Urteil des VG Sigmaringen vom 22.02.2017

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VG Sigmaringen Urteil vom 22.2.2017, 5 K 1094/16
Mündliche Prüfung; Erstes Staatsexamen für das Lehramt an Realschulen;
Begründungsanspruch; Überdenken
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Zulassung zur Wiederholung der mündlichen Prüfung des Ersten Staatsexamens für
das Lehramt an Realschulen im Leitfach Biologie.
2
Die am ...1988 geborene Klägerin war seit dem Wintersemester 2008/2009 Studierende an der
Pädagogischen Hochschule W. in den Fächern Mathematik (Hauptfach), Biologie (Leitfach), Informatik (Affines
Fach) sowie Soziologie (Grundlagenfach). Sie meldete sich erstmals am 20.01.2014 zur Prüfung an. Die
mündlichen Prüfungen in den Fächern Pädagogische Psychologie, Erziehungswissenschaften und Mathematik
bestand sie. Die Prüfungskommission bewertete die mündliche Prüfung im Fach Biologie am 21.04.2015 mit
„mangelhaft“. Am 26.06.2015 beantragte sie daher die Wiederholung der Prüfung im Sommersemester
2015.
3
Die Prüfungskommission bewertete ihre Leistungen in der mündlichen Prüfung am 04.11.2015 erneut mit
„mangelhaft“. Beim Feld „Tragende Gründe der Bewertung“ hieß es im dazugehörigen Prüfungsprotokoll:
„Teilweise deutliche Lücken, Probleme in der Anwendung von Fachsprache und Konzeptanwendung in allen
Bereichen“.
4
Mit Bescheid vom 05.11.2015, vom Leiter des Prüfungsamts der Klägerin am selben Tag persönlich
übergeben, teilte das Landeslehrerprüfungsamt der Klägerin mit, dass sie die Erste Staatsprüfung für das
Lehramt an Realschulen im Leitfach Biologie endgültig nicht bestanden habe. Der Prüfungsanspruch sei
erloschen.
5
Mit Schreiben vom 25.11.2015 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie stellte den Antrag, ihr Nicht-Bestehen
binnen drei Wochen ausführlich schriftlich zu begründen; nach Vorlage der Begründung und Einsicht in die
Prüfungsakten werde sie ihrerseits den Widerspruch begründen. Mit Schreiben vom 10.12.2015 erinnerte
der zwischenzeitlich beauftragte Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die Vorlage der erbetenen
Unterlagen, um den Widerspruch begründen zu können. Nachdem diesem daraufhin Einsicht in das
Prüfungsprotokoll vom 04.11.2015 und „relevante Unterlagen aus der Prüfungsakte“ gewährt worden war,
begründete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Widerspruch mit Schreiben vom 23.12.2015 näher.
Die im Protokoll in lediglich zwei Zeilen als tragend ausgewiesenen Gründe „Teilweise deutliche Lücken,
Probleme in der Anwendung von Fachsprache und Konzeptanwendung in allen Bereichen“ seien nicht
geeignet, die Note „mangelhaft“ zu tragen. Dies verstoße gegen §§ 39, 37 LVwVfG. Vor allem sei es auf der
Grundlage der bisher vorliegenden Begründung nicht möglich, sich im Rahmen eines
Rechtsbehelfsverfahrens inhaltlich mit der Sache auseinanderzusetzen. Weiterhin sei zu bemerken, dass der
Klägerin auch bei der Noteneröffnung „nichts - kein Wort - einer fachlichen Begründung“ mitgeteilt worden
sei. In der Sache habe sie das Modell der Haut korrekt beschrieben. Zusätzlich habe sie deren Funktion -
ohne ausdrückliche Aufforderung seitens der Prüfer - beschrieben. Den Punkt „Melanin, Melanom“ habe sie
korrekt beantwortet. Der Prüfungspunkt „Modellierungsarten“ verlange eine Definition, welche sie geliefert
habe. Beim Prüfungspunkt „Modellkompetenz“ sei ein Beispiel abgefragt worden, was ohne größere
Probleme (jedenfalls nicht mit einer als Note 5 zu bewertenden Leistung) funktioniert habe. Sie habe die
Modelle der Vögel korrekt zugeordnet. Weitere Fragen habe sie ohne größere Probleme (jedenfalls nicht mit
einer als Note 5 zu bewertenden Leistung) beantworten können. Richtig sei, dass sie nicht erkannt habe,
dass es sich beim Rotkehlchen um einen „Teilzieher“ handle. Den Punkt „Parameter bei Untersuchung“ habe
sie erklärt, wobei die Prüfer wohl einen bestimmten Begriff („Platte“ statt „Teller“) hätten hören wollen.
Beim Punkt „Zonierung“ sei die Prüfungszeit am Ende gewesen. Sie habe während der gesamten Prüfung
ein „gutes Gefühl“ gehabt. Seitens der Prüfer sei nie nachgefragt oder nachgehakt worden. Die Beratung
habe nicht einmal zehn Minuten gedauert.
