Urteil des VG Stuttgart vom 27.10.2016

öffentliche sicherheit, zugang, überwiegendes öffentliches interesse, polizei

VG Stuttgart Urteil vom 27.10.2016, 14 K 4920/16
Zum Anspruch auf Zugang zu Rahmenbefehlen und Gefährdungslagebildern zu Stuttgart 21
Leitsätze
Polizeiliche Rahmenbefehle und Gefährdungslagebilder zu Stuttgart 21 sind keine Umweltinformationen im
Sinne des Umweltverwaltungsgesetzes.
Die Bekanntgabe der polizeilichen Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 hätte nachteilige
Auswirkungen auf bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
UVwG und auf Belange der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 LIFG.
Zum Begriff der Weiterverwendung im Sinne des Informationsweiterverwendungsgesetzes.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt den Zugang zu Umweltinformationen.
2 Mit Schreiben vom 29.05.2014 an das Landeskriminalamt Baden-Württemberg beantragte der Kläger gemäß
der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG vom 28.01.2003 (UIRL) und dem
Landesumweltinformationsgesetz vom 07.03.2006 (LUIG) i. V. m. dem Umweltinformationsgesetz vom
22.12.2004 (UIG) den Zugang zu sämtlichen Rahmenbefehlen und Gefährdungslagebildern, welche zu
Stuttgart 21 dort vorhanden sind.
3 Das Landeskriminalamt bat den Kläger mit Schreiben vom 18.06.2014 um Klarstellung und Präzisierung,
welche Rahmenbefehle und Gefährdungslagebilder zu Stuttgart 21 von seinem Antrag umfasst sein sollten
und wies darauf hin, dass der Antrag nicht hinreichend bestimmt sei. Hierauf erwiderte der Kläger unter
dem 06.07.2014, es sei unmissverständlich zu erkennen, zu welchen Informationen er Zugang wünsche.
4 Mit Bescheid vom 07.10.2014 lehnte das Landeskriminalamt den Antrag des Klägers mit der Begründung ab,
dass er keinen Anspruch auf Zugang zu den vorhandenen Gefährdungslagebildern und Rahmenbefehlen zu
Stuttgart 21 habe. Diese stellten keine Umweltinformationen im Sinne des § 3 Abs. 1 LUIG i. V. m. § 2 Abs. 3
UIG dar und wirkten sich auch nicht auf Umweltbestandteile aus. Die Dokumente beinhalteten lediglich
Informationen über die polizeiliche Arbeit und Vorgehensweise. Diese Informationen stellten auch keine
Maßnahmen oder Tätigkeiten gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG dar, welche sich auf Umweltbestandteile der Nr. 1
auswirkten oder wahrscheinlich auswirken würden. Der Umstand, dass die Unterlagen Angaben zu
Polizeieinsätzen auf Grünflächen etc. beträfen, führe nicht automatisch zu einer Wechselwirkung oder
einem Wirkungszusammenhang zwischen den Gefährdungslagebildern bzw. Rahmenbefehlen und den
Umweltbestandteilen nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG. Das Gesetz bezwecke kein allgemeines und unbegrenztes
Zugangsrecht zu allen bei Behörden verfügbaren Informationen, die auch nur den geringsten Bezug zu
einem Umweltgut aufwiesen. Selbst wenn man die streitgegenständlichen Unterlagen unter die
Begrifflichkeit der Umweltinformationen subsumiere, müsse der Informationsanspruch jedoch aufgrund von
Geheimhaltungsinteressen verneint werden.
5 Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 04.11.2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus,
dass sämtliche Informationen mit Bezug zu Stuttgart 21 Umweltinformationen darstellten, insbesondere die
Rahmenbefehle und die Gefährdungslagebilder. Bei der Planung und Ausführung des Projekts Stuttgart 21
handele es sich um eine Tätigkeit, die unter die Umweltinformationsrichtlinie zu subsumieren sei. Ferner
seien die Gefahrenbehauptungen nicht nachvollziehbar und es müsse jeweils für jede verweigerte
Information eine konkrete und schwere Gefährdung der Grundinteressen der Gesellschaft prognostisch
belegt werden.
6 Mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2015 - zugestellt am 11.02.2015 - wies das Landeskriminalamt den
Widerspruch des Klägers zurück (Ziffer 1) und setzte für den Widerspruchsbescheid eine Gebühr von 200,00
EUR fest (Ziffer 3). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf
Zugang zu den beim Landeskriminalamt vorhandenen Gefährdungslagebildern und Rahmenbefehlen zu
Stuttgart 21. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 UIG lägen nicht vor. Die Gefährdungslagebilder
und Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 stellten keine Umweltinformationen i. S. d. § 3 Abs. 1 LUIG i. V. m. § 2
Abs. 3 UIG dar. Umweltinformationen seien unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über den
Zustand von Umweltbestandteilen. Die Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle enthielten Informationen
über die polizeiliche Vorgehensweise. Es würden keine Angaben über Bestandteile wie z. B. Luft,
Atmosphäre, Wasser, Boden etc. gemacht. Naturrechtliche Erwägungen und Ausführungen würden nicht
von den streitgegenständlichen Unterlagen erfasst. Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle zu Stuttgart
21 könnten auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG unter die Begrifflichkeit einer Maßnahme oder Tätigkeit,
welche sich auf Umweltbestandteile auswirke oder den Schutz von diesen bezwecke, subsumiert werden.
Aber auch wenn sich die Planung und Ausführung des Projektes Stuttgart 21 unter das Merkmal der
Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG erfassen ließen, unterfielen die streitgegenständlichen Unterlagen nicht
der Auskunftspflicht. Der aus der Umweltinformationsrichtlinie übernommene Sammelbegriff der „Tätigkeiten
oder Maßnahmen“ sei nach dem Sinn und Zweck des Umweltinformationsgesetzes weit auszulegen.
Zwischen Bürger und Staat solle in Sachen Umweltschutz Transparenz gewahrt werden. Es werde jede
Tätigkeit einer Behörde erfasst, die dem Schutz der Umwelt diene. Entscheidend sei, dass sich die
Maßnahme bzw. das Vorhaben auf Umweltbestandteile oder Umweltfaktoren auswirken oder wahrscheinlich
auswirken könne. Dabei werde nicht unterschieden zwischen unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen.
Das Kriterium der Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit habe keinen Eingang in die
Umweltinformationsrichtlinie gefunden und sei zur Abgrenzung einer Umweltinformation von anderen,
einem Antragsteller nicht zustehenden Informationen in der Sache untauglich. Der
Planfeststellungsbeschluss zu Stuttgart 21 enthalte umfangreiche naturrechtliche Erwägungen. Ferner seien
Auswirkungen auf Umweltbestandteile oder Umweltfaktoren gegeben. Indes unterfielen
Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle nicht der Auskunftspflicht, da diese nicht in dem von der
Rechtsprechung geforderten Zusammenhang mit der Tätigkeit nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG stünden. Sie seien
nicht Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses zu Stuttgart 21. Inhaltlich umfassten die
Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 Informationen über die Komplexe aktuelle Lage,
Gefährdungsbewertungen, Informationen über laufende Ermittlungen, Informationen über durch die Polizei
als „gefährdet“ eingestufte Objekte und Personen sowie Leitlinien („Einsatzphilosophie“). Im Kern würden
die Grundzüge der polizeilichen Herangehensweise festgelegt, um insbesondere solche Gefahren für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, die im Zuge der Durchführung des Projektes Stuttgart 21
auftreten könnten. Dies erfolge durch eine Darlegung und Bewertung der besonderen Gefährdungslage.
