Urteil des VG Stuttgart vom 20.02.2017

aufschiebende wirkung, treu und glauben, soziale einrichtung, befreiung

VG Stuttgart Beschluß vom 20.2.2017, 2 K 6115/16
Leitsätze
1. Eine in einem eingeschränkten Gewerbegebiet im Wege einer Befreiung zugelassene Flüchtlingsunterkunft
kann gegenüber Gewerbelärm keinen weitergehenden "Schutzgrad" fordern, als die Einhaltung der in einem
eingeschränkten Gewerbegebiet geltenden Lärmrichtwerte, die dem eines Mischgebiets entsprechen.
2. Zur Bestimmtheit einer Baugenehmigung.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1 Der Antragsteller wendet sich gegen die der Beigeladenen vom Antragsgegner erteilte Baugenehmigung
vom 08.09.2016 für „Umbau und Nutzungsänderung des bestehenden Büro- und Fertigungsgebäudes in
eine Einrichtung für soziale Zwecke (Gemeinschaftsunterkunft), Neubau von Sozial- und Büroräumen mit
Garage (befristet auf 10 Jahre“ in der H-Straße 6, Flst-Nr. .../6, auf der Gemarkung L. Der Antragsteller ist
Eigentümer des sich nördlich anschließenden Grundstücks O-Straße 16, Flst-Nr. .../7, auf dem er eine im Jahr
1989 genehmigte Schlosserei betreibt. Als Betriebsinhaber wohnt er zudem auf dem Grundstück. Auf dem
Baugrundstück ist bislang ein Büro- und Fertigungsgebäude errichtet. Beide Grundstücke liegen im
Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet O-Straße - 4. Änderung des Bebauungsplans N.“ der
Gemeinde L: vom 12.02.1985 (im Folgenden: Bebauungsplan „Gewerbegebiet O-Straße“). Dieser setzt für
beide Grundstücke u.a. ein „Gewerbegebiet beschränkt - es sind nur Gewerbebetriebe zulässig, die das
Wohnen nicht wesentlich stören" fest und lässt alle Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 BauNVO (1977) zu.
2 Die Beigeladene beantragte beim Landratsamt im Juni 2016 die Genehmigung des Vorhabens, das
bestehende Büro- und Fertigungsgebäudes umzubauen und es künftig als Unterkunft für Flüchtlinge zu
nutzen, sowie den Neubau dazugehöriger Sozial- und Büroräumen mit Garage. Mit Schreiben vom
11.07.2016 erhob der Antragsteller Einwendungen gegen das geplante Vorhaben, insbesondere zur
Unwirksamkeit des Bebauungsplanes und dazu, dass das geplante Vorhaben gegenüber seinem Betrieb
deswegen rücksichtslos sei, da dieser eine Genehmigung zur Abstrahlung ganz erheblichen Lärms besitze.
3 Mit Bescheid vom 08.09.2016 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die beantragte Genehmigung
unter Gewährung einer - nicht näher bezeichneten - Befreiung von den Festsetzungen des
Bebauungsplanes zur Art der baulichen Nutzung. Mit Schreiben selben Datums wies es die Einwendungen
des Antragstellers zurück und führte dabei unter anderem aus, der Bebauungsplan sei rechtmäßig und die
Voraussetzungen zur Erteilung einer Befreiung für das Vorhaben nach § 246 Abs. 10 BauGB lägen vor, „da
die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Belange mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. … Der
Betrieb … ist bereits durch das auf der gegenüberliegenden Seite liegende Allgemeine Wohngebiet deutlich
eingeschränkt und darf bereits aus Rücksicht auf den Gebietscharakter in der Umgebung weniger
Emissionen erzeugen, als auf Grund der Lage in einem uneingeschränkten Gewerbegebiet möglich wäre.
Aus diesem Grund wird der Betrieb durch die Unterkunft nicht weiter eingeschränkt als bisher“.
4 Mit Schreiben vom 19.09.2016 erhob der Antragsteller Widerspruch.
5 Am 28.09.2016 hat er beim Verwaltungsgericht beantragt, dessen aufschiebende Wirkung anzuordnen. Zur
Begründung macht er im Wesentlichen geltend, der Bebauungsplan sei wegen eines Verstoßes gegen den
Typenzwang der Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung unwirksam. Deswegen und wegen fehlender
Berücksichtigung der konkret genehmigten Lärmsituation sei das Befreiungsermessen nach § 246 Abs. 10
BauGB fehlerhaft ausgeübt worden. Zudem sei die Baugenehmigung zu unbestimmt.
II.
6 Der Antrag des Antragstellers ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB, §§ 80
Abs. 5, 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO statthaft und auch sonst zulässig.
