Urteil des VG Saarlouis vom 03.06.2008

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VG Saarlouis Urteil vom 3.6.2008, 2 K 835/07
Vorzeitige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden
Kostenschuld abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand.
Er stand bis zum 30.10.2006 im Dienst der beklagten Deutschen Post AG, zuletzt als
Postbetriebsassistent. Ursprünglich war er im Fahrdienst der Beklagten tätig. Aufgrund von
attestierten Beschwerden im Wirbelsäulenbereich konnte er seine früheren Tätigkeiten ab
dem Jahr 1992 nicht mehr ausüben und wurde als Lagerarbeiter bzw. in der
Hausverwaltung und Absendestelle eingesetzt. Seit 01.01.2000 nahm er eine Tätigkeit
außerhalb des Regelbedarfs im Bereich der Filialen wahr. Zum 01.01.2006 wurde er nach
Aufteilung des Filialnetzes und Auflösung seiner bisherigen Beschäftigungsniederlassung
schließlich zur Niederlassung BRIEF S. versetzt. Er befand sich dort im Personalüberhang
und wurde zunächst bis März 2006 mit abschließenden Tätigkeiten für seine bisherige
Beschäftigungsniederlassung beauftragt. Danach sollte er in der Brief- und
Verbundzustellung eingesetzt werden.
Dem Kläger ist ein Grad der Behinderung von 30 vom Hundert zuerkannt und er ist einem
schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Zur Feststellung, ob er für Tätigkeiten im Bereich der Brief- und Verbundzustellung
eingesetzt werden kann, wurde er am 20.02.2006 der Postbetriebsärztin vorgestellt. In
ihrem Gutachten vom 13.03.2006 kam die Postbetriebsärztin zu dem Ergebnis, dass für
die beabsichtigte Tätigkeit als Zusteller gesundheitliche Einschränkungen vorliegen würden.
Nach einer weiteren postbetriebsärztlichen Untersuchung am 05.05.2006 sollte der Kläger
entsprechend der Empfehlung der Postbetriebsärztin einen Arbeitsversuch in der
Briefzustellung unternehmen. Ein solcher Arbeitsversuch wurde nicht durchgeführt, da der
Kläger sich hierzu nicht in der Lage fühlte.
Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Untersuchung der Dienstfähigkeit des Klägers,
welche am 05.07.2006 durchgeführt wurde. In ihrem Gutachten führte die Betriebsärztin
aus, dass eine Einsatzmöglichkeit nur noch für leichte Tätigkeiten in Tagesschicht und in
geschlossenen, temperierten Räumen bestehe. Das Heben und Tragen von Lasten über 10
kg, häufiges tiefes Beugen und weites Vorneigen, einseitige Körperhaltung, lange
Laufleistung über 1000 m, häufiges Ein- und Aussteigen aus Fahrzeugen, Fahrtätigkeit der
Klasse C, Arbeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr, Anlagensteuerung, taktgebundenes
Arbeiten, Reisetätigkeit und Zeitdruck seien auszuschließen. Als Diagnose wurden
degenerative Wirbelsäulen- und Skelettveränderungen mit schmerzhafter
Funktionseinschränkung genannt. Der Kläger leide seit längerem unter Beschwerden
seitens des Bewegungsapparates mit zunehmenden Funktionseinschränkungen.
Die Beschäftigungsniederlassung des Klägers prüfte im Folgenden die Möglichkeit, den
Kläger in anderen Niederlassungen / ZSPL einzusetzen. Auf entsprechende Anfragen wurde
jeweils mitgeteilt, dass ein dem Restleistungsvermögen des Klägers entsprechender
Arbeitsplatz in den jeweiligen Bereichen nicht vorhanden sei.
Daraufhin erklärte der Dienstvorgesetzte den Kläger unter dem 10.08.2006 gestützt auf
die betriebsärztlichen Stellungnahmen für dauernd unfähig, seine Amtspflichten zu erfüllen.