Erwägungen naturrechtlicher Art seien gerade nicht Bestandteil. Grundsätzlich obliege der Polizei auch
keine materielle Prüfungspflicht im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der zu Grunde liegenden
Planfeststellungsbeschlüsse oder sonstiger Genehmigungsfälle. Ein allgemeines und unbegrenztes
Zugangsrecht zu allen bei den Behörden verfügbaren Informationen, die auch nur den geringsten Bezug zu
einem Umweltgutachten aufwiesen, hätte der Gesetzgeber weder mit der alten noch mit der neuen Fassung
des § 2 Abs. 3 UIG bezweckt. Der Informationsanspruch sei auch aufgrund von § 3 Abs. 1 LUIG i. V. m. § 8
Abs. 1 Nr. 1 UIG abzulehnen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG sei ein Antrag dann abzulehnen, wenn das
Bekanntgeben der Information nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen, die
Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit hätte. Insoweit sei erforderlich eine
schwere tatsächliche Gefährdung von Grundinteressen der Gesellschaft. Nicht jede nachteilige Auswirkung
auf irgendein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit im Sinne des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts
stelle einen Versagungsgrund dar. Die Prognoseentscheidung habe hier ergeben, dass durch das Einsehen
der Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Staates und für
bedeutsame Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit bestehen könne. Die Dokumente enthielten
schützenswerte Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte die Vorgehensweise der Polizei in
einsatztaktischen und strategischen Belangen öffentlich transparent machten und damit für die
Bundesrepublik Deutschland oder deren Länder eine Gefahr darstellten. Insbesondere Schutzgüter des
Einzelnen, nämlich Leben und Gesundheit, seien durch die Offenlegung der Informationen gefährdet. Der
besonders sensible und geheimhaltungsbedürftige Inhalt werde auch durch die Einstufung als
Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) verdeutlicht. Eine
Einstufung als VS-NfD erfolge, wenn nach polizeilichem Erfahrung- und Einschätzungsvermögen nur ein
ganz enger Personenkreis Kenntnis von den Daten erhalten dürfe. Nach diesen strengen Maßstäben dürften
nur solche Personen einen Zugriff haben, die im Zusammenhang mit der Auftragsdurchführung Kenntnis
erlangen müssten. Über den Inhalt sei Verschwiegenheit zu wahren und die Unterlagen bedürften einer
besonders gesicherten Aufbewahrung. Bei der Gefahrenprognose sei entscheidend auf folgende Aspekte
abgestellt worden: Die Inhalte der in Rede stehenden polizeilichen Rahmenbefehle unterlägen, soweit sie
nicht bereits im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss „Schlossgarten I“ veröffentlicht worden
seien, einem Geheimhaltungsbedürfnis, da diese Angaben zur polizeilichen Einsatztaktik beinhalteten, die
bei künftigen Einsatzlagen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von Bedeutung
seien. Die Veröffentlichung hätte zur Folge, dass potentielle Störer Kenntnis nehmen und sich in ihrem
Verhalten auf das polizeiliche Vorgehen einstellen könnten. Dadurch würde der einsatztaktische Wert
erheblich minimiert. Besonders kritisch sei dies auch im Hinblick auf Angaben zur Planung und zum Aufbau
einer „Besonderen Aufgabenorganisation“ (BAO). Ein Bekanntwerden des taktischen Vorgehens der Polizei
würde die erfolgreiche Durchführung zukünftiger polizeilicher Maßnahmen erschweren, da sich das
polizeiliche Gegenüber auf das taktische Vorgehen der Polizei einstellen könne. Darunter würde auch das
Sicherheitsgefühl der Bevölkerung leiden, da bei völliger Transparenz der Polizeitaktik die Wirkungsweise
von Maßnahmen erheblich eingeschränkt sein könne. Die Darlegung der aktuellen Lage enthalte Hinweise
auf die durch die Polizei als gefährdet eingestuften Personen und Objekte. Die herausgearbeiteten
Schutzmaßnahmen und Strategien würden festgehalten, so dass Rückschlüsse auf besonders gefährdete
Personen und Objekte gezogen werden könnten. Potentielle Schwachstellen könnten so erkannt und
ausgenutzt werden. Bei der Offenlegung von Gefährdungsbewertungen würden Informationen
preisgegeben, welche z.B. auch aus operativen Maßnahmen stammten. Ferner würden Informationen
verarbeitet, die durch andere Stellen eingeholt worden seien und insgesamt nicht zur öffentlichen
Bekanntgabe bestimmt seien. Demgegenüber habe der Kläger kein überwiegendes öffentliches Interesse
geltend gemacht, welches das beschriebene Geheimhaltungsinteresse überwiegen könne. Dies wäre nur
dann der Fall, wenn mit dem Antrag ein Interesse verfolgt werde, das über das allgemeine Interesse
hinausgehe, das bereits für die Antragstellung als solche ausreiche. Würde bereits das allgemeine Interesse
der Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen für sich genommen das Geheimhaltungsinteresse
überwiegen, bedürfe es keiner Abwägung mehr. Für den Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen
müsse ein rechtliches Interesse zwar nicht dargelegt werden. Im Rahmen der in § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG
(gemeint: § 8 Abs. 1 Satz 1 UIG) gebotenen Abwägung zwischen dem Bekanntgabeinteresse und dem
Geheimhaltungsinteresse sei das öffentliche Informationsinteresse aber gleichwohl zu gewichten. Bei der
Gewichtung sei zu berücksichtigen, dass selbst dann, wenn Umweltinformationen in Rede stünden, der
Bezug des Auskunftsersuchens zu den mit der Umweltinformationsrichtlinie verfolgten Zwecken gering sei.
Dem Vorbringen des Klägers lasse sich allenfalls entnehmen, dass es ihm um die Rolle der Polizei bei dem
Projekt Stuttgart 21 im Allgemeinen gehe. Die Unterlagen, zu denen er den Zugang begehre, ließen
demgegenüber kaum erwarten, dass er im Sinne der Zielsetzung der Umweltinformationsrichtlinie und die
zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Gesetze umweltbezogene Informationen erhalte, die geeignet
seien, das Umweltbewusstsein zu schärfen und unter anderem durch einen freien Meinungsaustausch den
Umweltschutz zu verbessern. Diese Erwägung der Nützlichkeit der Information sei zwar bei der
Qualifizierung als Umweltinformationen nicht von Belang, jedoch werde sie auch in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts in die Abwägung eingestellt.
7 Am 11.03.2015 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen 4 K 1253/15 Klage zum Verwaltungsgericht
Stuttgart erhoben. Das Verfahren wurde nach Übernahme durch die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts
Stuttgart unter dem Aktenzeichen 14 K 1253/15 fortgeführt. Zur weiteren Verfolgung seines Begehrens
führt der Kläger aus, die von ihm beantragten Informationen seien auch Umweltinformationen im Sinne von
Art. 2 Nr. 1 UIRL bzw. § 23 Abs. 3 UVwGBW. Dies ergebe sich daraus, dass der Bau, die Errichtung, das
Betreiben und die Unterhaltung eines Schienenbahnsystems „Tätigkeiten“ im Sinne von Art. 2 Nr. 1c UIRL
bzw. § 23 Abs. 3 Nr. 3 a und b UVwGBW seien, da sich diese Tätigkeiten auf den Zustand von
Umweltbestandteilen nach Art. 2 Nr. 1 a und b UIRL bzw. § 23 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 UVwGBW auswirkten
oder zumindest auswirken könnten. Dies gelte insbesondere für den Bau eines unterirdischen Bahnhofs wie
Stuttgart 21. Die Stuttgart 21 Aktivitäten seien zugleich auch Tätigkeiten zum Schutz dieser Elemente, da
sie auch dem Zweck dienten, schädliche Umweltauswirkungen anderer weniger schonender Verkehrsträger
zu reduzieren. Auch die durch die Stuttgart 21 Aktivitäten ausgelösten Demonstrationen hätten zumindest
größtenteils auch umweltschützerische Zielsetzungen. Damit seien sämtliche Informationen, gleich welcher
Art, mit Bezug zu diesen Tätigkeiten Umweltinformationen, insbesondere auch die in den hier
interessierenden Dokumenten enthaltenen Informationen. Sie bezögen sich auf diese Aktivitäten und seien
grundsätzlich auf Antrag zugänglich zu machen. Auf den Inhalt der Informationen komme es dabei nicht an.
