Urteil des VG Stuttgart vom 10.01.2017

aufenthaltserlaubnis, ausreise, öffentliche sicherheit, emrk

VG Stuttgart Urteil vom 10.1.2017, 11 K 2461/16
Leitsätze
1) Ein erfolgreicher Schulbesuch i.S.d. § 25 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass
der Schüler in die nächsthöhere Klassenstufe versetzt und die Schule mindestens mit dem Hauptschulabschluss
beendet wird.
2) Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AufenthG ist regelmäßig von einer
nachhaltigen Integration auszugehen; dies kann nur im Ausnahmefall verneint werden.
3) Die Erteilungsvoraussetzung des § 25 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG müssen auch Ausländer erfüllen, die
nicht handlungsfähig nach Maßgabe des § 80 Abs. 1 AufenthG sind.
Tenor
Soweit die Klagen zurückgenommen wurden, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Die Kläger begehren die Erteilung humanitärer Aufenthaltserlaubnisse.
2 Die Kläger sind serbische und kosovarische Staatsangehörige. Nach eigenen Angaben gehören sie zur
Volksgruppe der Roma, sie stammen aus dem Kosovo. Die Kläger zu 3 - 7 sind die ehelichen Kinder der
Kläger zu 1 und zu 2. Der Kläger zu 1 reiste erstmals im Oktober 1992 in das Bundesgebiet ein. Nach
erfolglosem Asylverfahren kehrte er am 22.09.1994 in den Kosovo zurück. Am 15.10.2000 reisten die Kläger
zu 1 - 3 in das Bundesgebiet ohne Visum und ohne Reisedokument ein. Die Klägerin zu 4 wurde am
21.09.2001, der Kläger zu 5 am 02.12.2002, der Kläger zu 6 am 19.12.2006 und der Kläger zu 7 am
29.07.2011 im Bundesgebiet geboren. Der Aufenthalt der Kläger im Bundesgebiet wurde fortlaufend
geduldet. Die Kläger beziehen ununterbrochen Sozialleistungen.
3 Die Klägerin zu 3 stellte am 21.12.2009, die Klägerin zu 4 am 16.04.2010, der Kläger zu 5 am 28.06.2010
und der Kläger zu 6 am 18.10.2010 beim Bundesamt jeweils einen Asylantrag. Der Asylantrag der Klägerin
zu 3 wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 18.03.2010, derjenige der
Klägerin zu 4 mit Bescheid vom 01.06.2010, derjenige des Klägers zu 5 mit Beschied vom 03.08.2010 und
derjenige des Klägers zu 6 mit Bescheid vom 02.12.2010 abgelehnt. Sämtliche Anträge auf Anerkennung als
Asylberechtigter wurden als offensichtlich unbegründet abgelehnt, außerdem stellte das Bundesamt jeweils
fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen.
Die Ablehnung als offensichtlich unbegründet wurde in allen Fällen auf § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylVfG gestützt.
Das Bundesamt vertrat die Auffassung, dass die Anträge offensichtlich nur zur Vermeidung einer drohenden
Aufenthaltsbeendigung gestellt wurden, obwohl über viele Jahre lang ausreichend Gelegenheit bestanden
habe, Asyl zu beantragen.
4 Die Klägerin zu 3 besuchte von September 2006 bis Juli 2008 die Grundschule, von September 2008 bis Juli
2015 eine Förderschule sowie vom 14.09.2015 bis 30.07.2016 eine Sonderberufsfachschule (...
Mehrgenerationenhaus); seit September 2016 befindet sich die Klägerin zu 3 in einer berufsvorbereitenden
Bildungsmaßnahme im ... Mehrgenerationenhaus. Die Klägerin zu 4 besuchte von September 2008 bis Juli
2009 die Grundschule und besucht seit September 2009 eine Förderschule. Der Kläger zu 4 besuchte von
September 2010 bis Juli 2014 eine Grundschule und besucht seit September 2014 eine Werkrealschule. Der
Kläger zu 6 besucht seit September 2013 eine Grundschule.
5 Mit Schriftsatz vom 19.01.2016 beantragte die Klägerin zu 3 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf
der Grundlage des § 25a Abs. 1 AufenthG und die Kläger zu 1 und zu 2 sowie die Kläger zu 4 - 7 die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25a Abs. 2 AufenthG, hilfsweise gestützt auf §
25b AufenthG und höchst hilfsweise gestützt auf § 25 Abs. 5 AufenthG. Zur Begründung wurde
vorgetragen, der Kläger zu 1 verdiene durchschnittlich zwischen 1.300,00 EUR und 1.400,00 EUR netto
monatlich, hierdurch sei der Krankenversicherungsschutz der Familie gesichert. Die Klägerin zu 2 habe einen
monatlichen Verdienst von ca. 300,00 EUR. Ergänzend müssten im Hinblick auf die Größe der Familie
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch genommen werden. Sie seien im Besitz
gültiger serbischer Reisepässe und strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten. Die Eltern verfügten
auch über ausreichende mündliche Deutschkenntnisse. Die Ableistung eines Integrations- oder
Orientierungskurses könne nicht verlangt werden. Die Klägerin zu 3 habe bis Juli 2015 die ... Schule
Stuttgart-Untertürkheim besucht, hierbei handele es sich um eine Förderschule. Seit September 2015
besuche die Klägerin zu 3 die Sonderberufsfachschule des ... Mehrgenerationenhauses. Die Schüler dieser
Sonderberufsfachschule erlangten einen staatlichen Abschluss in Form eines VAB-Abschlusszeugnisses.