Eine Beschäftigung des Klägers sei weder im bisherigen Tätigkeitsbereich bzw. in einem
anderen Tätigkeitsbereich seines Amtes noch in einem anderen Amt derselben oder einer
anderen Laufbahn bzw. mit einer geringerwertigen Tätigkeit innerhalb seiner
Laufbahngruppe möglich. Auch eine Beschäftigung im Rahmen der Teildienstfähigkeit sei
weder im bisherigen Tätigkeitsbereich bzw. in einem anderen Tätigkeitsbereich seines
Amtes noch mit reduzierter Wochenarbeitszeit mit einer nicht seinem Amt entsprechenden
Tätigkeit möglich.
Mit Schreiben vom selben Tag, zugestellt am 11.08.2006, wurde dem Kläger die
beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit angekündigt.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 18.08.2006, bei der Beklagten
eingegangen am 21.08.2006. Die in diesem Schreiben angekündigte nähere Begründung
wurde nicht nachgereicht.
Der Betriebsrat der Niederlassung BRIEF S., dessen Mitwirkung der Kläger beantragt hatte,
beschloss in seiner Sitzung vom 28.08.2006 zunächst, der beabsichtigten Zurruhesetzung
des Klägers nicht zuzustimmen, da dem Betriebsrat nicht bekannt sei, ob die
Niederlassung BRIEF eine dem Leistungsvermögen des Klägers entsprechende zumutbare
Einsatzmöglichkeit bei der Niederlassung BRIEF S. oder einer anderen Niederlassung bzw.
einer Tochtergesellschaft geprüft habe und dem Kläger durch die geplante Versetzung in
den Ruhestand große finanzielle Probleme entstünden. Nachdem dem Betriebsrat mit
Schreiben vom 08.09.2006 die Leistungseinschränkungen sowie die negativ verlaufenden
Einsatzprüfungen für eine Übertragung eines anderes Amtes derselben oder einer anderen
Laufbahn bzw. eines Teildienstpostens dargelegt worden waren, wurden seitens des
Betriebsrates keine weiteren Einwendungen erhoben. Die gleichzeitig mit Mitteilung vom
27.09.2006 beteiligte Vertrauensfrau der Schwerbehinderten gab keine inhaltliche
Stellungnahme zu der Zurruhesetzung des Klägers ab.
Nachdem der Vorstand der beklagten Deutschen Post AG als oberste Dienstbehörde unter
dem 13.10.2006 sein Einvernehmen zur Ruhestandsversetzung des Klägers erteilt sowie
die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation mit Schreiben vom 19.10.2006
mitgeteilt hatte, dass gegen die beabsichtigte Zurruhesetzung des Klägers keine Einwände
erhoben würden, wurde der Kläger mit Bescheid vom 23.10.2006 wegen dauernder
Dienstunfähigkeit i. S. v. § 42 Abs. 1 BBG mit Ablauf des Monats Oktober 2006 in den
Ruhestand versetzt.
Der hiergegen vom Kläger mit Schreiben vom 27.10.2006 eingelegte Widerspruch wurde
mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2007, dem Kläger zu Händen seiner
Prozessbevollmächtigten zugestellt am 08.06.2007, zurückgewiesen.
Am 04.07.2007 hat der Kläger Klage erhoben.
Zur Begründung macht er geltend, die in den betriebsärztlichen Gutachten angegebenen
gesundheitlichen Einschränkungen lägen nicht vor. Die in der letzten Untersuchung vom
05.07.2006 festgestellten auszuschließenden Arbeiten und Belastungen entsprächen nicht
dem Gesundheitszustand des Klägers. So sei ihm durchaus möglich, längere, über 1000 m
hinausgehende Laufstrecken zurückzulegen. Gleiches gelte für häufiges Ein- und Aussteigen
in Fahrzeuge sowie Fahrtätigkeiten der Klasse C. All diese Tätigkeiten nehme er in seinem
Privatleben wahr, so dass er sie auch beruflich ausüben könne. Von daher sei die
Feststellung des betriebsärztlichen Gutachtens, wonach der Kläger die vorgesehene
Tätigkeit im Bereich der Brief- und Verbundzustellung nicht ausüben könne, unrichtig.