6
Die Mitglieder der Prüfungskommission nahmen mit einem dreiseitigen Schreiben ohne Datum, das am
28.01.2016 bei der Pädagogischen Hochschule W. einging, gemeinsam zum Widerspruch der Klägerin
inhaltlich Stellung. Darin hieß es u.a. bzw. zusammengefasst im Wesentlichen, die Klägerin habe das Modell
zur Haut nur in einfachsten Ansätzen beschreiben können. Insbesondere die unterschiedlichen Funktionen
von Dermis und Epidermis habe sie nicht erklären können. Auch die Unterscheidung von apokrinen und
ekkrinen Drüsen habe sie nicht erläutern können. Ferner sei sie nicht in der Lage gewesen, Bildung und
Transport des Hautpigments Melanin zu erläutern und damit eine wesentliche Eigenschaft des Pigments
(Schutz vor UV-Strahlung). Nach zähem Prüfungsverlauf sei auf weitere Fragen zu diesem zentralen
Themenkomplex verzichtet worden, um die Klägerin nicht weiter zu verunsichern. Hier hätten sich
schwerwiegende Wissenslücken gezeigt. Sie sei weiter nicht in der Lage gewesen, aktuelle
Kompetenzkonstrukte zur Modellkompetenz fachlich korrekt zu definieren. Nur bruchstückhaft sei es ihr
gelungen, Konsequenzen aus den theoretischen Modellen für die unterrichtliche Praxis abzuleiten. Die
Zeichnung der Zelle sei nur mit „großen Einhilfen“, eine Beschriftung der Organellen sei ihr nicht möglich
gewesen. Ihr fehle außerdem das Grundwissen, um Zug- und Standvögel fachlich korrekt zu unterscheiden.
Auch die Prüfungsaufgabe zu dem Thema „gewässerökologische Untersuchung“ habe sie unzureichend
bewältigt. Sie habe größte Schwierigkeiten gehabt, ökologische und chemische Parameter einer
Gewässeruntersuchung zu benennen, eine Erläuterung derselben sowie eine Begründung für die Auswahl
der Parameter zur Bestimmung der Wasserqualität sei nicht möglich gewesen. Sie habe deutliche Lücken im
Grundlagenbereich offenbart. Für alle besprochenen inhaltlichen Bereiche gelte, dass die Klägerin nur in
Ansätzen, in keinem Bereich aber in ausreichender Weise zur Anwendung der notwendigen Fachsprache in
der Lage gewesen sei. Sie habe Definitionen - wenn überhaupt - auf alltagssprachlichem Niveau gegeben.
Dass die Klägerin ein „gutes Gefühl“ gehabt habe, läge daran, dass die Prüfungskommission ihr das Gefühl
habe vermitteln wollen, dass sie neutral und fair bewertet werde. Dazu gehöre auch, das Thema zu
wechseln, wenn der Prüfer gemerkt habe, dass sie in einem Bereich nicht einmal Grundkenntnisse gehabt
habe. Soweit die Klägerin angebe, ihr sei keine fachliche Begründung bei der Noteneröffnung mitgeteilt
worden, sei dies nicht zutreffend. Ihr sei im Anschluss an die Prüfung und Beratung die Note mitgeteilt
worden. Sie habe dann schnell das Zimmer verlassen. Nachdem sie zurückgekommen gewesen sei, seien ihr
die tragenden Gründe in einem etwa zehnminütigen Gespräch unter Bezug auf die Prüfungsteile ausführlich
erläutert worden. In einem weiteren ca. fünfminütigem Nachgespräch sei ihr die Möglichkeit eingeräumt
worden, nochmals Nachfragen zu stellen.
7
Ohne der Klägerin diese Stellungnahme vorab gesondert zukommen zu lassen, wies der Beklagte den
Widerspruch - unter Übersendung der Stellungnahme - mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2016 zurück.
Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine erneute
Durchführung der mündlichen Prüfung. Ihr Prüfungsanspruch sei nach § 23 Abs. 5 RPO I erloschen. Gem. §
20 Abs. 5 RPO I sei die Erste Staatsprüfung nicht bestanden. Die im Protokoll eingetragenen Gründe seien
ausreichend dargelegt. Auch seien ihr die Gründe für ihr Nichtbestehen mündlich erläutert worden. Die
Widerspruchsbehörde sei darauf beschränkt, darüber zu befinden, ob die Grenzen des
Beurteilungsspielraums verletzt worden seien, etwa weil die Prüfer Verfahrensvorschriften missachtet
hätten, von falschen Tatsachen ausgegangen seien, gegen allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze
verstoßen oder sachfremde Erwägungen angestellt hätten. Dies sei erkennbar nicht der Fall. Die Klägerin
habe einen Anspruch, dass die Prüfungskommission auf Grund ihrer Einwände ihre Bewertung überdenke.
Im Rahmen dieses Überdenkens müsse sich die Prüfungskommission mit den Einwänden der Klägerin
auseinander setzen und ihr Ergebnis überdenken. Dies habe vorliegend dazu geführt, dass die
Prüfungskommission auch unter Berücksichtigung der Einwände der Klägerin an ihrem Ergebnis festhalte.
