Urteil des VG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

VG Schleswig-Holstein: aufschiebende wirkung, besondere härte, fachschule, berufsausbildung, einberufung, landwirtschaft, besuch, wehrpflichtiger, schulausbildung, unterbrechung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Verwaltungsgericht
7. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 B 17/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 12 Abs 4 S 2 Nr 3 WehrPflG
Zurückstellung vom Wehrdienst zum Besuch einer
Fachschule
Leitsatz
Der beabsichtigte Besuch der Fachschule für Landwirtschaft bzw. der Höheren
Landbauschule rechtfertigt keine Zurückstellung vom Wehrdienst.
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage - 7 A 59/07 - gegen den
Einberufungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes vom 16.01.2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08.02.2007 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen,
ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 35 WPflG hat eine Klage gegen einen Einberufungsbescheid keine
aufschiebende Wirkung. Damit geht das Gesetz von dem Grundsatz aus, dass es
im öffentlichen Interesse liegt, dass die durch den Einberufungsbescheid
angeordnete Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes ungeachtet eines noch
schwebenden Rechtsbehelfsverfahrens alsbald erfüllt wird. Das Gericht kann
jedoch auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn
entweder schon im Anordnungsverfahren festgestellt werden kann, dass der
Wehrpflichtige die ihm durch den Einberufungsbescheid auferlegte Pflicht mit
überwiegender Aussicht auf Erfolg bestreitet, oder wenn zwar der endgültige
Ausgang des Verfahrens offen ist, die Vollziehung der Einberufung jedoch den
Wehrpflichtigen so hart treffen würde, dass demgegenüber der Beeinträchtigung
des öffentlichen Interesses durch eine Aussetzung ein geringeres Gewicht
zukommt.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze überwiegt das in der Regel vorrangige
öffentliche Interesse am Vollzug des Einberufungsbescheides das Interesse des
zum Wehrdienst herangezogenen Antragstellers, vorläufig keinen Dienst bei der
Bundeswehr leisten zu müssen. Der streitbefangene Einberufungsbescheid ist bei
der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung des
Streitstoffes keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt.
Dem Antragsteller stehen keine Zurückstellungsgründe i.S.d. § 12 Abs. 4 WPflG zur
Seite.
Der Antragsteller kann sich zunächst nicht mit Erfolg auf das Vorliegen eines
Zurückstellungsgrundes gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 a WPflG berufen. Nach
dieser Vorschrift soll ein Wehrpflichtiger auf Antrag vom Wehrdienst zurückgestellt
werden, wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen eine zu einem schulischen
Abschluss führende Ausbildung unterbrechen würde. Der Antragsteller hat aber
bereits einen qualifizierten Schulabschluss (Mittlere Reife) erlangt. Der nunmehr in
Aussicht genommene Besuch der einjährigen Fachschule (Landwirtschaftsschule)
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Aussicht genommene Besuch der einjährigen Fachschule (Landwirtschaftsschule)
zum Unterrichtsbeginn am 27.08.2007 in zur Ableistung zunächst eines
weiteren Schuljahres, stellt sich damit als eine Ausbildung zur Erlangung eines
weiteren selbständigen höheren Schul- bzw. Berufsabschlusses dar. Die
Tatbestandsvoraussetzungen, dass eine zu einem schulischen Abschluss führende
Ausbildung unterbrochen werden müsste, liegt danach nicht vor.
Auch ein Zurückstellungsgrund nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 c WPflG liegt nicht
vor. Danach soll ein Wehrpflichtiger zurückgestellt werden, wenn die Einberufung
eine bereits begonnene Berufsausbildung unterbrechen würde. Dies ist beim
Antragsteller nicht der Fall.
Da der Wehrdienst in einem Alter geleistet wird, in dem sich ein junger Mann
regelmäßig noch in der Ausbildung oder in der ersten Phase seines Berufslebens
befindet, „wirft“ ihn eine Dienstleistung generell „zurück“. Damit entstehende
Nachteile müssen nach Bewertung des Gesetzgebers indessen grundsätzlich
hingenommen werden. Eine besondere über das normale Maß hinausgehende
Härte liegt nach der gesetzgeberischen Wertung nur vor, wenn der Wehrdienst in
bestimmte Ausbildungsphasen fällt.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller bereits eine Berufsausbildung
durchlaufen und zwar hat er eine landwirtschaftliche Lehre abgeschlossen.
Dementsprechend war er, nach Aufnahme einer entsprechenden Berufstätigkeit
zunächst bis einschließlich 15.07.2006 vom Wehrdienst zurückgestellt worden. Im
Hinblick auf die aufgenommene Beschäftigung im landwirtschaftlichen Betrieb von
Herrn als Landarbeiter beantragte er im Mai 2006 die Zurückstellung vom
Wehrdienst vom 16.07.2006 bis zum 01.06.2007. Eine daraufhin ergangene
Nichtheranziehungszusage bis zum 01.06.2007 vom Mai 2006 wurde
zwischenzeitlich zwar widerrufen, dies ist aber ohne Belang, da die Einberufung
zum 02.07.2007 erfolgt ist. Aufgrund eines zwischenzeitlich angetretenen
Auslandsaufenthaltes zur weiteren Absolvierung des praktischen Jahres einer
landwirtschaftlichen Beschäftigung wurde im Widerspruchsbescheid eine
Nichtheranziehungszusage bis zum 30.06.2007 ausgesprochen.
