträge sind auch begründet. Denn durch Unterlassung der Beteiligung einer Fachbehörde erscheint es
als offen, ob die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende
Vorschriften (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) verstößt, die dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt (vgl. §
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und von ihnen fristgerecht gerügt worden sind (§ 55 Abs. 2 LBO). Das bedarf
einer gründlicheren Prüfung im Hauptsacheverfahren so dass die Vollziehung der Baugenehmigung
auszusetzen ist, um vollendete Tatsachen zu Lasten des Grundstücks der Antragsteller zu verhindern. Die
Möglichkeit der Rechtsverletzung der Antragsteller ergibt sich zwar weder aus Bestimmungen des
Bauplanungsrechts (hierzu 1), noch aus jenen des Bauordnungsrecht (hierzu 2), jedoch aus solchen des
Denkmalschutzrechts (dazu 3.).
9 1. Bauplanungsrechtliche Vorschriften, die dem Schutz der Antragsteller dienen, sind voraussichtlich nicht
verletzt.
10 a) Dies ergibt sich allerdings noch nicht aus dem bestandskräftigen Bauvorbescheid vom 05.05.2014,
welcher die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit
Carports und PKW-Stellplätzen auf den Flst. 186 und 186/5 feststellt. Denn dieser steht gem. Ziff. 3 unter
der Bedingung, dass die Bauherrschaft das Grundstück Fst. 234/1 von der Stadt E erwirbt oder die Stadt E
bereit ist, die Überfahrt über ihr Grundstück mittels Baulast sichern zu lassen. Da diese Bedingung (§ 36
Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) noch nicht eingetreten ist - die Stadt E ist Eigentümerin des Grundstücks, eine Baulast
wurde soweit ersichtlich nicht bestellt - , hat der Verwaltungsakt noch keine innere Wirksamkeit erlangt.
Unschädlich ist hierbei die irrtümliche Bezeichnung als „auflösende Bedingung“. Denn aus Ziff. IV des
Bescheids ergibt sich unzweifelhaft, dass der Bauvorbescheid erst nach Erfüllung der Bedingung gelten
sollte. Da der Bauvorbescheid (noch) keine Regelungswirkung entfaltet, kommt es auch auf die Fragestellung
nicht an, ob die im Vergleich zum Bauvorbescheidsantrag geänderten Planungen des Bauvorhabens vom
Vorbescheid gedeckt sind.
11 b) Ohne Erfolg berufen sich die Antragsteller darauf, das Vorhaben der Beigeladenen füge sich hinsichtlich
des Maßes der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Einer Verletzung des
Erfordernisses des Einfügens hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung kommt nur dann ausnahmsweise
Drittschutz zu, wenn das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist (ständige
Rechtsprechung des BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 – 4 C 22.75 - juris; Urt. v. 05.12.2013 - 4 C 5.12 - juris).
Entscheidend ist dafür, ob es zu einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der
Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1978 – IV C 96/76 -, juris;
Beschl. v. 13.11.1997 – 4 B 195/97 - juris; OVG Lüneburg Beschl. v. 12.03.2009 – 1 LA 184/06 - juris; VGH
München, Urt. v. 17.10.2002 – 15 CS 02.2068 - juris). Eine unzumutbare Beeinträchtigung nachbarlicher
Belange wird in der Rechtsprechung dann angenommen, wenn ein Nachbaranwesen durch die Ausmaße
eines Bauvorhabens geradezu „erdrückt“, „eingemauert“ oder „abgeriegelt“ würde. Dies wird insbesondere
dann angenommen, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden Gebäudes“ aufgrund der
Besonderheiten des Einzelfalles derart übermächtig sind, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück
nur noch überwiegend wie eine von dem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene
baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird, oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht
abriegelt, d.h. dort das Gefühl des Eingemauertseins oder der Gefängnishofsituation hervorruft (vgl.
BVerwG, Urt. v. 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, sog. „Hochhaus-Fall“ - 12-geschossiges Hochhaus neben 2-
geschossiger Bebauung -; OVG NRW, Urt. v. 09.08.2006, - 8 A 3726/05 - juris). Dem Grundstück muss
gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.06.2015 - 8 S 1914/14 -
juris; OVG NRW, Beschl. v. 30.08.2012 - 2 B 983/12 - juris).