8
Die Klägerin hat am 29.03.2016 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben. Zur Begründung
macht sie zunächst unter Wiederholung und Vertiefung ihres vorprozessualen Vortrags ergänzend geltend,
sie habe erstmals mit dem Widerspruchsbescheid eine nachvollziehbare, aussagekräftige und umfassende
Begründung für ihre Benotung erhalten; im Widerspruchsverfahren habe ihr diese nicht zur Verfügung
gestanden, sodass sie auf deren Grundlage auch kein Überdenken habe erreichen können. Ob die Prüfer sich
nach zwei Monaten aber tatsächlich noch an die Prüfung erinnern könnten, sei ohnehin fraglich. Es sei
weiterhin widersprüchlich einerseits von „
teilweise deutlichen Lücken“ zu sprechen, obwohl die
Stellungnahme doch den Eindruck vermitteln wolle, die Klägerin habe andererseits nahezu gar nichts
gewusst. Zudem beinhalte die Formulierung „teilweise“ zwangsläufig den Schluss, dass Wissen in Teilen
vorhanden gewesen sei. Der Stellungnahme der Prüfer halte sie inhaltlich Folgendes entgegen: Die
Bedeutung kollagener Fasern sei nicht gefragt worden. Zum Thema Haut habe sie alles korrekt beantworten
können. Zum Thema „Modellierungsarten“ habe sie eine korrekte Definition geben können und ein Beispiel
aus der Vorlesung genannt. Im Rahmen des Themas „Modellkompetenz“ sei gerade nicht verlangt worden,
die Zeichnung zu beschriften, da sie mit „sie könne ja auch reden“ angesprochen worden sei. Sie habe die
Zeichnung dann mündlich erläutert. Die Modelle der Vögel habe sie korrekt zugeordnet. Als Beispiel für
einen Zugvogel habe sie die Schwalbe genannt. Die Unterscheidung anhand der Schnabelformen im Hinblick
auf die Ernährung habe sie ohne größere Probleme (jedenfalls nicht mit einer als Note 5 zu bewertenden
Leistung) darlegen können. Auch im Bereich „Parameter bei Untersuchungen“ habe sie diverse
Möglichkeiten zur pH-Wert-Messung aufgezählt. Eine weitere Erläuterung sei nicht gefragt gewesen. Sie
habe sehr wohl die Fachsprache verwendet. Es dürfe auch erwähnt werden, dass sie vorangegangene
Prüfungen in Biologie ohne größere Probleme bestanden habe. Es sei exemplarisch darauf hinzuweisen, dass
einzelne Ausführungen der Stellungnahme (S. 2 Punkt 6) deswegen nicht stimmten, weil sich die dort in
Bezug genommenen Ereignisse bei der ersten, nicht aber bei der hier streitgegenständlichen mündlichen
Prüfung im Fach Biologie so abgespielt hätten. Zuletzt macht die Klägerin auch geltend, zwischen ihr und
der Prüferin Dr. D. sei es schon im Vorfeld verschiedentlich zu „auch persönlichen Missständen“ gekommen;
der Prüfer Prof. Dr. W. habe festgestellt, dass sie doch „sehr autoritär“ sei.
9
Die Klägerin beantragt,
10 den Bescheid des Beklagten vom 05.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2016
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin im Wege einer Wiederholung zur mündlichen
Prüfung „Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen - Leitfach Biologie“ zuzulassen.
11 Der Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Zur Begründung verweist er auf den Widerspruchsbescheid und die Stellungnahme der Prüfungskommission.
Soweit sich die Klägerin auf Umstände vor der mündlichen Prüfung berufe, habe sie diese bei der Prüfung
rügen müssen.
14 Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2017 die Klägerin informatorisch angehört.
Zudem hat sie zu Ablauf und Inhalt der mündlichen Prüfung am 04.11.2015 Beweis erhoben durch
Vernehmung der Prüfer Frau W. und Prof. Dr. W. als Zeugen. Hierzu wird auf die Anlage zur
Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte sowie die vom Beklagten vorgelegten Akten (zwei Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
15 Die zulässige Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist unbegründet. Die Klägerin hat
keinen Anspruch auf eine - hier allein begehrte und streitgegenständliche - erneute Durchführung der
mündlichen Prüfung. Die angefochtenen Bescheide stellen zu Recht fest, dass ihr Prüfungsanspruch nach §
23 Abs. 5 der Verordnung des Kultusministeriums über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an
Realschulen (RPO I) erloschen ist, nachdem auch in der Wiederholungsprüfung mit „ausreichend“ (4,0)
bewertete Leistungen nicht erbracht worden sind. Ein solches „ausreichend“ hat die Klägerin nicht erhalten,
ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre. Es liegt kein Verfahrensmangel vor, der zu einem Anspruch
auf Wiederholung der Prüfung führen würde (dazu nachfolgend I.); ebenso wenig kann festgestellt werden,
dass die Prüfungskommission bei der inhaltlichen Bewertung der Prüfungsleistung den ihr zustehenden und
gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum überschritten hätte (dazu nachfolgend
II.).
I.
16 Das hier streitige Prüfungsverfahren leidet nicht unter einem Verfahrensfehler, der einen Anspruch auf
Wiederholung der mündlichen Prüfung begründen könnte.
17 Soweit die Klägerin zuletzt Einwände gegen ihre Prüfer vorgebracht hat, die die Besorgnis von deren
Befangenheit andeuten sollen, weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Berücksichtigung
derartiger Gesichtspunkte bereits deshalb ausscheidet, weil sie darauf gründende etwaige Mängel nicht
unverzüglich - hier: vor der Prüfung - gerügt hat; der zu Prüfende darf keinesfalls stillschweigend das
Prüfungsergebnis abwarten, um sich so (nur) im Falle eines Misserfolgs eine weitere Prüfungschance zu
verschaffen (vgl. dazu nur Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl., Rn. 347 m.w.N.).
