Urteil des VG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

VG Schleswig-Holstein: sachliche zuständigkeit, verfassungskonforme auslegung, sozialhilfe, treu und glauben, mehrbelastung, stadt, gesetzliche vertretung, vergleich, gesetzlicher vertreter, aufwand

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Verwaltungsgericht
7. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 A 123/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 6a BSHGAG SH vom
15.12.2005, Art 49 Abs 1 Verf
SH, Art 49 Abs 2 S 2 Verf SH,
§ 3 BSHGAG SH vom
15.12.2005, § 40 Abs 1 S 1
VwGO
Kein Anspruch der Kreise und kreisfreien Städte gegen das
Land auf Erstattung sozialhilferechtlicher so genannter
Annexkosten
Leitsatz
Aus § 6a AG-BSHG SH i.V.m. Art. 49 Landesverfassung SH lässt sich kein unmittelbarer
Leistungsanspruch der Kreise und kreisfreien Städte gegen das Land auf
Kostenerstattung von sog. Annexkosten im Zusammenhang mit Leistungen der
Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege an Personen über 60 Jahren in Einrichtungen
herleiten.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Aufwendungen der
Sozialhilfe nach SGB XII gemäß dem AG-BSHG (Ausführungsgesetz zum
Bundessozialhilfegesetz).
Mit Schreiben vom 14.09.2007 reichte die Klägerin die Jahresabrechnung über die
zu Lasten des Landes in der Sozialhilfe entstandenen Aufwendungen nach dem
SGB XII etc. für das Kalenderjahr 2006 bei dem Beklagten ein. Mit Bescheid vom
17.09.2007 erging ein entsprechender Jahresabrechnungsbescheid für das
Kalenderjahr 2006 dem Hinweis zu „Ziffer 3.1 und 3.2 (Erstattungsbetrag): nicht
erstattet werden ihnen die Aufwendungen der Hilfen an Personen über 60 Jahre
innerhalb von Einrichtungen für ambulante und stationäre Hilfen zur Gesundheit
einschließlich der Erstattung an Krankenkassen nach § 264 Abs. 7 SGB V soweit
sie nicht im Zusammenhang mit stationärer Eingliederungshilfe oder der
stationären Hilfe zur Pflege entstehen, die Hilfen zum Lebensunterhalt,
Weihnachtsbeihilfenbeihilfen örtlicher Träger.“
Die Jahresabrechnung wurde nach schriftsätzlicher Erörterung verschiedenster
Probleme der Statistik und Ausweisung der Beträge von der Klägerin mit Schreiben
vom 25.08.2008 ergänzt und enthielt unter den Positionen 3.3, 3.4 und 3.5
entsprechende Erstattungsbeträge. Mit Bescheid vom 11.09.2008 wurde die
berichtigte Jahresabrechnung für das Jahr 2007 beschieden und es wurde der
Hinweis erteilt, dass die für das Kalenderjahr 2006 entstandenen Aufwendungen
für Hilfen an Leistungsberechtigte über 60 Jahre innerhalb von Einrichtungen,
nämlich die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung und die Weihnachtsbeihilfen (örtliche Träger) nicht erstattet
werden.
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Am 28.11.2008 schloss die Landesregierung mit den kommunalen
Landesverbänden (KLV) eine Vereinbarung in der es um verschiedene
Gesichtspunkte der Kostentragung im Verhältnis zwischen Land und Kommunen,
insbesondere auch den Kreisen und kreisfreien Städten, ging. Dabei verpflichtete
sich das Land im Bereich AG-SGB XII zusätzlich für die Forderungen im
Zusammenhang mit den Abrechnungen im sozialen Bereich den Kreisen und
kreisfreien Städte für die Jahre 2007 und 2008 weitere 10 Millionen Euro zur
Verfügung zu stellen. Demgegenüber verpflichteten sich die Kommunen, dass die
KLV dafür Sorge tragen werden, dass alle Klagen im Zusammenhang mit den
Abrechnungen der Annexkosten 2006 zurückgenommen werden.
Bereits zuvor hat die Klägerin am 18.09.2008 Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage beruft sich die Klägerin darauf, dass ihr ein
Kostenersatz für erbrachte Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII für das
Jahr 2006 gemäß § 6 a AG-BSHG (vom 21.01.1985 in der Fassung des Art. 9 des
Gesetzes vom 15.12.2005, GVOBl. S. 568, gültig bis 31.12.2006) zustehe.
Sie erbringe als örtlicher Träger Leistungen der Sozialhilfe. Gemäß der
Bestimmung des § 3 a AG-BSHG sei ihr durch das Land abweichend von § 100
Abs. 1 BSHG auch die Zuständigkeit für die Eingliederungshilfe für über 60-jährige
in Einrichtungen übertragen worden (gültig bis 31.12.2006). Während bis zum
31.12.2005 § 6 a AG-BSHG bestimmt habe, das sämtliche Sozialhilfekosten
zwischen überörtlichen und örtlichen Träger im Verhältnis 39 % zu 61 % aufgeteilt
werden, habe das beklagte Land durch die Neufassung des § 6 a BSHG ab dem
01.01.2006 den örtlichen Träger nur noch die Nettoaufwendungen der Leistung der
Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege an Personen über 60 Jahre in
Einrichtungen zu erstatten.
Die Klägerin habe gemäß § 6 a AG-BSHG einen Anspruch auf Erstattung auch der
geltend gemachten sogenannten Annexkosten. Dieser Anspruch ergebe sich aus §
6 a AG-BSHG iVm Artikel 49 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung. Eine solche
verfassungskonforme Auslegung von § 6 a AG-BSHG sei geboten, da der
Gesetzgeber entgegen seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung eine
ungenügende Umsetzung dieser Verpflichtung in § 6 a AG-BSHG geschaffen habe.