Die nunmehr in Aussicht genommene weitere Schulausbildung stellt einen
weiteren selbständigen Ausbildungsabschnitt dar. Ein Ausbildungsabschnitt ist ein
solcher Teil einer Berufsausbildung, der von den nachfolgenden Teilen der
Ausbildung erkennbar abgegrenzt ist und insofern eine gewisse Selbständigkeit
aufweist, als er sich zeitlich und sachlich von den anderen Teilen der
Gesamtausbildung trennen lässt, auf denen er stufenweise aufbaut oder für die er
seinerseits Voraussetzung ist. Diese Begriffsbestimmung dient dem Zweck, im
Rahmen einer gegliederten Gesamtausbildung die Einschnitte kenntlich zu
machen, in denen eine Unterbrechung durch den Wehrdienst stattfinden kann (vgl.
Boehm-Tettelbach, WPflG, § 12 Rdnr. 24 mwN). Nach Zusage der Beruflichen
Schulen … vom 01.03.2007 beginnt der Unterricht am 27.08.2007. In der
Bescheinigung wird dargetan, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für die
Aufnahme in die einjährige Fachschule (Landwirtschaftsschule) erfüllt und nach
Beendigung der Praxiszeit zugelassen ist. Damit strebt der Antragsteller die
Aufnahme eines weiteren, in der Zukunft liegenden selbständigen
Ausbildungsabschnittes im genannten Sinne an. Die Ableistung des
Grundwehrdienstes trifft ihn daher nicht härter, als sie allgemein ausgebildete
Landwirte trifft, die vor Aufnahme einer weiteren Fachschulausbildung oder der
Aufnahme einer weiteren qualifizierenden Berufsausbildung den Wehrdienst
ableisten müssen. Von einer zusammenhängenden Ausbildung, die letztlich zum
Abschluss „Staatlich geprüfter Wirtschafter des Landbaus“ (einjährige Fachschule
für Landwirtschaft) oder zum Abschluss „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt“
(zweijährige Fachschule für Landwirtschaft, höhere Landbauschule,
Aufnahmebedingung ist insoweit Abschluss der einjährigen Fachschule für
Landwirtschaft), kann daher keine Rede sein. Gerade durch den Hinweis auf die zu
absolvierende einjährige Praxiszeit wird deutlich, dass ein neuer weiterer Abschluss
in Angriff genommen werden soll, auch wenn der bislang erreichte Abschluss bzw.
die Praxiszeit Voraussetzung für den in Aussicht genommenen Abschluss ist und
ein weiterer Ausbildungsabschnitt beginnt. Dem Antragsteller ist es danach
zuzumuten, die Phase des Schulbesuchs im Rahmen seiner Lebensplanung nach
Ableistung des Wehrdienstes fortzusetzen. Er wird dadurch nicht härter belastet,
als andere Wehrpflichtige mit einem entsprechenden Ausbildungsgang.
Die Praxiszeit ist danach nicht Gegenstand der begonnenen Berufsausbildung, die
durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen werden könnte. Vielmehr ist
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durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen werden könnte. Vielmehr ist
deutlich, dass es sich um aufeinander aufbauende Abschnitte einer
Berufsausbildung handelt und die zu absolvierende Praxiszeit damit nicht Teil einer
bereits begonnenen Berufsausbildung ist, so dass keine weitere Zurückstellung in
Betracht kommt.
Darüber hinaus kann sich der Antragsteller nicht weiter auf das Vorliegen einer
besonderen Härte gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG berufen. Das Verhältnis des §
12 Abs. 4 Satz 1 zu Satz 2 WPflG ist dahingehend zu bestimmen, dass Satz 1 eine
Generalklausel enthält, deren Anwendung dann ausgeschlossen ist, wenn die
geltend gemachten Zurückstellungsgründe einen der Sondertatbestände des
Satzes 2 betreffen. Soweit also in § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG ein Lebenssachverhalt,
der eine besondere Härte begründen soll, erfasst ist, ist diese Regelung
abschließend. Sind die Anforderungen an eine Zurückstellung nach einem der in
Satz 2 geregelten Tatbestände nicht erfüllt, so steht fest, dass dieser
Lebenssachverhalt den Tatbestand der besonderen Härte nicht erfüllt. Ein Rückgriff
auf die allgemeine Härteklausel käme nur insoweit in Betracht, als
außergewöhnliche Umstände hinzukommen, die keinem der in § 12 Abs. 4 Satz 2
WPflG umschriebenen Sondertatbestände zuzuordnen sind (vgl. Johlen,
Wehrpflichtrecht, Rdnr. 155 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 24.10.1997, 8 C 21/97 -
iuris). Solche außergewöhnlichen Umstände sind indes weder vorgetragen noch
ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Wert des
Streitgegenstandes ist gemäß §§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 34 Satz 1 WPflG).