7 Er ist jedoch unbegründet. Das Interesse des Antragstellers, von der Schaffung vollendeter Tatsachen vor
Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines eventuell folgenden Klageverfahrens verschont zu bleiben,
überwiegt nicht das Interesse der Beigeladenen an der umgehenden Durchführung des Bauvorhabens. § 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO ermächtigt das Gericht nur dann zur Aufhebung eines Verwaltungsakts (wie hier einer
Baugenehmigung), wenn er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Daraus folgt für den
gegen die Erteilung einer Baugenehmigung gerichteten Eilantrag eines Nachbarn zweierlei: Das Gericht
kann die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs des Nachbarn nur anordnen, wenn die
Baugenehmigung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende
Vorschriften (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) verstößt, die gerade dem Schutz dieses Nachbarn dienen sollen und
von ihm fristgerecht geltend gemacht worden sind (§ 55 Abs. 2 Satz 2 LBO). Ob die Baugenehmigung gegen
sonstige Vorschriften verstößt, ist schon nicht zu prüfen.
8 Nach diesen Maßgaben lässt sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung eine rechtzeitig
gerügte Verletzung der Rechte des Antragstellers durch die angefochtene Baugenehmigung nicht
hinreichend erkennen. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit leidet diese nicht an mangelnder Bestimmtheit zu
seinen Lasten (1.) und verletzt weder seinen Gebietserhaltungsanspruch noch ist sie ihm gegenüber
rücksichtslos (2.).
9 1. Die mangelnde Bestimmtheit einer Baugenehmigung (§ 37 LVwVfG) kann ein Angrenzer im
Einwendungsverfahren nicht rügen, weil sie ihm noch nicht vorliegt, so dass er mit dieser Rüge in keinem
Fall nach § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO ausgeschlossen sein kann. Die Baugenehmigung ist aber nach der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als antragsbedürftiger Verwaltungsakt nach Inhalt und
Umfang bestimmt auch durch den Bauantrag und die mit ihm einzureichenden Bauvorlagen, sofern die
Baugenehmigung selbst keine entsprechenden Maßgaben enthält (Urt. v. 25.10.2002 - 5 S 1706/01 - juris
u.v. 09.02.1993 - 5 S 1650/92 - BRS 55 Nr. 193). Dabei ist es im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des §
37 Abs. 1 LVwVfG ausreichend, wenn sich der Regelungsgehalt der Baugenehmigung aus den gesamten
Umständen, insbesondere nach dem Bauantrag und den vorgelegten Bauvorlagen, im Wege einer an den
Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung ermitteln lässt. Das ist hier der Fall, da die
Baubeschreibung (Anlage 6 der Bauvorlagen) etwa die maximale Belegungszahl benennt.
10 2. Dem Antragsteller steht gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen kein Abwehrrecht auf Grund seines
Gebietserhaltungsanspruchs zu; sie erweist sich auch nicht als ihm gegenüber rücksichtlos.
11 Der “Gebietserhaltungs”- oder “Gebietsbewahrungsanspruch” gibt den Eigentümern von Grundstücken in
einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet (§ 1 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 BauNVO)
das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu
setzen. Seine Verletzung kann ein Nachbar daher unter Berufung auf seinen Gebietserhaltungsanspruch
rügen, ohne unzumutbare Auswirkungen geltend machen zu müssen (BVerwG, Beschl. v. 27.08.2013 - 4 B
39.13 - BauR 2013, 2011; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.06.2016 - 5 S 634/16 - BauR 2016, 1738). Das
Vorhaben der Beigeladenen verletzt aber den Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers voraussichtlich
nicht, weil es im wirksam festgesetzten eingeschränkten Gewerbegebiet (dazu a) durch die rechtmäßig
erteilte Befreiung nach § 246 Abs. 10 BauGB (dazu b) zulässig ist.
12 a) Die planungsrechtliche Beurteilung der zulässigen Art der baulichen Nutzung des Vorhabens der
Beigeladenen richtet sich hier nach § 29 Abs. 1, § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. dem Bebauungsplan
„Gewerbegebiet O-Straße“ vom 12.02.1985. In Nr. 1.1 seines Textteils setzt er ein „Gewerbegebiet
beschränkt - es sind nur Gewerbebetriebe zulässig, die das Wohnen nicht wesentlich stören" fest und lässt
alle Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 BauNVO (1977) zu.