Einzige zu erfüllende Bedingung sei es, dass die Informationen einen Bezug zu einer umweltwirksamen oder
umweltschützerischen Tätigkeit besäßen. Dieser Zusammenhang sei hier unmittelbar gegeben, da die
Informationen sich zu der maßgeblichen Tätigkeit Stuttgart 21 wie Ursache und Wirkung verhielten. Dabei
würden nicht nur diejenigen Tätigkeiten einer Behörde erfasst, welche dem Schutz der Umwelt dienten. Die
Informationen müssten auch keine Umweltauswirkungen haben, um als Umweltinformationen zu gelten. Es
sei lediglich erforderlich, dass sich die Informationen auf umweltwirksame Tätigkeiten bezögen. Insoweit
beruft der Kläger sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.09.2009 - 7 C 2.09 - und auf
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.11.2014 - 4 K 5228/13 -. Zudem sei die Begründung
für die ausnahmsweise Verweigerung von Informationen in den angefochtenen Bescheiden durchgängig
mangelhaft und damit rechtswidrig, so dass die angefochtenen Bescheide schon allein deshalb rechtswidrig
seien. Sie erfüllten nicht die an sie zu stellenden europarechtlichen und grundrechtlichen Anforderungen.
Die Gründe müssten so konkret, detailliert und substantiiert sein, dass es möglich sei, anhand der
Darlegungen zuverlässig zu beurteilen, ob die Entscheidung rechtmäßig sei. Die hier vorliegenden
Begründungsdefizite hinderten ihn daran, seine Rechte effektiv geltend zu machen und hätten damit
rechtsverletzende Wirkung. Daher müsse der Beklagte die verlangten Dokumente zur Beurteilung des
Geheimhaltungsbedarfs in einem in-camera-Verfahren vorlegen. Zudem hätte der Beklagte die bereits
veröffentlichten Teile herausgeben müssen. Dass er eine Totalsperrung beschieden habe, belege, dass er den
Antrag nicht ernsthaft geprüft habe. Die Abwägung des Beklagten zwischen dem Informationsanspruch und
entgegenstehenden öffentlichen Interessen sei ebenfalls fehlerhaft. Es bestehe ein hervorgehobenes
Interesse der Öffentlichkeit an den beantragten Informationen, da es auch darum gehe, einer
Kriminalisierung von Umweltschutzaktivitäten entgegenzuwirken, diese also vor unberechtigten Angriffen
zu schützen. Es gehe darum, den Bürger dafür zu gewinnen, dass er sich für Umweltbelange einsetze und
dafür auch das, was bei Behörden darüber an Informationen vorliege, zur Kenntnis zu nehmen bereit sei.
Am besten werde der Begriff daher mit dem Stichwort „Neugierde“ umschrieben. Der Einzelne handele
insoweit als Repräsentant der Öffentlichkeit. Als Maß für die Stärke des öffentlichen Interesses lasse sich
dann das verwenden, was als journalistischer Nachrichtenwert gängig sei. Das so verstandene öffentliche
Interesse sei jedenfalls besonders groß, wie die zahlreichen Veröffentlichungen zu Stuttgart 21 und speziell
zu den Ergebnissen von Akteneinsichten zu Stuttgart 21 dazu belegten. Im Rahmen seiner journalistischen
Tätigkeit habe er zahlreiche Veröffentlichungen getätigt und Vorträge gehalten und habe dabei immer ein
großes öffentliches Interesse festgestellt. Schließlich verstoße auch die Erhebung einer Gebühr für den
Widerspruchsbescheid Höhe von 200,00 EUR gegen die UIRL und damit gegen europäisches Recht, da sein
Antrag in vollem Umfang abgelehnt worden sei. Es sei allenfalls dann zulässig, Gebühren zu erheben, wenn
tatsächlich eine Übermittlung von beantragten Umweltinformationen erfolgt sei.
8 Mit Verfügung vom 08.09.2015 hat das Landeskriminalamt den Widerspruchsbescheid vom 04.02.2015
hinsichtlich der Kostenentscheidung in Ziffer 3 aufgehoben und dem Kläger die ihm auferlegten Kosten für
das Widerspruchsverfahren i. H. v. 200,00 EUR erlassen. Widerspruchskosten (Gebühren und Auslagen)
wurden nicht erhoben. Mit Beschluss vom 18.08.2016 - 14 K 1253/15 - hat das Gericht das Verfahren
insoweit eingestellt, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Kostenentscheidung in Ziffer 3
des Widerspruchsbescheids für erledigt erklärt hatten.
9 Das Verfahren hinsichtlich des angefochtenen Bescheids des Landeskriminalamts vom 07.10.2014 und Ziffer
1 seines Widerspruchsbescheids vom 04.02.2016 wird unter dem vorliegenden Aktenzeichen 14 K 4920/16
weitergeführt.
10 In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen erläutert und ergänzend darauf hingewiesen,
dass das Verwaltungsgericht Stuttgart im Teilurteil vom 09.01.2015 - 4 K 2005/13 - die internen Unterlagen
für den Untersuchungsausschuss über den Polizeieinsatz zur Absicherung der Baumfällungen am
30.09.2012 als Umweltinformationen angesehen habe.
11 Der Kläger beantragt,
12 den Bescheid des Landeskriminalamts Baden-Württemberg vom 07.10.2014 und Ziffer 1 des
Widerspruchsbescheids vom 04.02.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm die
Umweltinformationen, zu denen er mit Datum vom 29.05.2014 Zugang beantragt hat, in der mit Datum
vom 29.05.2014 beantragten Form zugänglich zu machen,
13 hilfsweise
14 den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
15 Der Beklagte beantragt,
16 die Klage abzuweisen.
17 Ergänzend zum Widerspruchsbescheid führt das Landeskriminalamt aus, dass sich aus dem seit dem
01.01.2015 maßgeblichen Umweltverwaltungsgesetz - UVwG - keine andere Bewertung ergebe. Bei den
beantragten Informationen handele es sich nicht um Umweltinformationen im Sinne des Art. 2 Nr. 1 UIRL i.