18 Auch die Prüfung selbst ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme verfahrensfehlerfrei abgelaufen. Der
Prüfungsverlauf wurde ordnungsgemäß protokolliert, die tragenden Gründe der Bewertung der
Prüfungsleistung wurden schriftlich festgehalten. Dass im Protokoll selbst nicht vermerkt wurde, ob die Note
der Klägerin eröffnet wurde (
„Ja / Nein (Nichtzutreffendes bitte streichen)“) ist unschädlich, nachdem
zwischen den Beteiligten unstreitig ist - und von der Klägerin und den vernommenen Zeugen in der
mündlichen Verhandlung auch bestätigt wurde -, dass dies tatsächlich der Fall war.
19 Insbesondere liegt zunächst aber auch kein Verstoß gegen § 15 Abs. 7 RPO I vor. Nach dieser Vorschrift
eröffnet der bzw. die Prüfungsvorsitzende im Anschluss an die mündliche Prüfung auf Wunsch nicht nur die
Note, sondern auf Verlangen auch deren tragende Gründe. Die Bestimmung normiert den - auch aus
Grundrechten (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuleitenden - Informationsanspruch des Prüflings,
gerichtet auf die Bekanntgabe der Gründe, die die einzelnen Prüfer und sodann die Prüfungskommission als
Kollegium dazu bewogen haben, die Prüfungsleistung - hier - insgesamt mit dem Ergebnis „nicht bestanden“
zu bewerten. Dieser Anspruch zielt grundsätzlich auch auf eine angemessene Begründung der
Prüfungsentscheidung, d.h. auf die Bekanntgabe der wesentlichen Gründe, mit denen die Prüfer zu einer
bestimmten Bewertung der (hier: mündlichen) Prüfungsleistung gelangt sind. Dies kann allgemein nach
Form, Zeitpunkt, Umfang und Inhalt auf unterschiedliche Weise geschehen. Die Einzelheiten dazu und das
Verfahren sollten Gegenstand einer normativen Regelung sein, die sowohl den dargelegten
verfassungsrechtlichen Gewährleistungen als auch den tatsächlichen Möglichkeiten der Prüfer angemessen
Rechnung zu tragen haben (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 06.09.1995 - 6 C 18.93 -, juris). Das
Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) führt hierzu näher aus:
20 „Auch die negative Bewertung einer mündlichen Prüfungsleistung kann - zumal bei einer ausschließlich
mündlich durchgeführten Prüfung - zum Nichtbestehen der Prüfung führen und damit den Zugang zu dem
angestrebten Beruf versperren. Auch insoweit hat der Prüfling daher, wenn er meint, ungerecht beurteilt
worden zu sein, einen Anspruch darauf, die Gründe zu erfahren, die die Prüfer zu ihrer Bewertung
veranlaßt haben. Erst dadurch wird er in den Stand gesetzt, Einwände gegen die Bewertung wirksam
vorzubringen und derart unberechtigte Eingriffe in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuwehren. Bei
schriftlichen Prüfungsleistungen, bei denen sowohl die Prüfungsaufgabe als auch die Prüfungsleistung in
Form einer Lösung der Prüfungsaufgabe schriftlich festliegen, ist es sachgerecht, auch für die Begründung
der Bewertung die Schriftform zu verlangen, wie dies der Senat in seinem Urteil vom 9. Dezember 1992,
a.a.O., getan hat. Allein auf diese Weise ist sichergestellt, daß im Zeitpunkt der Festsetzung und
Bekanntgabe der End- oder Gesamtnote, der in aller Regel wesentlich später liegt als der Zeitpunkt der
Bewertung der jeweiligen schriftlichen Prüfungsleistung, die Gründe für die Bewertung zuverlässig
dokumentiert sind und den Prüfling in den Stand setzen, Einwände wirksam vorzubringen. Im Unterschied
hierzu werden bei mündlichen Prüfungen die Prüfungsleistungen sofort und von allen Prüfern gleichzeitig
bewertet. Hinsichtlich der Dokumentation von Prüfungsaufgaben und Prüfungsleistungen bei mündlichen
Prüfungen hat der Senat bereits entschieden, daß weder das Grundrecht der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1
GG, noch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG eine umfassende Protokollierung gebieten;
allerdings seien, um den Nachteil einer völlig fehlenden oder jeweils nur unzulänglichen Dokumentation
sowohl der Prüfungsaufgabe als auch der Prüfungsleistung auszugleichen, hinreichende verfahrensmäßige
Vorkehrungen erforderlich, um das Prüfungsgeschehen auch nachträglich noch aufklären zu können
(Beschluß vom 31. März 1994 - BVerwG 6 B 65.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 332). In Bezug auf
die konkreten Anforderungen an die Begründung der Bewertung von mündlichen Prüfungsleistungen ist
wie bei schriftlichen Prüfungsleistungen maßgeblich auf die Erfordernisse eines wirksamen Rechtsschutzes
zugunsten des Prüflings abzustellen. Auch hier bedingt das wirksame Erheben von Einwänden gegen die
Bewertung jedenfalls die Kenntnis des Prüflings von den Gründen für die Bewertung; entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts kann es daher letztlich keinen Zweifel daran geben, daß jeder Prüfling,
der meint, ungerecht beurteilt worden zu sein, einen Anspruch auf Bekanntgabe jedenfalls der tragenden
Gründe für die Bewertung (auch) seiner mündlichen Prüfungsleistungen hat.
