Urteil des VG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

VG Schleswig-Holstein: ärztliche behandlung, öffentlich, schüler, ski, realschule, eltern, behandlungskosten, unterricht, veranstaltung, verzinsung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Verwaltungsgericht
9. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 A 107/05
Dokumenttyp:
Gerichtsbescheid
Quelle:
Normen:
§ 32 Abs 2 SchulG SH, § 40
VwGO, § 781 BGB, § 1357 Abs
1 BGB, § 121 VwG SH
Eltern sind hinsichtlich einer Klassenfahrt und der in
diesem Zusammenhang entstandenen ärztlichen
Behandlung kostenpflichtig.
Leitsatz
Eltern sind verpflichtet, die Kosten einer Klassenfahrt ihrer Kinder zu bezahlen. Der
Anspruch ist mit einer allgemeinen Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht geltend
zu machen.
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 407,00 € zu zahlen zuzüglich
Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz auf eine Summe von 407,00 €
seit dem 12.05.2005.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Gerichtsbescheid ist vorläufig vollstreckbar. Den Kostenschuldnern wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der
vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht die Kostengläubigerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als Schulträgerin von den beklagten Eltern eines
minderjährigen Schülers die Erstattung von Aufwendungen, die im Rahmen einer
Ski-Klassenfahrt aufgewendet worden sind.
Der Sohn der Beklagten war im Schuljahr 2004/05 Schüler der Klasse R 10 c der
staatlichen Realschule Z in A-Stadt. Die Klägerin ist die Schulträgerin der
Realschule. Vom 18.02.2005 bis zum 26.02.2005 fand eine Ski-Klassenfahrt nach
B in Österreich statt, an der auch der Sohn der Beklagten teilnahm. Im Vorfeld
wurden die Beklagten über die schulische Veranstaltung informiert und der
Beklagte zu 1) unterschrieb unter dem 06.09.2005 eine Erklärung, dass er darüber
informiert worden sei, dass die Fahrt eine schulische Veranstaltung sei und sein
Kind zur Teilnahme berechtigt und verpflichtet sei. Er erklärte darin, dass sein Kind
an der Fahrt teilnehme und dass er auch die Kosten übernehme, die durch eine
eventuelle Nichtteilnahme seines Kindes aus selbstverschuldeten Gründen
entstehen sollten (Ausnahme: Schulische Gründe wie z. B. sitzen bleiben oder
Schulwechsel). Bei Erkrankung seines Kindes verpflichte er sich, dem
behandelnden Arzt umgehend einen Krankenschein zuzusenden bzw. die
Behandlungskosten nach Rechnungstellung zu begleichen. Weiterhin ist dort
angegeben, dass er Herrn A (dem Klassenlehrer) die Vollmacht erteile, in seinem
Namen alle mit der Veranstaltung zusammenhängenden Rechtsgeschäfte
abzuschließen und abzuwickeln.
Mit Schreiben vom 25.11.2005 wurden die Beklagten über die Kosten der Fahrt
informiert und zur Zahlung des Reisepreises in Höhe von 330,00 € bis zum
05.01.2005 aufgefordert. Die Beklagten zahlten nicht.
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Während der Klassenfahrt musste der Sohn der Beklagten ärztlich behandelt und
geröntgt werden. Die dadurch entstandenen Kosten in Höhe von 77,00 € wurden
von dem Klassenlehrer verauslagt.
Nach Rückkehr von der Klassenfahrt wurden die Beklagten mit Schreiben vom
11.04.2005 nochmals gemahnt und ihnen erneut, nunmehr für den Gesamtbetrag
in Höhe von 407,00 €, eine Zahlungsfrist bis zum 28.04.2005 gesetzt. Die
Beklagten zahlten nicht.
Die Klägerin hat am 12.05.2005 Klage erhoben. Sie macht geltend, dass diese als
allgemeine Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht zulässig sei, weil es sich
um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele, denn der von der Klägerin
geltend gemachte Anspruch habe seine Rechtsgrundlage im öffentlichen Recht.
Rechtsgrundlage für die Zahlung sei ein öffentliches Schulverhältnis. Zwischen der
Klägerin und den Beklagten bestünde ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, kraft
dessen die Klägerin von den Beklagten die Entrichtung des zugesagten Entgeltes
für den Schulausflug und die verauslagten Behandlungskosten verlangen könne.
Dieser Vertrag sei mit der Erklärung des Beklagten zu 1) vom 06.09.2004
zustande gekommen. Darüber hinaus seien die Beklagten auch verpflichtet, die
durch die Behandlung des Arztes entstandenen Kosten zu begleichen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an sie 407,00 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe
von 5 % über dem Basiszinssatz auf eine Summe von 330,00 € seit dem
06.01.2005 sowie Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz auf eine
Summe von 77,00 € seit dem 28.04.2005.