Selbst wenn die im betriebsärztlichen Gutachten fälschlicherweise festgestellten
Einschränkungen der Leistungsfähigkeit beim Kläger vorlägen, stünden bei der Beklagten
Arbeitsposten oder zumindest Teilarbeitsposten zur Verfügung, die auch bei dem
angenommenen Restleistungsvermögen vom Kläger ausgeübt werden könnten. So gebe
es in S. ein neues Postdokumentenservice. Zur Durchführung der dort anfallenden Arbeiten
müssten weder Maschinen bedient werden, noch sei das Heben und Tragen schwerer
Lasten notwendig. Dort könne der Kläger dauerhaft eingesetzt werden. Eine weitere
Einsatzmöglichkeit bestehe im Postdokumentenservice in M.. Anlässlich der zum
01.01.2006 erfolgten Umstrukturierung der Niederlassungen der Beklagten seien bereits
fünf seiner Kollegen nach M. versetzt worden. Dort seien sowohl Beamte des mittleren und
auch des einfachen Dienstes als auch Angestellte beschäftigt. Darüber hinaus bediene sich
die Beklagte sogar Leiharbeitskräften, um die dort anfallende Arbeit zu bewältigen. Es sei
offensichtlich, dass bei der Zurruhesetzung des Klägers pekuniäre Interessen der Beklagten
im Vordergrund stünden.
Ferner weist der Kläger drauf hin, bisher nie im Zustellservice tätig gewesen zu sein.
Im Übrigen habe auch der Betriebsrat mit Schreiben vom 28.08.2006 der Zurruhesetzung
des Klägers widersprochen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 06.06.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid
und im Widerspruchsbescheid. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass entgegen der
Behauptung des Klägers die von der Postbetriebsärztin festgestellten gesundheitlichen
Einschränkungen tatsächlich vorlägen. Bereits im Jahr 1992 sei der Kläger im Auftrag des
damaligen Postbetriebsarztes von dem Oberarzt der unfallchirurgischen Klinik B-Stadt
untersucht worden. Dieser sei in seinem ausführlichen Gutachten vom 30.03.1992 zu dem
Ergebnis gekommen, dass deutliche degenerative Veränderungen der gesamten
Wirbelsäule vorhanden seien und der Kläger für leichtere Tätigkeiten ohne Heben von
Lasten über 5 kg eingesetzt werden sollte. Weiterhin habe der Kläger selbst der Beklagten
ein Attest seines behandelnden Facharztes vom 02.02.2001 vorgelegt, wonach er
aufgrund chronischer Wirbelsäulenerkrankungen nur noch leichte körperliche Arbeiten ohne
Heben und Tragen von Lasten über 7 kg verrichten könne. Aufgrund der Kenntnisse der
Betriebsabläufe und des Krankheitsbildes des Klägers habe die Postbetriebsärztin die vom
Kläger nicht mehr zu leistenden Tätigkeiten zutreffend dargestellt. Dass der Kläger
behaupte, im privaten Bereich ein Fahrzeug zu führen, schließe nicht aus, dass er im
Dienstbetrieb hierfür nicht geeignet sei. Aufgrund seiner Erkrankungen bestünden bei dem
Kläger nur noch sehr eingeschränkte Einsatzmöglichkeiten.
Gerade aber die der Laufbahn des einfachen Dienstes zugeordneten Tätigkeiten bei der
Deutschen Post AG beinhalteten regelmäßig auch Verrichtungen, die der Kläger, der dieser
Laufbahn angehöre, nicht mehr ausüben könne. Die bei der Niederlassung BRIEF S.
bestehenden Arbeitsposten im einfachen Dienst seien zum großen Teil dem Bereich der
Zustellung zugeordnet. Zustelltätigkeiten, bei denen regelmäßig Zeitdruck bestehe und
auch Sendungsbehälter mit einem Gewicht von mehr als 10 kg gehoben werden müssten,
könne der Kläger jedoch nicht mehr ausüben. Seine gegenteilige Behauptung sei bereits
durch die von ihm selbst vorgelegten Atteste und seine Weigerung, sich einem
entsprechenden Arbeitsversuch zu unterziehen, widerlegt.
Ein weiterer Teil der Arbeitsposten sei dem Verteildienst der Postsendungen zugeordnet.
