Urteil des VG Sigmaringen vom 06.03.2007

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VG Sigmaringen Urteil vom 6.3.2007, 4 K 266/06
Erstattung von Lohnfortzahlungskosten und Vermögensschäden an Arbeitgeber für Feuerwehrmann
Leitsätze
1. Die für die Beurteilung von Erstattungsansprüchen maßgeblichen Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinde als Trägerin der gemeindlichen
Feuerwehr und den Arbeitgebern ehrenamtlicher Feuerwehrmitglieder sind im Feuerwehrgesetz spezialgesetzlich und abschließend geregelt.
2. Nach diesen Regelungen besteht hinsichtlich des entgangenen Gewinns kein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen die Gemeinde, wenn
durch die einsatzbedingte Verletzung eines Feuerwehrmitglieds Arbeitsausfall bewirkt wird.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,- EUR
abwenden, sofern nicht die beklagte Gemeinde zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1 Die Klägerin fordert Zahlung von 4.452,19 EUR wegen entgangenen Gewinns.
2 Der Heizungsbaubetrieb der Klägerin beschäftigte neben einem weiteren Mitarbeiter den Gesellen H.. Dieser wurde als Mitglied der Freiwilligen
Feuerwehr der beklagten Gemeinde am 18.7.2005 im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes verletzt. Daraufhin war er bis zum 2.9.2005
arbeitsunfähig erkrankt. Die an ihn in der Ausfallzeit gezahlten Lohnfortzahlungsleistungen wurden der Klägerin von der Beklagten erstattet. Die
Forderung der Klägerin nach weitergehenden Erstattungen lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, für den geltend gemachten Anspruch auf
Ersatz des entgangenen Gewinns sähen die abschließenden Regelungen im Feuerwehrgesetz keine Anspruchsgrundlage vor.
3 Die Klägerin hat am 24.2.2006 Leistungsklage erhoben. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe während des
langwierigen Ausfalls ihres Mitarbeiters die Halbierung ihrer verfügbaren Arbeitsleistung hinnehmen müssen. Eine Aushilfskraft habe sie nicht
finden können. Im fraglichen Zeitraum sei sie mit Aufträgen nahezu voll ausgelastet gewesen. Sie habe daher bestehende Aufträge nicht
ausführen und angefragte Aufträge nicht annehmen können. Dadurch sei ihr der geltend gemachte Schaden entstanden. Bezüglich der
Anspruchsgrundlage existiere eine vom Gesetzgeber nicht gesehene Lücke, die durch analoge Anwendung des § 15 Abs. 1 FwG zu schließen
sei. Die Vorschrift verschaffe dem Selbständigen, der als Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr tätig sei, einen Anspruch auf Ersatz des
Verdienstausfalls und des entgangenen Gewinns. Zwar sei die Klägerin nicht selbst in der Feuerwehr tätig, aber aufgrund der in § 17 Abs. 1 FwG
vorgesehenen Freistellungspflicht quasi als „ihr verlängerter Arm“ ihr Arbeitnehmer. Die danach vergleichbare Interessenlage rechtfertige es, sie
bezüglich ihres Anspruchs auf Ersatz des entgangenen Gewinns wie einen Arbeitgeber zu behandeln, der selbst in der Freiwilligen Feuerwehr
tätig sei. Der analogen Anwendung von § 15 Abs. 1 FwG stehe § 17 Abs. 2 FwG nicht entgegen, da der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift habe
verhindern wollen, dass dem Arbeitnehmer durch seine Mitgliedschaft in der Feuerwehr Nachteile entstehen. Dieser Grundsatz müsse auch im
Bereich des dem Arbeitgeber durch den Ausfall seines Arbeitnehmers entgangenen Gewinns gelten. Im Übrigen seien die Vorschriften des FwG
bezüglich des Erstattungsanspruchs nicht abschließend. Daher sei auch an eine analoge Anwendung des § 670 BGB und einen Anspruch aus
Drittschadensliquidation zu denken.