21 Dieser Anspruch besteht bei mündlichen Prüfungen allerdings nicht voraussetzungslos. Vielmehr ist hier
den besonderen Bedingungen, die mündliche Prüfungen von schriftlichen Prüfungen wesentlich
unterscheiden, angemessen Rechnung zu tragen. Dazu gehört es, den Aufwand, der für die Prüfer mit
jeglicher Begründung ihrer Bewertung von Prüfungsleistungen verbunden ist, auf dasjenige Maß zu
beschränken, das nach den im Einzelfall gegebenen Umständen notwendig, weil durch den Anspruch des
betroffenen Prüflings auf wirksamen Schutz in seinen Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4
GG konkret bedingt ist. Danach ist es zur Wahrung des individuellen Rechtsschutzes unnötig und folglich
auch nicht geboten, bei mündlichen Prüfungen in jedem Falle eine schriftliche oder auch nur mündliche
Begründung der Bewertung sämtlicher Prüfungsleistungen zu verlangen ohne Rücksicht darauf, ob der
jeweilige Prüfling überhaupt erwägt, Einwände gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen
vorzubringen, und (allein) zu diesem Zweck eine Begründung benötigt. Vielmehr hängt der konkrete Inhalt
des Anspruchs des Prüflings auf eine Begründung und damit korrespondierend der Pflicht der Prüfer, ihre
Bewertungen von mündlichen Prüfungsleistungen zu begründen, davon ab, ob der jeweilige Prüfling eine
Begründung verlangt, wann er dies tut und mit welchem konkreten Begehren und mit welcher
Begründung. Erst durch eine solche Spezifizierung durch den Prüfling wird aus seinem verfassungsrechtlich
nur dem Grunde nach gewährten allgemeinen Informationsanspruch ein konkreter Anspruch, der auf die
Begründung näher bezeichneter, für den Prüfling nicht ohne weiteres durchschaubarer Bewertungen in
einem bestimmten Fach gerichtet ist.“
22 Hieran gemessen sind die Abläufe in der mündlichen Prüfung vom 04.11.2015 insoweit nicht zu
beanstanden. Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (zu den Anforderungen an die
diesbezügliche Überzeugungsbildung vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.10.2010 - 9 S
1478/10 -, VBlBW 2011, 158) davon überzeugt, dass die Prüfungsvorsitzende der Klägerin nach ihrer
Rückkehr in den Prüfungsraum die tragenden Gründe der Bewertung dergestalt erläutert hat, dass die
insoweit im Protokoll schriftlich festgehaltenen Gründe wörtlich verlesen wurden; dies haben die beiden als
Zeugen vernommenen Prüfer insoweit übereinstimmend und unter Berufung auf eine insoweit ständig
geübte Praxis ohne Weiteres glaubhaft angegeben, ohne dass die Klägerin dem noch substantiiert
entgegengetreten wäre. Ob und inwieweit darüber hinaus im Gespräch nach der mündlichen Prüfung selbst
inhaltliche Erläuterungen gegeben wurden - insoweit divergieren die Angaben der Zeugen zum Teil und die
Klägerin selbst dürfte mit Blick auf ihren damaligen „emotionalen Ausnahmezustand“
nachvollziehbarerweise womöglich nicht alles erfasst haben -, kann offen bleiben. Denn ohnehin hat die
Klägerin in ihrer informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung jedenfalls selbst geäußert, dass
sie ihrerseits - weil viel zu aufgeregt - überhaupt nicht ausdrücklich nach den inhaltlichen Gründen für die
Bewertung gefragt habe; es fehlt also zu diesem Zeitpunkt bereits an einem „Verlangen“ i.S.d. § 15 Abs. 7
RPO I.
23 Auch wenn der - fortbestehende - Begründungsanspruch der Klägerin im weiteren Verlauf des
Prüfungsverfahrens verletzt worden sein könnte, führt dies jedenfalls nicht zu einem Anspruch auf
Wiederholung der Prüfung. Es spricht zwar vieles dafür, dass ihr die - in rechtlich zulässiger Weise (vgl. dazu
BVerwG, Beschluss vom 21.12.2016 - 2 B 108.15 -, juris) von allen Prüfern gemeinsam verfasste -
Stellungnahme der Prüfungskommission, die bei der Pädagogischen Hochschule W. am 28.01.2016
eingegangen ist, hätte vorab weitergeleitet werden müssen, nachdem sie mit Schreiben vom 25.11.2015
ausdrücklich darum gebeten hatte, ihr Nicht-Bestehen ausführlich schriftlich zu begründen. Auf eine solche
ausführliche - auch schriftliche - Begründung hat sie einen Anspruch, über den der Prüfling (optimalerweise -
anders als hier - bereits mit der Ladung zur Prüfung) zu unterrichten ist. Das Bundesverwaltungsgericht
führt im bereits erwähnten Urteil weiter aus (BVerwG, Urteil vom 06.09.1995 - 6 C 18.93 -, a.a.O.):
24 „Die Konkretisierung des Rechts auf eine Begründung der Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen
hängt maßgeblich vom Verhalten des jeweiligen Prüflings ab, insbesondere davon, wann er den Anspruch
geltend macht und wie er sein Verlangen begründet. Je konkreter er dies tut, desto konkreter wird die
Begründung sein müssen, um den Prüfling in den Stand zu setzen, etwa berechtigte Einwände
wirkungsvoll vorzubringen. Da er substantiierte Einwände in der Regel erst erheben kann, wenn er
zunächst die wesentlichen Gründe für die Bewertung seiner Prüfungsleistungen erfährt, ist sein Anspruch
auf eine Begründung nicht zwingend mit einer ersten, auf die wesentlichen Punkte beschränkten
Begründung erfüllt. Vielmehr kann er, um substantiierte Einwände vorbringen zu können, zusätzlich eine
weitere, konkretere Begründung verlangen; dies setzt dann allerdings eine entsprechende Substantiierung
voraus, ebenso wie er - nach Erhalt einer ausreichenden Begründung - einen Anspruch auf Überdenken der
von ihm angefochtenen Prüfungsnote nur insoweit hat, wie er seine Einwände gegen die Bewertung
hinreichend substantiiert hat (vgl. dazu u.a. Urteil vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - BVerwGE
92, 132, 138 f.). So muß er etwa darlegen, in welchen Fächern er hinsichtlich welcher Leistungen - die er
möglicherweise als gelungen erachtet - eine Begründung der Bewertung verlangt.