Dort seien jedoch Wechselschichtdienste mit Früh-, Spät- und Nachtschichten sowie
geteilten Diensten zu leisten. Es bestehe dort Zeitdruck, abwechselnde Arbeitshaltungen
seien nicht immer möglich und das Tragen von schweren Lasten über 20 kg nicht
ausgeschlossen. Auch diese Verteil- und Sortiertätigkeiten könne der Kläger nicht mehr
ausüben. Tätigkeiten im Bereich des Fahr- und Ladedienstes kämen für ihn ebenfalls nicht
in Frage.
Arbeitsposten, die dem verbliebenen Leistungsvermögen des Klägers entsprächen, seien
im Bereich der Niederlassung BRIEF S. nur in der Servicestelle Adressmanagement
vorhanden. Es handele sich hierbei lediglich um eine sehr geringe Anzahl von Arbeitsposten,
die jedoch bereits mit leistungsgeminderten Kräften bzw. Schwerbehinderten besetzt
seien.
Weitere dem Restleistungsvermögen des Klägers entsprechende Arbeitsposten seien
weder im Niederlassungsbereich noch bei anderen Niederlassungen vorhanden und
könnten aufgrund der erheblichen gesundheitsbedingten Verwendungseinschränkungen
auch nicht geschaffen werden.
Der Kläger könne auch nicht für Tätigkeiten im Bereich der Postdokumentenservices GmbH
(jetzt: Williams Lea Document Solutions GmbH) eingesetzt werden. Zum einen handele es
sich dabei um eine rechtlich selbständige Gesellschaft ohne Dienstherreneigenschaft, bei
der ein Beamter nur in beiderseitigem Einverständnis eingesetzt werden könne. Zum
anderen könne der Kläger die dort geforderten Tätigkeiten aufgrund seiner
Leistungseinschränkungen und seiner nicht ausreichenden Qualifikation nicht leisten. Die
Aufgabe im Beleglese-Center bestehe in der manuellen Belegeingabe. Die zu bearbeitenden
Vorgänge seien termingebunden, d. h. es herrsche ein erheblicher Arbeitsdruck. Es seien
perfekte Schreibmaschinenkenntnisse (180 bis 200 Anschläge blind pro Minute) gefordert.
Im Übrigen sei auch nicht zu beanstanden, dass eine rechtlich selbständige GmbH ihre
Arbeitsspitzen mit Leiharbeitnehmern bewältige.
Da keine anderweitigen zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestünden, sei die
Zurruhesetzung des Klägers ermessensfehlerfrei erfolgt. Das erforderliche
Beteiligungsverfahren sei ebenfalls ordnungsgemäß durchgeführt worden. Entgegen den
Behauptungen des Klägers habe weder der beteiligte Betriebsrat noch die Vertrauensfrau
der Schwerbehinderten der Zurruhesetzung widersprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten,
der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Personalakte des Klägers
Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
Der die Zurruhesetzung des Klägers wegen Dienstunfähigkeit aussprechende Bescheid der
Beklagten vom 23.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2007 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1VwGO).
Zunächst bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit
der vorzeitigen Versetzung des Klägers in den Ruhestand. Insbesondere wurde die
Vertrauensfrau der Schwerbehinderten entsprechend den Erfordernissen des § 95 Abs. 2
SGB IX ordnungsgemäß beteiligt, was auch der Kläger nicht in Abrede stellt. Auch ist dem
Mitwirkungserfordernis des Personalrates gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. §
72 Abs. 1 und 2 BPersVG Genüge getan. Der Einwand des Klägers, wonach der
Betriebsrat mit Schreiben vom 28.08.2006 der Zurruhesetzung des Klägers
widersprochen habe, vermag die formelle Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung nicht in
Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass dem Betriebsrat auf den entsprechenden Antrag
des Klägers hin lediglich ein Mitwirkungsrecht i. S. d. § 78 BPersVG und kein
Mitbestimmungsrecht i. S. d. § 76 BPersVG zukam, hat der Betriebsrat der Beklagten mit
Schreiben vom 30.08.2006 lediglich dahingehend Einwände erhoben, dass ihm nicht
bekannt sei, ob hinreichend geprüft worden sei, ob die Zurruhesetzung des Klägers durch
eine zumutbare Zuweisung einer anderen Tätigkeit vermieden werden könnte. In diesem
Zusammenhang wies der Betriebsrat auch auf die finanziellen Auswirkungen der
vorzeitigen Zurruhesetzung für den Kläger hin. Nachdem die Beklagte dem Betriebsrat mit
Schreiben vom 08.09.2006 die Leistungseinschränkungen des Klägers sowie die von ihr
durchgeführten Einsatzprüfungen dargelegt hatte, hielt der Betriebsrat seine Einwendungen
jedoch nicht mehr weiter aufrecht.
Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht erweist sich die vorzeitige Zurruhesetzung des Klägers
als frei von Rechtsfehlern.
Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG ist der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu
versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen
Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Die
Dienstunfähigkeit des Beamten beurteilt sich dabei danach, ob der Beamte noch fähig ist,
die Dienstpflichten eines seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden abstrakten
Aufgabenbereichs (funktionelles Amt im abstrakten Sinne) bei der Behörde, der der
Beamte angehört, auf Dauer zu erfüllen
vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.06.1990 – 2 C 18.-89 -,
ZBR 1990, 353; ferner Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer,
Kommentar zum BBG, Stand: August 2007, § 42 BBG RZ
4.
Dies zugrunde legend hat die Beklagte den Kläger ausgehend von den Feststellungen in
den betriebsärztlichen Gutachten vom 13.03.2006 und 05.07.2006 zu Recht als
dienstunfähig i. S. v. § 42 Abs. 1 BBG angesehen.
Nach dem Inhalt des betriebsärztlichen Gutachtens vom 05.07.2006 leidet der Kläger an
degenerativen Wirbelsäulen- und Skelettveränderungen mit schmerzhafter
Funktionseinschränkung. Seit längerem bestünden Beschwerden seitens des
Bewegungsapparates mit zunehmenden Funktionseinschränkungen. Des Weiteren wurde
u. a. eine generalisierte Minderung der groben Kraft und motorische Verlangsamung
festgestellt. Der Kläger sei lediglich in der Lage, in Tagesschicht in geschlossenen,
temperierten Räumen leichte Arbeiten bei wechselnder Arbeitshaltung zu verrichten. Das
Heben und Tragen von mehr als 10 kg, häufiges tiefes Beugen und weites Vorneigen,
einseitige Körperhaltungen, lange Laufleistungen von mehr als 1000 m, häufiges Ein- und
Aussteigen aus Fahrzeugen, Fahrtätigkeit der Klasse C, Arbeiten mit erhöhter
Verletzungsgefahr (z. B. an laufenden Maschinen), Anlagesteuerung, taktgebundene
Arbeiten, Zeitdruck und Reisetätigkeit seien auszuschließen. Ausgehend davon gelangt die
betriebsärztliche Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass im Falle des Klägers von einer
ausreichenden und dauerhaften Leistungsbreite für die vorgesehene Tätigkeit nicht
ausgegangen werden kann, und zwar auch nicht für die Hälfte der Regelarbeitszeit.
Soweit der Kläger die in dem betriebsärztlichen Gutachten festgestellten Einschränkungen
seiner Leistungsfähigkeit bestreitet, vermag er damit nicht durchzudringen. In diesem
Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Kläger ausweislich der Personalakte
bereits im Jahr 1992 im Auftrag des damaligen Postbetriebsarztes von dem Oberarzt der
Unfallchirurgischen Klinik B-Stadt begutachtet wurde, nachdem er nach einer
mehrwöchigen Erkrankung eine Bescheinigung des ihn behandelnden Arztes vorgelegt
hatte, wonach er sich wegen wiederholter Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule in
Behandlung befinde und zu empfehlen sei, ihn zu körperlich leichteren Arbeiten
einzusetzen. In der ausführlichen gutachterlichen Stellungnahme des vorgenannten
Oberarztes vom 30.03.1992 ist u. a. ausgeführt, dass der Kläger eigenen Angaben zufolge
seit Jahren Wirbelsäulenbeschwerden habe. Festgestellt wurde eine deutlich s-förmige
Skoliose der gesamten Wirbelsäule mit Betonung der unteren Wirbelsäulenabschnitte im
Sinne einer linkskonvexen Torsionsskoliose im Übergangsbereich BWS-LWS. Die
Wirbelkörper BWK 12, BWK 11, LWK 1 und LWK 5 seien deutlich erkennbar deformiert.