4 Die Klägerin beantragt,
5
die beklagte Gemeinde zu verurteilen, an die Klägerin 4.452,19 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 24. Februar 2006 zu bezahlen.
6 Die Beklagte beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8 Zur Begründung wird ausgeführt, die Vorschriften des FwG regelten die denkbaren Ersatzansprüche abschließend. Für die Forderung fehle es
danach an einer Rechtsgrundlage. Es bestehe auch keine Gesetzeslücke. Die Gesetzesmaterialien zur Einführung des heutigen § 17 Abs. 2 FwG
belegten, dass der Gesetzgeber die Belastungen der Arbeitgeber durch den Ausfall von Mitarbeitern in der Folge von Feuerwehreinsätzen
gesehen und dennoch einen Anspruch der betroffenen privaten Arbeitgeber ausschließlich bezüglich der Lohnfortzahlungsleistungen geschaffen
habe. Das schließe eine weitergehende Auslegung aus. § 15 Abs. 1 FwG regele ausschließlich die Entschädigung der ehrenamtlich tätigen
Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr und gebe daher für eine weitergehende Entschädigung des Arbeitgebers nichts her. § 670 BGB enthalte
keine entsprechend anwendbare Regelung und die Voraussetzungen für eine Drittschadensliquidation lägen nicht vor.
9 Dem Gericht hat die Verwaltungsakte der beklagten Gemeinde vorgelegen; bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf deren Inhalt und die
Ausführungen der Beteiligten in ihren Schriftsätzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
10 Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.5.1997 - 1 S 793/95 -, VBlBW
1997, 465, Urteil vom 8.5.1990 - 10 S 343/90 - Juris). Ob die Rechte, die die Klägerin geltend macht, bestehen, beurteilt sich nach den
Bestimmungen des Feuerwehrgesetzes für Baden-Württemberg in der Fassung vom 10.2.1987, GBl. S. 105, zuletzt geändert mit Art. 29
Verwaltungsstruktur-ReformG vom 1.7.2004, GBl. 469, - FwG -, die dem öffentlichen Recht zuzurechnen sind (vgl. § 40 Abs. 1 VwGO). Eine
Zuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 S. 2 VwGO an einen anderen Gerichtszweig ist nicht gegeben (vgl. § 34 FwG). Bedenken gegen die
Geltendmachung des Anspruchs im Wege der Leistungsklage bestehen nicht, die insofern zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.
11 Die Leistungsklage ist jedoch nicht begründet und bleibt daher ohne Erfolg. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte
Erstattungsanspruch nicht zu. Der geltend gemachte Anspruch findet im Gesetz keine Stütze.
12 Die für die Beurteilung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs maßgeblichen Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinde als Trägerin
der gemeindlichen Feuerwehr, deren ehrenamtlichen Feuerwehrmitgliedern sowie deren Arbeitgebern sind im Feuerwehrgesetz
spezialgesetzlich und abschließend geregelt. § 17 FwG regelt dabei die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Gemeinde.
§ 17 Abs. 1 FwG schreibt die Pflicht des Arbeitgebers zur Freistellung seines Arbeitnehmers für den ehrenamtlichen Dienst in der Feuerwehr vor.
§ 17 Abs. 2 regelt den aus der Freistellung resultierenden Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen die Gemeinde, wenn die
Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch den Feuerwehrdienst verursacht wird. Nachdem diese Vorschrift über die Erstattung von
Lohnfortzahlungsleistungen hinaus keine Ansprüche des Arbeitgebers vorsieht, gibt das Feuerwehrgesetz für den geltend gemachten Anspruch
nichts her.
13 Damit besteht der geltend gemachte Anspruch nicht.
14 Nicht zu folgen ist der Ansicht der Klägerin, es sei geboten, durch analoge Anwendung von § 15 Abs. 1 FwG eine Anspruchsgrundlage für den
vorliegenden Fall zu schaffen. Die analoge Anwendung des § 15 Abs. 1 FwG scheidet dabei schon deswegen aus, weil die Vorschrift
ausschließlich die Rechtsverhältnisse zwischen den ehrenamtlichen Mitgliedern der gemeindlichen Feuerwehr und der Gemeinde regelt.