25 Unmittelbar im Anschluß an die Bekanntgabe der Prüfungsnote kann der Prüfling aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit lediglich eine m ü n d l i c h e Begründung der Bewertung seiner mündlichen
Prüfungsleistungen verlangen. Macht er mit sachlich-vertretbaren Gründen geltend, daß diese z.B.
unvollständig, nicht hinreichend verständlich oder gar widersprüchlich sei und daher nicht ausreiche, ihm
das Vorbringen von substantiierten Einwänden zu ermöglichen, kann er eine weitere, konkretere
Begründung der Prüfer verlangen. Diese muß nicht notwendig in schriftlicher Form erfolgen, sondern eine
weitere mündliche Begründung kann genügen, wenn sie dem Prüfling angeboten wird und seine Belange
wahrt. Insofern ist die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen im
bereits angeführten Urteil vom 10. Mai 1995, das bei späterer Begründung ausnahmslos Schriftform
verlangt, zu eng; eine flexiblere Handhabung liegt nicht allein im Interesse des einzelnen Prüflings an
einem möglichst wirksamen Schutz in seinen Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG,
sondern ist darüber hinaus geeignet, den beteiligten Prüfern wie auch der Prüfungsbehörde unnötigen
Aufwand zu ersparen. Begrenzt ist der Anspruch auf eine Begründung in jedem Fall durch seinen Zweck,
dem Prüfling etwa berechtigte Einwände gegen die Bewertung zu ermöglichen, was ein entsprechend
substantiiertes Verlangen voraussetzt, das nicht offensichtlich neben der Sache liegt. Ein inhaltlich nicht
verständliches, offensichtlich abwegiges oder gar von unsachlichen Vorwürfen getragenes Vorbringen
begründet keine Pflicht der Prüfer zu einer weiteren, über die wesentlichen Gründe hinausgehenden
Begründung. Das gleiche gilt, wenn der Prüfling seine Beanstandungen schlicht wiederholt, obwohl sie mit
einer Begründung abgelehnt worden sind, der er offenbar keine neuen erheblichen Einwände
entgegenzuhalten vermag. Liegt z.B. offen, daß Prüfer und Prüfling in der Einschätzung einer
Prüfungsleistung in bestimmter Weise divergieren, kann der Prüfling keine (weiteren) Begründungen
verlangen. Es ist ihm sodann anheimgestellt, ob er seinen "Anspruch auf Überdenken" (vgl. BVerwGE 92,
132) geltend machen und/oder gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will.“
26 Die Klägerin hat im Verwaltungsverfahren deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine schriftliche
Begründung ihrer Note wünscht; im Schreiben vom 25.11.2015 hat sie angekündigt, ihren Widerspruch zu
begründen, sobald ihr die hierzu erbetene Stellungnahme der Prüfungskommission vorliege. Dass der
Beklagte diesem Begehren - wie sein Vertreter in der mündlichen Verhandlung bestätig hat: bewusst - nicht
entsprochen und die bereits Ende Januar 2016 eingegangene Stellungnahme als Überdenkensentscheidung
erst mit dem Widerspruchsbescheid (vom 17.03.2016) übermittelt hat, hat der Klägerin die Gelegenheit
genommen, den Prüfern
für das Überdenken Einwände gegen die Bewertung und deren Begründung zu
kommunizieren. Die gleichwohl nach (Teil-)Akteneinsicht abgegebene - und in das Überdenken einbezogene
- Widerspruchsbegründung vom 23.12.2015 blieb folglich (zwangsläufig) defizitär, was der
Prozessbevollmächtigte in derselben im Übrigen auch ausdrücklich gerügt hat, weil es „mit bisher hier
vorliegender Begründung nicht möglich [sei], sich im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens inhaltlich mit
der Sache auseinander zu setzen“.