Daneben bestehe eine entsprechende muskuläre Schwäche und eine insgesamt allgemeine
Haltungsschwäche des Rumpfmuskelapparates. Hinsichtlich seines Arbeitsplatzes sei
unbedingt nach einer neuen Tätigkeit Ausschau zu halten, die es ihm erlaube, leichtere
Tätigkeiten auszuüben, wobei ihm die Möglichkeit gegeben sein müsse, häufig zwischen
Gehen, Stehen und Sitzen zu wechseln. Gewichte über 5 kg zu heben seien ihm als
Dauerbelastung nicht zuzumuten.
Weiterhin hat der Kläger selbst der Beklagten ein vom 02.02.2001 datierendes Attest
seines behandelnden Orthopäden vorgelegt, wonach er wegen chronischer
Wirbelsäulenerkrankungen nur noch leichte körperliche Arbeiten ohne Heben und Tragen
von Lasten von über 7 kg Gewicht verrichten könne.
Zudem hat er einen seitens der Betriebsärztin nach der Untersuchung vom 16.05.2006
zunächst befürworteten Arbeitsversuch in der Zustellung nicht angetreten, da er sich zu
einer solchen Tätigkeit nicht in der Lage gesehen hatte. Dabei hat er in einem Schriftsatz
seiner Bevollmächtigten vom 19.05.2006 unter Verweis darauf, dass im Zustelldienst
Gewichtsbelastungen von über 10 kg nicht vermieden werden könnten, ausdrücklich
vortragen lassen, dass ein Arbeitsversuch in der Briefzustellung ihm nicht zumutbar sei.
Angesichts all dessen bestehen keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der
betriebsärztlichen Feststellungen. Diesen kann der Kläger insbesondere nicht mit Erfolg
entgegenhalten, dass er in seinem Privatleben durchaus auch längere, über 1000 m
hinausgehende Laufstrecken zurücklege sowie Fahrtätigkeiten der Klasse C verrichte,
wobei ihm auch ein häufiges Ein- und Aussteigen in Fahrzeuge möglich sei. Dass der Kläger
– wie von ihm behauptet – im privaten Bereich ein Fahrzeug führt und auch eventuell
längere Laufstrecken zurücklegt, lässt noch nicht darauf schließen, dass ihm derartige
Tätigkeiten im dauernden Dienstbetrieb unter gesundheitlichen Aspekten tatsächlich auch
zumutbar sind.
Auf der Grundlage der Feststellungen im betriebsärztlichen Gutachten vom 05.07.2006 ist
vielmehr ohne Weiteres nachvollziehbar, dass von dem Kläger die von einem
Postbetriebsassistenten in den Kernbereichen des einfachen Postdienstes üblicherweise zu
erledigenden Tätigkeiten nicht mehr erfüllt werden können.
Die Beklagte hat dazu insbesondere überzeugend dargelegt, dass die bei der Niederlassung
BRIEF S. bestehenden Arbeitsposten im einfachen Dienst zum großen Teil dem Bereich der
Zustellung zugeordnet sind. Dass bei Zustelltätigkeiten – wie die Beklagte weiter vorträgt –
regelmäßig Zeitdruck besteht und auch Sendungsbehälter mit einem Gewicht von mehr als
10 kg gehoben werden müssen, ist ohne Weiteres einleuchtend. Des Weiteren hat die
Beklagte dargelegt, dass ein weiterer Teil der Arbeitsposten dem Verteildienst der
Postsendungen zugeordnet sei. Dort seien jedoch Wechselschichtdienste mit Früh-, Spät-
und Nachtschichten sowie geteilten Diensten zu leisten. Auch dort bestehe Zeitdruck und
sei das Tragen schwerer Lasten über 20 kg nicht ausgeschlossen. Abwechselnde
Arbeitshaltungen seien nicht immer möglich. Auch diese Verteil- und Sortiertätigkeiten kann
der Kläger ausgehend von den betriebsärztlichen Feststellungen nicht mehr ausüben.
Gleiches gilt für Tätigkeiten im Bereich des Fahr- und Ladedienstes.