Nachdem die Klägerin nicht zu den ehrenamtlichen Mitgliedern der Feuerwehr zählt, ist § 15 Abs. 1 FwG auf das Verhältnis zwischen ihr und der
Gemeinde nicht anwendbar. Eine analoge Anwendung des § 17 FwG, der die Rechte und Pflichten zwischen Gemeinde und
freistellungspflichtigem Arbeitgeber ausdrücklich und abschließend regelt, scheidet ebenfalls aus. Ein Analogieschluss kommt nur dann in
Betracht, wenn ein Gesetz eine Lücke aufweist, die nach einer Ausfüllung drängt, da die Norm einen bestimmten Sachverhalt ungeregelt lässt, für
den sie nach ihrer Teleologie eine Regelung enthalten müsste (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.5.1986 - BVerwGE 74, 206 - BVerwGE 74, 206; Urteil
vom 25.9.1986 - 3 C 23/86 - BVerwGE 75, 53). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. § 17 Abs. 2 FwG ist einer Ergänzung im Wege der
Analogie schon deshalb nicht zugänglich, weil die Unvollständigkeit der Norm im Hinblick auf den Gewinnausfall des Arbeitgebers nicht
planwidrig ist. Der Gesetzgeber hat bei der Novellierung des Feuerwehrgesetzes im Jahr 1986 und der weiteren Anpassung der Norm im Jahr
1989, GBl. S. 142, die Möglichkeit, weitere Erstattungen mit einzubeziehen, nicht übersehen. Er hat sich indes bewusst für eine hiervon
abweichende Lösung entschieden. Dies belegen die Ausführungen zu dem von der Landesregierung am 30.12.1985 eingereichten
Gesetzentwurf zur Änderung des Feuerwehrgesetzes. Dort wurde auf Seite 39 zur neu zu schaffenden Regelung § 19 Abs. 2 FwG (jetzt § 17 Abs.
2 FwG) ausgeführt:
15
„... Im neuen Absatz 2 soll dem privaten Arbeitgeber ein Anspruch gegen die Gemeinde auf Erstattung der Leistungen nach dem
Lohnfortzahlungsgesetz gegeben werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch den Feuerwehrdienst (z.B. einen
Dienstunfall) verursacht wurde. Dadurch soll verhindert werden, dass Arbeitnehmern durch ihre Mitgliedschaft in einer
Gemeindefeuerwehr Nachteile in einem Arbeitsverhältnis oder bei einer Einstellung entstehen. In einzelnen Fällen sind bereits
Beschwerden von Arbeitgebern bekannt geworden, die ihren Arbeitnehmern nach Unfällen im Feuerwehrdienst den Lohn fortbezahlen
mussten. Die neue Regelung berücksichtigt auch, dass die Arbeitgeber neben den Lohnfortzahlungskosten z.T. andere Belastungen zu
tragen haben (z.B. im organisatorischen Bereich), wenn Arbeitnehmer infolge des Feuerwehrdienstes arbeitsunfähig werden. ... Mit der
Änderung wird einem Wunsch des Landesfeuerwehrverbandes entsprochen. Städtetag und Gemeindetag lehnen die Regelung ab.
Nach ihrer Auffassung müsse der Arbeitgeber die Lohnfortzahlungsaufwendungen tragen, wenn die Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers im Dienst für die Allgemeinheit ihre Ursache hat, da er dazu auch verpflichtet sei, wenn die Ursache im privaten Bereich
des Arbeitnehmers liege.“
16 Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Belastungen der Arbeitgeber vom Gesetzgeber gesehen und berücksichtigt wurden und dass
die von der Klägerin als vermeintlich lückenhaft beklagte Lösung exakt der Intention des Gesetzgebers entspricht. Sie in der von der Klägerin
geforderten Weise zu schließen, käme einer Missachtung des zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens gleich.
