Urteil des VG Sigmaringen vom 20.12.2016

bvo, beihilfe, fürsorgepflicht, sanierung

VG Sigmaringen Urteil vom 20.12.2016, 3 K 469/14
Beihilfefähigkeit von Zahnimplantaten
Leitsätze
Für die Ermittlung der Anzahl der beihilfefähigen Implantate nach Ziff. 1.2.4 Satz 2 Halbs. 1 der Anlage zur BVO
ist jede einzelne Kieferhälfte für sich zu betrachten. Eine Summenbildung über einzelne Kieferhälften hinweg ist
jedenfalls dann unzulässig, wenn die Aufwendungen eindeutig einzelnen Regionen zugeordnet werden können.
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin auf ihren Antrag vom 03.02.2011 eine weitere Beihilfe i. H. v.
84,94 EUR sowie auf ihren Antrag vom 13.05.2011 eine weitere Beihilfe i. H. v. 775,45 EUR zu bewilligen.
Der Bescheid des Beklagten vom 04.02.2011 in Gestalt der Teilabhilfebescheide vom 22.02. und 18.05.2011
und des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 19.05.2011 in Gestalt
des Teilabhilfebescheids vom 26.08.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2011 werden aufgehoben,
soweit sie dem entgegenstehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin ¾ und der Beklagte ¼.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt die Gewährung weiterer Beihilfe zu den Aufwendungen für eine Sanierung ihres
Gebisses, die u. a. acht bereits vorhandene Zahnimplantate betraf.
2 Die Klägerin ist als Fachoberlehrerin a. D. Versorgungsempfängerin des Beklagten mit einem
Beihilfebemessungssatz von 70 Prozent. Sie verfügte vor Beginn der streitgegenständlichen Behandlung
über insgesamt acht Implantate, nämlich seit August 1996 über zwei Implantate im Oberkiefer (regio
26,27), seit Oktober 1996 über fünf Implantate im Unterkiefer (regio 36,37,45-47) und seit 2003 über ein
weiteres Implantat im Unterkiefer (regio 34). Die Klägerin hatte darüber hinaus vier Brücken im Oberkiefer
(regio 16,14,24,25) und zwei Brücken im Unterkiefer (regio 35,44). Bis auf einen (regio 42) waren sämtliche
noch vorhandenen Zähne sowie die Implantate überkront.
3 Im Dezember 2008 wurde bei der Klägerin eine Myoarthropathie diagnostiziert, die sich laut fachärztlicher
Stellungnahme des behandelnden Zahnarztes Dr. W. Z. vom 15.09.2012 als cranio-mandibuläre Dysfunktion
in einem dysgnathen Gebiss bereits chronifiziert hatte. Zur Therapie mussten zum einen der Biss um bis zu
1,76 mm angehoben und zum anderen eine vorhandene Kieferfehlstellung korrigiert werden. Dazu war eine
Sanierung des (nahezu gesamten) Zahnersatzes erforderlich, die den Ersatz diverser Kronen, Brücken und
Implantat-Aufbauten umfasste und in zwei Etappen (Unter-/Oberkiefer) realisiert werden sollte.
4 Im Herbst 2010 unterzog sich die Klägerin zunächst der Sanierung des Unterkiefers, für die Aufwendungen
in Höhe von 16.962,18 EUR anfielen (Rechnung vom 24.01.2011). Auf den am 03.02.2011 eingegangenen
Beihilfeantrag der Klägerin hin erklärte der Beklagte davon mit Bescheid vom 04.02.2011 (11.353,36 EUR)
sowie – auf Widerspruch der Klägerin vom 21.02.2011 – mit Teilabhilfebescheiden vom 22.02.2011 (weitere
326,48 EUR) und 18.05.2011 (weitere 1.326,50 EUR) letztlich Aufwendungen in Höhe von 13.006,34 EUR
für beihilfefähig und gewährte eine entsprechende Beihilfe. Aufwendungen in Höhe von 3.955,84 EUR
wurden hingegen als nicht beihilfefähig eingestuft, d. h. eine Beihilfe von 2.769,09 EUR versagt. Während
die erste Teilabhilfe die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Verblendungen zum Gegenstand hatte und
dem Begehren der Klägerin insoweit vollständig entsprach, betraf die zweite Teilabhilfe lediglich die
Korrektur des Quotelungsfaktors für Implantate und damit verbundene zahnärztliche Leistungen: Da in der
„ersten Etappe“ nur der Unterkiefer behandelt worden war, hatte der Beklagte diesen im Ausgangsbescheid
isoliert betrachtet und die implantatsbezogenen Aufwendungen deshalb im Verhältnis 4/6
(beihilfefähige/vorhandene Implantate
im Unterkiefer) anerkannt. Im Wege der Teilabhilfe korrigierte er den
Quotelungsfaktor unter Heranziehung der Gesamtzahl
aller Implantate auf 6/8 und gewährte eine
entsprechend höhere Beihilfe.
5 Im Frühjahr 2011 unterzog sich die Klägerin der Sanierung des Oberkiefers, für die insgesamt
Aufwendungen in Höhe von 11.342,30 EUR anfielen (Rechnung vom 05.05.2011). Auf den am 13.05.2011
eingegangenen Beihilfeantrag der Klägerin hin erklärte der Beklagte davon mit Bescheid vom 19.05.2011
(9.876,26 EUR) sowie – auf Widerspruch der Klägerin vom 23.05.2011 – mit Teilabhilfebescheid vom
26.08.2011 (weitere 178,26 EUR) letztlich Aufwendungen in Höhe von 10.054,52 EUR für beihilfefähig und
gewährte dementsprechend eine Beihilfe in Höhe von 7.038,16 EUR. Aufwendungen in Höhe von 1.287,78
EUR wurden hingegen als nicht beihilfefähig eingestuft, d. h. eine Beihilfe von 901,45 EUR versagt. Dabei
begründete der Beklagte die Versagung von 126 EUR (70 % von 180 EUR) im Ausgangsbescheid damit, dass
Mehraufwendungen für Keramik- und Verblendkronen bei den Zähnen 6-8 von der Beihilfefähigkeit
ausgeschlossen und von den beihilfefähigen Aufwendungen insoweit pauschal 4 x 45 EUR abzuziehen seien.