Gemäß § 100 Abs. 1 BSHG, der gemäß Artikel 68 Abs. 2 des Gesetzes zur
Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis zum 31.12.2006 in
Kraft geblieben sei, sei für die Eingliederungshilfe für über 60-jährige in
Einrichtungen eigentlich der überörtliche Träger, mithin das Land zuständig. Durch
§ 3 a AG-BSHG habe das Land diese Aufgabe auf die örtlichen Sozialhilfeträger
übertragen. Zu der durch diese Aufgabenübertragung verursachten
Mehrbelastung zählten auch die vom beklagten Land verweigerten sogenannten
Annexkosten, die gemäß dem Gesamtfallgrundsatz des § 97 Abs. 4 SGB XII nun
ebenfalls dem örtlichen Träger zur Last fielen, was ohne die landesrechtliche
Regelung des § 3 a AG-BSHG nicht der Fall wäre. Demnach seien auch die
aufgewandten Kosten für die Leistung der Grundsicherung für über 60-jährige in
Einrichtungen (§ 41 ff. SGB XII), die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für
über 60-jährige in Einrichtungen (§ 35 SGB XII) sowie die gezahlten
Weihnachtsbeihilfen für über 60-jährige in Einrichtungen (§ 133 b SGB XII) zu
ersetzten. Die Regelung des AG-BSHG sei im Lichte des § 97 Abs. 4 SGB XII zu
sehen, wonach die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die
sachliche Zuständigkeit für Leistungen erfasse, die gleichzeitig nach anderen
Kapiteln des SGB XII zu erbringen seien.
Mit Beschluss der Ratsversammlung der Stadt N. vom 19.05.2009 habe die
Ratsversammlung eine Zustimmung zum Vergleich abgelehnt. Sie sei durch die
abgeschlossene Vereinbarung keineswegs unmittelbar verpflichtet. Die
maßgeblichen Satzungen der kommunalen Landesverbände enthielten keine
entsprechende Vertretungsbefugnis. Über die Frage, ob auf die entsprechenden,
bereits rechtshängig gemachten Ansprüche verzichtet werden solle, müsse
gemäß § 28 Nr. 11 GO iVm § 12 b der Hauptsatzung der Klägerin die
Ratsversammlung entscheiden, da der Oberbürgermeister selbst nur auf
Ansprüche der Stadt bis zu einer Höhe von 125.000 Euro verzichten dürfe. Die
Selbstverwaltung habe beabsichtigt, sich zunächst am 17.02.2009 mit dieser
Frage zu beschäftigen. Da kurz vor der Sitzung der Staatssekretär des Beklagten,
Herr Dr. K., mit einigen Fraktionsvorsitzenden der Fraktionen der N.
Ratsversammlung in Verbindung getreten sei und ein Gesprächsangebot
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Ratsversammlung in Verbindung getreten sei und ein Gesprächsangebot
unterbreitet habe, sei die Entscheidung vertagt worden.
Auch in der Entgegennahme der Zahlung in Höhe von 450.275,20 Euro habe keine
Willenserklärung der Stadt gelegen, der Vereinbarung zuzustimmen. Zudem sei
die ausgezahlte Summe mit einer Abschlagzahlung für Juli 2009 verrechnet
worden, so dass der Betrag der Klägerin tatsächlich nicht zugeflossen sei.
Die für die kreisfreien Städte und Kreise verhandelnden Herren Bürgermeister S.
und Landrat T. seien nicht für die Klägerin vertretungsbefugt gewesen. Das ergäbe
sich bereits auch aus dem Wortlaut der Vereinbarung: „daraufhin wirken“. Auch
liege keine Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht vor. Bekanntermaßen seien die
Regeln der Rechtsscheinsvollmacht auf juristische Personen des öffentlichen
Rechts nur eingeschränkt anwendbar. Gemäß § 64 Abs. 2 GO bedürften
Erklärungen, durch die die Stadt verpflichtet werden solle, der Schriftform und
seien von dem Bürgermeister handschriftlich zu unterzeichnen.
Es sei zwar zutreffend, dass die Aufgabendifferenz, die Voraussetzung des
verfassungsrechtlichen Konnexitätsanspruches sei, hinsichtlich der Hilfe zum
Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen nicht erst im Jahre 2006
eingetreten sei, sondern bereits im Jahre 1985. Darauf komme es im Ergebnis
aber nicht an. Entscheidend sei, dass der Beklagte der Klägerin durch ein
Landesgesetz Aufgaben übertragen habe, für die er bundesgesetzlich selbst
zuständig wäre. Wenn er dies einmal getan habe, sei er gemäß Artikel 49 Abs. 2
Satz 2 Landesverfassung auch für die Zukunft verpflichtet, für einen
entsprechenden vollständigen finanziellen Ausgleich, der durch diese
Aufgabenübertragung verursacht worden sei, zu sorgen. Im quotalen System
seien sämtliche Sozialhilfekosten – bis auf die Kosten de Grundsicherung - mithin
auch die Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen enthalten
gewesen. Der Beklagte habe gegen ihre Verpflichtung aus Artikel 49
Landesverfassung verstoßen, in dem sie durch das am 01.01.2006 in Kraft
getretene Gesetz in § 6 a AG-BSHG bislang erstattete Kosten von der Erstattung
nun ausgenommen habe. Eine Verpflichtung zu Mehrlastenausgleich bestehe
nämlich nicht nur für den Zeitraum der Aufgabenübertragung selbst oder einem
mehr oder weniger eng umgrenzten Zeitraum nach der Übertragung, sondern für
die Gesamtzeit, während der die Gemeinde in Folge der Übertragung die Aufgaben
erfüllten. (so Landesverfassungsgericht Brandenburg, Urteil vom 14.02.2002 –
VFGBbG 17/01).
