Urteil des VG Saarlouis vom 27.02.2009

VG Saarlouis: nach Griechenland als sicherer Drittstaat, anspruch auf rechtliches gehör, aufschiebende wirkung, asylverfahren, zugang, ausnahmefall, bindungswirkung, abschiebung, kenntnisnahme

VG Saarlouis Beschluß vom 27.2.2009, 2 L 100/09
Rückführung nach Griechenland als sicherer Drittstaat
Tenor
Die Anhörungsrüge und der Hilfsantrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung des
Beschlusses der Kammer vom 02.02.2009 – 2 L 65/09 – werden zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt
der Antragsteller.
Gründe
Es kann vorliegend dahinstehen, ob für die am 12.02.2009 erhobene Anhörungsrüge nach
§ 152 a VwGO und den hilfsweise gemäß § 80 Abs. 7 VwGO gestellten Antrag auf
Abänderung des Beschlusses des Gerichts vom 02.02.2009 – 2 L 65/09 – überhaupt ein
Rechtsschutzbedürfnis besteht, nachdem der Antragsteller bereits am 11.02.2009 nach
Griechenland zurückgeführt wurde, wodurch sich das im Verfahren 2 L 65/09 verfolgte
Eilrechtsschutzbegehren erledigt haben dürfte.
Sowohl die Anhörungsrüge als auch der Hilfsantrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO bleiben
nämlich jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.
Eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs des Antragstellers im
Sinne von § 152 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist nicht ersichtlich.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Artikel 103 Abs. 1 GG) verpflichtet die Gerichte, die
Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
Er soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern
ergeht, die ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme oder in der
Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. Die Gerichte brauchen sich
jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung
ausdrücklich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das
Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis
genommen und in Erwägung gezogen hat. Nur dann, wenn das Gericht auf den
wesentlichen Kern des Vortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von
zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, lässt dies auf die
Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem vom Gericht
vertretenen Rechtsstandpunkt ohnehin unerheblich war. Der Anspruch auf rechtliches
Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in
Erwägung gezogenen Vorbringen lediglich nicht folgt, sondern aus Rechtsgründen zu einem
anderen Ergebnis gelangt als der Beteiligte es für richtig hält.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31.07.2007 – 6 B 30/07 –
und vom 11.02.2008 – 5 B 17/08 -, dokumentiert bei
juris; OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 03.08.2007 –
3 B 359/07 -, vom 26.11.2007 – 3 A 360/07 – und vom
03.07.2008 – 1 A 221/08 – sowie auch bereits Beschluss
der Kammer vom 08.08.2008 – 2 L 738/08 -.
Gemessen an diesen Anforderungen zeigen die Darlegungen des Antragstellers im
Schriftsatz vom 12.02.2009 eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht
auf. Der Antragsteller beanstandet, das Gericht habe bei seinem Beschluss vom
02.02.2009 – 2 L 65/09 – die Tatsache nicht berücksichtigt, dass das OVG Rheinland-Pfalz
als erstes zweitinstanzliches Gericht mit Beschluss vom 10.12.2008 – 10 A
10918/08.OVG – die Berufung gegen ein Urteil des VG Koblenz zugelassen habe, weil es
als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtete, ob die Bundesrepublik Deutschland im
Hinblick auf die Behandlung von nach Griechenland überstellten Ausländern nicht ein
Selbsteintrittsrecht gemäß § 3 Abs. 2 Dublin II VO und damit ausnahmsweise die von
einem Ausländer auch einklagbare Verpflichtung habe, dessen in Deutschland eingereichten
Asylantrag zu prüfen. Im Verfahren 2 L 65/09 hat das erkennende Gericht den im
Schriftsatz vom 30.01.2009 enthaltenen Hinweis des Antragstellers auf die vorgenannte
Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz sehr wohl zur Kenntnis genommen. Dieses
Vorbringen war indes für die in den Gründen des Beschlusses vom 02.02.2009 dargelegte
Rechtsauffassung des Gerichts ersichtlich nicht entscheidungserheblich. Die Zurückweisung
des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers
gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.09.2008 wurde wesentlich darauf
gestützt, dass einer gerichtlichen Eilentscheidung in dem von dem Antragsteller begehrten
Sinne bereits die Vorschrift des § 34 a Abs. 2 AsylVfG entgegensteht, wonach im Falle
einer Abschiebungsanordnung im Sinne von § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung
in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) nicht
nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden darf. Einer jener Ausnahmefälle, die in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
vgl. Urteil vom 14.05.1996 – 2 BvR 1938/93 – und – 2
BvR 2315/93 -, NVwZ 1996, 700
aus Gründen verfassungskonformer Auslegung der Drittstaatenregelung und der sie
flankierenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG anerkannt sind, wurde im Falle des
Antragstellers nicht angenommen. Einen solchen Ausnahmefall, welcher Umstände
erfordert, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer
Vergewisserung berücksichtigt werden können, vermag die Zulassung der Berufung durch
das OVG Rheinland-Pfalz im Verfahren 10 A 10918/08.OVG ersichtlich nicht zu begründen.