Von den diesbezüglichen Aufwendungen für die Regionen 16, 17, 26 und 27 seien deshalb 180 EUR
abgesetzt worden. Diesen Punkt akzeptierte die Klägerin in ihrem am 23.05.2011 eingegangenen
Widerspruchsschreiben. Die anschließende Teilabhilfe war Folge rechnerischer Korrekturen; streitig blieb ein
Betrag von 775,45 EUR.
6 Zur Begründung der angefochtenen Versagungen in beiden Bescheiden führte der Beklagte zuletzt im
Wesentlichen noch aus, die Klägerin verfüge in drei Kieferhälften über insgesamt acht Implantate. Davon
seien lediglich sechs beihilfefähig, denn Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte seien
von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Sämtliche implantatsbezogenen Leistungen einschließlich
Verbrauchsmaterialien sowie Eigen- und Fremdlaborleistungen seien deshalb nur im Verhältnis 6/8
beihilfefähig.
7 Ihre beiden Widersprüche gegen diese Bescheide hielt die Klägerin anschließend aufrecht, soweit ihnen nicht
abgeholfen wurde, und ergänzte deren Begründung mit am 19.08.2011 eingegangenem Schreiben. Sie
beanstandete im Kern die pauschale Quotelung mit dem Faktor 6/8 über das gesamte Gebiss hinweg. Bereits
bei der Behandlung im Jahr 1996 seien vier Implantate pro Kiefer beihilfefähig gewesen; sie bitte insoweit
um Gleichbehandlung. Außerdem seien Ober- und Unterkiefer getrennt zu betrachten: Für
Unterkieferleistungen sei eine Quotelung von 4/6, für Oberkieferleistungen hingegen gar keine Quotelung
anzusetzen, denn dort gebe es – mit zwei Implantaten – keine „Überversorgung“. Außerdem sei die
Quotelung fehlerhaft nicht auf implantatsbezogene Leistungen beschränkt, sondern auf alle prothetischen
Leistungen erstreckt worden, teilweise sogar auf Injektionen. Die Quotelung dürfe demgegenüber aber nur
auf „900er“-Leistungen angewandt werden. Aufwendungen, die infolge der „Implantatlösung“ gegenüber
einer Grundversorgung erspart worden seien, müsse der Beklagte ermitteln und zugunsten der Klägerin
gegenrechnen. Außerdem dürften nur Aufwendungen gekürzt werden, die infolge der „überschießenden“
Implantate tatsächlich höher seien, nicht aber anzahlunabhängige, kieferbezogene Aufwendungen.
8 Mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2011 wies der Beklagte die Widersprüche zurück, soweit ihnen nicht
abgeholfen worden war. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte lägen nicht vor. Soweit die
Implantatversorgung an sich nicht beihilfefähig sei, seien auch alle damit verbundenen weiteren
zahnärztlichen Leistungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, also etwa Aufwendungen für die
Überkronung des Implantats, Injektionen und alle Arten von Verbindungseinrichtungen, die unmittelbar am
Implantat befestigt sind oder sich im Zwischenraum zum nächsten Zahn befinden. Deshalb seien die
gesamten Aufwendungen für implantatbezogene Leistungen auf 6/8 zu kürzen. Für die einzelnen insoweit
berücksichtigten Positionen werde auf entsprechende Listen und insbesondere auf handschriftliche Vermerke
verwiesen, die auf den eingereichten Rechnungen angebracht wurden. Ein Härtefall liege nicht vor, zumal
die geltend gemachten Aufwendungen ausdrücklich von der Beihilfefähigkeit ausgenommen seien und die
Härtefallregelung deshalb gemäß § 5 Abs. 6 Satz 3 BVO ohnehin nicht eingreife.
9 Hiergegen hat die Klägerin am 01.10.2011 Klage erhoben. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die
Begründung ihrer Widersprüche. Ergänzend hat sie die o. g. Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. W.
Z. vom 15.09.2012 vorgelegt, der zufolge die Sanierung des gesamten Zahnersatzes therapeutisch der
Korrektur des Bisses und der Kieferfehlstellung gedient habe. Soweit die Sanierung die acht Implantate
betroffen habe, sei deren Grundaufbau weiter genutzt worden, indem die in den Knochen eingewachsenen
Primärteile beibehalten und lediglich um neue sogenannte Suprakonstruktionen (individuell gefertigte
Sekundärteile sowie darauf positionierter neuen Zahnersatz) ergänzt wurden.
10 Die Klägerin beantragt schriftsätzlich (sachdienlich gefasst),
11 den Beklagten zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 03.02.2011 eine weitere Beihilfe i. H. v. 2.769,09
EUR sowie auf ihren Antrag vom 13.05.2011 eine weitere Beihilfe i. H. v. 775,45 EUR zu bewilligen,
und den Bescheid des Beklagten vom 04.02.2011 in Gestalt der Teilabhilfebescheide vom 22.02. und
18.05.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2011
sowie den Bescheid des Beklagten vom 19.05.2011 in Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 26.08.2011 und
des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2011 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
12 Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13 die Klage abzuweisen.
14 Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide. Bei der Abrechnung sei
keine Zuordnung der Aufwendungen zu einzelnen Implantaten vorzunehmen. Vielmehr seien die „gesamten
Aufwendungen“ entsprechend zu quotieren und unter „gesamten“ die Aufwendungen für sämtliche
Implantate, unabhängig von ihrer Lokalisation, zu verstehen. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht liege
mangels eines atypischen Ausnahmefalls nicht vor.