Hinsichtlich der Grundsicherung sei anzumerken, dass es diese erst ab dem
01.01.2003 gebe. Durch das Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung sei die Klägerin bundesgesetzlich für die
Grundsicherung zuständig. Ab dem 01.01.2005 habe diese Zuständigkeit wegen
des Inkrafttretens des SGB XII jedoch nicht mehr auf Bundesgesetz, sondern
nunmehr auf Landesgesetz beruht (so auch Landesverfassungsgericht
Brandenburg, Urteil vom 28.07.2008 – VfGBbG 76/05).
Der Beklagte widerspreche sich bei der Umsetzung seiner eigenen Argumentation
übrigens selbst, da zuvor die Kosten der Hilfe zur Gesundheit für über 60-jährige in
Einrichtungen den Kommunen von dem Beklagten bereits vor dem 01.01.2006
übertragen worden seien, diese Kosten jedoch von dem Beklagten weiterhin
anstandslos übernommen würden, obwohl diesbezüglich die Rechtslage identisch
sei.
Die Klägerin habe auch zureichend zur Mehrbelastung vorgetragen. Diese
Mehrbelastung resultiere allein daraus, dass die jetzt geltend gemachten Kosten
vor der Änderung der Rechtslage durch das Land im quotalen System enthalten
gewesen seien, die sie jedoch vom Land aus der Kostenerstattung nun heraus
genommen worden sein.
Die Klägerin beantragt,
das beklagte Land unter Abänderung des Abrechnungsbescheides vom
17.09.2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.09.2008 zu
verurteilen, der Klägerin folgende Aufwendungen für Sozialhilfeleistungen für das
Jahr 2006 zu erstatten:
1. Grundsicherung für über 60-jährige in Einrichtungen
413.268 Euro
2. Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen678.945 Euro
3. Weihnachtsbeihilfen für über 60-jährige in Einrichtungen
11.664 Euro
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3. Weihnachtsbeihilfen für über 60-jährige in Einrichtungen
11.664 Euro
Gesamt:
1.103.877 Euro
zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab
Rechtshängigkeit.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft sich der Beklagte darauf, dass die vier kreisfreien Städte
und die Kreise des Landes vertreten durch ihre kommunalen Landesverbände
(KLV) in der Vereinbarung vom 28.11.2008 über eine Reihe von Fragen verständigt
hätten, die zwischen den Beteiligten streitig gewesen seien. Dazu hätten auch die
Kostenausgleichsforderungen der Kommunen gehört. Die kreisfreien Städte – mit
Ausnahme der Klägerin – und alle Kreise hätten daraufhin ihre Klagen im
Zusammenhang mit den Abrechnungen der Annexkosten 2006 zurückgenommen
oder in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Auch die Klägerin habe ihren Anteil aus der Summe in Höhe von 450.275,20 Euro
erhalten. Die KLV handelten bei dem Abschluss der Vereinbarung im Rahmen ihrer
satzungsgemäßen Aufgaben als Vertreter ihrer Mitglieder. Sollte die Klägerin
treuwidrig einwenden wollen, dass sie nicht vertreten worden sei, so müsse sie
jedenfalls gegen sich gelten lassen, dass sie die Zahlung des oben genannten
Betrages aus der Vereinbarung widerspruchslos und ohne Vorbehalte entgegen
genommen habe. Die Durchführung der Vereinbarung mit 11 Kreisen und drei
kreisfreien Städten sei einvernehmlich und streitfrei erfolgt. Unter diesen
Umständen müsse angenommen werden, dass auch die Klägerin unmittelbar an
die Vereinbarung gebunden sei, dass heißt zur Klagrücknahme verpflichtet sei.
Hilfsweise müsse die Klägerin gegen sich gelten lassen, dass die Herren
Bürgermeister S. und Landrat T. als ihre Vertreter aufgetreten seien und die
Klägerin müsse sich dieses Verhalten nach den Grundsätzen der Duldungs- oder
Anscheinsvollmacht zurechnen lassen.
Mit Bewilligungsschreiben vom 12.12.2008 und Kassenanweisung vom gleichen
Tage seien die aus der Vereinbarung auf die Klägerin entfallenen Beträge zur
Auszahlung gelangt und noch im Rechnungsjahr 2008 auf dem Konto der Klägerin
eingegangen. Wenn die Klägerin sich nicht an der Vereinbarung vom 28.11.2008
habe beteiligt sehen wollen, hätte sie binnen angemessener Frist den
empfangenen Betrag an die Beklagte zurück überweisen oder der Überweisung in
anderer Form eindeutig widersprechen müssen. Die Klägerin habe daher durch
schlüssiges Handeln der Vereinbarung zugestimmt.
Der Anspruch der Klägerin ergebe sich nicht aus § 6 a AG-BSHG.
Erstattungsbeträge für die Grundsicherung für über 60-jährige in Einrichtungen, für
Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen und für die
Weihnachtsbeihilfen für über 60-jährige in Einrichtungen würden von § 6 a AG-
BSHG nicht erfasst. Eine verfassungskonforme Auslegung könne zwar nicht
notwendig an der Wortlautgrenze enden, ebenso sei eine Rechtsfortbildung über
das Gesetz hinaus auch nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie bedürfe jedoch
sorgfältiger Begründung. Eine solche sei nicht gegeben. Der Gesetzgeber habe in
§ 6 a AG-BSHG den Umfang der zur Erstattung berechtigten Tatbestände
eindeutig abschließend und erkennbar mit dem Willen der Vollständigkeit geregelt.