Dem kann der Kläger auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass er ungeachtet der bereits
im Jahr 1992 bescheinigten Wirbelsäulenbeschwerden bis zum Jahr 2006 weiterhin Dienst
verrichtete und den Anforderungen seines bis zum 31.12.2005 innegehabten
Dienstpostens durchaus gerecht geworden sei. Aus der Personalakte des Klägers ist
ersichtlich, dass ihm nach der Feststellung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen
leichtere Arbeiten übertragen wurden. Auch hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung
selbst eingeräumt, jedenfalls seit dem Jahr 2000 einen „Schonposten“ innegehabt zu
haben, bei dem er ausschließlich leichte Tätigkeiten zu verrichten hatte. Mit der zum
01.01.2006 erfolgten Umstrukturierung der Niederlassungen der Beklagten ist der
bisherige Arbeitsplatz des Klägers jedoch weggefallen. Die Beklagte war rechtlich nicht
gehalten, dem Kläger die Fortsetzung des aktiven Beamtenverhältnisses durch eine
Aufrechterhaltung des bisher von ihm innegehaltenen Dienstpostens oder Schaffung eines
vergleichbaren Arbeitsbereichs zu ermöglichen. Es ist grundsätzlich Sache der beklagten
Deutschen Post AG, Inhalt und Umfang der Anforderungen an ihre Beschäftigten zu
bestimmen und dabei auch die jeweiligen Tätigkeitsbereiche entsprechend den
(veränderten) dienstlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen festzulegen und
auszugestalten. Dementsprechend stand es im weiten Organisationsermessen der
Beklagten, im Rahmen der Umstrukturierung ihrer Niederlassungen die bisherige
Beschäftigungsniederlassung des Klägers zu schließen und den vom Kläger bisher
innegehaltenen Arbeitsplatz zu streichen. Derartige Organisationsentscheidungen sind von
dem Kläger hinzunehmen. Für eine insoweit fehlerhafte Ausübung des
Organisationsermessens durch die Beklagte bestehen keine Anhaltspunkte.
Entscheidend für die Frage der Dienstfähigkeit des Klägers ist aber nicht, ob dieser noch in
der Lage war, die bei dem von ihm zuletzt wahrgenommenen Schonposten anfallenden
Tätigkeiten zu verrichten, sondern ob er fähig ist, den allgemeinen Dienstpflichten eines
seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden abstrakten Aufgabenbereichs bei der
Behörde, der er angehört, auf Dauer gerecht zu werden.
Der Versetzung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand steht auch die Regelung in § 42
Abs. 3 BBG nicht entgegen. Danach soll von der Versetzung des Beamten in den
Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn ihm ein anderes Amt
derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann (Satz 1), wobei die
Übertragung eines anderen Amtes auch ohne Zustimmung des Beamten zulässig ist, wenn
das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben
Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass der Beamte
den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt (Satz 2). Schließlich kann
dem Beamten zur Vermeidung seiner Versetzung in den Ruhestand unter Beibehaltung
seines Amtes ohne seine Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit innerhalb seiner
Laufbahngruppe übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist
und dem Beamten die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung seiner
bisherigen Tätigkeit zuzumuten ist (Satz 4).
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte keine Möglichkeit gesehen hat, den Kläger
im Rahmen von § 42 Abs. 3 BBG weiter zu beschäftigen. Vielmehr hat sie die Anwendung
dieser Vorschrift ohne Ermessensfehler verneint. Zwecks Prüfung einer anderweitigen
Verwendungsmöglichkeit für den Kläger hat die Beklagte sowohl im Bereich der
Niederlassung BRIEF S. selbst als auch bei mehreren regional angrenzenden
Niederlassungen sowie überregional bei der Serviceniederlassung Personalrecht,
Tarifkanzlei Köln, und bei der zuständigen zentralen Gebietsbetreuung eine im Ergebnis
ohne Erfolg gebliebene Anfrage durchgeführt, ob ein dem Restleistungsvermögen des
Klägers entsprechender Arbeitsplatz vorhanden ist. Ergänzend hierzu hat die Beklagte
dargelegt, dass Arbeitsposten, die dem verbliebenen Leistungsvermögen des Klägers
entsprächen, im Bereich der Niederlassung BRIEF S. nur in der Servicestelle
Adressmanagement vorhanden sind, es sich hierbei jedoch nur um eine sehr geringe
Anzahl von Arbeitsposten handelt, die bereits mit leistungsgeminderten Kräften bzw.