V. m. § 23 Abs. 3 UVwG. Auch wenn es sich bei der Planung und Ausführung des Projektes Stuttgart 21 um
eine Tätigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 3 a und b UVwG handele, unterfielen die streitgegenständlichen
Unterlagen nicht der Auskunftspflicht. Entscheidend sei, dass die Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle
selbst keine Umweltauswirkungen hätten. Sie seien nicht Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses zu
Stuttgart 21. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die in diesen Unterlagen enthaltenen
Informationen zum Erlass oder Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses genutzt worden seien. Der Beklagte
habe nicht verkannt, dass die Richtlinie 2003/4/EG von einem weiten Begriffsverständnis ausgehe und der
erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und die Verbreitung dieser
Informationen dazu beitragen solle, das Umweltbewusstsein zu schärfen und so letztlich den Umweltschutz
zu verbessern. Der Vergleich des Klägers zum Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.11.2014 - 4
K 5228/13 - zu den so genannten Cross-Border-Leasingverträgen könne nicht überzeugen, da die dortigen
Darlegungen einen anderen Sinnzusammenhang hätten und nicht übertragbar auf die hiesige Fallgestaltung
seien. Bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart sei streitig gewesen, ob das gesamte
Vertragswerk unter eine Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 3 a UIG zu subsumieren sei oder nur einzelne
Bestandteile. Der Planfeststellungsbeschluss zu Stuttgart 21 bestehe hingegen nicht aus den
Gefährdungslagebildern und Rahmenbefehlen. In diesen sei lediglich die polizeiliche Herangehensweise
festgelegt, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, die im Zuge der
Durchführung des Projekts Stuttgart 21 auftreten könnten. Insofern könne auch kein Vergleich zum Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.09.2009 - 7 C 2.09 -, juris Rn. 32, gezogen werden. Denn auch bei
dieser Fallgestaltung stelle das Bundesverwaltungsgericht entscheidend darauf ab, dass die
streitgegenständlichen Angaben
in einem
Zuteilungsbescheid enthalten seien. Wenn der einzelne
Zuteilungsbescheid eine Umweltinformationen sei, greife dies auch auf die einzelnen Bestandteile des
Bescheides durch. Die hier streitgegenständlichen Unterlagen seien jedoch getrennt von dem
Planfeststellungsbeschluss ergangen. Sie stellten ein polizeiliches Instrumentarium dar, um effektive
Polizeiarbeit zu leisten. Es werde auf eine besondere Gefahrensituation hingewiesen und eingegangen,
welche sich beispielhaft aus gewaltbereiten Protestaktionen gegen Stuttgart 21 ergeben könnten. Allein der
Umstand, dass diese polizeilichen Unterlagen in einer Beziehung zu Stuttgart 21 stünden, könne für die
Bejahung eines Informationsanspruches nicht genügen. Zudem lägen auch die Voraussetzungen des
Versagungsgrundes nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 UVwG vor. Bei einer Veröffentlichung könne damit gerechnet
werden, dass Gefahren für die Bundesrepublik Deutschland oder deren Länder entstünden und Schutzgüter
des Einzelnen, nämlich Leben und Gesundheit, betroffen seien. Bei den Auswirkungen sei jede Art der
unmittelbaren oder mittelbaren Beeinflussung ausreichend. Die Auswirkungen auf betreffende Schutzgüter
müssten nachteilig und nicht völlig unbeachtlich sein. Für die Möglichkeit von nachteiligen Auswirkungen sei
es ausreichend, wenn bei Preisgabe der entsprechenden Informationen nach prognostischer Betrachtung auf
der Grundlage einer hinreichenden Sachverhaltsaufklärung mit Handlungen zu rechnen sei, die Schutzgüter
der öffentlichen Sicherheit ernsthaft beeinträchtigen könnten. Dies sei hier der Fall. Die
streitgegenständlichen Unterlagen enthielten besonders sensible Daten. Der Polizei Baden-Württemberg
werde ermöglicht, die zur Sicherung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Gefahrenabwehr und der
vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten notwendigen Informationen zum Umgang mit der besonderen
Lage des Bauprojekts Stuttgart 21 gebündelt einzusehen. Sie enthielten Gefährdungsbewertungen durch
die Polizei. Hierunter fielen Informationen über durch die Polizei als gefährdet eingestufte Objekte und
Personen. Ein Bekanntwerden ließe Rückschlüsse auf Personen und Objekte zu, die seitens der Polizei als
gefährdet angesehen würden und in welchem Umfang diese polizeilich geschützt würden. Im Umkehrschluss
wäre es dem polizeilichen Gegenüber dadurch möglich, potentielle Schwachstellen zu erkennen und diese zu
nutzen. Dies würde einer effektiven Gefahrenabwehr entgegen wirken. Insbesondere die in den
streitgegenständlichen Unterlagen enthaltenen Informationen zur Planung und zum Aufbau einer
besonderen Aufbauorganisation (BAO) seien einer Offenlegung abträglich. Diese enthielten einzelne
Aufgabenbeschreibungen, durchzuführende polizeiliche Maßnahmen (Polizeitaktik) und Erreichbarkeiten der
einzusetzenden Personen. Im Einzelnen enthielten sie Angaben über verschiedene Einsatzphasen, das
Vorgehen bei der Auflösung von Blockaden und Handlungsinstrumente gegen gewalttätige Aktionen. Gerade
bei komplexen polizeilichen Lagen, bei denen viele Einsatzkräfte über einen langen Zeitraum von Nöten
seien, würden die einsatztaktischen Vorgänge einer besonderen Aufbauorganisation erforderlich. Allgemeine
polizeitaktische Vorgehensweisen seien zwar durch entsprechende Literatur für den Bürger transparent,
nicht aber die durch die Polizei im Einzelfall auf eine bestimmte Lage festgelegten Strategien. Die Planung
und das Konstrukt der polizeilichen Vorgehensweise in einer bestimmten Lage habe gerade einen Mehrwert
dadurch, dass ein Wissensvorsprung gegenüber gewaltbereiten Personen gegeben sei. Gerade in Zeiten der
Gefahr von terroristischen Anschlägen bedürfe es eines solchen funktionierenden Instrumentariums. Bei
einer Offenlegung der Unterlagen sei von einer Gefährdung für den Bestand des Staates und für Leib und
Leben des Einzelnen auszugehen. Aus den Ausführungen des Klägers in der Klagebegründung ergebe sich
kein überwiegendes öffentliches Interesse. Die Darlegungslast liege insoweit bei der antragstellenden
Person. Das öffentliche Interesse überwiege nur, wenn mit dem Antrag ein Interesse verfolgt werde, das
über das allgemeine Interesse hinausgehe, das bereits jeden Antrag rechtfertige. Es genüge nicht das
allgemeine Interesse der Öffentlichkeit, Zugang zu Informationen über die Umwelt zu erhalten. Bei der
Abwägungsentscheidung sei einerseits das allgemeine Interesse an dem Projekt Stuttgart 21 und
andererseits das Interesse an der Geheimhaltung einsatztaktischer Vorgehensweisen zum Schutz der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeneinander abzuwägen. Der Kläger trage vor, dass ein zusätzliches
hervorgehobenes Interesse der Öffentlichkeit an der beantragten Information bestehe, weil es darum gehe,
einer Kriminalisierung von Umweltschutzaktivitäten entgegenzuwirken. Dieser Argumentation könne nicht
gefolgt werden. Denn es sei nicht dargelegt, auf welche Art und Weise die Einsicht in die
streitgegenständlichen Unterlagen einer Kriminalisierung von Umweltschutzaktivitäten entgegenwirken
könnte. Ein Wirkungszusammenhang erschließe sich nicht. Zudem fehlten Erläuterungen seitens des
Klägers, inwiefern die Einsichtnahme in die Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 der
Zielsetzung zuträglich sein könne, den Bürger dafür zu gewinnen, dass er sich für Umweltbelange einsetze
und interessiere. Ein Nutzen für den Umweltschutz sei den Darlegungen des Klägers nicht zu entnehmen.
Die pauschale Bezugnahme auf die Zielsetzungen der UIRL sei nicht geeignet, das Interesse an der
Bekanntgabe von polizeilichen Vorgehensweise bei Stuttgart 21 stärker zu gewichten als das
Geheimhaltungsinteresse. In der Abwägung sei entscheidend darauf abzustellen, dass der Schutz vor
Bedrohungslagen und ein effektives polizeiliches Vorgehen ein friedliches Zusammenleben in der
Gesellschaft bezwecken soll. Es sei daher nicht geboten, eine „allgemeine Neugierde“ über diesen
polizeilichen Schutzauftrag zu stellen.