Angesichts eines nach Wortlaut und Sinn klaren Gesetzes dürfe der normative
Gehalt einer Vorschrift nicht durch Auslegung neu bestimmt werden.
Das Konnexitätsprinzip des Artikel 49 Abs. 2 Landesverfassung als materielle
Lastenausgleichsregelung sei durch das Gesetz zur Änderung der
Landesverfassung vom 20.03.1998 (GVOBl. S. 150) eingeführt worden. Maßgeblich
sei deshalb ein Vergleich der Zuständigkeiten vor und nach der vom Gesetzgeber
getroffenen Regelung. Es gehe um die Feststellung einer sogenannten
Aufgabendifferenz.
Durch Artikel 26 des Haushaltsstrukturgesetzes 1984 vom 22.12.1983 (BGBl. I S.
15/32) sei unter anderem § 100 Abs. 1 SG-BSHG in der Weise geändert worden,
dass die sachliche Zuständigkeit der Aufgaben des überörtlichen Trägers der
Sozialhilfe auf die örtlichen Träger übertragen werden konnte. Von dieser
Möglichkeit habe der Schleswig-Holsteinische Gesetzgeber mit dem Gesetz zur
Neuordnung der Trägerschaft der Sozialhilfe vom 29.11.1984 (GVOBl. S. 246)
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Neuordnung der Trägerschaft der Sozialhilfe vom 29.11.1984 (GVOBl. S. 246)
Gebrauch gemacht. Danach sollten in Abweichung von § 100 Abs. 1 BSHG die
örtlichen Träger auch in den Fällen des § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, bei
Hilfeempfängern die das 60 Lebensjahr vollendet haben und die in Einrichtungen
lebten, sachlich zuständig sein. Gleichzeitig habe das Gesetz vom 29.11.1984 in
seinem Artikel 4 bestimmt, dass das Finanzausgleichsgesetz geändert und die
Verbundmasse des § 5 Abs. 1 FAG angehoben werde. Die Neufassung des
Gesetzes zur Ausführung des BSHG vom 21.01.1985 (GVOBl. S. 26) habe alle
diese Änderungen umgesetzt.
Mit dem Gesetz zur Änderung des FAG (Finanzausgleichsgesetz) und des
Gesetzes zur Ausführung des BSHG vom 12.12.1990 (GVOBl. S. 615) sei die seit
1985 geltende Regelung geändert worden. Artikel 3 des Gesetzes hatte nunmehr
das quotale System begründet, das eine gegenseitige Kostenbeteiligung der
örtlichen und des überörtlichen Träger der Sozialhilfe an den Kosten der jeweils
anderen Ebene für alle Kosten aus Sozialhilfeleistungen vorgesehen habe. Die
bestehenden sachlichen Zuständigkeiten seien bei dieser Gelegenheit von dem
Gesetz nicht berührt worden. Es sei bei der Regelung der Aufgabenverteilung aus
dem Jahre 1984, beginnend ab 01.01.1985, geblieben.
Das Inkrafttreten der sozialen Pflegeversicherung durch das SGB XII zum
01.01.1995 bewirkte ebenfalls keine Veränderung. Es führte allerdings zu
Kostenentlastungen sowohl bei den örtlichen als auch bei den überörtlichen
Trägern.
Durch das am 01.01.2003 in Kraft getretene Gesetz über eine bedarfsorientierte
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (BGBl. I S. 1335) sei den
Kreisen und kreisfreien Städten die Trägerschaft für die Grundsicherung
übertragen worden. Für die über 60-jährigen, um die es vorliegend gehe, seien die
Kommunen dagegen schon durch das AG-BSHG seit 1985 zuständig gewesen.
Am 01.01.2005 sei das SGB XII in Kraft getreten. Dieses ersetze die Vorschrift des
§ 100 Abs. 1 BSHG, der jedoch über den 01.01.2005 bis zum 31.12.2006
fortgegolten habe (Artikel 68 Abs. 2 des Gesetzes zur Einordnung des
Sozialhilferechts in das SGB). Das neue SGB XII berühre deshalb für das Jahr 2006
die bestehende Aufgabenverteilung zwischen den örtlichen Trägern und den
überörtlichen Trägern nicht. Auch die neue Vorschrift des § 97 Abs. 3 SGB XII mit
ihren Regelungen zur sachlichen Zuständigkeit der Träger der Sozialhilfe sei
ebenfalls erst zum 01.01.2007 in Kraft getreten.
Im Ergebnis sei somit festzuhalten, dass in den Jahren 1985 bis 2006 bei einem
Vergleich der den Kommunen im Bereich der Sozialhilfe übertragenen Aufgaben
nach dem Schema vorher-nachher keine Aufgabendifferenz zu erkennen sei. In
diesem Zeitraum sei keine Übertragung neuer Aufgaben erfolgt.
Außerdem sei durch die Regelung des Konnexitätsprinzips in Artikel 49 Abs. 2 Satz
2 Landesverfassung kein unmittelbaren Zahlungsanspruch zur Verfügung gestellt
worden. Nach ihrem Wortlaut und ihrer Systematik stellten die Bestimmungen
über die Konnexität lediglich einen Regelungsauftrag dar. Dem Gesetzgeber stehe
in diesem Bereich eine erhebliche Einschätzungsprärogative zu. Er habe einen
weiten Gestaltungsspielraum und innerhalb dieses Spielraumes könne und müsse
der Gesetzgeber entscheiden, in welcher Form der Ausgleich erfolgen solle.