15 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der gewechselten Schriftsätze
und der vorliegenden Behördenakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16 Die Kammer entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2
VwGO).
I.
17 Die als Verpflichtungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage hat nur im tenorierten Umfang
Erfolg.
18 Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im
Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (st. Rspr., vgl. z. B.
BVerwG, Urteil vom 08.11.2012 – 5 C 4/12 –, Rn. 12, m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
10.10.2011 – 2 S 1369/11 –, Rn. 25, beide nach juris). Für die im Herbst 2010 entstandenen Aufwendungen
ist somit die Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Beihilfe in
Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) in der zuletzt durch
Änderungsverordnung vom 30.10.2008 (GBl. S. 407) geänderten, am 01.01.2009 in Kraft getretenen
Fassung maßgebend, für die im Frühjahr 2011 entstandenen Aufwendungen die Beihilfeverordnung in der
zuletzt durch Art. 47 des Gesetzes vom 09.11.2010 (GBl. S. 793 ff., 978) geänderten, am 01.01.2011 in
Kraft getretenen Fassung. Da sich die Fassungen in den hier maßgeblichen Vorschriften inhaltlich nicht
unterscheiden, werden sie nachfolgend einheitlich mit BVO abgekürzt.
19 Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO. Nach § 5 Abs. 1
Satz 1 BVO sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach
notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BVO bestimmt, dass aus
Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete ärztliche,
psychotherapeutische und zahnärztliche Leistungen und Leistungen von Heilpraktikern nach Maßgabe der
Anlage beihilfefähig sind.
20 Nach Ziff. 1.2.4 Satz 1 der Anlage zur BVO sind Aufwendungen für implantologische Leistungen
einschließlich aller damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen nur bei Vorliegen einer der
folgenden Indikationen beihilfefähig: a) nicht angelegte Zähne im jugendlichen Erwachsenengebiss, wenn
pro Kiefer weniger als acht Zähne angelegt sind, nach einem einzuholenden Gutachten, b) bei großen
Kieferdefekten in Folge Kieferbruch oder Kieferresektion, wenn nach einem einzuholenden Gutachten auf
andere Weise Kaufähigkeit nicht hergestellt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen unstreitig nicht
vor.
21 Nach Ziff. 1.2.4 Satz 2 der Anlage zur BVO sind in anderen Fällen Aufwendungen für mehr als zwei
Implantate pro Kieferhälfte, einschließlich vorhandener Implantate und die damit verbundenen weiteren
zahnärztlichen Leistungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen; dabei sind die gesamten Aufwendungen
nach Satz 1 entsprechend dem Verhältnis der Zahl der nichtbeihilfefähigen zur Gesamtzahl der Implantate
der jeweils geltend gemachten Aufwendungen zu kürzen. Die Beschränkung der Implantatversorgung ist
nicht in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit, sondern im Hinblick auf den
Gesichtspunkt der Angemessenheit der beihilfefähigen Aufwendungen erfolgt. Die Regelung verfolgt den
legitimen Zweck, einer durch die im Allgemeinen kostenintensivere Behandlungsart der
Implantatversorgung bedingten Ausuferung der für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten entgegen
zu wirken. Maßgeblich ist dabei der Gesichtspunkt, dass neben der Einbringung von Implantaten regelmäßig
die Möglichkeit einer typischerweise kostengünstigeren Alternativversorgung auf „herkömmliche“ Art und
Weise, etwa mit einer Brücke, gegeben ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03.2012 – 2 S 2542/11
–, Rn. 35, 38 (m. w. N.) – juris).
22 1. Nach diesen Maßstäben ist der Bescheid vom 04.02.2011 („erste Etappe“) in Gestalt der
Teilabhilfebescheide vom 22.02. und 18.05.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2011
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO), soweit ihr ein
Beihilfebetrag von 84,94 EUR versagt wird. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.
23 a) Der Bescheid ist rechtswidrig, soweit der Beklagte einzelne Aufwendungen zu Unrecht durch Quotierung
mit dem Faktor 6/8 gekürzt und im Übrigen nicht als beihilfefähig anerkannt hat; insoweit hat die Klägerin
einen Anspruch auf Anerkennung der verbleibenden 2/8 als beihilfefähig und Bewilligung einer
entsprechenden Beihilfe von 70 %. Dies betrifft aus der Rechnung vom 24.01.2011 lediglich die folgenden
Positionen aus dem Bereich des Zahnarzthonorars:
24
Lfd.
Nr.
Beh.Dat. Region
Anz.
Leistung Bezeichnung
Betrag
(EUR)
1 11.10.10
ohne
Angabe
1
519
Funktionelle Abformung des Unterkiefers
Schwierige Darstellung der
106,29
subgingiv. dentalen Strukturen
2
(o. A.)
1
801
Registrieren der Zentrallage des
Unterkiefers
23,27
3
(o. A.)
1
802
Modellmontage, arbiträre
Achsenbestimmung
Nicht konzeptionsgerechte Okklusion
Abrassion mit
excesivem Bruxismus Funktionell
vorgeschädigtes Kauorgan
78,75
4
(o. A.)
1
804
Montage Gegenkiefermodell
25,87
5
(o. A.)
1
807
Aufbau Frontzahnführung
19,41
6
(o. A.)
1
808
Diagnose am Modell
25,87
7
(o. A.)
1
809
Aufbau von Funktionsflächen
25,87
8
(o. A.)
1
005
Planungsmodell
15,52
9 14.10.10
UK
1
526
Wiederherstellung einer Prothese mit
Abformung
34,93
10
15.11.10
(o. A.)
1
801
Registrieren der Zentrallage des
Unterkiefers
23,27
11
28.10.10
(o. A.)