18 Dem Gericht liegen die zur Sache gehörenden Akten des Beklagten vor. Auf diese sowie auf die Gerichtsakte
wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
19 Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den
Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zugang zu sämtlichen Rahmenbefehlen
und Gefährdungslagebildern, welche zu Stuttgart 21 beim Landeskriminalamt vorhanden sind (§ 113 Abs. 5
VwGO). Denn bei den Rahmenbefehlen und Gefährdungslagebildern, welche zu Stuttgart 21 beim
Landeskriminalamt vorhanden sind, handelt es sich nicht um Umweltinformationen im Sinne des
Umweltverwaltungsgesetzes, zu denen der Kläger einen Anspruch auf Zugang hätte (dazu 1.). Selbst wenn
es sich bei den Rahmenbefehlen und Gefährdungslagebildern zu Stuttgart 21 um Umweltinformationen
handelte, hätte der Beklagte jedenfalls ihre Bekanntgabe nach dem Umweltverwaltungsgesetz zu Recht
abgelehnt (dazu 2.). Ein Anspruch des Klägers auf Informationszugang besteht auch nicht nach dem am
30.12.2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen in Baden-Württemberg
(Landesinformationsfreiheitsgesetz - LIFG) vom 17.12.2015 (GBl. 2015, 1201), vgl. dazu 3. Schließlich
begründet auch das am 19.12.2006 in Kraft getretene Gesetz über die Weiterverwendung von
Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz - IWG) vom 13.12.2006 (BGBl. I
2006, 2913), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 08.07.2015 (BGBl. I 2015, 1162), kein Recht
des Klägers auf Informationszugang (dazu 4.).
1.
20 Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 24 Abs. 1 Satz 1 des am 01.01.2015 in Kraft getretenen
Umweltverwaltungsgesetzes (UVwG) vom 25.11.2014 (GBl. 2014, 592), dessen Anlage 5 zuletzt durch
Artikel 2 der Verordnung vom 13.08.2015 (GBl. S. 785, 793) geändert wurde. Nach dieser Vorschrift hat
jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die
eine informationspflichtige Stelle im Sinne von § 23 Abs. 1 UVwG verfügt, ohne ein rechtliches Interesse
darlegen zu müssen. Nach § 23 Abs. 4 UVwG verfügt eine informationspflichtige Stelle über
Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Ein
Bereithalten liegt vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige
Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle im Sinne von Absatz 1 aufbewahrt, auf
die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat. Für das „Vorhandensein“ der Information kommt es nicht
auf die rechtliche Verfügungsbefugnis an, sondern auf die tatsächliche räumliche Verfügungsmöglichkeit der
Behörde, d.h. darauf, ob sich die Information im räumlichen Verfügungsbereich der in Anspruch
genommenen Behörde befindet (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.10.2014 - 10 S 2043/14 - juris Rn. 4
m. w. N). Denn Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.
Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie
90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 vom 14.02.2003, S. 26) - im folgenden Umweltinformationsrichtlinie -
definiert den Begriff des Vorhandenseins dahingehend, dass sich die Umweltinformation im Besitz der
Behörde befindet und von dieser Behörde erstellt oder bei ihr eingegangen ist. Die Berechtigung der
Behörde zur Verfügung über die Daten fließt hingegen in die Prüfung eventuell vorliegender
Ablehnungsgründe ein.
21 Bei den Rahmenbefehlen und Gefährdungslagebildern, welche zu Stuttgart 21 beim Landeskriminalamt
vorhanden sind, handelt es sich jedoch nach der Auffassung der Kammer nicht um Umweltinformationen.
Nach der hier allein in Betracht kommenden Legaldefinition des § 23 Abs. 3 UVwG sind
Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über 1.) den Zustand von
Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume
einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile,
einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen
Bestandteilen, 2.) Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen,
Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im
Sinne von Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken, 3.) Maßnahmen oder Tätigkeiten, die a) sich
auf die Umweltbestandteile im Sinne von Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne von Nummer 2 auswirken
oder wahrscheinlich auswirken oder b) den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne von Nummer 1
bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften,
Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme, 4.) Berichte über die Umsetzung des
Umweltrechts, 5.) Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur
Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne von Nummer 3 verwendet
werden, und 6.) den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit einschließlich der Kontamination
der Lebensmittelkette, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie
jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne von Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder
Tätigkeiten im Sinne von Nummer 2 und 3 betroffen sind oder sein können.
22 In Übereinstimmung mit dem weiten Begriffsverständnis der Umweltinformationsrichtlinie, zu deren
Umsetzung das Umweltverwaltungsgesetz u. a. dient, ist auch der Begriff der Umweltinformationen im
Sinne des § 23 Abs. 3 Nrn. 1 bis 6 UVwG weit auszulegen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21.02.2008 - 4 C
13.07 -, juris Rn. 13). Insbesondere das in § 23 Abs. 3 Nr. 3 UVwG enthaltene Begriffspaar "Maßnahmen
oder Tätigkeiten" wird weit verstanden; es soll alle menschlichen Tätigkeiten erfassen. Hinsichtlich § 23 Abs.
3 Nr. 3 Buchst. b UVwG (Schutz von Umweltbestandteilen) muss der Schutz der Umweltmedien der Zweck -
wenn auch nicht der Hauptzweck - der Maßnahme sein. Erfasst werden unmittelbar wie mittelbar den
Umweltschutz fördernde Aktivitäten. Erforderlich ist auch hier lediglich eine hinreichend enge Beziehung
zwischen der jeweiligen Tätigkeit oder Maßnahme und dem angestrebten Erfolg für die Umwelt (OVG NRW,
Urteil vom 01.03.2011 - 8 A 2861/07 -, juris Rn. 58).
23 Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Umweltinformationsrichtlinie und damit auch § 23 Abs. 3
UVwG kein allgemeines und unbegrenztes Zugangsrecht zu allen bei Behörden verfügbaren Informationen
gewähren, die auch nur den geringsten Bezug zu einem Umweltgut aufweisen (EuGH, Urteil vom
12.06.2003 - C-316/01 - juris Rn. 25; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.10.2014 - 10 S 2043/14 -, juris
Rn. 7). Vielmehr fallen Informationen nur dann unter das Zugangsrecht, wenn sie einen nicht nur
entfernten Umweltbezug aufweisen, sondern sich auf Umweltbestandteile oder Umweltfaktoren auswirken
oder wahrscheinlich auswirken können. Dabei wird nicht unterschieden zwischen unmittelbaren und
mittelbaren Auswirkungen einer Maßnahme. Das Kriterium der Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit des
Umweltschutzes hat keinen Eingang in die Umweltinformationsrichtlinie gefunden und ist - wie das
Bundesverwaltungsgericht bereits klargestellt hat - zur Abgrenzung einer Umweltinformation von anderen,
einem Antragsteller nicht zustehenden Informationen in der Sache untauglich (BVerwG, Urteil vom
21.02.2008 - 4 C 13/07 -, juris Rn. 13). Für die Auswirkungen auf Umweltbestandteile oder Faktoren im
Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 3 a UVwG ist ein potentieller Wirkungszusammenhang ausreichend; er muss
allerdings hinreichend wahrscheinlich sein (OVG NRW, Urteil vom 01.03.2011 - 8 A 2861/07 -, juris Rn. 56,
zum inhaltsgleichen § 2 Abs. 3 Umweltinformationsgesetz - UIG -, BGBl. I 2014, 1643). Dabei ist eine
„Auswirkung“ eine neutral zu bewertende Veränderung des Zustandes des Umweltbestandteils, wobei es
keine Rolle spielt, ob der Umweltbestandteil positiv oder negativ verändert wird (Fluck/Theuer in:
Fluck/Fischer/Martini, Kommentar zum Informationsfreiheitsrecht, Stand Mai 2016, § 2 UIG RdNr. 310).