12 Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorhaben der Beigeladenen offenkundig nicht. Es ist bereits zweifelhaft,
ob das geplante Vorhaben überhaupt massiver ist, als die im angrenzenden Baugebiet vorhandenen
Gebäude. Denn auf dem an das Bauvorhaben angrenzenden Flurstück 184 (Ulmer Str. 54) befindet sich
bereits eine Autowerkstatt mit Autohaus, welches eine beträchtliche Grundfläche aufweist. Ob sich das
Vorhaben vor diesem Hintergrund in die Umgebung einfügt, kann jedoch offen bleiben. Denn in der hier
gebotenen summarischen Prüfung ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben
eine das Grundstück der Antragsteller geradezu erdrückende Wirkung entfalten könnte. Die Firsthöhe des
geplanten Vorhabens liegt selbst bei Einbeziehung der Solaranlagen (14 m) immer noch bedeutend unter der
Firsthöhe der Villa K., die zudem mit ihrem Dachaufbau das geplante Vorhaben weit überragt. Wie das
Gebäude der Antragsteller durch die wesentlich niedrigeren und in der Grundfläche wohl vergleichbaren
Mehrfamilienhäuser erdrückt werden sollen, erschließt sich der Kammer nicht. Dies gilt umso mehr, als das
Wohnhaus der Antragsteller auf einem weitläufigen Anwesen steht, welches sich allein in südlicher Richtung
30 Meter erstreckt. Dass die beiden Mehrfamilienhäuser angesichts dieser Gesamtsituation den
Antragstellern die Luft zum Atmen nehmen könnte, erscheint geradezu abwegig.
13 c) Die Antragsteller tragen weiter vor, die Erschließung des Baugrundstücks sei nicht gesichert, weil die in
den Plänen vorgesehene Zuwegung denkmalschutzrechtlich nicht umsetzbar sei. Tatsächlich ist aus den
Plänen nicht klar erkennbar, wie die Zuwegung verlaufen soll und ob diese über die historische Brücke führt.
Auch bestehen Zweifel an der ordnungsgemäßen Erschließung, weil die Überfahrt über das im Eigentum der
Stadt E stehende Flst. 234/1 - soweit ersichtlich - nicht mit öffentlich-rechtlicher Baulast oder
privatrechtlicher Grunddienstbarkeit dauerhaft gesichert ist.
14 Dies kann jedoch dahinstehen, denn das Erfordernis der gesicherten planungsrechtlichen Erschließung dient
grundsätzlich nur den öffentlichen Interessen und hat folglich keine nachbarschützende Funktion (vgl.
BayVGH, Beschl. v. 06.02.2017 – 15 ZB 16.398 - juris, Rn. 66). Einem Nachbarn kann daher ein
Abwehrrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG gegenüber einer Baugenehmigung nur dann zustehen, wenn deren
Umsetzung infolge des Fehlens der wegemäßigen Erschließung des Baugrundstücks zur Begründung oder
Ausweitung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB an seinem Grundstück führt und damit gleichsam
im Wege einer „Automatik“ eine unmittelbare Verschlechterung seiner Eigentumsrechte bewirkt, ohne dass
ihm im Übrigen hiergegen ein sonstiger effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht, weil die
Baugenehmigung nach Bestandskraft auch für die Zivilgerichte bindende Wirkung entfaltet (vgl. BayVGH,
Beschl. v. 06.02.2017 – 15 ZB 16.398 – juris, Rn. 67; Nieders.OVG, Urt. v. 21.01.2016 – 1 LB 57/15 – juris,
Rn. 14). Eine solche Situation ist hier für das Grundstück der Antragsteller, das nicht in der
„Einfahrtsschneise“ des Vorhabens der Beigeladenen liegt, offensichtlich nicht gegeben.
15 2. Auch eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauordnungsrechts lässt sich nicht erkennen.
Das Vorhaben der Beigeladenen weist bei 8,8 m Wandhöhe einen Abstand von 3,52 m zur Grenze des
Grundstücks der Antragsteller auf und entspricht damit § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO.
16 3. Es ist aber mindestens offen, ob die Baugenehmigung denkmalschutzrechtliche Vorschriften verletzt, die
ausnahmsweise dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt sind.
17 a) Zwar bedurfte das Vorhaben nicht der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung nach § 15 Abs. 3 DSchG.