Auch stehe nunmehr die kommunale Verfassungsbeschwerde nach § 47
Landesverfassungsgerichtsgesetz zur Verfügung. Eine kommunale
Verfassungsbeschwerde sei keineswegs subsidiär und erfordere nicht die
vorgängige Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtsweges.
Die mit dem Gesetz zur Änderung der Landesverfassung vom 20.03.1998
eingeführte Regelung des Konnexitätsprinzips gelte nicht für bereits vorher
übertragene, sondern nur für neue vom Landesgesetzgeber übertragene
Aufgaben. Der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Kostenersatz für
erbrachte Leistungen der Sozialhilfe für das Jahr 2006 betreffe jedoch in allen dabei
angesprochenen Aufgabenbereichen keine neuen Aufgaben in diesem Sinne,
sondern nur solche, die den Kreisen schon seit 1985 oder durch den
Bundesgesetzgeber übertragen worden seien. Das gelte auch für die
Grundsicherung im Alter für Personen über 65 oder jüngere Personen, die
dauerhaft erwerbsgemindert seien. Diese erhielten bis zur Einführung der
Grundsicherung durch das Bundesgesetz zur Sicherung des Lebensunterhalts
Leistungen nach dem BSHG und zwar von den Kreisen. Am 01.01.2003 sei als
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Leistungen nach dem BSHG und zwar von den Kreisen. Am 01.01.2003 sei als
Artikel 12 des Altersvermögensgesetz vom 26.06.2001 mit der Änderung durch
Artikel 1 a des Gesetzes zur Verlängerung von Übergangsregelungen im
Bundessozialhilfegesetz vom 27.04.2002 und das Gesetz über eine
bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Kraft
getreten und habe die Grundsicherung als eigenständige Kategorie in das
materielle Sozialrecht eingeführt. Seit dem 01.01.2005 sei die Grundsicherung
Bestandteil der Leistungen, die nach SGB XII gewährt würden und zähle damit
wieder zu den Leistungen der Sozialhilfe. Zusätzlich sei für die Sozialhilfe nach § 97
Abs. 1 SGB XII der örtliche Sozialhilfeträger zuständig, soweit nicht der überörtliche
Sozialhilfeträger zuständig sei. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen
Sozialhilfeträgers zu bestimmen, sei gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII dem Landesrecht
vorbehalten.
Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des Landesverfassungsgericht Brandenburg
vom 28.07.2008 - VfGBbG 76/05 - berufe, werde verkannt, dass die
Konnexitätsregeln des Artikel 49 Abs. 2 Landesverfassung dem
Mehrbelastungsausgleich dienten. Die Klägerin müsse deshalb zunächst einmal
darlegen, dass hier für das Jahr 2006 im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren
eine Mehrbelastung entstanden sei und dass diese Mehrbelastung kausal bzw.
unmittelbar aus der Aufgabenerfüllung folge (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom
23.02.2009 - 1 L 276/05 - Rdnr. 13).
Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung sei im Übrigen zwingende
Konsequenz aus dem Budgetrecht des Parlaments (Artikel 50 Abs. 1
Landesverfassung). Würde man Artikel 49 Abs. 2 Landesverfassung als
Blankettermächtigung zur Befriedigung kommunaler Ausgleichsansprüche durch
die Landesregierung verstehen, so stünde diese Vorschrift im Widerspruch zu
Artikel 50 Abs. 1 Landesverfassung. Bevor die Landesregierung zur Zahlung eines
Ausgleichsbetrages verpflichtet wäre, müsste dafür ein entsprechender finanzieller
Ausgleich geschaffen worden sein und zwar vom Gesetzgeber. Der Regelung des
Konnexitätsprinzips liege die Vorstellung zu Grunde, dass der Ausgleich in einer
Rechtsvorschrift zu erfolgen habe.
Außerdem sei das Urteil des Landesverfassungsgerichts Brandenburg vom
28.07.2008 nicht übertragbar. Die Klägerin klage vor einem Verwaltungsgericht, sie
fordere nicht die Feststellung der Nichtigkeit einer Norm des Landesrechts,
sondern einen konkret bezifferten Geldbetrag. Für Schleswig-Holstein gebe es
keine in § 4 Abs. 2 AG-BSHG Brandenburg entsprechende Regelung.
Die Klagforderung werde der Höhe nach bestritten. Die Stadt N. habe bisher nicht
dargelegt, wie sich die in der Klage geltend gemachten Aufwendungen im
Einzelnen errechneten. Die Beträge seien für die Beklagte nicht nachvollziehbar.
Es sei nicht erkennbar, mit welchem Anteil der Bundeszuschuss nach § 34 Abs. 2
WoGG bei dem Personenkreis der über 60-jährigen in Einrichtungen abgezogen
worden sei. Im landesweiten Vergleich verhielten sich der Aufwand Hilfen zum
Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen zum Aufwand zur
Grundsicherung wie 1 zu 1,45, d.h. der Aufwand für die Grundsicherung übersteige
deutlich den Aufwand für die Hilfe zum Lebensunterhalt. Im Fall der Klägerin lautet
das Verhältnis dagegen 1 zu 0,61, d.h. der Aufwand der Grundsicherung sei
auffällig niedriger als der Aufwand für die Hilfe zum Lebensunterhalt. Dies sei
ungewöhnlich und erklärungsbedürftig. Um die Beträge für die Hilfe zum
Lebensunterhalt und für die Grundsicherung nachvollziehbar zu machen, müsste
die Klägerin für das Jahr 2006 neben den Ausgaben auch die Anzahl der
Empfänger für die einzelnen Leistungsarten darlegen.