24 Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei den hier streitgegenständlichen Rahmenbefehlen und
Gefährdungslagebildern zu Stuttgart 21 selbst bei dem gebotenen weiten Verständnis nicht um
Umweltinformationen im Sinne des § 23 Abs. 3 UVwG. Denn die darin enthaltenen Informationen über
Maßnahmen und Tätigkeiten weisen zur Überzeugung des Gerichts keinen Umweltbezug auf, weil sie sich
nicht auf Umweltbestandteile im Sinne von § 23 Abs. 3 Nr. 1 UVwG oder auf Faktoren im Sinne von § 23
Abs. 3 Nr. 2 UVwG auswirken oder wahrscheinlich auswirken können. Die Gefährdungslagebilder und
Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 legen nach den unwidersprochenen und für das Gericht nachvollziehbaren
Angaben des Beklagten lediglich die polizeiliche Herangehensweise fest, um Gefahren für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung abzuwehren, die im Zuge der Durchführung des Projekts Stuttgart 21
möglicherweise auftreten können. Sie sind lediglich ein polizeiliches Instrumentarium, um effektive
Polizeiarbeit leisten zu können. Sie enthalten Darlegungen und Bewertungen der besonderen Gefahrenlage,
zum Beispiel auch im Zusammenhang mit den vom Kläger erwähnten Demonstrationen gegen das Projekt
Stuttgart 21. Sie haben jedoch - ebenso wie Demonstrationen mit umweltschützerischen Zielen - keine
Auswirkungen auf Umweltbestandteile oder Faktoren und bezwecken auch nicht deren Schutz, sondern
lediglich den Schutz bedeutsamer Güter der öffentlichen Sicherheit. Auf die im Zusammenhang mit
Stuttgart 21 durchzuführenden Bauarbeiten oder sonstigen Maßnahmen und auf den zugrunde liegenden
Planfeststellungsbeschluss wirken sie sich nicht aus und sind deshalb isoliert zu betrachten. Anders als der
Kläger meint, ist es somit für die Bewertung als Umweltinformation nicht ausreichend, dass die
Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 erstellt wurden
und sich auf dieses Projekt beziehen.
25 Demgegenüber kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
24.09.2009 - 7 C 2/09 -, veröffentlicht in juris, berufen. In jenem Verfahren ging es um die Herausgabe von
Bescheiden über die Zuteilung von Emissionsberechtigungen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte den
einzelnen Zuteilungsbescheid als Maßnahme im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 3 b UIG angesehen und ausgeführt,
dass auch sämtliche Angaben in diesem Bescheid ihrerseits Umweltinformationen seien (BVerwG, Urteil vom
24.09.2009 - 7 C 2/09 -, juris Rn. 32). Das ist mit dem vorliegenden Verfahren jedoch nicht zu vergleichen,
worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Denn die Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle zu
Stuttgart 21 sind nicht Bestandteil des zugrunde liegenden Planfeststellungsbeschlusses, sondern ein davon
unabhängiges und rechtlich eigenständig zu beurteilendes Instrumentarium der Polizei.
26 Das Gleiche gilt, soweit der Kläger sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.11.2014 - 4
K 5228/13 -, veröffentlicht in juris, bezieht. Der Kläger in jenem Verfahren begehrte den Zugang zu Cross-
Border-Leasingverträgen über das öffentliche Kanalnetz. Das Verwaltungsgericht hatte das gesamte
Vertragswerk und nicht nur einzelne Bestandteile des Cross-Border-Leasingvertrags als Maßnahme im Sinne
des § 2 Abs. 3 Buchst. a UIG angesehen. Als Folge daraus hatte es auch sämtliche Angaben in diesen
Verträgen ihrerseits als Umweltinformationen angesehen, auch wenn sie ausschließlich Finanzierungsfragen
oder steuerrechtliche Regelungen enthielten (vgl. juris Rn. 39). Auch diese Konstellation ist mit dem
vorliegenden Verfahren nicht zu vergleichen, worauf der Beklagte ebenfalls zu Recht hingewiesen hat. Denn
- wie bereits ausgeführt - sind die Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 nicht
Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses zu Stuttgart 21.
27 Ebenso wenig kann der Kläger aus dem Teilurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09.01.2015 - 4 K
2005/13 etwas für sich herleiten. Denn die Unterlagen für den Untersuchungsausschuss zu Stuttgart 21, zu
denen der Kläger im dortigen Verfahren Zugang begehrte, betrafen einen konkreten Polizeieinsatz, nämlich
den Einsatz zur Absicherung der Baumfällungen am 30.09.2010. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um
den Zugang zu Informationen über konkrete Polizeieinsätze, sondern um den Zugang zu
einsatzübergreifenden, allgemeinen polizeitaktische Vorgehensweisen für bestimmte prognostizierte
Gefährdungslagen. Hierbei handelt es sich lediglich um ein vorbeugendes Instrumentarium zum Zwecke der
schnellen und effektiven Reaktion auf verschiedene mögliche Gefährdungslagen, deren tatsächlicher Eintritt
aber ungewiss ist. Dieses Instrumentarium bewegt sich daher in einem weit entfernten Vorfeld möglicher
Polizeieinsätze, so dass nicht erkennbar ist, in welcher Weise es sich auf Umweltbestandteile oder
Umweltfaktoren wahrscheinlich auswirken könnte. Ein nur entfernter Umweltbezug ist dagegen nach den
obigen Ausführungen für eine Bewertung als Umweltinformation nicht ausreichend.
28 Eine andere Bewertung ist auch nicht deshalb geboten, weil Teile der Gefährdungslagebilder und
Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 im Rahmen des Untersuchungsausschusses zu Stuttgart 21 bereits
veröffentlichet wurden. Denn allein die Veröffentlichung kann nicht zu einer anderen Bewertung des
Umweltbezugs der darin enthaltenen Informationen führen.
29 Für die rechtliche Bewertung durch das Gericht war die Vorlage der streitgegenständlichen Dokumente nicht
erforderlich, da es dafür nicht auf die Kenntnis ihres konkreten Inhalts ankommt, was der Kläger im Übrigen
auch selbst eingeräumt hat. Der Beklagte hat insoweit ausgeführt, dass die Gefährdungslagebilder und
Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 inhaltlich Informationen über die Komplexe aktuelle Lage,
Gefährdungsbewertungen, Informationen über laufende Ermittlungen, Informationen über durch die Polizei
als „gefährdet“ eingestufte Objekte und Personen sowie Leitlinien („Einsatzphilosophie“) umfassen. Im Kern
würden die Grundzüge der polizeilichen Herangehensweise festgelegt, um insbesondere solche Gefahren für
die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, die im Zuge der Durchführung des Projektes Stuttgart
21 auftreten könnten. Dies erfolge durch eine Darlegung und Bewertung der besonderen Gefährdungslage.
Erwägungen naturrechtlicher Art seien gerade nicht Bestandteil. Dieser Inhaltsbeschreibung ist der Kläger
substantiiert nicht entgegengetreten und das Gericht hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese
Inhaltsbeschreibung unzutreffend oder unvollständig sein könnte. Eine Anforderung der
streitgegenständlichen Dokumente durch förmlichen Beschluss des Gerichts war daher nicht erforderlich
(vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 21.01.2016 - 20 F 2/15 -, juris Rn. 5).
2.
30 Selbst wenn es sich aber bei den Rahmenbefehlen und Gefährdungslagebildern um Umweltinformationen
handeln würde, hätte der Beklagte die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Zugang zu
Umweltinformationen - soweit sie nicht bereits im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss zu
Stuttgart 21 veröffentlicht wurden - zu Recht auf die Vorschrift des bis zum 31.12.2014 geltenden § 3 Abs.