1
519
Funktionelle Abformung des Unterkiefers
Schwierige Darstellung der
subgingiv. dentalen Strukturen
106,29
Summe
485,34
25 Im Hinblick auf diese Bestandteile des Zahnarzthonorars fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die vom
Beklagten vorgenommene Kürzung. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es sich dabei
um „Aufwendungen nach Satz 1“ im Sinne der Ziff. 1.2.4 Satz 2 der Anlage zur BVO, also um
„Aufwendungen für implantologische Leistungen einschließlich aller damit verbundenen weiteren
zahnärztlichen Leistungen“ handelt: Die insoweit in Rechnung gestellten Aufwendungen sind keine
implantologischen Leistungen (Abschnitt K GOZ). Sie stellen aber auch keine damit verbundenen weiteren
zahnärztlichen Leistungen dar. Zwar ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Ziff. 1.2.4 Satz 1 der
Anlage zur BVO, dass der Ausschluss der Beihilfefähigkeit auch verbundene Leistungen erfasst und sich
keineswegs – wie die Klägerin meint – auf die Ziff. 900 ff. GOZ, also auf implantologische Leistungen selbst,
beschränkt. Vom Ausschluss erfasst (und demnach durch Quotierung zu kürzen) sind demnach insbesondere
auch Leistungen, die im Zusammenhang mit der Überkronung oder Brückenversorgung
(„Suprakonstruktion“) des Implantats stehen, ebenso auch z. B. das Entfernen von nicht mehr als
Brückenpfeiler tauglichen Zähnen, Injektionen, Kontrollen des Implantats und die endgültige Eingliederung
des implantatgestützten Zahnersatzes (vgl. Keufer/Hellstern/Zimmermann, Beihilfevorschriften Baden-
Württemberg, 75. EL. (Stand: Februar 2016), Teil I/2, Anlage zur BVO Nr. 1.2 (3)).
26 Eine derartige Implantatbezogenheit ist aber für die o. g. Leistungen nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist
insoweit, dass es sich bei der Behandlung der Klägerin nicht um den bloßen Ersatz eines einzelnen oder
mehrerer Zähne handelte, sondern um die nahezu vollständige Sanierung des Zahnersatzes. Ursache und
Ausgangspunkt für die Behandlung war die Diagnose einer chronifizierten cranio-mandibuläre Dysfunktion
in einem dysgnathen Gebiss. Dass sich die o. g. Aufwendungen nicht auf diese Grunderkrankung, sondern
spezifisch auf einzelne oder mehrere Implantate beziehen oder damit im Zusammenhang stehen, ist vom
Beklagten weder substantiiert vorgetragen noch sonst für die Kammer ersichtlich. Vielmehr hat gerade auch
der behandelnde Arzt für diese Leistungen gerade
keine spezifischen Regionen angegeben bzw. auf den
gesamten Unterkiefer Bezug genommen.
27 Der Beklagte hat diese Positionen nach alledem rechtswidrig in die Quotierung mit dem Faktor 6/8
einbezogen. Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe eines
Betrags von 84,94 EUR (70 % von 485,34 EUR x 2/8).
28 b) Im Übrigen hat die Klägerin weder aufgrund beihilfe- noch sonstiger beamtenrechtlicher Vorschriften
einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe zu den Aufwendungen für die „1. Etappe“ der Behandlung.
Denn der Beklagte hat die weiteren Aufwendungen dem Grunde nach zu Recht durch Quotierung gekürzt
(nachfolgend (1)). Er hat die Quote – von den o. g. Ausnahmen abgesehen – auf einen nicht zu
beanstandenden Katalog von Leistungen angewandt (2). Die von der Klägerin eingewandte „fiktive
Alternativberechnung“ ersparter Aufwendungen ist unzulässig (3). Ein Anspruch aufgrund der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn besteht nicht (4).
29 (1) Der Beklagte hat dem Grunde nach zu Recht unter Heranziehung von Ziff. 1.2.4 Satz 2 der Anlage zur
BVO eine Kürzung der implantologischen und damit zusammenhängenden Leistungen vorgenommen, denn
von den sechs im Unterkiefer vorhandenen und behandelten Implantaten waren nach dieser Vorschrift nur
zwei pro Kieferhälfte, also insgesamt vier beihilfefähig.
30 Unstreitig lagen die Indikationen nach Ziff. 1.2.4 Satz 1 der Anlage zur BVO nicht vor. Demgegenüber ist die
Beschränkung der Beihilfefähigkeit nach Ziff. 1.2.4 Satz 2 der Anlage zur BVO vorliegend anwendbar. Die
generelle zahlenmäßige Begrenzung der Implantate auf zwei pro Kieferhälfte ist weder unter dem
Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes noch im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn zu
beanstanden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.01.2013 – 5 B 44.12 –, Rn. 8 ff.; VGH Baden-Württemberg,
Urteil vom 15.03.2012 – 2 S 2542/11 –, beide nach juris). Zwar beansprucht die Beschränkung der
Beihilfefähigkeit implantologischer Leistungen auf eine maximale Anzahl von Implantaten im jeweiligen
Kiefer ausnahmsweise dann keine Geltung, wenn die Versorgung mit weiteren Implantaten auf einer
zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht; in einem solchen Fall ist Beihilfe abweichend von Ziff. 1.2.4
Satz 2 der Anlage zur BVO allein nach dem allgemeinen Grundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO zu gewähren
(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2012 – 2 S 1053/12 –, juris). Für eine derartige Konstellation
indes liegen hier keine zureichenden Anhaltspunkte vor. Insbesondere gehen schon die Beteiligten
übereinstimmend davon aus, dass von den sechs Implantaten im Unterkiefer lediglich vier beihilfefähig
waren und sind. Auch aus dem vorgelegten Arztbericht ergibt sich insoweit nichts Abweichendes. Denn der
behandelnde Arzt Dr. W. Z. legt – trotz der ausdrücklichen vorausgehenden Anforderung des Gerichts –
lediglich dar, dass zur Therapie der diagnostizierten Erkrankung eine umfassende Sanierung
des
Zahnersatzes erforderlich war, ohne dies mit Blick auf die „Implantatlösung“ als solche (in Abgrenzung zu
herkömmlichen Alternativen) oder gar auf einzelne Implantate spezifisch zum Ausdruck zu bringen. Auch
aus dem bei den Akten befindlichen Zahnschema ergeben sich für die Notwendigkeit von mehr als zwei
Implantaten pro Kieferhälfte keinerlei Anhaltspunkte.