Auch werde der Behauptung, dass die geltend gemachten Kosten vor der
Änderung der Rechtslage durch das Land im quotalen System enthalten gewesen
seien, widersprochen. Die Kosten der Grundsicherung seien nicht Bestandteil des
quotalen Systems gewesen. Diese Kosten seien stets von der Kommune zu tragen
gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens
der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es handelt
sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Die
Klägerin stellt nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm in Frage, sondern begehrt
eine Leistung auf Grund verfassungskonformer Auslegung einer Norm.
Anspruchsgrundlage soll § 6a AG-BSHG iVm einer Regelung der Landesverfassung
sein. Bei einer verfassungskonformen Auslegung der Norm sind aber auch die
Regelungen des Finanzausgleiches und der Finanzbeziehungen zwischen
kreisfreien Städten, Kreisen und dem Land insgesamt in den Blick zu nehmen.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen des Anspruches für eine Entscheidung sind danach
landesrechtliche Regelungen insgesamt, die nicht dem Sozialhilferecht zuzuordnen
sind. Danach geht es der Sache nach um einen Anspruch im Zusammenhang mit
dem kommunalen Finanzausgleich, so dass es sich um eine
verwaltungsgerichtliche Streitigkeit handelt (so auch LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 23.01.2006 – L 23 B 1080/05 SO -, juris).
Auch liegt keine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor. Ergeben sich Streitigkeiten
aus den Vorschriften der Verfassung, die unmittelbar durch die Verwaltung
auszuführen sind – wie hier nach Auffassung der Klägerin gem. Art. 49
Landesverfassung -, ist der Verwaltungs-, nicht der Verfassungsrechtsweg
gegeben (VG Potsdam, Urteil vom 05.03.2008 – 6 K 3940/03 -, juris).
Auch gibt es keine abdrängende Sonderzuweisung durch ein Bundesgesetz, hier
insbesondere nicht durch § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG. Zwar mag es sich bei dem AG-
BSHG und den entsprechenden Erstattungsstreitigkeiten um Angelegenheiten des
Sozialhilferechts handeln, die nach der Neuregelung zum 1.1.2005 nach § 51 Abs.
1 Nr. 6 a SGG der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen sind (so OVG Lüneburg,
Beschluss vom 21.06.2005, 4 OB 193/05 und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 30.09.2005 – 4 L 96.05). Mit einer solchen Erstattung, wie sie hier begehrt
wird, nämlich ein Ausgleich kraft Auslegung des Art. 49 Landesverfassung und des
darin enthaltenen Konnexitätsprinzips im Zusammenhang mit den Regelungen
zum Finanzausgleich, wird eine Angelegenheit angesprochen, die über eine bloße
sozialhilferechtliche Erstattung hinausgeht.
Die richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage gemäß §§ 113 Abs. 5, 42 Abs. 2
VwGO (so auch OVG Greifswald, Beschluss vom 23.02.2009 – 1 L 276/05 -, juris).
Über die Festsetzung der Erstattungsbeträge wird jeweils durch Verwaltungsakt
entschieden. Auch wenn die entsprechenden Festsetzungen keine
Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, treffen sie aber eine Regelung im Einzelfall auf
dem Gebiet des öffentlichen Rechts auf der Grundlage des AG-BSHG. Die
Verpflichtungsklage ist zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den
Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Hier wird die Möglichkeit einer
Rechtsverletzung durch die vom Land getroffene Auslegung des § 6 a AG-BSHG
genügend dargelegt.
Die Klägerin ist auch nicht durch die Vereinbarung der KLV mit dem Land vom
28.11.2008 gehindert, den Anspruch weiter im Wege der Klage geltend zu machen.
Die Klägerin ist durch einen Vertrag mit dem Land nicht dazu verpflichtet, ihre
Klage zurückzunehmen. Die genannte Vereinbarung regelt, dass die KLV dafür
Sorge tragen werden, dass alle Klagen im Zusammenhang mit den Abrechnungen
der Annexkosten 2006 zurückgenommen werden.
Durch diese Vereinbarung ist aber keine wirksame Verpflichtung der Klägerin zur
Klagrücknahme begründet worden. Bereits der Wortlaut der Vereinbarung spricht
dafür, dass die Vertreter der KLV keine rechtsverbindlichen Erklärungen für die
Beteiligten abgeben konnten. Nach § 64 GO vertritt der hauptamtliche
Bürgermeister als gesetzlicher Vertreter die Stadt. Nach § 64 Abs. 2 GO bedürfen
Erklärungen, durch die die Stadt verpflichtet werden soll, der Schriftform. Sie sind
vom Bürgermeister schriftlich zu unterzeichnen. Eine solche gesetzliche
Vertretung bei der Zustimmung zu dem Vergleich hat nicht stattgefunden.
Rechtsfolge des Formverstoßes ist die Unwirksamkeit oder schwebende
Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts (vgl. Lütje, GO, § 56 Rn. 22ff, in: Praxis der
Kommunalverwaltung Abschnitt B1 SH). Im vorliegenden Fall hat die
Stadtvertretung der Klägerin eine Zustimmung zu dem Vergleich versagt. Damit
ist eine rechtsgeschäftlich verbindliche Wirkung der Vereinbarung für die Stadt
nicht eingetreten.