27 Der darin begründete Verfahrensfehler führt jedoch nicht zu einem Anspruch auf Wiederholung der Prüfung;
er hat sich in der Sache nicht ausgewirkt (vgl. den Rechtsgedanken in § 45 Abs. 1 Nr. 2, § 46 LVwVfG) und
kann lediglich dazu führen, dass der dadurch bedingte weitere Zeitverlust von etwa 6 Wochen (zwischen
Vorliegen der Stellungnahme der Prüfer und deren Übermittlung an die Klägerin mit dem
Widerspruchsbescheid) und eine darauf kausal zurückzuführende Unaufklärbarkeit von Vorgängen in der
mündlichen Prüfung - etwa wegen des Verblassens der Erinnerung der Prüfer oder des Prüflings an das
Prüfungsgeschehen - dem Beklagten anzulasten wäre. Denn die frühzeitige Information des Prüflings soll
ihn insbesondere in die Lage versetzen, gegen die Prüfungsentscheidung vorgehen zu können, solange seine
Erinnerung an die Prüfungssituation noch „frisch“ ist (vgl. abermals BVerwG, Urteil vom 06.09.1995 - 6 C
18.93 -, a.a.O.):
28 „Jeder Prüfling, der meint, in einer mündlichen Prüfung ungerecht benotet worden zu sein, und daher die
Anfechtung der Prüfungsnote erwägt, kann seinen Anspruch auf eine Begründung der Bewertung seiner
mündlichen Prüfungsleistungen unmittelbar im Anschluß an die Bekanntgabe der Prüfungsnote geltend
machen; er kann dies aber auch später noch tun. Allerdings liegt es in seinem eigenen Interesse, dann,
wenn er eine Begründung verlangen will, dies so frühzeitig wie möglich zu tun; denn erfahrungsgemäß läßt
die Erinnerung der Prüfer an das konkrete Prüfungsgeschehen, zumal bei einer Mehrzahl von Prüflingen
und erst recht dann, wenn der jeweilige Prüfer in der Folgezeit noch an weiteren Prüfungen mitwirkt,
schnell nach. Dementsprechend verringert sich mit jedem Tag nicht nur die Chance des Prüflings, auf sein
Verlangen hin eine möglichst vollständige und zutreffende Begründung der Bewertung seiner mündlichen
Prüfungsleistungen zu erhalten, sondern in gleichem Maße wird es ihm erschwert, in Ermangelung einer
solchen Begründung wirkungsvolle Einwände gegen die Bewertung vorzubringen. Trotz dieser
Schwierigkeiten und der daraus möglicherweise entstehenden Nachteile für den Rechtsschutz ist es hier -
anders als bei der Bewertung schriftlicher Prüfungsarbeiten (vgl. BVerwGE 91, 262, 267/268) - nicht
geboten, daß die Prüfer ihre Bewertung der mündlichen Leistungen stets schriftlich begründen. Denn im
Anschluß an die mündliche Prüfung und die Bekanntgabe der Bewertung hat es der Prüfling selbst in der
Hand, den Zeitpunkt und die Form der Begründung zu bestimmen.“
29 Nachdem die Prüfer ihre Erinnerungen an die Prüfung vom 04.11.2015 und ihre Erwägungen zur
Begründung der Notengebung bereits umfassend und ausführlich in der Stellungnahme fixiert haben und
nachdem die - als Zeugen noch erreichbaren (§ 244 Abs. 3 StPO) - Prüfer Frau W. und Prof. Dr. W. auf
konkretes Befragen in der mündlichen Verhandlung auf die mit der Klage nunmehr ergänzend vorgebrachten
Einwände bei abermaligem Überdenken ausdrücklich an der Bewertung festgehalten haben, ohne insoweit
Erinnerungsprobleme geltend zu machen, hat der vorstehend dargelegte Verfahrensfehler das Überdenken
auf Prüferseite nicht beeinträchtigt. Und auch die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, wegen der
verspäteten Weiterleitung der Stellungnahme womöglich nicht in der Lage gewesen zu sein, auf die
inhaltlichen Kritikpunkte der Prüfungskommission noch adäquat inhaltlich reagieren zu können; im
Gegenteil: in der mündlichen Verhandlung schilderte sie, dass sie sich unmittelbar nach der Prüfung - auf
Anraten der Studienberatung - (dem Gericht und den Prüfern allerdings nicht vorgelegte) Notizen gemacht
habe, um ihrerseits nicht allzu viel zu vergessen. Die verspätete Weiterleitung hat also gerade nicht dazu
geführt, dass ihr ein substantiiertes Vorbringen wegen der langen Zeitdauer unmöglich geworden sein
könnte. Mithin war der hier festzustellende Verfahrensfehler nicht kausal für spätere etwaige Defizite bei
der Aufklärung des Inhalts der Prüfung und der Grundlagen der Bewertung.
II.