6 Am 27.04.2016 haben die Kläger Untätigkeitsklage erhoben und zur Begründung vorgetragen, bei der
Klägerin zu 3 müsse als erfolgreicher Schulabschluss auch das Erreichen des angestrebten Schulabschlusses
an einer allgemeinbildenden Schule einschließlich der Förderschulen ausreichen. Jugendlichen mit einem
Handicap wie beispielsweise einer geistigen Behinderung solle die Möglichkeit eröffnet werden, durch den
Schulabschluss beim Mehrgenerationenhaus ... eine reguläre Berufsausbildung zu finden oder anschließend
bei der Berufsfachschule eine dreijährige Ausbildung zu absolvieren, die den Erwerb des
Hauptschulabschlusses beinhalte. Bei der Berufsfachschule ... Mehrgenerationenhaus handele es sich um
eine staatlich anerkannte Privatschule. Die Klägerin zu 3 spreche fließend Deutsch, habe eine große Anzahl
von deutschen Freunden, sodass eine positive Integrationsprognose bestehe. Die Kläger zu 4 - 6 besuchten
ebenfalls seit sechs Jahren eine Schule im Sinne des § 25a Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Sie erfüllten damit
eigenständig die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Kläger zu 1 und zu 2
sowie der Kläger zu 7 könnten ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach § 25a Abs. 2 und 3 AufenthG
beanspruchen. Die Kläger zu 3 - 6 könnten aufgrund ihres eigenständigen Anspruchs auf Erteilung eines
Titels nach § 25a AufenthG bei der individuellen Unterhaltsverpflichtung der Kläger zu 1 und zu 2 außer
Betracht bleiben.
7 Die Kläger beantragen nunmehr,
8
die Beklagte zu verpflichten, über die Anträge auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis auf der
Grundlage des § 25a, § 25b und § 25 Abs. 5 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
zu entscheiden.
9 Die Beklagte beantragt,
10 die Klage abzuweisen.
11 Sie trägt vor, die Klägerin zu 3 erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25a Abs. 1 AufenthG. Sie habe nur einen Förderschulabschluss erworben. Hierbei handele es sich
nicht um einen anerkannten Schulabschluss. Derzeit besuche die Klägerin zu 3 die Sonderberufsfachschule
des ... Mehrgenerationenhauses; dieser Schulbesuch diene lediglich der beruflichen Vorbereitung und führe
zu keinem anerkannten Schulabschluss. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des §
25b Abs. 1 AufenthG scheide gleichfalls aus, da die Klägerin zu 3 nicht über die gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 AufenthG erforderlichen Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der
Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfüge. Auch sei der Lebensunterhalt nicht gesichert und bei
Betrachtung der bisherigen Schul- sowie der familiären Lebenssituation könne keine positive Prognose nach
§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG getroffen werden. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den
Kläger zu 1 nach § 25a Abs. 2 AufenthG scheide aus, da der Lebensunterhalt nicht eigenständig durch
Erwerbstätigkeit gesichert sei. Auch auf der Grundlage des § 25b Abs. 1 AufenthG komme eine
Aufenthaltserlaubnis nicht in Betracht, da der Kläger zu 1 nicht über die erforderlichen Grundkenntnisse der
Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfüge. Entsprechendes
gelte für die Klägerin zu 2. Die Klägerin zu 4 erfülle nicht die Voraussetzung des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
AufenthG. Sie besuche derzeit die 8. Klasse der ... Schule (Förderschule). Ob ihr aufgrund der bisherigen
Schulausbildung eine wirtschaftliche Integration gelingen werde, sei fraglich. Bei den Klägern zu 5 - 7 sei die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG aufgrund ihres Alters ausgeschlossen. Diese
Bestimmung sehe die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausschließlich an Jugendliche und
heranwachsende Ausländer vor. Sie erfüllten auch nicht die Voraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
AufenthG.
12 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörenden Behördenakten
verwiesen.
Entscheidungsgründe
13 Soweit die Klagen zurückgenommen wurden, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs.
3 VwGO einzustellen.
14 Gegenstand des Klageverfahrens ist nur noch der in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte
Anspruch der Kläger auf Verpflichtung der Beklagten, über die Anträge auf Erteilung einer humanitären
Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25a, § 25b und § 25 Abs. 5 AufenthG unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die Kläger haben das Begehren auf Verpflichtung der
Beklagten, ihnen die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, nicht mehr weiter verfolgt. Darin ist eine
teilweise Klagerücknahme zu sehen mit der Folge, dass insoweit die Einstellung des Klageverfahrens
auszusprechen ist.
15 Die Verpflichtungsklagen in der Gestalt einer Bescheidungsklage sind im Übrigen als Untätigkeitsklagen (§
75 Satz 1 und 2 VwGO) zulässig. Die Beklagte hat über die Anträge der Kläger auf Erteilung einer
humanitären Aufenthaltserlaubnis ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht
entschieden. Der Übergang von einer Verpflichtungsklage zu einer Bescheidungsklage ist keine
Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO, sondern nur eine Beschränkung des Klageantrags im Sinne von §
264 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 91 Rn 9).
16 Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bescheidung ihrer Anträge
auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Denn die Kläger erfüllen weder die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25a AufenthG (1.) noch
diejenigen des § 25b AufenthG (2.) und auch nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5
AufenthG (3.).
17 Maßgeblich für die Beurteilung des Klagebegehrens ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.05.2013 - 1 C 17/12 - BVerwGE 146, 281).
18 1. Im Falle der Kläger sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 und 2 AufenthG nicht
erfüllt.
19 Nach § 25a Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz soll einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten
Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt,
geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält (Nr. 1), er im Bundesgebiet in der
Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss
erworben hat (Nr. 2), der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres
gestellt wird (Nr. 3), es gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und
Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann (Nr. 4) und
keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen
demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt (Nr. 5). Diese Voraussetzungen
sind im Falle der Kläger zu 3 - 7 zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht sämtlich
erfüllt.