Die Beklagten stellen keinen Antrag und äußern sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
Gerichtsakte verwiesen.
Der Rechtsstreit ist der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung
übertragen worden.
Entscheidungsgründe
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid
entschieden werden, nachdem die Beteiligten hierzu gehört worden sind.
Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO ist
eröffnet, da der minderjährige Sohn der Beklagten im Schuljahr 2004/05 als
Schüler der Klasse 10 c der Realschule Z in A-Stadt zu der Klägerin als
Schulträgerin der Schule in einem öffentlich-rechtlichen Schulverhältnis gestanden
hat (§ 31 Abs. 1 SchulG). Als Schüler ist der Sohn der Beklagten berechtigt und
verpflichtet, gemäß § 31 Abs. 2 SchulG am Unterricht teilzunehmen und andere
Schulveranstaltungen, die dem Unterricht und dem Erziehungsziel der Schule
dienen, zu besuchen. Mehrtägige Klassenfahrten gehören zu den anderen
Schulveranstaltungen, an denen die Schüler teilnehmen müssen, wenn sie nicht
aus besonderen Gründen gemäß § 34 Abs. 1 SchulG beurlaubt werden. Während
gemäß § 32 Abs. 1 SchulG die Teilnahme am Unterricht unentgeltlich ist, kann von
dieser Regel gemäß § 32 Abs. 2 SchulG dann abgewichen werden, wenn
Schulveranstaltungen außerhalb des lehrplanmäßigen Unterrichts stattfinden und
dafür Entgelte an Dritte zu entrichten sind. Damit ergibt sich aus dem öffentlich-
rechtlichen Schulverhältnis eine Pflicht für den Sohn der Beklagten, an der
Klassenfahrt teilzunehmen und dafür die Kosten zu tragen, so dass eine öffentlich-
rechtliche Streitigkeit vorliegt.
Dieses gilt nicht nur hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Kosten für die
Klassenfahrt, sondern auch für die Erstattung der Aufwendungen, die für die
ärztliche Behandlung in Österreich aufgewendet werden mussten, weil dem
begleitenden Klassenlehrer auf der mehrtägigen Klassenfahrt gegenüber seinen
Schülern - und damit auch gegenüber dem Sohn der Beklagten - die
Fürsorgepflicht obliegt, unmittelbar am Aufenthaltsort im Notfall ärztliche Hilfe in
Anspruch zu nehmen, wenn Verletzungen vorliegen, die unmittelbar vor Ort
ärztlich behandelt werden müssen. Gerade bei einer Klassenfahrt, in der
gemeinsam Ski gefahren wird, muss mit sportbedingten Verletzungen immer
gerechnet werden, und die begleitenden Klassenlehrer sind aus dem öffentlich-
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gerechnet werden, und die begleitenden Klassenlehrer sind aus dem öffentlich-
rechtlichen Schulverhältnis verpflichtet, für das Wohl der ihnen anvertrauten
Schüler zu sorgen. Dieses beinhaltet auch den Besuch von ärztlichen Praxen und
ggf. auch der Begleichung der ausgestellten Rechnungen, wenn aus Deutschland
mitgebrachte oder mitgeführte Krankenscheine nicht akzeptiert werden.
Die Klage ist auch überwiegend begründet. Die Klägerin hat als Schulträgerin aus
dem öffentlich-rechtlichen Schulverhältnis in Verbindung mit § 781 BGB einen
Anspruch auf Erstattung der durch die Teilnahme des Sohnes entstandenen
Kosten an der Klassenfahrt. Indem der Beklagte zu 1) als Erziehungsberechtigter
die von der Realschule Z vorbereitete Erklärung unter dem Datum 06.09.2004
unterschrieben hat, und er seinen Sohn AB damit verbindlich für die Klassenfahrt
angemeldet hat, hat er ein Schuldanerkenntnis abgegeben, dass er die dadurch
entstehenden Kosten übernehmen wird. In der Erklärung hat sich der Beklagte zu
1) zwar ausdrücklich nur verpflichtet, auch im Falle einer eventuellen
Nichtteilnahme aus selbst verschuldeten Gründen die Kosten zu übernehmen,
aber aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass die Klassenfahrt von den Eltern
bezahlt werden muss und es sollte nur klargestellt werden, dass dieses auch dann
gilt, wenn der Schüler aus selbst zu vertretenden Gründen nicht an der
Klassenfahrt teilnehmen kann.