Auch ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die Herren S. und T., die
für die kommunalen Landesverbände die Verhandlungen führten, ausdrücklich
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für die kommunalen Landesverbände die Verhandlungen führten, ausdrücklich
bevollmächtigt waren. Eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht der Herren S. und
T. kommt nicht in Betracht. Angesichts der strengen Formvorschriften der
Gemeindeordnung ist nur eingeschränkt auf diese Institute zurückzugreifen. Eine
Gemeinde ist auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran
gehindert, sich auf einen Formmangel zu berufen (vgl. vgl. die Erläuterung zu § 56
GO, a.a.O).
Ebenso wenig kann aus der Entgegennahme des der Klägerin aus der
Vereinbarung zustehenden Betrages auf eine nachträgliche konkludente
Zustimmung zu dem Vergleich geschlossen werden. Abgesehen davon, dass eine
solche Annahme mit den zitierten strengen Formvorschriften für das
rechtsgeschäftliche Handeln einer Stadt nicht in Einklang zu bringen ist, kann der
geleistete Betrag auch nicht allein der Erstattung von Teilen der streitigen sog.
Annexkosten zugerechnet werden. Die Vereinbarung betraf eine Vielzahl von
streitigen Punkten, die schließlich zur Zahlung der weiteren 10 Mio. € im
Zusammenhang mit den Abrechnungen im sozialen Bereich (geregelt im
Abschnitt AG-SGB XII der Vereinbarung) führten. Die Gesamtregelungen zum
Ausgleich von Forderungen zwischen den Kommunen und dem Land verbieten es,
sektoral eine Forderungsbefriedigung anzunehmen.
Die Klage ist aber unbegründet, da der von der Klägerin geltend gemachte
Zahlungsanspruch nicht besteht. Es ist weder unmittelbar ein Leistungsanspruch
nach § 6 a AG-BSHG in der hier maßgeblichen Fassung für das Jahr 2006 gegeben,
noch lässt sich ein solcher Anspruch im Hinblick auf Art. 49 Landesverfassung
begründen.
Der von der Klägerin begehrte Zahlungsanspruch folgt nicht unmittelbar aus der
Regelung des § 6 a AG-BSHG (vom 21.01.1985 in der Fassung des Art. 9 des
Gesetzes vom 15.12.2005, GVOBl. S. 568, gültig bis 31.12.2006). § 6 a AG-BSHG
hat für das Jahr 2006 die Fassung:
Das Land erstattet den örtlichen Trägern die Nettoaufwendungen der Leistungen
der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege an Personen über 60 Jahre in
Einrichtungen.
Die Klägerin begehrt nicht die Erstattung von Leistungen der Eingliederungshilfe,
sondern die Erstattung von zusätzlichen Leistungen, den sog. Annexkosten, die
bei über 60-jährigen in Einrichtungen entstanden sind (Kosten für die Leistung der
Grundsicherung für über 60-jährige in Einrichtungen (§ 41 ff. SGB XII), sowie die
Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für über 60-jährige in Einrichtungen (§
35 SGB XII) und die gezahlten Weihnachtsbeihilfen für über 60-jährige in
Einrichtungen (§ 133 b SGB XII)).
§ 6 a AG-BSHG wurde durch Art. 9 des Haushaltsstrukturgesetzes 2006
(Landtags-Drucksache 16/401, beschlossen vom Landtag in der Sitzung am
14.12.2005) eingeführt. In dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung
zum Haushaltsstrukturgesetz zum Haushaltsplan 2006 (Landtags-Drs. 16/118)
war diese Regelung noch nicht enthalten, sondern in Art. 9 dieses Gesetzes war
das Gesetz zur Ausführung des 12. Buches Sozialgesetzbuch aufgenommen
worden. Der Grund für die neuen Regelungen zum AG-SGB XII war, dass
Regelungen über die Kostenfragen in der Sozialhilfe neu gestaltet worden sind.
Das bis Ende 2004 praktizierte System der gegenseitigen Kostenbeteiligung
(quotales System) wird mit der Neuregelung nicht mehr fortgeführt. Die
Finanzverantwortung sollte sich nunmehr ausschließlich nach der
Aufgabenverantwortung richten. In § 5 AG-BSHG wurde deshalb geregelt, dass das
Land den örtlichen Trägern für die Wahrnehmung der mit Inkrafttreten des
Gesetzes von überörtlichen auf die örtlichen Träger übertragenen Aufgaben – dies
waren andere als die hier streitigen - einen Ausgleichsbetrag zur Verfügung stellt.
In der Begründung des Gesetzentwurfes spielten die sog. Annexkosten der über
60-jährigen Hilfeempfänger in Einrichtungen keine Rolle, da der
Landesgesetzgeber insgesamt davon ausgegangen ist, dass diese Aufgaben und
Kostenverantwortung bereits bei dem örtlichen Träger verankert waren.
Diese Sichtweise entspricht der in Schleswig-Holstein bis dahin geltenden
Regelung. Tatsächlich hat der Landesgesetzgeber in § 3 AG-BSHG vom
21.01.1985(GVOBl. S. 26) von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, abweichend
von § 100 Abs. 1 BSHG die örtlichen Träger auch in den Fällen des § 100 Abs. 1 Nr.
1 BSHG bei Hilfeempfängern, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, für sachlich
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1 BSHG bei Hilfeempfängern, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, für sachlich
zuständig zu erklären. Zum Ausgleich der Mehraufwendung der örtlichen Träger
wurde – damals - der kommunale Finanzausgleich aufgestockt. Die Mehrbelastung
der Kommunen wurde für das Jahr 1985 auf rund 146,5 Millionen D-Mark errechnet.