Denn nach dieser Vorschrift dürfen bauliche Anlagen in der Umgebung eines eingetragenen Kulturdenkmals
im Sinne von § 12 DSchG, soweit sie für dessen Erscheinungsbild von erheblicher Bedeutung sind, nur mit
Genehmigung der Denkmalschutzbehörde errichtet, verändert oder beseitigt werden. Die Villa K. ist
ausweislich des Auszugs aus der Liste der Kulturdenkmäler kein eingetragenes Kulturdenkmal, sondern
lediglich ein Denkmal im Sinne von § 2 DSchG.
18 b) Deshalb wäre nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG für die Errichtung der Mehrfamilienhäuser auf der
denkmalrechtlich geschützten Parkfläche eine Genehmigung der Denkmalschutzbehörde notwendig, da das
Erscheinungsbild des Kulturdenkmals beeinträchtigt sein könnte. Für diese Genehmigung ist nach § 7 Abs. 4,
§ 3 Abs. 1 Nr. 3 DSchG die untere Baurechtsbehörde - also der Antragsgegner - zuständig. Er hat nach § 3
Abs. 4 DSchG erst nach Anhörung des Landesamtes für Denkmalpflege zu entscheiden. Dass eine solche
Anhörung in Bezug auf das konkret genehmigte Bauvorhaben stattgefunden hat, vermag die Kammer nicht
zu erkennen. Der Antragsgegner hat zwar ausgeführt, dass das Landesamt für Denkmalpflege zum
Bauvorbescheid vom 05.05.2014 gehört worden ist. Diese Anhörung bezog sich jedoch auf eine Planung, in
der das Vorhaben einen Abstand von etwa 12 m zur Villa K. aufwies, während das aktuell genehmigte
Vorhaben bis auf ca. 6 m an das Kulturdenkmal heranrückt. Dieses deutliche Heranrücken stellt einen
wesentlich geänderten Umstand dar, der eine erneute Anhörungspflicht ausgelöst haben dürfte.
19 c) Es lässt sich nicht ausschließen, dass das Landesamt für Denkmalpflege bei einer Beteiligung durch die
Widerspruchsbehörde zu einem anderen Ergebnis kommt. Denn für die Beurteilung der
Genehmigungsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG ist die Schwere der Beeinträchtigung des
Erscheinungsbildes von Bedeutung. Die denkmalschutzrechtliche Genehmigung darf nur dann versagt
werden, wenn die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Kulturdenkmals erheblich ist und
höherrangiges Recht, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, keine abweichende Entscheidung
gebietet. Bei unerheblicher Veränderung des Erscheinungsbildes des Kulturdenkmals besteht hingegen
regelmäßig ein Genehmigungsanspruch (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.09.2011 - 1 S 1070/11 -, juris, Rn. 33;
Urt. v. 23.07.1990 - 1 S 2998/89 - juris). Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt vor, wenn der
Gesamteindruck von dem Kulturdenkmal empfindlich gestört wird. Sie muss - unterhalb der Schranke einer
baurechtlichen Verunstaltung - deutlich wahrnehmbar sein und vom Betrachter als belastend empfunden
werden (VGH Bad.-Württ., a.a.O.). Diese wertende Einschätzung wird zum einen maßgeblich bestimmt vom
Denkmalwert. Danach kann in Relation zur Wertigkeit des Kulturdenkmals die Hinnahme einer
Beeinträchtigung seines Erscheinungsbildes in gewissem Umfang geboten sein. Zum anderen hat die
Entscheidung immer „kategorienadäquat“ zu erfolgen, d. h. sie muss sich - nicht zuletzt zur Wahrung der
durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentümerbefugnisse - an der für das Schutzobjekt maßgeblichen
denkmalrechtlichen Bedeutungskategorie orientieren. Hiernach ist bei einem Kulturdenkmal, an dessen
Erhaltung aus künstlerischen Gründen ein öffentliches Interesse besteht, eine möglichst umfassende und
ungestörte Erhaltung der Identität seiner Substanz und seines Erscheinungsbildes von überragender
Bedeutung; die Schwelle zur belastenden Wirkung, die zur Erheblichkeit der Beeinträchtigung führt, ist hier
tendenziell bald erreicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.09.2011 - 1 S 1070/11 -, juris, Rn. 33). Diese
Maßstäbe gelten auch - wie hier - bei Beeinträchtigung nicht im Denkmalbuch eingetragener
Sachgesamtheiten (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.09.2011 - 1 S 1070/11 -, juris, Rn. 39).