13 aa) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist diese Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung nicht
unwirksam. Sie verstößt mitnichten gegen den „Typenzwang“, d.h. das Verbot für den kommunalen
Satzungsgeber, beliebige Festsetzungen zu erfinden (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -
BVerwGE 94, 151). Er muss sich stattdessen im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben durch das
Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung halten. Das hat die Gemeinde L. bei der Festsetzung von
Nr. 1.1. des Textteils aber auch getan. Denn sie hat von der Ermächtigung des § 1 Abs. 5 BauNVO Gebrauch
gemacht und die in § 8 BauNVO vorgesehene Regelform eines Gewerbegebiets eingeschränkt, ohne die
allgemeine Zweckbestimmung eines Gewerbegebiet (§ 8 Abs. 1 BauNVO) in unzulässiger Weise aufzugeben
(vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Festsetzung bereits BVerwG, Beschl. v. 15.04.1987 - 4 B 71.87 - NVwZ
1987, 970).
14 bb) Auch die Rügen von Verfahrensmängeln des Bebauungsplans durch die Antragstellerin im
Parallelverfahren greifen nicht durch.
15 In einem somit wirksam festgesetzten (eingeschränkten) Gewerbegebiet sind allerdings
Flüchtlingsunterkünfte als soziale Einrichtung mit wohnähnlichem Charakter weder regelmäßig noch - nach
überwiegender Auffassung - ausnahmsweise zulässig. An Letzterem mag in einem eingeschränkten
Gewerbegebiet bereits zu zweifeln sein.
16 b) Das Landratsamt hat der herrschenden Auffassung, wonach Flüchtlingsunterkünften in einem
Gewerbegebiet auch als Ausnahme nicht zugelassen sind, aber durch Erteilung einer auf die erst im Jahr
2014 in das Gesetz eingefügten Bestimmung des § 246 Abs. 10 BauGB gestützten Befreiung Rechnung
getragen, was nicht zu beanstanden sein dürfte. Nach dieser Bestimmung kann in Gewerbegebieten für
Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder
Asylbegehrende bis Dezember 31.12.2019 von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden,
wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein
zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen
vereinbar ist; das Einvernehmen der Gemeinde ist erforderlich.
17 An der Verfassungskonformität dieser Norm hat die Kammer - schon auf Grund ihrer Befristung - keine
durchgreifenden Zweifel. Sie ist auch, soweit ersichtlich, bislang von keinem Gericht in Frage gestellt
worden, insbesondere auch nicht vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Die tatbestandlichen
Voraussetzungen der Norm liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit vor (aa). In einem solchen Fall ist das
Befreiungsermessen reduziert (bb).
18 aa) Wie dargelegt, besteht für das Baugrundstück die wirksame Festsetzung eines Gewerbegebiets mit der
ausnahmsweisen Zulässigkeit sozialer Einrichtungen. Die Gemeinde hat ihr Einvernehmen - trotz Äußerung
erheblicher Bedenken - erteilt. Auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen dürfte das Vorhaben der
Beigeladenen mit öffentlichen Belangen vereinbar sein.
19 (1) Im Gegensatz zur allgemeinen Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB ist für die Prüfung der
Zulässigkeit der Befreiung nach § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB die Frage, ob das Vorhaben gegen die
Grundzüge der Planung verstößt, nicht Prüfungsgegenstand; gerade von diesem Erfordernis soll befreit
werden (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 11.03.2015 - 8 S 492/15 - VBlBW 2015, 521).
20 (2) Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt voraussichtlich auch nicht gegen das im Merkmal der
„Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthaltene Gebot der Rücksichtname gegenüber dem Antragsteller.
Das Gebot der Rücksichtnahme ist zwar unter anderem auf die wechselseitige Vermeidung oder Minderung
von Immissionskonflikten angelegt. Bei einem zu bestehender Bebauung hinzutretenden Vorhaben sind
daher nicht nur die von diesem hervorgerufenen Immissionen zu prüfen, sondern es ist ebenso zu
untersuchen, welchen Immissionen es seinerseits von einer vorhandenen Anlage ausgesetzt ist (vgl. § 15
Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO, der einen allgemeinen Rechtsgrundsatz enthält). Das hat vor allem zu gelten,
wenn - wie hier - eine immissionssensible Bebauung an einen bestehenden bestandsgeschützten
emittierenden Gewerbebetrieb "heranrückt" (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.03.1984 - 4 B 171.83 - NVwZ
1984, 646; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.01.1992 - 3 S 2474/91 - juris). Ein an einen bestehenden
bestandsgeschützten Gewerbebetrieb heranrückendes Vorhaben kann "rücksichtslos" sein, wenn seine
Zulassung geeignet ist, erstmalige oder weitergehende immissionsschutzrechtliche Auflagen von gewissem
Gewicht für den bestehenden Gewerbebetrieb auszulösen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.11.1985 - 4 B 202.85
- NVwZ 1984, 646; stattgebender Beschluss der Kammer vom 17.11.2016 - 2 K 7147/16 - in einem anderen
Verfahren gegen das Landratsamt Esslingen). Das lässt sich hier jedoch nicht ausreichend erkennen.