Diese Mehrbelastung sollte über den kommunalen Finanzausgleich durch
Anhebung des Verbundsatzes ausgeglichen werden. Sofern die Aufwendungen der
Sozialhilfe im Land insgesamt sich wesentlich anders als die
Finanzausgleichsmasse entwickelten, sollte eine Korrektur des Verbundsatzes
erfolgen (vgl. Hässler, im Kommentar zum AG-BSHG, in Praxis der
Kommunalverwaltung, Abschnitt H).
Danach wurde durch das neue AG-SGB XII und dem eingefügten Art. 9 zu § 6 a
AG-BSHG den kreisfreien Städten keine neue Aufgabe übertragen. Deshalb ist
auch ein Anspruch aus § 6 a AG-BSHG in Verbindung mit den Regelungen in Art.
49 Landesverfassung nicht zu begründen.
Die Regelungen des Konnexitätsprinzips durch Art. 49 Abs. 2 Satz 2
Landesverfassung, die im Falle der Mehrbelastung der Gemeindeverbände durch
eine Aufgabenübertragung einen entsprechenden Ausgleich vorsehen, sind also
nicht einschlägig. Die Mehrbelastung muss eine unmittelbare Folge der
Aufgabenübertragung sein. Andere Mehrbelastungen der Gemeinden und
Gemeindeverbände, die sich als mittelbare Folgen von Neuregelungen darstellen
oder Mehrbelastungen, die sich etwa aus einer Veränderung im kommunalen
Finanzausgleich nach Art. 49 Abs. 1 LV ergeben, lösen die Ausgleichspflicht nach
Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung nicht aus (vgl. Verfassung des Landes
Schleswig-Holstein, Kommentierung von Konrad, jetzt Welti, in: Praxis der
Kommunalverwaltung, Abschnitt A 3 SH). Allerdings beinhaltet diese Regelung
unter bestimmten Voraussetzungen aber auch eine sog. Nachschusspflicht.
Erweist sich nämlich die erforderliche Kostenprognose als falsch und tritt aufgrund
nicht vorhersehbarer Entwicklungen eine Mehrbelastung ein, die durch die
gewählte Form der Kompensation nicht entsprechend ausgeglichen wird, oder
verursacht das Land selbst durch die Veränderung oder Konkretisierung seiner
Regelungen weitere Kosten, so ist das Land auch zum entsprechenden Ausgleich
dieser Kosten verpflichtet (vgl. Welti, a.a.O. ).
Aus diesen Konnexitätsregelungen der Landesverfassung ist aber kein
unmittelbarer Kostenerstattungsanspruch der Klägerin herzuleiten.
Die in der Landesverfassung enthaltenen Regelungen zum Konnexitätsprinzip sind
dahin zu verstehen, dass sie den Kommunen wegen der aus der Erfüllung
übertragener Aufgaben entstandenen Mehrbelastungen nicht unmittelbar
Ausgleichsansprüche einräumen. Soweit die Zahlung eines Betrages begehrt wird,
kommen als unmittelbare Anspruchsgrundlage die Regelung in der
Landesverfassung nicht in Betracht; die verfassungsrechtlich vorgesehene
Schaffung eines finanziellen Ausgleichs muss nicht zwangsläufig in der
Verpflichtung des beklagten Landes bestehen, eine Finanzzuweisung bzw. Zahlung
in der begehrten Höhe zu gewähren (vgl. OVG Meck.-Vorpommern, Beschluss vom
23.02.2009 – 1 L 276/05).
Ein unmittelbarer Leistungsanspruch kann aus diesen Regelungen nicht abgeleitet
werden. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf der
normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Zum einen spricht
die Wortlautgrenze der Regelung gegen eine Neubestimmung, da § 6 a AG-BSHG
ausdrücklich nur die Eingliederungshilfe erwähnt. Zum anderen steht dem
Landesgesetzgeber für einen Ausgleich der behaupteten Mehrbelastung eine
Vielzahl weiterer Instrumentarien zur Verfügung, die ihren Niederschlag nicht nur
im AG-BSHG bzw. AG-SGB XII haben müssen, sondern auch im
Finanzausgleichsgesetz geregelt werden können.
Dabei hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum, wie er
verfassungsgemäße Zustände in der Finanzbelastung durch Aufgabenübertragung
oder durch Veränderung von Aufgaben regelt.
Die Gesetzgebungsgeschichte des § 6 a AG-BSHG zeigt, dass dieser – zumindest
in dieser Ausgestaltung - nicht von vornherein vorgesehen war, sondern aufgrund
des Beratungsprozesses zum Haushaltsstrukturgesetz 2006 eingefügt worden ist.
Damit wurde ein Ausgleichsanspruch vor dem Hintergrund der Fortgeltung des §
100 BSHG geschaffen. Das Verwaltungsgericht ist daran gehindert, über einen
gesetzlichen Anspruch hinaus neue Zahlungsansprüche zu begründen. Dies würde
mit dem Budgetrecht des Parlaments (Art. 50 Landesverfassung) kollidieren und
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mit dem Budgetrecht des Parlaments (Art. 50 Landesverfassung) kollidieren und
mit der Gesetzesbindung des Verwaltungsgerichts nicht in Einklang zu bringen
sein.
Schließlich macht aber auch die im November 2008 geschlossene Vereinbarung
deutlich, dass das Land unterschiedliche Möglichkeiten des Ausgleichs hat, und im
Prinzip seiner Verpflichtung für einen Kostenausgleich auch nachgekommen ist –
unabhängig vom Bestehen eines Rechtsanspruches und der Auskömmlichkeit der
zugestandenen Beträge.
Da danach bereits dem Grunde nach kein Leistungsanspruch besteht, konnte das
Gericht von einer weiteren Klärung der Begründetheit der Forderungen der Höhe
nach absehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.