Die allgemeinen Bedingungen in Griechenland, die das OVG Rheinland-Pfalz zur Zulassung
der Berufung wegen grundsätzlichen Klärungsbedarfs veranlasst haben und auf die sich
auch der Antragsteller im Verfahren 2 L 65/09 berufen hat, liegen gerade nicht außerhalb
des Konzepts normativer Vergewisserung und rechtfertigen daher kein Abweichen von
dem gesetzlichen Verbot des § 34 a Abs. 2 AsylVfG. Die Zulässigkeit einstweiligen
Rechtsschutzes gegen Rückführungen in einen sicheren Drittstaat war nicht Gegenstand
der Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz. Zu dieser Entscheidung waren deshalb in dem
Beschluss der Kammer vom 02.02.2009 auch keine gesonderten Ausführungen
erforderlich.
Die Auffassung des Antragstellers, dass angesichts der Berufungszulassung durch das OVG
Rheinland-Pfalz eine im Hauptsacheverfahren entscheidungserhebliche Frage als offen
angesehen und deshalb zwingend die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden
müsse, vermag – unabhängig davon, dass keinerlei Bindungswirkung des vom Antragsteller
zitierten Beschlusses des OVG Rheinland-Pfalz für das vorliegende Verfahren erkennbar ist
– schon im Hinblick auf die in § 34 Abs. 2 AsylVfG enthaltene Regelung nicht zu
überzeugen.
Des Weiteren hat das erkennende Gericht in seinem Beschluss vom 02.02.2009 darauf
abgestellt, dass der Antragsteller sich bereits 14 Monate in Griechenland aufgehalten und
dort ein Asylverfahren betrieben hat, so dass speziell in seinem Fall die geäußerte
Befürchtung, im Falle einer Rückkehr werde ihm in Griechenland kein hinreichender Zugang
zum Asylverfahren ermöglicht, unbegründet erscheint. Auch mit Blick darauf kam dem
Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu.
Die vom Antragsteller in der Anhörungsrüge angeführte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 10.05.2007 – 2 BvR 304/07 – gibt ebenfalls keinen
Anlass zu einer anderen Bewertung. Denn diese betrifft im Wesentlichen das Gebot
effektiven Rechtsschutzes im Falle einer Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines
Verwaltungsaktes, nicht jedoch die gänzlich anders gelagerte Problematik des § 34 Abs. 2
AsylVfG. Hinsichtlich letzterer sind vielmehr die Ausführungen im Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 14.051996 – 2 BvR 1938/93 – und – 2 BvR 2315/93 –
einschlägig.
Vermochte das Gericht von daher lediglich der Rechtsansicht des Antragstellers nicht zu
folgen, liegt darin keine Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs i.S.d § 152 a VwGO. Der
Antragsteller durfte nicht davon ausgehen, dass das Gericht sein Vorbringen in dem
gleichen Sinne würdigt, wie er dies für zutreffend hielt. Demzufolge ist die Anhörungsrüge
zurückzuweisen.
Auch hat der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 12.02.2009 keine veränderten
Umstände vorgetragen, die Anlass böten, den Beschluss des Gerichts vom 02.02.2009
abzuändern. Da solche auch sonst nicht ersichtlich sind, bleibt der Hilfsantrag gemäß § 80
Abs. 7 VwGO ebenfalls erfolglos.
Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, die von ihm erhobene Klage auf Durchführung
eines Asylverfahrens – 2 K 64/09 – von Griechenland aus weiter zu betreiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.