Zwar hat sich nur der Beklagte zu 1) in der schriftlichen Erklärung vom 06.09.2004
verpflichtet, den Elternbeitrag zu bezahlen, jedoch gilt diese Unterschrift auch für
die Beklagte zu 2), da beide Beklagte sorgeberechtigt sind und gem. § 1357 Abs. 1
BGB jeder Ehegatte berechtigt ist, Geschäfte zur angemessenen Deckung des
Lebensbereichs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu
besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und
verpflichtet.
Den Beklagten war auch bekannt, dass sie für die Teilnahme ihres Sohnes 330,00
€ zahlen sollen, da ihnen mit Schreiben des Klassenlehrers Herrn A vom
25.11.2004 mitgeteilt worden war, dass diese Kosten pro Schüler anfallen werden.
Der Beklagte hat auch durch Vorlage der Abrechnung vom 12.01.2006 belegt,
dass auf den Sohn der Beklagten der Betrag in Höhe von 330,00 € entfällt. Es ist
auch nicht ersichtlich, dass die Kosten außerhalb der eventuell durch die
Schulkonferenz gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 19 SchulG aufgestellten Grenzen für
Schulausflüge liegen. Auch die Beklagten haben weder gegenüber der Klägerin,
noch gegenüber dem Gericht geltend gemacht, dass die Kosten für sie
unzumutbar seien. Insbesondere hatten sie bereits fünf Monate vor der
Klassenfahrt mit der verbindlichen Anmeldung gewusst, dass die kostenpflichtige
Ski-Klassenfahrt durchgeführt werden soll und sie hätten bis dahin entweder die
Kosten ansparen können oder hätten entsprechende Zuschüsse beantragen
können.
Die vom Beklagten zu 1) unterschriebene Erklärung stellt einen öffentlich-
rechtlichen Vertrag gemäß § 121 LVwG dar. Insbesondere ist gem. § 124 LVwG der
vorgeschriebenen Schriftform genügt, indem lediglich der Beklagte zu 1), aber
nicht die Klägerin, die Erklärung unterschrieben hat. Bei dem Schuldanerkenntnis
gem. § 781 BGB handelt es sich nicht um einen gegenseitigen Vertrag, sondern
um einen einseitig verpflichtenden Vertrag. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (NJW 1995, 1104) wird die schriftformbezweckte Warn-
und Beweisfunktion bei einseitiger Verpflichtung des Bürgers gegenüber der
Verwaltung auch dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die
Annahmeerklärung nicht auf die Verpflichtungserklärung des Bürgers gesetzt,
sondern gesondert ausgesprochen wird.
Schließlich hat die Klägerin auch gegen die Beklagten Anspruch aus dem
öffentlich-rechtlichen Vertag auf Zahlung von 77,00 € für die Erstattung der
Aufwendungen für die ärztliche Behandlung während der Ski-Klassenfahrt. Im
Rahmen der Klassenfahrt ist der Klassenlehrer berechtigt und verpflichtet, im
Rahmen der Fürsorgepflicht auch die gesundheitliche Versorgung seiner Schüler
zu gewährleisten, zumal er weit entfernt von den Eltern mit der Gruppe unterwegs
ist und es sich dabei um routinemäßige ärztliche Untersuchungen handelt, die im
Rahmen von Ski- Klassenfahrten üblicherweise vorkommen können. Für diese Fälle
ist in der Erklärung ausdrücklich von den Beklagten zugesichert worden, dass man
dem behandelnden Arzt einen Krankenschein zusendet oder die
Behandlungskosten nach Rechnungsstellung begleicht. Da es zu den dienstlichen
Pflichten der Lehrer gehört, für die Personensorge während der Klassenfahrt zu
sorgen, sind auch die insoweit angefallenen Aufwendungen erstattungsfähig. Im
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sorgen, sind auch die insoweit angefallenen Aufwendungen erstattungsfähig. Im
übrigen haben die Beklagten die Möglichkeit, die ihnen bereits übergebene Arzt-
Rechnung bei ihrer Krankenkasse einzureichen und sich dort die Aufwendungen
erstatten zu lassen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus analoge Anwendung von § 291 BGB, der eine
Verzinsung von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an vorsieht. Für eine darüber
hinausgehende Verzinsung ab Verzug fehlt eine entsprechende
Anspruchsgrundlage, da aus § 233 AO der Grundsatz zu entnehmen ist, dass
Zinsansprüche des Staates gegen den Bürger nur entstehen, wenn diese
gesetzlich vorgeschrieben sind. Eine solche gesetzliche Regelung fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167
Abs. 1 S. 1 VwGO ivm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.