1 Landesumweltinformationsgesetzes (LUIG) vom 07.03.2006 (GBl. S. 50) i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
UIG vom 27.10.2014 (BGBl. I 2014, 1643) gestützt (jetzt: § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UVwG). Nach dieser
Vorschrift ist der Antrag abzulehnen, soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen
hätte auf die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen
Sicherheit, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Im Gegensatz zum
deutschen allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht versteht das EG-Recht darunter nicht jeden Verstoß
gegen eine Rechtsnorm. Das EG-Recht verlangt eine schwere tatsächliche Gefährdung von Grundinteressen
der Gesellschaft. Dem entspricht im deutschen Recht der Begriff „erhebliche Gefahr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung“. In diesem Rahmen sind auch Individualrechtsgüter vom Begriff der öffentlichen
Sicherheit erfasst (Schomerus/Schrader/Wegener, Umweltinformationsgesetz, Handkommentar, 2. Auflage, §
7 UIG a. F., Rn. 11). Danach ist der Informationsanspruch z. B. abzulehnen, wenn ansonsten nachteilige
Auswirkungen auf bedeutsame staatliche Einrichtungen zu befürchten wären, etwa wenn die
Funktionsfähigkeit des Staates durch die Preisgabe von Verfassungsschutzdaten bedroht wäre. Auch Leben,
Gesundheit und sonstige wichtige Allgemeingüter sind in diesem Rahmen zu schützen (BT-Drs.15/3406, S.
18 f. zum gleichlautenden § 8 UIG). Das Bekanntwerden der Umweltinformation muss die Gefahr
verursachen können (Schomerus/Schrader/Wegener, a. a. O., Rn. 11).
31 Entsprechend der durch europarechtliche Bestimmungen gebotenen engen Auslegung ist eine ernsthafte,
konkrete Gefährdung der in der Vorschrift geschützten Belange erforderlich (so auch OVG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 20.02.2008 - 1 A 10886/07 -, juris Rn. 29). Der Beklagte hat die Herausgabe der begehrten
Informationen demnach zu verweigern, wenn die Bekanntgabe zu einer ernsthaften, konkreten Gefährdung
der Funktionsfähigkeit des Staates oder der Schutzgüter Leben und Gesundheit führt, es sei denn, das
öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
32 Zur Beantwortung der Frage, ob die Bekanntgabe der verlangten Informationen zu der genannten
ernsthaften, konkreten Gefährdung führt, bedarf es einer Prognoseentscheidung über die Auswirkungen des
Bekanntgebens auf die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit (vgl. BT-Drucks. 15/3406, S. 18). Eine
konkrete Gefahr liegt vor, wenn im konkreten Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in
absehbarer Zeit ein Schaden für diese Rechtsgüter eintreten wird (BVerwG, Urteil vom 28.06.2004 - 6 C
21/03 -, juris Rn. 25). Die diesbezüglich anzustellende Prognose muss auf einer hinreichenden
Sachverhaltsermittlung beruhen sowie inhaltlich nachvollziehbar und vertretbar sein. Vage Anhaltspunkte
oder bloße Vermutungen ohne greifbaren, auf den Einzelfall bezogenen Anlass reichen nicht aus. Eine
konkrete Gefahr kann auch eine Dauergefahr sein, bei der die hinreichende Wahrscheinlichkeit des
Schadenseintritts über einen längeren Zeitraum hinweg zu jedem Zeitpunkt besteht. Für die Feststellung
einer solchen Dauergefahr gelten ebenfalls die mit dem Erfordernis einer konkreten Gefahr verbundenen
Anforderungen an die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sowie an die konkrete
Tatsachenbasis der Wahrscheinlichkeitsprognose. Ansonsten besteht lediglich eine allgemeine
Bedrohungslage. Zu berücksichtigen ist dabei, dass bei der Gefahr besonders großer Schäden an die
Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geringere Anforderungen gestellt werden können und daher die
entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts zur Annahme einer konkreten Gefahr ausreicht (OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.02.2008 -1 A 10886/07 -, juris Rn. 35 m. w. N.)
33 Insoweit hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass nach einer prognostischen Betrachtung die
Bekanntgabe der Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 - soweit sie nicht bereits im
Zusammenhang mit dem hierzu eingesetzten Untersuchungsausschuss veröffentlicht wurden - nachteilige
Auswirkungen auf bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit hätte. Denn die Dokumente
enthalten nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten schützenswerte Informationen, deren
Kenntnisnahme durch Unbefugte die Vorgehensweise der Polizei in einsatztaktischen und -strategischen
Belangen öffentlich machen und damit für die Bundesrepublik Deutschland oder deren Länder eine Gefahr
darstellen würde. Insbesondere Leben und Gesundheit Einzelner würden durch die Offenlegung mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit gefährdet. Denn die Befürchtung des Beklagten, dass potentielle Störer
von der Einsatztaktik der Polizei Kenntnis nehmen und sich in ihrem Verhalten darauf einstellen könnten, ist
angesichts der immer noch zahlreichen Demonstrationen gegen das Projekt Stuttgart 21 ernst zu nehmen
und hinreichend konkret. Hinzu kommt die derzeit aufgrund terroristischer Übergriffe angespannte
allgemeine Sicherheitslage. Durch das Bekanntwerden der Einsatztaktik und -strategie könnten die
Durchführung polizeilicher Maßnahmen - insbesondere im Hinblick auf gewaltbereite Personen - ernsthaft
erschwert und die Maßnahmen in ihrer Wirkungsweise so erheblich eingeschränkt werden, dass es mit
großer Wahrscheinlichkeit zu Gefahren für Leib und Leben des Einzelnen und der Allgemeinheit kommen
kann. Eine solche Beeinträchtigung der Sicherheitsorgane bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen
Aufgaben begründet nach der Überzeugung der Kammer eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit des
Eintritts von Gefahren für Leib und Leben des Einzelnen und der Allgemeinheit.
34 Demgegenüber hat der Kläger kein öffentliches Interesse geltend gemacht, welches das
Geheimhaltungsinteresse überwiegen könnte und ein solches ist auch nicht ersichtlich.Dieses öffentliche
Interesse überwiegt nur, wenn mit dem Antrag ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine
Interesse hinausgeht, das bereits jeden Antrag rechtfertigt. Es genügt nicht das allgemeine Interesse der
Öffentlichkeit, Zugang zu Informationen über die Umwelt zu erhalten. Anderenfalls überwöge das
öffentliche Interesse stets; die Abwägung im Einzelfall wäre entbehrlich (BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 - 7
C 2.09 - juris Rn. 62; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.10.2014 - 10 S 2043/14 -, juris Rn. 14 f.). Zwar
muss ein rechtliches Interesse für den Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen nicht dargelegt
werden. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Bekanntgabeinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse
ist das Informationsinteresse aber gleichwohl zu gewichten, wobei auch der Bezug des Auskunftsersuchens
zu den mit der Umweltrichtlinie verfolgten Zwecken zu gewichten ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom
16.10.2014 - 10 S 2043/14 -, juris Rn. 15). Ein das Geheimhaltungsinteresse überwiegendes - über das
allgemeine Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu umweltbezogenen Informationen hinausgehendes -
Bekanntgabeinteresse ist daher vom Kläger geltend zu machen. Seinem Vorbringen ist hierzu jedoch nichts
zu entnehmen. Er hat lediglich auf das Interesse einzelner Bürger oder Gruppen von Bürgern an Vorgängen,
welche die Umwelt betreffen, im Sinne eines „Rechts auf Neugier“ verwiesen. Inwieweit dagegen gerade
der Zugang zu den streitgegenständlichen Unterlagen es seiner Ansicht nach ermöglichen soll, der
Kriminalisierung von Umweltschutzaktivitäten entgegen zu wirken und inwieweit dadurch Bürger für den
Umweltschutz gewonnen werden können, hat er nicht dargelegt.