Schwerbehinderten besetzt sind. Weitere dem Restleistungsvermögen des Klägers
entsprechende Arbeitsposten seien weder im Niederlassungsbereich noch bei anderen
Niederlassungen vorhanden und könnten aufgrund der erheblichen gesundheitlichen
Verwendungseinschränkungen des Klägers auch nicht geschaffen werden. Für die
Annahme, dass die Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des Klägers im konkreten
Fall gleichwohl nicht umfassend geprüft wurde oder die Beklagte ansonsten keine
hinreichenden Bemühungen unternommen hätte, den Kläger auch außerhalb der
Niederlassung BRIEF S. gemäß seinem verbliebenen Leistungsvermögen einzusetzen, hat
der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte dargetan, und hierfür ist auch ansonsten
nichts ersichtlich.
Der Einwand des Klägers, dass er im Bereich der Postdokumentenservices GmbH (jetzt:
Williams Lea Document Solution GmbH) eingesetzt werden könnte, bleibt ohne Erfolg. Zum
einen hat die Beklagte dargelegt, dass es sich bei der Postdokumentenservices GmbH um
eine rechtlich selbständige Gesellschaft ohne Dienstherreneigenschaft handelt. Bereits von
daher hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Beschäftigung in diesem Bereich; vielmehr
können Beamte dort nur in beiderseitigem Einvernehmen eingesetzt werden. Zum anderen
kann der Kläger die dort geforderten Tätigkeiten sowohl aufgrund seiner
Leistungseinschränkungen als auch seiner nicht ausreichenden Qualifikation nicht leisten.
Nach Darlegung der Beklagten bestehen die dort zu verrichtenden Tätigkeiten in der Regel
in einer manuellen Belegeingabe. Die zu bearbeitenden Vorgänge seien termingebunden, d.
h. es herrsche ein erheblicher Arbeitsdruck. Bereits von daher wird der Kläger, der keine
Arbeiten unter Zeitdruck verrichten darf, den dortigen Anforderungen nicht gerecht.
Darüber hinaus erfordern die entsprechenden Tätigkeiten nach den ebenfalls ohne Weiteres
nachvollziehbaren Darlegungen der Beklagten sehr gute Schreibmaschinenkenntnisse, die
zu haben der Kläger selbst nicht vorgibt.
Angesichts der nach dem Inhalt des betriebsärztlichen Gutachtens vom 05.07.2006
bestehenden erheblich eingeschränkten Einsatzfähigkeit des Klägers ist vielmehr ohne
Weiteres nachvollziehbar, dass die von der Beklagten vorgenommene Einsatzprüfung
negativ verlaufen war.
Auch war die Beklagte im Rahmen des ihr nach § 42 Abs. 3 BBG zustehenden Ermessens
weder verpflichtet, weitere für leistungsgeminderte Beschäftigte oder Schwerbehinderte
geeignete Arbeitsplätze einzurichten, um den Kläger weiter beschäftigen zu können, noch
bereits mit leistungsgeminderten Beschäftigten bzw. Schwerbehinderten besetzte
Arbeitsplätze zugunsten des Klägers freizumachen.
Schließlich hat die Beklagte angesichts der Feststellungen im betriebsärztlichen Gutachten
vom 05.07.2006 zu Recht auch keine eingeschränkte Dienstfähigkeit i. S. d. § 42 a BBG
angenommen, wonach von der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit abgesehen werden soll, wenn der Beamte unter Beibehaltung seines
Amtes seine Dienstpflicht noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen
Arbeitszeit erfüllen kann (Abs. 1).
Erweist sich nach alledem die Zurruhesetzung des Klägers als frei von Rechtsfehlern, ist die
Klage somit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
Die Kammer sieht keine Veranlassung, auf der Grundlage von § 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO
die Berufung zuzulassen.
Beschluss
Der Streitwert wird in Anwendung von § 52 Abs. 5 S. 2 GKG auf 13.071,89 EUR
festgesetzt.