Urteil des VG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

VG Schleswig-Holstein: aufschiebende wirkung, juristische person, örtliche zuständigkeit, stadt, dienstort, versetzung, post, behörde, vollziehung, unternehmen

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Verwaltungsgericht
12. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 B 4/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 17a Abs 2 S 1 GVG, § 4 Abs
4 PostPersRG, § 52 Nr 4 S 1
VwGO, § 83 S 1 VwGO, § 80
Abs 2 S 1 Nr 4 VwGO
Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts bei
Rechtsschutzgesuchen gegen Zuweisung zu Vivento
Customer Services (VCS); dienstlicher Wohnsitz
Tenor
Das Verwaltungsgericht … erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den
Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht … .
Gründe
Die Verweisung beruht auf den §§ 83 S. 1 VwGO, 17 a Abs. 2 S. 1 GVG. Die örtliche
Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts … ergibt sich aus § 52 Nr. 4 S. 1 VwGO.
Nach dieser Bestimmung ist für alle Klagen (und entsprechend für alle Anträge)
gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts aus einem gegenwärtigen
oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder
Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines
solchen Verhältnisses beziehen, das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in
dessen Bezirk die Antragstellerin ihren dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung
dessen ihren Wohnsitz hat. Der dienstliche Wohnsitz beurteilt sich gemäß der in
der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) enthaltenen
Legaldefinition nach dem Sitz der Behörde oder nach dem Sitz der ständigen
Dienststelle.
Der Antragstellerin ist im vorliegenden Fall einer Tätigkeit als Sachbearbeiterin
Back- Office im Unternehmen Vivento Customer Services (VCS) in …, das im
Zuständigkeitsbereich des VG … liegt, zugewiesen worden. Geht man mangels
anderweitiger Anhaltspunkte davon aus, dass die Zuweisungsverfügung vom 15.
Dezember 2010 am gleichen Tage zur Post gegeben wurde, gilt sie der
Antragstellerin mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post (= 18. Dezember
2010) als bekannt gegeben (vgl. § 41 Abs. 2 VwVfG). Da die sofortige Vollziehung
der Zuweisung angeordnet wurde und damit Widerspruch und Klage keine
aufschiebende Wirkung entfalten, ist zum Zeitpunkt des Einganges des
vorliegenden Antrags bei Gericht (13. Januar 2011) der dienstliche Wohnsitz in …
begründet gewesen (ständige Rechtsprechung der früher für das
Bundesbeamtenrecht zuständigen 16. Kammer des Gerichts sowie der
erkennenden Kammer, vgl. etwa Beschlüsse vom 26. September 2001 - 16 B
66/01; vom 11. Dezember 2008 - 12 A 256/08 - und vom 03. November 2009 - 12
B 75/09 -).
Das Gericht folgt nicht der in der Rechtsprechung zu den Fällen der Versetzung in
den Ruhestand, Abordnung und Versetzung vertretenen Gegenmeinung, wonach
im Falle des Sofortvollzuges derartiger Verfügungen auf den bisherigen
dienstlichen Wohnsitz abzustellen ist (vgl. insoweit VG Darmstadt, Beschluss vom
14. Juli 1995 - 5 G 1063/95 -; VG Hannover, Beschluss vom 18. November 2010 -
13 B 5198/10 - beide juris; letztlich offen gelassen von BVerwG, Beschluss vom 04.
Mai 1979 - 2 ER 401.79 - juris).
Grundsätzlich ist nach Wortlaut, Zweck und Historie des Gesetzes davon
auszugehen, dass dasjenige Gericht für den Beamten zuständig sein soll, das für
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auszugehen, dass dasjenige Gericht für den Beamten zuständig sein soll, das für
ihn tatsächlich leicht erreichbar ist. Dieser Zielrichtung kommt es grundsätzlich
am nächsten, wenn auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse abgestellt
wird, die zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrages bei Gericht herrschen.
Anderenfalls wäre der rechtssuchende Beamte ggf. darauf angewiesen, seinen
Antrag bei dem Gericht zu stellen, in dessen Nähe er sich tatsächlich nicht mehr
aufhält, weil die Versetzung bzw. - wie hier - die Zuweisung (als
versetzungsähnliche Maßnahme) sofort vollziehbar ist und er dieser als
gesetzestreuer Beamter nachkommt. Die Gegenmeinung verkennt, dass der
Beamte im Falle der sofortigen Vollziehbarkeit einer ihn betreffenden Regelung
dieser zunächst uneingeschränkt Folge zu leisten hat; im Sinne des § 15 BBesG
findet daher rechtlich ein Wechsel des Dienstortes statt. Ansonsten gelänge man
zu dem mit Wortlaut und Zweck nicht zu vereinbarenden Ergebnis, dass der
Beamte bei dem für seinen früheren Dienstort zuständigen Gericht vorläufigen
Rechtsschutz suchen und ggf. Klage erheben muss, auch wenn er - gesetzestreu -
der mit Sofortvollzug ausgestatteten Maßnahme Rechnung trägt. Diese
Ausführungen gelten umso mehr, als die Antragstellerin, wie noch auszuführen
sein wird, (bisher) gar keinen Dienst geleistet hat und infolgedessen auch gar kein
bisheriger Dienstort existiert.
Aus diesem Grund vermag die Kammer auch der - offensichtlich neuen -
Rechtsprechung des VG … (vgl. insoweit Beschluss vom 13. Januar 2011 - 1 B
41/10 -) nicht zu folgen, wonach als dienstlicher Wohnsitz der Antragstellerin der
Sitz der betreuenden Geschäftsstelle des Zentralen Betriebes Vivento in B-Stadt
als festgesetzte Stammdienststelle anzusehen sei, weil die dienstlichen
Angelegenheiten der Antragstellerin von dort wahrgenommen würden (danach
wäre das VG B-Stadt zuständig, vgl. VG Lüneburg, Beschluss vom 13. Januar 2011
aaO). Vielmehr ist darauf abzustellen, dass der Antragstellerin bei der VCS in …
mit der streitigen Zuweisung Aufgaben und Arbeitsleistungen und damit ein
Dienstposten zugewiesen worden sind. Damit ist dort ihr Dienstort im Sinne von
Dienststelle als „kleinster organisatorischer abgrenzbarer Verwaltungseinheit“
ohne „rechtliche Verselbständigung“ (OVG Koblenz, Beschluss vom 09. Oktober
1998 - 10 A 11390/98 -, juris) begründet worden. Sinn und Zweck des § 52 Nr. 4
VwGO ist es nicht, am (Haupt-)Sitz der Behörde, sondern - im Unterschied zu den
Regelfällen des § 52 Nr. 2 und 3 VwGO - beim Gericht der Dienststelle als der
kleinsten Einheit klagen zu dürfen. Ob die Stammdienststelle in B-Stadt die
dienstlichen Angelegenheiten der Antragstellerin regelt, ist nach Auffassung der
Kammer in diesem Zusammenhang ohne Belang; denn es kommt auf den Ort der
ständigen oder überwiegenden Dienstverrichtung - und das ist … - an (so
ausdrücklich auch VG Lüneburg, Beschluss vom 08. Oktober 2008 - 1 B 61/08 -).
Nur am Rande sei bemerkt, dass das VG … in seinem Beschluss vom 13. Januar
2011 aaO ebenfalls nicht ausschließt, dass die dortige Antragstellerin wegen des
Fehlens eines Dienstpostens in B-Stadt dort auch keine Dienststelle hat (dann
allerdings - hilfsweise - auf den bürgerlichen Wohnsitz der Beamtin abstellt).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 S. 2 VwGO).