31 Greift demnach die Beschränkung der Beihilfefähigkeit nach Ziff. 1.2.4 Satz 2 Halbsatz 1 der Anlage zur BVO
ein, sind die gesamten Aufwendungen entsprechend dem Verhältnis der Zahl der nicht beihilfefähigen zur
Gesamtzahl der Implantate der jeweils geltend gemachten Aufwendungen zu kürzen. Ob der Beklagte für
die Quotierung im Unterkiefer den Faktor von 6/8 zu Recht angesetzt hat, kann für den Bescheid vom
04.02.2011 dahinstehen, weil die Kürzung auf das Verhältnis 6/8 die Klägerin jedenfalls nicht in ihren
Rechten verletzt. Bei der – einzig in Betracht kommenden – alternativen Quotierung auf 4/6 hätte die
Klägerin nämlich eine geringere Beihilfe erhalten, als ihr nach der Teilabhilfe tatsächlich gewährt wurde.
32 (2) Der Beklagte hat die Quote in nicht zu beanstandender Weise auf die Verbrauchsmaterialien, die
Fremdlaborkosten, die Eigenlaborkosten und – mit Ausnahme der oben erwähnten Positionen – auch auf das
Zahnarzthonorar angewandt. Wie bereits erwähnt, folgt aus dem eindeutigen Wortlaut der Ziff. 1.2.4 Satz
1 der Anlage zur BVO, dass der Ausschluss der Beihilfefähigkeit auch alle mit den implantologischen
Leistungen
verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen erfasst, also insbesondere auch Leistungen,
die im Zusammenhang mit der Überkronung oder Brückenversorgung („Suprakonstruktion“) des Implantats
stehen, ebenso auch z. B. das Entfernen von nicht mehr als Brückenpfeiler tauglichen Zähnen, Injektionen,
Kontrollen des Implantats und die endgültige Eingliederung des implantatgestützten Zahnersatzes (vgl.
Keufer/Hellstern/Zimmermann, Beihilfevorschriften Baden-Württemberg, 75. EL. (Stand: Februar 2016), Teil
I/2, Anlage zur BVO Nr. 1.2 (3)).
33 Die Klägerin hat insoweit keine Einzelpositionen substantiiert in Frage gestellt, sondern nur eine angeblich
pauschale Herangehensweise des Beklagten bei der Quotierung gerügt. Dies deckt sich indes nicht mit den
vorliegenden Unterlagen. Ausweislich der handschriftlichen Zusätze zur Rechnung vom 24.01.2011 hat der
Beklagte die Kürzung – mit o. g. Ausnahmen – nur auf diejenigen Leistungspositionen angewandt, die schon
nach Angaben des behandelnden Arztes eindeutig auf die Implantate bezogen waren, und bei einzelnen
Positionen (z. B. bei den provisorischen Brückenkronen) sogar ausdifferenzierte Unterscheidungen nach
implantatbezogenen (gekürzt) und nicht implantatbezogenen (ungekürzt) Regionen vorgenommen. Dass der
Beklagte die Kürzung auch auf Leistungen wie Infiltrationsanästhesie oder Leistungsanästhesie angewandt
hat, soweit diese vom behandelnden Zahnarzt eindeutig einer (Implantat-)Region zugeordnet wurden, ist –
wie dargelegt – nicht zu beanstanden.
34 Gleiches gilt für die Kürzung der zwar kieferbezogenen, aber unstreitig implantologischen Leistung
„implantatbezogene Analyse“ (Ziff. 900 GOZ). Die Argumentation der Klägerin, dass diese Leistung
unabhängig von der Anzahl der Implantate anfalle und daher nicht gekürzt werden dürfe, überzeugt
angesichts des eindeutigen Wortlauts der BVO nicht. Nach Ziff. 1.2.4 Satz 2 Halbsatz 2 BVO sind nämlich die
„gesamten“ Aufwendungen nach Satz 1 entsprechend dem Verhältnis der Zahl der nicht beihilfefähigen zur
Gesamtzahl der Implantate der jeweils geltend gemachten Aufwendungen zu kürzen. Für eine
Herausnahme implantologischer „Sowieso-Leistungen“ aus dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift
besteht – auch unter Berücksichtigung ihres typisierenden, der Begrenzung öffentlicher Aufwendungen
dienenden Charakters (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03. 2012 – 2 S 2542/11 –, Rn.
37 f., juris) – kein Spielraum.
35 (3) Soweit die Klägerin argumentiert, sie müsse mindestens die Aufwendungen für eine herkömmliche
Behandlung vollständig ersetzt bekommen, d. h. die Aufwendungen für die „Implantatlösung“ dürften nur
insoweit gekürzt werden, als sie die Aufwendungen für eine herkömmliche Behandlung tatsächlich
überstiegen, dringt sie damit ebenfalls nicht durch. Hierbei handelt es sich nämlich ebenso wie bei ihrem
Argument, der Beklagte müsse „ersparte Aufwendungen“ ermitteln und gleichsam „gegenrechnen“, um
Alternativüberlegungen, die nicht die konkret gewählte Form der Behandlung betreffen. Nach der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, der sich die Kammer anschließt, sind die
fiktiven Kosten einer angemessenen preiswerteren Alternativbehandlung aber nicht erstattungsfähig (vgl. z.