20 § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verlangt als bildungsbezogenes Integrationskriterium, dass der
Ausländer während seines Aufenthalts im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule
besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat. Ein erfolgreicher Schulbesuch
im Sinne von § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass der Schüler in die
nächsthöhere Klassenstufe versetzt und die Schule mindestens mit dem Hauptschulabschluss beendet wird
(vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 17.10.2016 - 2 M 73/16 - juris -; OVG Lüneburg, Urt. v. 19.03.2012 - 8 LB
5/11 - juris; Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg Nr. 07/2011 v. 01.09.2011; BeckOK
AuslR/Hecker AufenthG § 25a Rn. 6). Anerkannte Schulabschlüsse sind alle förmlichen Abschlüsse an
allgemeinbildenden staatlichen oder staatlich anerkannten Schulen wie etwa ein Hauptschulabschluss, die
mittlere Reife oder das Abitur (vgl. Burr in: GK-AufenthG § 25a Rn. 17; Hailbronner, AuslR, § 25a Rn.9;
Zühlcke, HTK-AuslR / § 25a AufenthG / zu Abs. 1, Stand: 31.03.2016, Rn. 53). Als anerkannter beruflicher
Abschluss ist insbesondere eine handwerkliche Gesellen- oder Meisterprüfung oder der Erwerb eines
anderweitig staatlich anerkannten Ausbildungsdiploms anzusehen (vgl. Hailbronner, AuslR, § 25a Rn. 9).
Diese Voraussetzungen erfüllen die Kläger zu 3 - 5 nicht.
21 Die Klägerin zu 3 befindet sie sich seit September 2016 in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme.
Soweit sie parallel hierzu pro Woche einen Tag lang die Berufsschule besucht, so dauert dieser Schulbesuch
noch nicht vier Jahre. Zwar hat sie von September 2008 bis Juli 2015 eine Förderschule besucht. Dieser
abgeschlossene Zeitraum in der Vergangenheit genügt aufgrund des klaren Wortlauts in § 25a Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 AufenthG („seit“ und „besucht“) nicht (vgl. Zühlcke, HTK-AuslR / § 25a AufenthG / zu Abs. 1, Stand:
31.03.2016, Rn. 47). Einen anerkannten Schulabschluss (z.B. Hauptschulabschluss, mittlere Reife, Abitur)
hat die Klägerin zu 3 bislang nicht erworben, ebenso wenig einen Berufsabschluss. Der Kläger zu 4 besucht
seit September 2009 eine Förderschule. An dieser Schule wird jedoch kein förmlicher Abschluss wie
beispielsweise ein Hauptschulabschluss erreicht. Der Kläger zu 5 besucht seit September 2014 eine
Werkrealschule. Dieser Schulbesuch dauert noch keine vier Jahre.
22 Die Kläger zu 6 und zu 7 erfüllen den Tatbestand des § 25a Abs. 1 AufenthG aufgrund ihres Alters nicht. Bei
ihnen handelt es sich nicht um jugendliche Ausländer im Sinne des § 25a AufenthG, da sie zum
maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl.
OVG Saarlouis, Beschl. v. 06.10.2015 - 2 B 166/15 - juris -; Zühlcke, HTK-AuslR / § 25a AufenthG / zu Abs. 1,
Stand: 31.03.2016, Rn. 23).
23 Die Kläger zu 1 und zu 2 erfüllen nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1
AufenthG. Nach dieser Bestimmung kann den Eltern oder einem personensorgeberechtigten Elternteil eines
minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach Abs. 1 besitzt, eine Aufenthaltserlaubnis
erteilt werden, wenn die Abschiebung nicht aufgrund falscher Angaben oder aufgrund von Täuschungen
über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder mangels Erfüllung zumutbarer Anforderungen an die
Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert wird (Nr. 1) und der Lebensunterhalt
eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist (Nr. 2). Nach den obigen Ausführungen erfüllen die Kinder
der Kläger zu 1 und zu 2 nicht die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 AufenthG. Damit scheidet die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25a Abs. 2 AufenthG an die Kläger zu 1 und zu 2
gleichfalls aus.
24 Unabhängig davon und selbstständig tragend scheidet die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der
Grundlage des § 25a Abs. 1 AufenthG an die Kläger zu 3 - 5 wegen der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3
Satz 2 AufenthG aus, so dass auch ein entsprechender Bescheidungsanspruch nicht besteht. Nach dieser
Bestimmung darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden, sofern ein Asylantrag nach § 30 Abs.
3 Nr. 1 bis 6 AsylG abgelehnt wurde. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, die missbräuchliche Durchführung
eines Asylverfahrens aufenthaltsrechtlich zu sanktionieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2008 - 1 C 37/07 -
BVerwGE 132, 382).
25 Die Asylanträge der Kläger zu 3 - 5 wurden mit bestandskräftigen Bescheiden des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge vom 18.03.2010/01.06.2010/03.08.2010 in Anwendung von § 30 Abs. 3 Nr. 4
AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidungen des
Bundesamtes durch die Ausländerbehörde bzw. das Gericht im ausländerrechtlichen Verfahren erfolgt nicht
(vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2008 - 1 C 37/07 - a.a.O.).
26 Zwar kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG abweichend von § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG
erteilt werden (§ 25a Abs. 4 AufenthG). Dieses der Ausländerbehörde eingeräumte Ermessen ist vorliegend
jedoch negativ auf Null reduziert.
27 Die Kläger zu 3 - 5 haben - dies hat das Bundesamt in den Bescheiden vom
18.03.2010/01.06.2010/03.08.2010 zutreffend ausgeführt - ihre Asylanträge spät und sukzessive gestellt,
um eine drohende Aufenthaltsbeendigung der gesamten Familie zu verhindern. Die von den Klägern zu 3 - 5
durchgeführten Asylverfahren stellen sich somit insgesamt als grob rechtsmissbräuchlich dar. Die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25a Abs. 1 AufenthG abweichend von § 10 Abs. 3 Satz 2
AufenthG würde die missbräuchliche Inanspruchnahme des Asylverfahrens durch die Kläger zu 3 - 5
belohnen. Dies ist rechtsstaatlich nicht vertretbar und führt zu dem Schluss, dass das der Beklagten nach §
25a Abs. 4 AufenthG eingeräumte Ermessen zu Lasten der Kläger zu 3 - 5 auf Null reduziert ist.