17 Zu einer anderen Auffassung gibt auch der Grundsatz verfassungskonformer Auslegung keinen Anlass. Zum einen entbindet der Gesichtpunkt
der Verfassungskonformität nicht von der Beachtung der Grenzen, die sich aus dem Wortlaut und der klar erkennbaren Regelungsabsicht
ergeben. Zum anderen ist für einen Verfassungsverstoß hier nichts ersichtlich. Dem Arbeitgeber können im Fall der durch den Feuerwehrdienst
verursachten Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zwar wirtschaftliche Belastungen entstehen, die über die ihm nach § 17 Abs. 2 FwG zu
erstattenden Lohnfortzahlungsleistungen hinausgehen. Solche Belastungen treten aber in vergleichbarer Weise und viel häufiger ein, wenn
Arbeitnehmer sich im privaten Bereich verletzen, ohne dass dort eine Erstattung der Lohnfortzahlungsleistungen erfolgt. Der Gesetzgeber ist
auch nicht gehalten, jegliche Belastung mit entferntem Bezug zu gemeinnützigen Einrichtungen auszugleichen. Das Gericht vermag auf diesem
Hintergrund im Verzicht auf eine weitergehende Regelung von Erstattungsansprüchen keinen verfassungswidrigen Eingriff in den nach Art. 14
Abs. 1 Satz 1 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu erkennen. Der Gesetzgeber konnte aus sachlichen Gründen,
zu denen auch die Sicherstellung der Finanzierbarkeit der gemeindlichen Feuerwehren zählt, auf eine weitergehende Erstattungsregelung
verzichten. Die gesetzgeberische Entscheidung verstößt damit auch nicht gegen das Willkürverbot.
18 Danach ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Feuerwehrgesetz den geltend gemachten Erstattungsanspruch wegen entgangenen
Gewinns nicht vorsieht.
19 Nachdem die Regelungen des Feuerwehrgesetzes, wie oben ausgeführt, für die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Fragen abschließende
Regelungen enthalten, kann die Klägerin ihren Anspruch auch nicht aus den Grundsätzen der Drittschadensliquidation oder aus den
Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag herleiten. Davon abgesehen liegen die Voraussetzungen hierfür aber auch nicht vor. Die
Drittschadensliquidation ist dadurch geprägt, dass einem Anspruchsberechtigten kein Schaden entstanden ist, während dem Geschädigten
gegenüber dem Schädiger kein Anspruch zusteht. In diesem Fall soll der Anspruchsinhaber berechtigt sein, den beim Geschädigten
entstandenen Schaden gegenüber dem Schädiger geltend zu machen, da der Schädiger durch die zufällige Schadensverlagerung nicht von
seiner Schadensersatzpflicht freikommen soll (Grunsky, Münchner Kommentar zum BGB, vor § 249 Rdnr. 117). Ausgehend davon, dass die
Klägerin als Schaden ihren entgangenen Gewinn geltend macht, würde die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation hier
voraussetzen, dass bei einem Dritten ein Anspruch auf Erstattung dieses entgangenen Gewinns entstanden ist. Dies ist aber nicht der Fall und
wird auch von der Klägerin so auch nicht behauptet. Die Geschäftsführung ohne Auftrag kann grundsätzlich nur Platz greifen, wenn keine
besonderen Rechtsverhältnisse zwischen Geschäftsherr und Geschäftsführer bestehen (vgl. Seiler, Münchner Kommentar, § 677 Rdnr. 18).
Abgesehen davon, dass die beklagte Gemeinde und die Klägerin ersichtlich nicht in einem Verhältnis von Geschäftsherr und Geschäftsführer
zueinander stehen, ist hier ihr Verhältnis abschließend durch § 17 FwG geregelt. Für die ergänzende Heranziehung der Grundsätze der
Geschäftsführung ohne Auftrag bleibt daher kein Raum.
20 Nach alldem war die Klage abzuweisen.
21 Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie unterliegt (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit
folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708, 710, 711 ZPO.