21 Nach der Rechtsprechung des fünften Senats des Verwaltungsgerichtshofs besitzt eine
Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber, die auf Grund der Befreiung nach § 246 Abs. 10 BauGB in einem
Gewerbegebiet zulässig ist und dort zugelassen wird, nur den Schutzgrad einer dort nach § 8 Abs. 3 Nr. 1
BauNVO ausnahmsweise zulässigen Wohnung für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für
Betriebsinhaber und Betriebsleiter (VGH Bad-Württ., Beschl. v. 11.10.2016 - 5 S 605/16 - BauR 2017, 79,
juris Rn. 33; so auch VG Ansbach, Urt. v. 29.06.2016 - AN 9 K 15.01348 - juris).
22 Für eine in einem eingeschränkten Gewerbegebiet zugelassene Unterkunft dürfte zwar gelten, dass sie
immerhin den in dieser Gewerbegebietsform geltenden „Schutzgrad“, d.h. die Einhaltung der für ein
Mischgebiet geltenden Richtwerte, fordern kann (vgl. zur Geltung der Richtwerte für ein Mischgebiet in
einem eingeschränkten Gewerbegebiet VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.10.2015 - 10 S 1773/15 - VBlBW
2016, 192; Beschl. v. 15.04.2014 - 8 S 2239/13 - NVwZ-RR 2014, 632). Doch auch dann hat der
Antragsteller keine weitergehenden Beschränkungen als bisher zu befürchten.
23 Er geht zwar davon aus (vgl. Seite 5 seiner Antragsschrift), ihm sei baurechtlich das Einwirken auf andere
Grundstücke mit bis zu 85 dB(A) gestattet worden. Dies ist entweder ein fundamentaler Irrtum oder eine
befremdliche Täuschung des Antragstellers. Denn die in Nr. 2 der Auflagen zu seiner Baugenehmigung vom
15.11.1989 genannten Beurteilungspegel betreffen lediglich die Werte zum Schutz seiner Arbeitnehmer
innerhalb ihrer Arbeitsräume. Zutreffender Weise hat die Baurechtsbehörde in Nr. 3 der Auflagen zur
Baugenehmigung des Antragstellers die Einwirkung durch den Antragsteller auf andere Grundstücke im
eingeschränkten Gewerbegebiet auf die Immissionsrichtwerte für Mischgebiete begrenzt. Der Antragsteller
verkennt also seine schon bislang bestehenden erheblichen Immissionsbeschränkungen. Dass eine in der
Nachbarschaft umgenutzte/errichtete Flüchtlingsunterkunft geringere Lärmimmissionen als die für ein
Mischgebiet geltenden Richtwerte verlangen könnte, ganz ungeachtet dessen, wie ihre Fenster ausgerichtet
sind, ist in keiner Weise ersichtlich. Letztlich nimmt das auch der Antragsteller an, da er viel Mühe darauf
verwendet, die Unwirksamkeit des Bebauungsplans herauszustellen, was unnötig wäre, wenn die
Flüchtlingsunterkunft ein höheres Schutzniveau als das eines Mischgebiets beanspruchen könnte.
24 bb) Liegen somit die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Befreiungserteilung aller Voraussicht nach
vor, ist das Befreiungsermessen des § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB auf Null reduziert (VGH Bad.-Württ.,
Beschl. v. 11.03.2015 - 8 S 492/15 - juris Rn. 20) und kommt es daher auf die - in der Tat erschreckend
defizitären - Ausführungen des Landratsamts nicht an (die Baugenehmigung benennt die Befreiungsnorm
nicht, die Begründung in der Zurückweisung der Nachbareinwendungen stellt fälschlich auf das nahe
Wohngebiet ab, eine Erwiderung wurde verweigert …).
III.
25 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit, dem Antragsteller
die außergerichtliche Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, denn diese hat mangels Antragstellung kein
Kostenrisiko auf sich genommen (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
26 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des
Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (15.000 EUR). Eine Reduzierung nach Nr. 1.5
Satz 1 des Streitwertkatalogs scheidet aus, da sich der Antragsteller nicht nur gegen die Umnutzung des
vorhandenen Gebäudes gewendet hat, sondern auch die Errichtung der zusätzlichen suspendieren wollte,
so dass eine weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache eingetreten wäre.