20 Es spricht vieles dafür, dass das Vorhaben der Beigeladenen nach Maßgabe dieser Kriterien nicht
genehmigungsfähig ist, weil es das Erscheinungsbild der Villa K. und der Parkanlage erheblich beeinträchtigt.
Wie sich aus der amtlichen Begründung der Denkmaleigenschaft ergibt, ist die Villa K. als Sachgesamtheit
mit dem Park, der Einfriedung und der Zufahrtsbrücke zu sehen. Es ist davon auszugehen - und muss daher
der ausführlichen Klärung im Widerspruchsverfahren vorbehalten sein -, dass bei einem solchermaßen in die
Parklandschaft eingepflegten Gebäude ein deutlicher Wirkabstand zur Nachbarbebauung eingehalten
werden muss, damit das Kulturdenkmal seine Wirkung entfalten kann. Eine erhebliche Beeinträchtigung
ergibt sich überdies daraus, dass die Zuwegung zum Vorhaben unmittelbar an der historischen Baumgruppe
vorbeiführt und - soweit ersichtlich - die historische Brücke mit der Säulenpergola nutzt bzw. unmittelbar
daran vorbei verläuft. Es ist zu erwarten - und wird deshalb ebenfalls von der Widerspruchsbehörde zu
prüfen sein - , dass die Anlegung einer modernen Zuwegung in unmittelbarer Nähe zur historischen Brücke
den einheitlichen Gesamteindruck des Eingangsbereichs erheblich stören wird. Die Kammer kommt bei einer
summarischen Gesamtbetrachtung zum Ergebnis, dass eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt. Hierfür
spricht insbesondere, dass ausweislich der Begründung der Denkmaleigenschaft die künstlerischen Aspekte
eine tragende Rolle gespielt haben und damit eine niedrige Schwelle zur belastenden Wirkung anzunehmen
ist.
21 d) Die Antragsteller können sich auch auf die Verletzung des § 8 DSchG berufen, denn die Regelung ist im
vorliegenden Fall auch dazu geeignet, dem Schutz ihrer Interessen zu dienen. Zwar bestehen die
denkmalschutzrechtlichen gesetzlichen Anforderungen allein im öffentlichen Interesse. Sie vermitteln einem
Dritten aber insoweit Drittschutz, als der Eigentümer eines Baudenkmals durch die Errichtung eines
Vorhabens in der Nähe seines eigenen Denkmals in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzt
sein kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.4.2009 - 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347; BayVGH, Beschl. v. 04.08.2011 -
2 CS 11.997 - juris, Rn. 4). Dies ist der Fall wenn, - wie hier - sich die Errichtung des Vorhabens auf den
Bestand oder das Erscheinungsbild eines Baudenkmals erheblich auswirkt. Das muss umso mehr gelten, als
der zum Gebietserhaltungsanspruch entwickelte Rechtsgedanke der „bodenrechtlichen
Schicksalsgemeinschaft“ auch dann greifen müsste, wenn - wie hier - das Baugrundstück und das
Grundstück der Antragsteller zu einer denkmalrechtlichen Sachgesamtheit verbunden sind.
III.
22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 u. 3 VwGO. Nachdem die Beigeladenen keinen Antrag
gestellt haben, ist das Gericht gehindert, ihnen Kosten aufzuerlegen; ihre außergerichtlichen Kosten haben
sie freilich selbst zu tragen.
23 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des
Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach dieser Nummer ist bei der Klage eines
Nachbarn gegen eine Baugenehmigung ein Streitwert zwischen 7.500 EUR und 15.000 EUR festzusetzen,
soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Dem folgend gehen die Baurechtssenate
des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg davon aus, dass bei der Klage eines Nachbarn gegen die
Baugenehmigung für ein Ein- oder (kleineres) Mehrfamilienwohnhaus im Hauptsacheverfahren ein
Streitwert von 10.000 EUR festzusetzen ist (Beschl. v. 13.08.2014 - 8 S 979/14 - ZfBR 2014, 704; Beschl.
v. 27.08.2014 - 3 S 1400/14 - juris). Da die angefochtene Genehmigung zwei (große) Mehrfamilienhäuser
umfasst, beträgt der Wert hier 30.000 EUR. Da sich die Antragsteller gegen die Errichtung, nicht nur die
Nutzung des Vorhabens wenden, wir die Hauptsache faktisch vorweggenommen, so dass keine Reduzierung
dieses Werts nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs in Betracht kommt.