B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03.2012 – 2 S 2542/11 –, Rn. 39 ff. (m. w. N.), juris). Denn das
Beihilferecht berücksichtigt nach der Entscheidung des Gesetzgebers grundsätzlich nur Aufwendungen für
tatsächlich erbrachte ärztliche oder zahnärztliche Behandlungen und führt weder allgemein noch in Fällen
der vorliegenden Art eine fiktive Berechnung etwaiger Kosten für eine alternative Behandlung anstelle der
tatsächlich erfolgten Behandlung durch. Aus diesem Grund überzeugt erst recht nicht der Einwand der
Klägerin, dass eine andere zahnärztliche Versorgung zu entsprechenden oder gar höheren (beihilfefähigen)
Kosten geführt hätte, zumal über diesen Umweg letztlich doch Beihilfe zu Implantaten gewährt würde, die
vom Verordnungsgeber gerade in legitimer Weise ausgeschlossen worden ist (vgl.
Keufer/Hellstern/Zimmermann, Beihilfevorschriften Baden-Württemberg, 75. EL. (Stand: Februar 2016), Teil
I/2, Anlage zur BVO Nr. 1.2 (5); zu einem derartigen Fall und „Missbrauchsgefahren“ insoweit VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 15.03.2012 – 2 S 2542/11 –, Rn. 41 und 44, juris).
36 (4) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe aus der
verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Denn die Fürsorgepflicht in Krankheits-, Pflege-,
Geburts- und Todesfällen wird grundsätzlich abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert (st.
Rspr. BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 25, m. w. N., juris). Aus der
Fürsorgepflicht ergeben sich nur dann Leistungsansprüche, wenn diese andernfalls in ihrem Wesenskern
verletzt wäre. Den Wesenskern der Fürsorgepflicht können allenfalls unzumutbare Belastungen des
Beamten berühren (st. Rspr. BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 25, m. w. N.,
juris).
37 Eine derartige Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht liegt nicht vor. Denn es ist weder erkennbar
noch von der Klägerin dargetan, dass ihre amtsangemessene Lebensführung unzumutbar beeinträchtigt
wird, weil ihr die begehrte Beihilfe als Folge ihrer Erkrankung vorenthalten wird (vgl. zu diesem Maßstab
BVerwG, Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 26, juris). Die Beihilfe ist lediglich als eine die
Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Leistung konzipiert; sie soll den Beamten von den durch die
Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen (vgl. nur
BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 – 2 BvR 1053/98 –, juris). Eine lückenlose Erstattung jeglicher
Aufwendungen in Ergänzung der zumutbaren Eigenvorsorge verlangt die Fürsorgepflicht jedoch nicht
(BVerfG, Beschluss vom 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 –, juris).
38 Hiervon ausgehend, kann eine Verletzung der Fürsorgepflicht bereits deshalb nicht angenommen werden,
weil vom Dienstherrn die Kosten einer konventionellen Versorgung übernommen würden und von daher
nicht die Gefahr besteht, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt der Klägerin und ihrer Familie
gefährdet wird. Entscheidet sich ein Beamter für die Implantatversorgung, so handelt er auf eigenes Risiko;
würde in einem solchen Fall der Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie gefährdet, wäre dies
jedenfalls nicht Folge einer Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil
vom 15.03.2012 – 2 S 2542/11 –, Rn. 48, juris).
39 Dementsprechend besteht auch kein Anspruch auf die beantragte Beihilfe aus der Härtefallregelung des § 5
Abs. 6 Satz 1 BVO. Nach dieser Vorschrift kann bei Anlegung eines strengen Maßstabs in besonderen
Härtefällen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde und nur im Einvernehmen mit dem Finanz- und
Wirtschaftsministerium zu Aufwendungen im Sinne des § 78 LBG ausnahmsweise abweichend von den in
der BVO genannten Voraussetzungen Beihilfe gewährt werden. Damit hat der Verordnungsgeber eine
Vorschrift geschaffen, um ganz besonderen Fällen gerecht werden zu können, in denen die durch die BVO
erfolgte typisierende, pauschalisierende und abschließende Konkretisierung der gesetzlich und
verfassungsrechtlich gebotenen Fürsorgepflicht ausnahmsweise nicht ausreichend ist, um den Wesenskern
der Fürsorgepflicht gegenüber dem beihilfeberechtigten Beamten und seinen Angehörigen zu gewährleisten.
In derartigen Einzelfällen, in denen in Folge eines die Beihilfeberechtigung hervorrufenden Tatbestands eine
unerträgliche Beeinträchtigung der Möglichkeit zur amtsangemessenen Lebensführung auftritt, kann eine
Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht gegeben sein und einen Anspruch auf weitergehende
Beihilfe im Einzelfall begründen (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.2008 – 4 S 2725/06
–, Rn. 29, juris). Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
40 2. Der Bescheid vom 19.05.2011 („zweite Etappe“) in Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 26.08.2011 und
des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2011 ist im noch streitgegenständlichen Umfang – nämlich soweit
Beihilfe in Höhe von 775,45 EUR versagt wird – rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§
113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Beihilfe in dieser Höhe.
41 a) Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom Gesamtbetrag der Aufwendungen (11.342,30 EUR)
einen Betrag von 10.054,52 EUR als beihilfefähig anerkannt, hingegen einen Betrag von 1.287,78 EUR als
nicht beihilfefähig eingestuft und eine entsprechende Beihilfe von 901,45 EUR versagt. Der vom Beklagten
als nicht beihilfefähig angesehene Betrag setzt sich zusammen aus einem streitigen Betrag von 1.107,78
EUR und weiteren 180 EUR (4 x 45 EUR), die der Beklagte von den entstandenen Aufwendungen unter
Bezug auf Ziff. 1.2.1 Buchstabe b) der Anlage zur BVO abgezogen hat. Danach sind nicht beihilfefähig
Mehraufwendungen für Keramik- und Verblendkronen bei den Zähnen 6 bis 8; sie sind in Höhe von 45 EUR
pro Krone abzusetzen. Die Kürzung für die Mehraufwendungen für die Verblendkronen an den Zähnen 6-8
im Bescheid vom 19.05.2011 hatte die Klägerin in ihrem Widerspruchsschreiben vom 21.05.2011
ausdrücklich akzeptiert, so dass dieser Betrag nicht vom Streitgegenstand umfasst ist. Im Streit steht
vielmehr ausschließlich die Quotierung mit dem Faktor 6/8, die sich im angefochtenen Bescheid
betragsmäßig mit 1.107,78 EUR (nicht beihilfefähige Aufwendungen) bzw. 775,45 EUR (versagte Beihilfe)
ausgewirkt hat.