28 2. Die Kläger erfüllen auch nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 1 und 2
AufenthG. Nach dieser Bestimmung soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und
Abs. 2 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der
Bundesrepublik Deutschland integriert hat (§ 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Dies setzt nach § 25b Abs. 1
Satz 2 AufenthG regelmäßig voraus, dass der Ausländer sich seit mindestens acht Jahren oder, falls er
zusammen mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs
Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet
aufgehalten hat (Nr. 1), sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik
Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der
Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt (Nr. 2), seinen Lebensunterhalt überwiegend durch
Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie
der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Abs. 3
sichern wird, wobei der Bezug von Wohngeld unschädlich ist (Nr. 3), über hinreichende mündliche
Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen
verfügt (Nr. 4) und bei Kindern im schulpflichtigen Alter deren tatsächlichen Schulbesuch nachweist (Nr. 5).
Bei Vorliegen der Maßgaben der Nr. 1 bis 5 ist regelmäßig von einer nachhaltigen Integration auszugehen;
diese kann nur im Ausnahmefall verneint werden (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 21.07.2015 - 18 B 486/14 -
juris -).
29 Die Kläger erfüllen jedenfalls nicht die Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG. Die
Erteilungsvoraussetzung der Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der
Lebensverhältnisse müssen auch Ausländer erfüllen, die nicht handlungsfähig nach Maßgabe des § 80 Abs. 1
AufenthG sind; denn eine dem § 10 Abs. 1 Satz 2 StAG entsprechende Regelung fehlt in § 25 AufenthG.
30 Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung werden nachgewiesen durch den erfolgreichen
Besuch eines Integrationskurses (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 07.12.2015 - 11 S 1998/15 - InfAuslR
2016, 94). Der Nachweis der Kenntnisse ist auch erbracht, wenn der Ausländer einen Abschluss einer
deutschen Hauptschule oder eines vergleichbaren oder höheren Schulabschluss einer deutschen
allgemeinbildenden Schule, eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung oder ein Studium nachweisen kann
(vgl. Allgemeine Anwendungshinweise - AAH - des Bundesministeriums des Innern zu § 25b AufenthG, S. 6).
Ausländer, die am Integrationskurs nicht oder nicht erfolgreich teilgenommen haben, können die
Abschlusstests des Integrationskurses auf freiwilliger Basis ablegen, um den Nachweis der Grundkenntnisse
zu erbringen (vgl. AAH des Bundesministeriums des Innern zu § 25b AufenthG, S. 6). Es besteht ferner die
Möglichkeit, dass die Ausländer auch isoliert nur am Orientierungskurs des Integrationskurses oder sogar nur
am Test „Leben in Deutschland“ teilnehmen können, um so den Nachweis über die Grundkenntnisse zu
erbringen; in diesem Fall erhält der Teilnehmer kein Abschlusszertifikat, sondern lediglich eine Mitteilung
über das erreichte Ergebnis im Test „Leben in Deutschland“ (vgl. AAH des Bundesministeriums des Innern zu
§ 25b AufenthG, S. 6). Die freiwillige Anmeldung zum Test auf eigene Kosten ist für den geduldeten
Ausländer grundsätzlich zumutbar; denn mit der Aufenthaltsgewährung nach § 25b AufenthG sollen gerade
außerordentliche Integrationsleistungen honoriert werden, die der Geduldete aus eigener Kraft und trotz
des ungeklärten Aufenthaltsstatus erbracht hat (vgl. AAH des Bundesministeriums des Innern zu § 25b
AufenthG, S. 6).
31 Die Kläger haben die Nachweise über die Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der
Lebensverhältnisse im Bundesgebiet nicht erbracht. Unabhängig hiervon verfügen sie aber auch nicht über
die von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG geforderten Grundkenntnisse der Rechts- und
Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Das Gericht hat in der mündlichen
Verhandlung der Klägerin zu 3 fünf Fragen zu der Rechts- und Gesellschaftsordnung im Bundesgebiet
gestellt, die sie nicht beantworten konnte. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger interveniert
und geltend gemacht, die Kläger verfügten aufgrund ihrer mangelnden Bildung nicht über Grundkenntnisse
der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Das Gericht hat
daraufhin die Befragung der Kläger abgebrochen. Die Kläger räumen somit selbst ein, dass in ihrer Person die
Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt sind.
32 Allerdings können besondere Integrationsleistungen von vergleichbarem Gewicht ebenfalls zur Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG führen, selbst wenn die Voraussetzungen des § 25b Abs. 1
Satz 2 AufenthG im Einzelfall nicht vollständig erfüllt sind (vgl. BT-Drucks. 18/4097 S. 42; AAH des
Bundesministeriums des Innern zu § 25b AufenthG, S. 3). Dies ist bei einem herausgehobenen sozialen
Engagement der Fall, wie es u.a. in Vereinen, sozialen Einrichtungen, Kirchen o.ä. üblicherweise praktiziert
wird; das herausgehobene Engagement muss aber über die bloße Vereinsmitgliedschaft hinausgehen (vgl.
AAH des Bundesministeriums des Innern zu § 25b AufenthG, S. 3). Anhaltspunkte für ein derartiges
herausgehobenes soziales Engagement bei den Klägern sind jedoch weder geltend gemacht noch sonst
ersichtlich.
33 Das Gericht kann deshalb dahingestellt lassen, ob die Vorschrift des § 25b Abs. 1 AufenthG nach ihrer
Zweckrichtung nur volljährige Ausländer erfasst (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 17.08.2016 - 18 B 696/16 -
juris -).