35 Nach den obigen Ausführungen kommt es für die Feststellung der dargestellten materiellen
Geheimhaltungsgründe ebenfalls nicht auf die Kenntnis des konkreten Inhalts dieser Dokumente an.
3.
36 Ein Anspruch des Klägers auf Informationszugang besteht des Weiteren nicht nach dem am 30.12.2015 in
Kraft getretenen Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen in Baden-Württemberg
(Landesinformationsfreiheitsgesetz - LIFG) vom 17.12.2015 (GBl. 2015, 1201).
37 Zweck dieses Gesetzes ist es, unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten und sonstiger
berechtigter Interessen durch ein umfassendes Informationsrecht den freien Zugang zu amtlichen
Informationen sowie die Verbreitung dieser Informationen zu gewährleisten, um die Transparenz der
Verwaltung zu vergrößern und damit die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern, vgl. § 1
Abs. 1 LIFG. Nach § 1 Abs. 2 LIFG haben Antragsberechtigte nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den
informationspflichtigen Stellen einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Antragsberechtigt
sind alle natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts sowie deren Zusammenschlüsse, soweit
diese organisatorisch hinreichend verfestigt sind, § 3 Nr. 1 LIFG. Nach § 1 Abs. 3 LIFG gehen zwar
Regelungen in anderen Rechtsvorschriften vor, sofern der Zugang zu amtlichen Informationen darin
abschließend geregelt ist. Ein solcher vorrangiger, spezialgesetzlicher Auskunftsanspruch ist der Anspruch
auf Zugang zu Umweltinformationen nach dem Umweltverwaltungsgesetz (BT-Drs. 15/4493, S.8 zum
Umweltinformationsgesetz des Bundes). Nach den obigen Ausführungen ist der Anwendungsbereich des
Umweltverwaltungsgesetzes im vorliegenden Fall aber ausgeschlossen, weil es sich nach der Auffassung der
Kammer bei den Rahmenbefehlen und Gefährdungslagebildern, welche zu Stuttgart 21 beim
Landeskriminalamt vorhanden sind, nicht um Umweltinformationen im Sinne des
Umweltverwaltungsgesetzes handelt. Deshalb ist der Anwendungsbereich des
Landesinformationsfreiheitsgesetzes für das Auskunftsbegehren des Klägers eröffnet.
38 Jedoch gewährt auch das Landesinformationsfreiheitsgesetz dem Kläger keinen Anspruch auf
Informationszugang. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LIFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit
und solange das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Belange der äußeren
oder öffentlichen Sicherheit haben kann. Im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 LUIG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
UIG (jetzt: § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UVwG) setzt das Landesinformationsfreiheitsgesetz nicht die
Gefährdung bedeutsamer Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit voraus. Das Schutzgut der „öffentlichen
Sicherheit“ im Sinne des Landesinformationsfreiheitsgesetzes entstammt dem Gefahrenabwehrrecht.
Deshalb ist unter dem Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der
grundlegenden Einrichtungen des Staates sowie die Unversehrtheit von Gesundheit, Ehre, Freiheit,
Eigentum und sonstigen Individualrechtgütern der Bürger zu verstehen. „Öffentliche Sicherheit“ wird damit
wie im klassischen Polizei- und Ordnungsrecht verstanden (vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz,
Kommentar, 2. Auflage, § 3 Rn. 152). Da nach den obigen Ausführungen nach einer prognostischen
Betrachtung die Bekanntgabe der Gefährdungslagebilder und Rahmenbefehle zu Stuttgart 21 nachteilige
Auswirkungen selbst auf bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit haben könnte, gilt dies erst
recht für die Belange der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 LIFG.
4.
39 Schließlich begründet auch das am 19.12.2006 in Kraft getretene Gesetz über die Weiterverwendung von
Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz - IWG) vom 13.12.2006 (BGBl. I
2006, 2913), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 08.07.2015 (BGBl. I 2015, 1162), kein Recht
des Klägers auf Informationszugang.
40 Nach § 1 Abs. 1 IWG gilt das Informationsweiterverwendungsgesetz für die Weiterverwendung von bei
öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen, insbesondere zur Bereitstellung von Produkten und
Dienstleistungen der digitalen Wirtschaft. Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird eingeschränkt durch §
1 Abs. 2 IWG. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 IWG gilt das Gesetz nicht für Informationen, an denen kein oder nur ein
eingeschränktes Zugangsrecht besteht. Dem Zugangsrecht nach diesem Gesetz steht allerdings nicht
entgegen, dass der Kläger nach den obigen Ausführungen zu 1. bis 3. keinen Anspruch auf Zugang zu den
von ihm begehrten Informationen im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts hat. Denn der Begriff des
"Zugangsrechts" im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 IWG beschränkt den Anwendungsbereich des Gesetzes nicht
auf die Fälle eines Zugangsanspruchs, sondern lässt eine Interpretation zu, nach der sich ein Zugangsrecht
auch aus weiteren Umständen ergeben kann. Ein solcher weiterer Umstand ist nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts die Veröffentlichung von Informationen durch eine öffentliche Stelle (BVerwG,
Urteil vom 14.04.2016 - 7 C 12/14 -, juris Rn. 8, 10).
41 Zwar wurden die hier streitgegenständlichen Rahmenbefehle und Gefährdungslagebilder zu Stuttgart 21
teilweise bereits im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss „Stuttgart 21“ veröffentlicht.
Gleichwohl kann der Kläger sich hierauf nicht mit Erfolg berufen, denn er strebt nach seinen eigenen
Angaben keine Weiterverwendung der veröffentlichten Teile der Rahmenbefehle und Gefährdungslagebilder
zu Stuttgart 21 im Sinne des Informationsweiterverwendungsgesetzes an. Das Gesetz gilt nach § 1 Abs. 1
IWG für die Weiterverwendung von bei öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen. Nach der
Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 3 IWG ist Weiterverwendung im Sinne des Gesetzes jede Nutzung von
Informationen für kommerzielle oder nichtkommerzielle Zwecke, die über die Erfüllung einer öffentlichen
Aufgabe hinausgeht; die intellektuelle Wahrnehmung einer Information und die Verwertung des dadurch
erlangten Wissens stellen regelmäßig keine Weiterverwendung dar. Eine bloße Kenntnisnahme, etwa durch
Lesen eines Dokuments und Nutzung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse, ist damit kein Fall der
„Weiterverwendung“. Kein Anwendungsfall des Informationsweiterverwendungsgesetzes liegt also vor,
wenn ein Journalist die aus einer Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse für sich nutzt, um auf dieser
Grundlage einen Artikel zu veröffentlichen (BT-Drs. 16/2453, S. 15; Püschel in: Fluck/Fischer/Martini,
Informationsfreiheitsrecht, § 2 IWG Rn. 54). Der Kläger hat sein Begehren lediglich mit seinem persönlichen
und journalistischen Interesse am Umweltschutz und einer Entkriminalisierung von Umweltschutzaktivisten
begründet sowie mit dem öffentlichen Interesse an entsprechenden Informationen. Hierbei handelt es sich
demnach um nichts anderes als die intellektuelle Wahrnehmung von Informationen und die Verwertung von
dadurch erlangtem Wissen.
42 Nach alldem war auch dem Hilfsantrag der Erfolg zu versagen, da nur für den Fall, dass ein Zugangsanspruch
besteht, der informationspflichtigen Stelle ein Auswahlermessen eingeräumt ist. Ein solcher
Zugangsanspruch des Klägers besteht aber gerade nicht.
43 Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
44 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1
Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.