42 b) Soweit der Beklagte die Aufwendungen aus der Rechnung vom 05.05.2011 mit dem Faktor 6/8 gekürzt
hat, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf die
Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 775,45 EUR, so dass der Beklagte entsprechend zu
verurteilen war.
43 Für die vom Beklagten vorgenommenen Kürzungen fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Dabei kommt es im
Ergebnis nicht darauf an, dass der Beklagte die Quotierung rechtsfehlerhaft auch auf eine Vielzahl von
Aufwendungen angewendet hat, die weder als implantologische noch als „damit verbundene“ weitere
zahnärztliche Leistung im Sinne der Ziff. 1.2.4 der Anlage zur BVO zu qualifizieren sind, sondern
ausschließlich in der medizinischen Notwendigkeit einer Generalsanierung des Oberkiefers und damit in der
Behandlung der Grunderkrankung begründet waren (z. B. diverse, explizit den Regionen 21-23 zugeordnete
Maßnahmen). Denn schon die vom Beklagten durchgeführte Quotierung als solche ist nicht von der
Ausschlussvorschrift nach Ziff. 1.2.4 Satz 2 der Anlage zur BVO gedeckt.
44 Nach dieser Vorschrift sind Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte, einschließlich
vorhandener Implantate und die damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen von der
Beihilfefähigkeit ausgeschlossen; dabei sind die gesamten Aufwendungen nach Satz 1 entsprechend dem
Verhältnis der Zahl der nichtbeihilfefähigen zur Gesamtzahl der Implantate der jeweils geltend gemachten
Aufwendungen zu kürzen. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es für die Frage der Anzahl der
beihilfefähigen Implantate auf eine Betrachtung jeder einzelnen Kieferhälfte für sich an; eine
Summenbildung über einzelne Kieferhälften hinweg ist jedenfalls dann, wenn die Aufwendungen – wie hier
– eindeutig einzelnen Regionen zugeordnet werden können, unzulässig.
45 Die vom Beklagten angestellte „Gesamtbetrachtung“, die einerseits – für die Zahl der beihilfefähigen
Implantate (6) – nur auf die betroffenen Kieferhälften abstellt, andererseits – für die Gesamtzahl der
vorhandenen Implantate (8) – eine einheitliche Summe ohne Bezug zu einzelnen Kieferhälften bildet, findet
schon im Wortlaut dieser Vorschrift keine Stütze. Auszugehen ist nämlich nach Ziff. 1.2.4 Satz 2 Halbsatz 1
der Anlage zur BVO ausdrücklich von einer Betrachtung „pro Kieferhälfte“, für die mehr als zwei Implantate
nicht beihilfefähig sind (und nicht etwa „mehr als vier pro Kiefer“ oder „acht pro Person“). Nur wenn danach
nicht beihilfefähige Implantate vorhanden sind, ist überhaupt der Anwendungsbereich der Quotierungsregel
nach Ziff. 1.2.4 Satz 2 Halbsatz 2 der Anlage zur BVO eröffnet. Soweit der Beklagte für seine Auslegung auf
das Wort „gesamten (Aufwendungen)“ in Ziff. 1.2.4 Satz 2 Halbsatz 2 der Anlage zur BVO verweist,
überzeugt dies deshalb nicht. Denn Halbsatz 2 knüpft mit dem Wort „dabei“ ausdrücklich an den von
Halbsatz 1 vorgegebenen Rahmen an; er setzt ihn voraus, vermag ihn aber nicht auszuweiten. Durch eine
solche Auslegung wird das Wort „gesamten (Aufwendungen)“ auch nicht bedeutungslos; es sorgt vielmehr
dafür, dass (innerhalb einer Kieferhälfte) nicht zwischen Aufwendungen für beihilfefähige und nicht
beihilfefähige Implantate differenziert werden muss, sondern dass
alle implantatbezogenen Aufwendungen
pauschal gekürzt werden dürfen.
46 Darüber hinaus ist nur eine Betrachtungsweise, die sich auf die einzelnen Kieferhälften bezieht, vom Zweck
des Aufwendungsausschlusses nach Ziff. 1.2.4 Satz 2 der Anlage zur BVO und den ihn legitimierenden
Überlegungen gedeckt. Die Beschränkung der Implantatversorgung ist nämlich – wie ausgeführt – nicht in
Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit, sondern im Hinblick auf den
Gesichtspunkt der Angemessenheit der beihilfefähigen Aufwendungen erfolgt. Die Regelung verfolgt den
legitimen Zweck, einer durch die im Allgemeinen kostenintensivere Behandlungsart der
Implantatversorgung bedingten Ausuferung der für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten entgegen
zu wirken (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11. 2012 – 2 S 1053/12 –, Rn. 19 (m.w.N.), juris).
47 Die generelle zahlenmäßige Begrenzung der Implantate auf zwei pro Kieferhälfte ist dabei – etwa am
Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG – nicht zu beanstanden, weil hierfür ein zureichender sachlicher Grund
vorliegt (hierzu und zum Folgenden VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03.2012 – 2 S 2542/11 –, Rn.