34 3. Die Kläger haben auch keinen Bescheidungsanspruch im Hinblick auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25
Abs. 5 AufenthG.
35 § 25a AufenthG ist nicht als speziellere und abschließende gesetzliche Regelung für die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen anzusehen; auch im Anwendungsbereich des § 25a
AufenthG verbleibt noch Raum für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25 Abs.
5 AufenthG (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 16.09.2014 - 2 O 81/14 - juris -; a.A. OVG Lüneburg, Beschl. v.
31.10.2012 - 11 ME 275/12 - InfAuslR 2013, 104 und Beschl. v. 12.03.2013 - 8 LA 13/13 - juris -). Bei den
Klägern zu 3 - 6 folgt indes aus der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, dass bei ihnen die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG von vornherein ausscheidet.
36 Die Kläger zu 1 und zu 2 sowie der Kläger zu 7 erfüllen nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Bestimmung kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig
ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen
Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG soll die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung seit
18 Monaten ausgesetzt ist. Die Vorschrift des Satzes 2 stellt dabei keine eigenständige Anspruchsgrundlage
dar, die einem Ausländer bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzung - Aussetzung der Abschiebung
für den genannten Zeitraum - einen „Soll“-Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vermitteln
würde. Vielmehr ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des § 25 Abs. 5 AufenthG, dass die
Erteilung des entsprechenden Aufenthaltstitels stets auch an die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG gebunden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.06.2006 - 1 C 14/05 - BVerwGE 126, 192).
37 Zwar sind die Kläger zu 1 und zu 2 sowie der Kläger zu 7 nach § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig. Es fehlt jedoch an der von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG geforderten
Unmöglichkeit der Ausreise. Die Ausreise der Kläger zu 1 und zu 2 sowie des Klägers zu 7 ist weder aus
tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich.
38 Der Begriff der Ausreise umfasst die (zwangsweise) Abschiebung und die freiwillige Ausreise (vgl. BVerwG,
Urt. v. 27.06.2006 - 1 C 14/05 - BVerwGE 126, 192). Die Ausreise ist unmöglich, wenn sie aus rechtlichen
oder tatsächlichen Gründen nicht erfolgen kann. Da die Ausreise eine unvertretbare Handlung darstellt, ist
die Unmöglichkeit im Hinblick auf den jeweils betroffenen Ausländer zu prüfen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v.
22.07.2009 - 11 S 1622/07 - juris -).
39 Ein tatsächliches Ausreisehindernis liegt vor, wenn der Zielstaat wegen des Fehlens entsprechender
Rückreisepapiere nicht aufnahmebereit ist (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 03.12.2008 - 13 S 2483/07 - NVwZ-
RR 2009, 578). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da sämtliche Kläger im Besitz von
Reisepässen sind.
40 Die freiwillige Ausreise ist den Klägern zu 1 und zu 2 sowie dem Kläger zu 7 auch nicht rechtlich unmöglich.
Eine freiwillige Ausreise ist im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich,
wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar
erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen
Vollstreckungshindernissen ergeben, zu denen u. a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus
Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK)
in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60
Abs. 5 und 7 AufenthG (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.06.2006 - 1 C 14/05 - BVerwGE 126, 192). Allgemeine
Widrigkeiten oder Überlegungen humanitärer Art, die aber keine Abschiebungsverbote zur Folge haben,
können keine Berücksichtigung finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.2006 - 1 C 14/05 - a.a.O.).
41 Die Kläger zu 1 und zu 2 sowie der Kläger zu 7 können sich nicht mit Erfolg auf ein inlandsbezogenes
Vollstreckungshindernis aus Art. 8 EMRK berufen.
42 Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Die
Gewährleistungen des Familienlebens sind vorliegend von vornherein nicht berührt, da die Kläger zu 1 und
zu 2 und ihre Kinder (Kläger zu 3 - 7) vollziehbar ausreisepflichtig sind. Der Schutz der Familie verlangt
prinzipiell nicht den Verbleib in einem bestimmten Staat (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 10.05.2006 - 11 S
2354/05 - VBlBW 2006, 438; VGH Kassel, Urt. v. 06.07.2012 - 7 A 473/11 - juris -).
43 Der Schutz der Achtung des Privatlebens begründet vorliegend ebenso wenig eine rechtliche Unmöglichkeit
der Ausreise der Kläger zu 1 und zu 2 sowie des Klägers zu 7. Dabei kann das Gericht offenlassen, ob der
Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK unter dem Blickwinkel des Privatlebens nur auf der Grundlage eines
rechtmäßigen Aufenthalts eröffnet ist (so BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 - 1 C 18/09 - NVwZ-RR 2011, 210
und Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 3/08 - NVwZ 2009, 1239; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.08.2010 - 8 PA 182/10
- InfAuslR 2010, 429; Beschl. v. 28.03.2014 - 8 LA 192/13 - juris - und Beschl. v. 14.07.2014 - 8 ME 72/14 -
InfAuslR 2014, 335; OVG Koblenz, Urt. v. 15.03.2012 - 7 A 11417/11 - juris - ; VGH München, Beschl. v.
11.08.2011 - 19 CE 11.1347 - juris -) oder ob die Legalität bzw. Illegalität des Aufenthalts (lediglich) ein
Gesichtspunkt ist, dem im Rahmen der Prüfung der Schranken des Art. 8 Abs. 2 EMRK Rechnung zu tragen
ist (so VGH Mannheim, Urt. v. 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - DVBl. 2011, 370; Urt. v. 22.07.2009 - 11 S
1622/07 - juris -; Beschl. v. 05.02.2009 - 11 S 3244/08 - VBlBW 2009, 357; Beschl. v. 03.11.2008 - 11 S
2235/08 - VBlBW 2009, 195; Beschl. v. 16.07.2008 - 11 S 1534/08 - AuAS 2008, 242 und Beschl. v.