30 Auch materielle Bewertungsfehler lassen sich nicht feststellen.
31 Die gerichtliche Kontrolle fachlicher, wissenschaftlicher Urteile, Wertungen und Entscheidungen von Prüfern
stößt an Grenzen, weil die Beurteilung von Prüfungsleistungen von Gesichtspunkten und Überlegungen
bestimmt ist, die sich einer rechtlich unmittelbar subsumierbaren Erfassung mehr oder minder entziehen
oder jedenfalls tatsächlich auf nicht in vollem Umfang objektivierbaren Einschätzungen und Erfahrungen
beruhen und insbesondere davon abhängig sind, was nach Meinung der Prüfer bei einem bestimmten
Ausbildungsstand als Prüfungsleistung verlangt werden kann. Diese für die Bewertung von
Prüfungsleistungen anzustellenden Erwägungen lassen sich nicht regelhaft erfassen und können
insbesondere im Hinblick auf das Prinzip der Chancengleichheit nicht mit Hilfe von Sachverständigen durch
das Gericht ersetzt werden. Die Prüfer müssen bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und
Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Prüfungspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben
und allgemein anwenden. Daher steht ihnen vor allem bei der Einordnung der Qualität einer
Prüfungsleistung in das Notensystem der Prüfungsordnung und der Festlegung der Bestehensgrenze ein
Bewertungsspielraum zu, der der gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglich ist (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 17.04.1991 - 1 BvR 1529/84 -, BVerfGE 84, 59; BVerwG, Urteil vom 09.12.1992 - 6 C 3.92 -,
BVerwGE 91, 262; Urteil vom 24.02.1993 - 6 C 35.92 -, BVerwGE 92, 132; VGH Baden-Württemberg, Urteil
vom 16.02.2009 - 4 S 1071/08 -, juris).
32 Jedoch hat der Prüfling aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG Anspruch auf eine soweit wie möglich
tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle, die für einen wirkungsvollen Schutz der Berufsfreiheit
zweckgerichtet, geeignet und angemessen ist. Die Gerichte haben somit zu prüfen, ob die Prüfer
anzuwendendes Recht verkannten, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgingen, allgemein gültige
Bewertungsmaßstäbe verletzten oder sich von sachfremden Erwägungen leiten ließen (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 17.04.1991, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.08.1992 - 4 S 1165/92 -,
VBlBW 1993, 143). Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Prüfer ihre Bewertung auf Tatsachen und
Feststellungen gestützt haben, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob sie bei der Bewertung den
Zweck, dem die Prüfung dient, verkannt haben und ob ferner die Bewertung in sich schlüssig und
nachvollziehbar ist und den Anforderungen rationaler Abwägung nicht widerspricht (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 17.04.1991, a.a.O.).
33 Hieran gemessen ist nicht erkennbar, dass die Prüfer den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum
überschritten hätten. Die Klägerin beschränkt sich mit ihren inhaltlichen Einwänden im Wesentlichen
darauf, den jeweiligen Einschätzungen und Bewertungen der Prüfer ihre davon abweichende eigene
entgegenzuhalten. Bewertungsfehler kann sie damit gerade nicht aufzeigen. Im Übrigen ist für die Kammer
ohne Weiteres nachvollziehbar, dass - wie von den als Zeugen vernommenen Prüfern übereinstimmend
bekundet - die divergierende subjektive Wahrnehmung des Prüfungsgeschehens und des Antwortgehalts
von Prüfer(n) einerseits und Prüfling andererseits für die Einschätzung der Klägerin, sie habe im
Wesentlichen jeweils alles inhaltlich korrekt beantwortet, verantwortlich zeichnet. Schließlich haben die
Prüfer als tragende Gründe für die Bewertung der Prüfungsleistung als mangelhaft im schriftlichen Protokoll
gerade in erster Linie allgemeine Wertungen festgehalten (Probleme bei der Anwendung von Fachsprache,
Konzeptanwendung in allen Bereichen), die die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel zu ziehen vermag.
Plausibel haben die Prüfer dargelegt, dass sie zu ihrer Bewertung vielfach unter Berücksichtigung
erforderlicher Hilfestellungen und anderer allgemeiner Aspekte des Prüfungsgeschehens gelangt sind
(„Mitgehen“ im Prüfungsgespräch, Erforderlichkeit eines Themenwechsels bei defizitärem Antwortverhalten,
Sicherheit der Darlegungen, mehr oder weniger schnelles Erfassen des Wesentlichen usw.). Vor diesem
Hintergrund ist ohne Weiteres erklärlich, dass ein - zudem nervöser und von den Prüfern in seinem eigenen
wohlverstandenen Interesse nicht durch Vorhalte von Unzulänglichkeiten zu verunsichernder - Prüfling eine
von der objektiven Fremdwahrnehmung abweichende und tendenziell zu positive Einschätzung vom
Prüfungsverlauf mitnimmt. In der mündlichen Verhandlung haben die als Zeugen vernommenen Prüfer,
denen mit der Ladung zum Termin auch eine Mehrfertigung der Klagebegründung übersandt worden ist, in
nicht zu beanstandender Weise auch unter Berücksichtigung aller Einwände der Klägerin - etwa auch zu der
Einschätzung, was jeweils überhaupt „gefragt war“ - an ihrer Bewertung festgehalten. In diese Bewertung
und den Beurteilungsspielraum der Prüfer inhaltlich einzudringen, ist der Kammer verwehrt. Dass die Prüfer
bei alledem anzuwendendes Recht verkannt hätten, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen
wären, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt hätten oder sich von sachfremden Erwägungen
hätten leiten lassen, dass sie ihre Bewertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hätten, die einer
sachlichen Überprüfung nicht standhalten, dass sie bei der Bewertung den Zweck, dem die Prüfung dient,
verkannt hätten oder dass die Bewertung in sich nicht schlüssig und nachvollziehbar wäre und den
Anforderungen rationaler Abwägung widerspräche, ist nicht erkennbar.
34 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht keine Veranlassung, das Urteil
wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Die Voraussetzungen für
eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§§ 124, 124a VwGO).