34 ff. (m.w.N.), juris). Sowohl die Implantatversorgung als auch die „herkömmliche“ Versorgung von
Zahnlücken, insbesondere durch Brücken, sind als medizinisch ausreichende Maßnahmen zu qualifizieren
und stellen daher im Regelfall eine ausreichende medizinische Versorgung sicher. Der Beschränkung liegt die
– in der Regel zutreffende – Annahme zugrunde, dass neben der Einbringung der Implantate die Möglichkeit
einer kostengünstigeren Alternativversorgung auf „herkömmliche“ Art und Weise, etwa mit einer Brücke,
besteht. Hiervon ausgehend, stellt die Gesamtregelung in der Beihilfeverordnung Baden-Württemberg
sicher, dass die notwendigen Aufwendungen für eine zahnärztliche Versorgung des Beihilfeberechtigten
übernommen werden. Die Vorschriften ermöglichen die Versorgung mit zwei Implantaten pro Kieferhälfte
und damit mit bis zu acht Implantaten für Ober- und Unterkiefer. Für die übrigen Zähne bzw. weitere
Zahnlücken sind die Aufwendungen für eine „herkömmliche“ Versorgung – etwa in Form von Kronen,
Brücken oder Teilprothesen – beihilfefähig. Zudem kann es nach Auffassung des Normgebers in eng
umgrenzten Ausnahmefällen (etwa bei einem großen Kieferdefekt infolge von Kieferbruch oder
Kieferresektion) geboten sein, Beihilfe für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte zu gewähren (vgl. die
Indikationen in Ziff. 1.2.4 Satz 1 Buchstabe a) und b) der Anlage zur Beihilfeverordnung), um auch für diese
Fälle die medizinisch notwendige Versorgung sicherzustellen. Die vorgesehene Anzahl der beihilfefähigen
Implantate ermöglicht vor diesem Hintergrund in aller Regel eine ausreichende Verankerung einer darauf
aufbauenden „herkömmlichen“ Versorgung etwa mit einer Brücke und gewährleistet damit für die jeweilige
Kieferhälfte insgesamt, dass die Aufwendungen für das medizinisch Notwendige übernommen werden.
48 Der Beschränkung der Beihilfefähigkeit liegt also eine typisierende Annahme des Normgebers zugrunde,
nach der zwei Implantate pro Kieferhälfte im Verbund mit einer konventionellen Versorgung das medizinisch
Notwendige sicherstellen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03.2012 – 2 S 2542/11 –, Rn. 37, juris).
49 Zu dieser Typisierung steht eine Summenbildung über einzelne Kieferhälften hinweg im Widerspruch; die
Auslegung des Beklagten ist deshalb von dem die Beschränkung rechtfertigenden Grund nicht gedeckt.
Denn eine ausreichende Verankerung der auf Implantaten aufbauenden „herkömmlichen“ Versorgung
für die
jeweilige Kieferhälfte wäre bei einer summierenden Betrachtungsweise nicht mehr sichergestellt. Diese
führte nämlich auch dann zu Kürzungen, wenn lediglich
ein Implantat in einer (im Übrigen zahnlosen)
Kieferhälfte einer „überschießenden“ Zahl von Implantaten in den anderen Kieferhälften gegenübersteht,
obwohl die medizinisch notwendige Versorgung in jener Kieferhälfte gerade nicht mehr durch das (einzelne)
Implantat im Verbund mit einer konventionellen Versorgung sichergestellt werden kann.
50 Auch umgekehrt würden für den Fall, dass in einer Kieferhälfte bereits zwei Implantate vorhanden sind,
Aufwendungen für ein weiteres (drittes) bloß dadurch ersatzfähig, dass der Patient gleichzeitig in einer
anderen Kieferhälfte ein einzelnes Implantat einsetzen lässt, denn auch dann lägen
in der Summe lediglich
zwei Implantate pro (betroffener) Kieferhälfte vor. Dies widerspräche dem Regelungszweck, der Ausuferung
der für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten entgegenzuwirken. Sähe der Beklagte aber in diesem
Fall von einer „Gesamtbetrachtung“ im Wege der Summierung ab, würde er sich zu seiner hier vertretenen
Auffassung in Widerspruch setzen. Jedenfalls spricht nichts dafür, dass der Normgeber dem Beklagten
gleichsam „die Wahl gelassen“ hätte, im einen Fall (wie vorliegend) eine übergreifende Summierung
vorzunehmen, im anderen Fall (wie dem o. g. Gegenbeispiel) hingegen nicht. Die Betrachtungsweise des
Beklagten führte im Ergebnis dazu, dass die Beihilfefähigkeit von Implantaten mehr oder weniger vom Zufall
– insbesondere der Reihenfolge und dem Zusammentreffen einzelner Implantatbehandlungen – abhinge.
51 Nach alledem ist bei der Feststellung der Anzahl der beihilfefähigen Implantate und der Quotierung eine auf
Kieferhälften bezogene Betrachtungsweise geboten. Da vorliegend nicht mehr als zwei Implantate in der
behandelten Oberkieferhälfte vorhanden sind, sind die darauf bezogenen Aufwendungen nicht nach Ziff.
1.2.4. Satz 2 Halbsatz 1 der Anlage zu BVO von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Sind aber in dieser
Kieferhälfte keine Implantate von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, war insoweit auch keine Quotierung
vorzunehmen. Auf die Frage, welche Aufwendungen mit welcher Quote zu kürzen sind (Ziff. 1.2.4. Satz 2
Halbsatz 2 BVO), kommt es daher in Bezug auf die zweite Rechnung nicht an.
52 3. Im Ergebnis hat die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von 84,94 EUR und
775,45 EUR, so dass der Beklagte zu einer entsprechenden Bewilligung zu verurteilen war. Im Übrigen war
die Klage abzuweisen.
II.
53 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO
davon ab, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Berufung war nicht
gemäß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO
vorliegt.