25.10.2007 - 11 S 2091/07 - VBlBW 2008, 114; OVG Hamburg, Beschl. v. 03.03.2009 - 2 Bs 22/09 -
Asylmagazin 7-8/09, 44 und Beschl. v. 05.05.2014 - 4 BS 98/14 - InfAuslR 2014, 270; OVG Bremen, Urt. v.
05.07.2011 - 1 A 184/10 - InfAuslR 2011, 379; Urt. v. 28.06.2011 - 1 A 141/11 - Nord-ÖR 2011, 440 und
Beschl. v. 22.11.2010 - 1 B 154/10 - Asylmagazin 2011, 90).
44 Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK darf eine Behörde in die Ausübung des Rechts aus Art. 8 Abs. 1 EMRK nur
eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist
für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung
der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutze der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz
der Rechte und Freiheiten anderer. Im Rahmen der Schrankenprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist das
Interesse an der Aufrechterhaltung der von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten persönlichen Bindungen mit den
öffentlichen Interessen an einer Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die
Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) und einer Abwehr von Gefahren für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwägen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 - 1 C 26/08 - BVerwGE
135, 137 und Beschl. v. 10.02.2011 - 1 B 22/10 - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 07.12.2011 - 11 S 897/11 -
DVBl 2012, 194). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige
persönliche Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten
Privatlebens) zu berücksichtigen. Erforderlich ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Beachtung der vom
EGMR entwickelten Kriterien, die im Wesentlichen in den Entscheidungen Boultif und Üner
zusammengefasst worden sind (vgl. EGMR, Urt. v. 02.08.2001 - 54273/00 - Boultif - InfAuslR 2001, 476 und
Urt. v. 05.07.2005 - 46410/99 - Üner - InfAuslR 2005, 450). Eine Verletzung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK
normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt vor allem bei Ausländern in Betracht, die auf Grund
ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des
Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist
(vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8/96 - InfAuslR 1999, 54 und Urt. v. 27.01.2009 - 1 C 40/07 -
BVerwGE 133, 73). Ob eine solche Fallgestaltung vorliegt, hängt zum einen von der Integration des
Ausländers in Deutschland („Verwurzelung“) und zum anderen von seiner Möglichkeit der Reintegration in
seinem Heimatland („Entwurzelung“) ab.
45 Maßgebend sind bei der Frage der Integration des Ausländers in Deutschland vor allem die Dauer des
Aufenthalts im Bundesgebiet sowie dessen rechtlicher Status, der Stand der gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und sozialen Integration (Sprachkenntnisse, Schule/Beruf,
Freizeitgestaltung/Freundeskreis), sowie das Fehlen von Straftaten. Was die berufliche Verwurzelung in
Deutschland betrifft, ist zu prüfen, ob der Ausländer berufstätig und dadurch in der Lage ist, den
Lebensunterhalt für sich und seine Familie dauerhaft zu sichern, und ob er über längere Zeit öffentliche
Sozialleistungen bezogen hat. Ferner ist von Bedeutung, ob der Betreffende eine Berufsausbildung
absolviert hat und ihn diese Ausbildung gegebenenfalls für eine Berufstätigkeit qualifiziert, die nur oder
bevorzugt in Deutschland ausgeübt werden kann. Bei der sozialen Integration ist das Ausmaß sozialer
Bindungen bzw. Kontakte des Ausländers außerhalb der Kernfamilie von Belang. Schließlich können im
Rahmen der Schrankenprüfung sonstige Faktoren Berücksichtigung finden, etwa ob und gegebenenfalls wie
lange der Aufenthalt des Betroffenen legal war und damit - im Sinne einer Handreichung des Staates -
schutzwürdiges Vertrauen auf ein „Hierbleibendürfen“ entwickelt werden konnte (vgl. VGH Mannheim, Urt.
v. 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - DVBl. 2011, 370).
46 Allein der Umstand, dass ein im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer weder über einen
Schulabschluss noch über eine Berufsausbildung verfügt und seinen Lebensunterhalt bislang nahezu
ausschließlich aus öffentlichen Sozialleistungen bestritten hat, reicht für sich allein aber nicht aus, um eine
Verwurzelung zu verneinen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.01.2010 - 1 B 25/09 - NVwZ 2010, 707). Hat sich
der Ausländer aber über viele Jahre lediglich geduldet im Bundesgebiet aufgehalten, spricht dies gegen eine
Verwurzelung, wenn er die bisherige Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung selbst zu vertreten hat (vgl.
VGH Mannheim, Beschl. v. 16.07.2008 - 11 S 1534/08 - AuAS 2008, 242; OVG Lüneburg, Beschl. v.
19.05.2010 - 8 PA 86/10 - juris - und Beschl. v. 11.05.2006 - 12 ME 138/06 - InfAuslR 2006, 329).
47 Bei der Frage der Reintegration in das Heimatland (Grad der Entwurzelung) ist insbesondere maßgebend,
inwieweit Kenntnisse der dort gesprochenen und geschriebenen Sprache bestehen bzw. erworben werden
können, inwieweit der Ausländer mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist, und inwieweit er dort bei der
Wiedereingliederung auf Hilfestellung durch Verwandte und sonstige Dritte rechnen kann, soweit diese
erforderlich sein sollte (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 13.10.2010 - 11 S 2359/10 - InfAuslR 2011, 250 und
Urt. v. 18.01.2006 - 13 S 2220/05 - VBlBW 2006, 200; OVG Koblenz, Beschl. v 24.02.2006 - 7 B 10020/06 -
InfAuslR 2006, 274 und Urt. v. 15.03.2012 - 7 A 11268/11 - juris -; VGH Kassel, Urt. v. 07.07.2006 - 7 UE
509/06 - ZAR 2006, 413; OVG Hamburg, Beschl. v. 05.05.2014 - 4 Bs 98/14 - NVwZ 2014, 1249; OVG
Magdeburg, Beschl. v. 16.09.2014 - 2 O 81/14 - juris -). Das Maß der Vertrautheit hängt davon ab, in
welchem Alter das Heimatland verlassen wurde; hat der Ausländer das Heimatland erst im
Erwachsenenalter verlassen, spricht dies gegen eine Entwurzelung von den dortigen Lebensverhältnissen.
Wird die Heimatsprache noch in Grundzügen beherrscht, ist zu erwarten, dass die Kenntnisse bei einer
Rückkehr ins Heimatland ausgebaut werden können.
48 Das Ausmaß der Verwurzelung bzw. die für den Ausländer mit einer Entwurzelung verbundenen Folgen sind
zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen.
Je stärker der Betroffene im Aufenthaltsstaat integriert ist, desto schwerer müssen die öffentlichen
Interessen wiegen. Alle Belange sind einzelfallbezogen festzustellen und zu gewichten sowie im Rahmen
einer Gesamtbewertung abzuwägen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.2009 - 1 C 40/07 - BVerwGE 133, 72 und
Beschl. v. 14.12.2010 - 1 B 30/10 - juris -). Keiner der in diese Abwägung einzustellenden privaten und
öffentlichen Belange genießt von vornherein einen Vorrang (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 02.06.2009 - 11
S 933/09 - InfAuslR 2009, 386). Verfügt der Ausländer über kein Aufenthaltsrecht mehr, kann seinen
Bindungen aber nicht mehr dasselbe Gewicht beigemessen werden wie zu Zeiten, in denen er sich
rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris
-).
49 Nach diesen Grundsätzen besteht im Falle der Kläger zu 1 und zu 2 keine rechtliche Unmöglichkeit der
Ausreise aus Art. 8 EMRK. Die Kläger zu 1 und zu 2 sind im Kosovo geboren. Dort haben sie im Wesentlichen
ihre Sozialisation erfahren. Sie sprechen die deutsche Sprache auf niedrigem Niveau und sind strafrechtlich
nicht in Erscheinung getreten. Gleichwohl sind die Kläger zu 1 und zu 2 im Bundesgebiet nicht hinreichend
verwurzelt, da sie während ihres gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet von Sozialleistungen gelebt haben
und auch gegenwärtig Sozialleistungen beziehen. Weitere besondere Integrationsleistungen sind nicht
ersichtlich. Die Kläger zu 1 und zu 2 haben eine Berufsausbildung als unerlässliche Grundlage einer
erfolgreichen wirtschaftlichen Integration nicht absolviert und sind im Bundesgebiet derzeit nur im
Niedriglohnsektor beschäftigt. Ihr Einkommen reicht für den Lebensunterhalt der gesamten Familie nicht
aus. Die Kläger zu 1 und zu 2 sind keine in Deutschland aufgewachsenen Ausländer der zweiten
Generation. Der Aufenthalt der Kläger zu 1 und zu 2 im Bundesgebiet war durchgehend nur geduldet. Sie
konnten daher kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand ihres Aufenthalts im Bundesgebiet
entwickeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 3/08 - NVwZ 2009, 1239; VGH Kassel, Beschl. v.
15.02.2006 - 7 TG 106/06 - NVwZ-RR 2006, 826 und Urt. v. 06.07.2012 - 7 A 473/11 - juris -). Gegen eine
Verwurzelung spricht weiter, dass die Kläger zu 1 und zu 2 aufgrund der rechtsmissbräuchlichen
Asylantragstellung für die Kläger zu 3 - 6 die Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung zu vertreten haben.
Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger zu 1 und zu 2 soziale Kontakte außerhalb ihres familiären Umfeldes
pflegen, die sie durch eine Ausreise aufgeben müssten, bestehen nicht. Das Gericht kann deshalb
dahingestellt sein lassen, ob allein schon das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 25a AufenthG ein
regelmäßiges Indiz dafür ist, dass eine hinreichende Verwurzelung nicht vorliegt (vgl. Zühlcke, HTK-AuslR / §
25a AufenthG / zu Abs. 2, Stand: 31.03.2016, Rn. 14).
50 Die Kläger zu 1 und zu 2 verfügen noch über hinreichende Sprachkenntnisse, die ihnen eine Eingewöhnung
im Kosovo ermöglichen. Sie sind erst im Alter von 24 bzw. 19 Jahren in das Bundesgebiet eingereist und
haben vor der Einreise zuletzt im Kosovo gelebt. Aufgrund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die
Kläger zu 1 und zu 2 mit den Verhältnissen im Kosovo hinreichend vertraut sind, um sich in diese nach einer
Rückkehr wieder einzugewöhnen. Im Übrigen sind die Kläger zu 1 und zu 2 noch in einem Alter, in dem das
Einfügen in neue und unbekannte soziale Strukturen und der damit verbundene Aufbau eines neuen
Privatlebens regelmäßig zumutbar und möglich sind. Dass die Eingewöhnung in die Lebensverhältnisse im
Kosovo voraussichtlich schwierig sein wird, kann unterstellt werden. Anhaltspunkte dafür, dass diese
unmöglich oder unzumutbar ist, bestehen indes nicht. Die Kläger zu 1 und zu 2 können die im Kosovo in
jeder Gemeinde eingerichteten „Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR)“ in Anspruch nehmen
(vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 9.
Dezember 2015). Diese sind zuständig für die Entgegennahme von Anträgen für Leistungen aus dem
Reintegrationsprogramm sowie für Beratungsleistungen. Sie sollen innerhalb von max. 7 Tagen über die
Bewilligung von Leistungen entscheiden, die im Rahmen einer Soforthilfe gewährt werden müssen,
insbesondere Unterkunft und Verpflegung. Darüber hinaus können die Kläger zu 1 und zu 2 auf die
Leistungen aus dem Rückkehrer-Projekt „URA II“ zurückgreifen. Dieses Projekt bietet in seiner Einrichtung
in der Innenstadt von Pristina Integrations-, Betreuungs- und Unterstützungsmaßnahmen für Rückkehrer
aus Deutschland an. Es hilft u.a. bei der Wohnungssuche, zahlt für einen Übergangszeitraum die Miete,
stellt Geld für Lebensmittel zur Verfügung, ist bei der Arbeitsplatz- und Ausbildungssuche behilflich und
begleitet Zurückgekehrte bei Behördengängen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 9. Dezember 2015).
51 Bei der gebotenen Gesamtbewertung überwiegt das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einer
geordneten Einwanderung, das eine Beendigung des Aufenthalts von Ausländern, die ohne Aufenthaltstitel
ins Bundesgebiet eingereist sind, einschließt, das Interesse der Kläger zu 1 und zu 2, die eine
Aufenthaltsbeendigung durch erkennbar aussichtslose Asylanträge ihrer Kinder verhindert haben. Die
fehlende Rechtmäßigkeit des langjährigen Aufenthalts der Kläger zu 1 und zu 2 und der seit der Einreise in
das Bundesgebiet ununterbrochene Sozialleistungsbezug fallen höher ins Gewicht als die für eine
Verwurzelung der Kläger zu 1 und zu 2 sprechenden Umstände. Von wesentlicher Bedeutung ist zudem,
dass bei den Klägern zu 1 und zu 2 aufgrund ihres im Bundesgebiet nur geduldeten Aufenthaltes ein
schutzwürdiges Vertrauen auf den weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland fehlt.
52 Auch im Falle des am 29.07.2011 im Bundesgebiet geborenen Klägers zu 7 besteht keine rechtliche
Unmöglichkeit der Ausreise gemäß Art. 8 EMRK. Insoweit hat im Rahmen des Art. 8 EMRK eine
familienbezogene Betrachtung zu erfolgen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 16.09.2010 - 2 M 107/10 - juris -
; VGH München, Beschl. v. 13.07.2010 - 19 ZB 10.1129 - juris -; OVG Saarlouis, Beschl. v. 20.04.2011 - 2 B
208/11 - NVwZ-RR 2011, 660; VGH Mannheim, Urt. v. 22.07.2009 - 11 S 1622/07 - juris - und Urt. v.
26.07.2006 - 11 S 951/06 - VBlBW 2006, 442; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.03.2013 - 8 LA 13/13 - juris -
und Urt. v. 29.01.2009 - 11 LB 136/07 - juris -). Minderjährige Kinder teilen grundsätzlich
aufenthaltsrechtlich das Schicksal ihrer Eltern. Es ist folglich im Rahmen einer familiären Gesamtschau auch
bedeutsam, inwieweit sich die Eltern kulturell, sozial und wirtschaftlich in die hiesigen Lebensverhältnisse
integriert haben. Steht den Eltern wegen deren mangelnder Integration in die Lebensverhältnisse der
Bundesrepublik Deutschland über Art. 8 EMRK kein Aufenthaltsrecht zu, so ist davon auszugehen, dass auch
ein Minderjähriger, der im Bundesgebiet geboren wurde oder dort lange Zeit gelebt hatte und vollständig
integriert ist, auf die von den Eltern nach der Rückkehr im Familienverband zu leistenden Integrationshilfen
im Heimatland verwiesen werden kann (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 22.07.2009 - 11 S 1622/07 - juris -). So
liegt der Fall hier. Den Eltern des Klägers zu 7 steht über Art. 8 EMRK kein Aufenthaltsrecht zu. Er ist
deshalb auf die von seinen Eltern nach der Rückkehr im Familienverband zu leistenden Integrationshilfen zu
verweisen.
53 Die Kläger zu 1 und zu 2 sowie der Kläger zu 7 können sich auch nicht mit Erfolg auf ein inlandsbezogenes
Vollstreckungshindernis aus Art. 6 GG berufen.
54 Nach Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdige Belange können einer (zwangsweisen) Beendigung des Aufenthalts
des Ausländers dann entgegenstehen, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären
Bindungen durch eine Ausreise zu unterbrechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1997 - 1 C 9/95 - BVerwGE
105, 35). Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung
sowie das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.05.1987 - 2 BvR
1226/83 - BVerfGE 76, 1). Eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG scheidet aber aus, wenn eine Führung der
familiären Lebensgemeinschaft auch in einem anderen Land zumutbar möglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v.
26.08.2008 - 1 C 32/07 - BVerwGE 131, 370 und Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 3/08 - NVwZ 2009, 1239). Dabei
ist davon auszugehen, dass es den im Bundesgebiet lebenden ausländischen Ehepartnern grundsätzlich
zumutbar ist, die familiäre Einheit im Ausland herzustellen. Allein der Umstand, dass sie von der ihnen
eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich hier eine wirtschaftliche und soziale Existenz
aufzubauen, und mit zunehmender Aufenthaltsdauer und wachsender Einbindung in die hiesigen
Lebensverhältnisse regelmäßig einer entsprechenden Entfremdung von den Lebensverhältnissen ihres
Heimatlandes ausgesetzt sind, führt nicht dazu, dass ihnen ein Verlassen des Bundesgebiets generell nicht
zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.2010 - 1 C 8/09 - BVerwGE 136, 231).
55 Nach diesen Grundsätzen steht auch Art. 6 GG einer freiwilligen Ausreise der Kläger zu 1 und zu 2 sowie
dem Kläger zu 7 nicht entgegen. Denn die eheliche/familiäre Lebensgemeinschaft kann im Kosovo zumutbar
fortgeführt werden.
56 Eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise besteht auch nicht im Hinblick auf zielstaatsbezogene
Abschiebungsverbote. Dass im Falle der Kläger zu 1 und zu 2 sowie des Klägers zu 7 zielstaatsbezogene
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, ist weder geltend gemacht noch sonst
ersichtlich.
57 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO.