Urteil des VG Saarlouis vom 04.08.2010

VG Saarlouis: stadt, gegen die guten sitten, gemeinde, verfügung, verwaltungsakt, eigentum, firma, begriff, form, behörde

VG Saarlouis Urteil vom 4.8.2010, 5 K 662/09
Erfolglose Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Einrichtung eines Eigenjagdbezirkes und
einer Angliederungsverfügung, die bereits bestandskräftig geworden sind.
Leitsätze
1. Der Umstand, dass ein Eigenjagdbezirk nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BJagdG kraft Gesetzes
entsteht, führt nicht dazu, dass Angliederungsverfügungen, die an die durch Bescheid
erfolgte Einrichtung eines Eigenjagdbezirkes anknüpfen und dem Eigenjagdbezirk
Grundflächen zuordnen, deshalb aufgehoben oder auf sonstige Weise unwirksam werden.
2. Die Einrichtung eines Eigenjagdbezirkes leidet ebenso wie eine Angliederungsverfügung
nicht bereits dann an einem Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 SVwVfG, wenn durch eine
nach ihrem Erlass erfolgte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Zweifel
bestehen, ob bei ihrem Erlass die Regelung des § 5 Abs. 2 BJagdG richtig angewendet
worden ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte
oder die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Nichtigkeit der Feststellung eines
Eigenjagdbezirkes vom 01.06.1959, einer Arrondierungsentscheidung vom 27.05.1960
sowie vom 01.04.2003.
Mit Schreiben vom 13.03.1959 bat die R GmbH bei der Jagdaufsichtsbehörde um die
Ausweisung der in ihrem Eigentum befindlichen Flächen als Eigenjagdbezirk. Mit Bescheid
vom 01.06.1959 wurde dem Vertreter der Antragstellerin die Feststellung mitgeteilt, die
Voraussetzungen zum Bestehen eines Eigenjagdbezirkes, der aus den im Besitz der R
GmbH stehenden zusammenhängenden Grundflächen in A-Stadt mit einer Gesamtgröße
von ca. 91 ha gebildet werde, lägen vor. Die Festlegung der Grenze erfolge durch die
Jagdaufsichtsbehörde in Saarlouis. Mit Schreiben vom 23.06.1959 teilte der damalige
Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt dem Minister des Innern mit, der Eigenjagdbezirk der
R GmbH wurde durch mehrere im Eigentum der Gemeinde A-Stadt stehende Parzellen –
darunter die Parzellen Nrn. in der Flur und in der Flur – unterbrochen, so dass eine über 75
ha große zusammenhängende Fläche nicht vorhanden sei und die Voraussetzungen für
einen Eigenjagdbezirk nicht vorlägen. Nach einer entsprechenden Stellungnahme der
Vereinigung der Jäger des Saarlandes vom 10.07.1959 teilte der Minister des Innern dem
damaligen Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt mit, die Parzellen Nrn. 1 und 50 seien als
„ähnliche Flächen“ i.S. des § 5 Abs. 2 SJagdG anzusehen und unterbrächen deshalb den
Zusammenhang des Eigenjagdbezirkes nicht. Dieser Einschätzung widersprach der
damalige Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt mit Schreiben vom 03.09.1959.
Mit Bescheid vom 27.05.1960 wurde zur Abrundung des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes
A-Stadt und des Eigenjagdbezirkes R– A-Stadt folgende Regelung getroffen: Von dem
Eigenjagdbezirk der Firma R in A-Stadt werden die nördlich des Weges A-Stadt und westlich
der Parzellen Nrn. und gelegenen Grundstücksflächen in einer Gesamtgröße von 12,0886
ha abgetrennt und dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk A-Stadt angegliedert und von dem
gemeinschaftlichen Jagdbezirk A-Stadt werden die Parzellen Nrn. und die einzelnen
Fremdparzellen, die im Flurteil „v “ im Grundbesitz der Firma R eingeschlossen gelegen
seien einschließlich des nach Süden in R Besitz hineinstoßenden Zipfels der Parzelle Nr. mit
einer Gesamtgröße von 31,5047 ha abgetrennt und dem Eigenjagdbezirk der Firma R
angegliedert. Gegen diesen Bescheid legte die Gemeinde A-Stadt mit Schreiben vom
24.06.1960 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 21.06.1961 erhob die Gemeinde A-Stadt beim Verwaltungsgericht des
Saarlandes Klage gegen den Bescheid vom 01.06.1959. Zur Begründung führte sie im
Wesentlichen aus, auf Grund der im Eigentum der Gemeinde stehenden Waldparzellen mit
einer Fläche von mehr als 20 ha würde der Grundbesitz der R unterbrochen, so dass die
Voraussetzungen für einen Eigenjagdbezirk nicht vorlägen. Nachdem die Gemeinde A-Stadt
mit Schriftsatz vom 30.08.1961 ihre Klage wieder zurückgenommen hatte, wurde das
Verfahren mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 04.09.1961 – 3 K 217/61 –
eingestellt. Unter dem 10.03.1966 schlossen die Klägerin und die R GmbH einen
Jagdpachtvertrag, wonach die aus dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk A-Stadt östlich des
öffentlichen Weges D -C-Stadt sich zwischen Distrikt und in den Eigenjagdbezirk „…“
einschiebenden Ländereien in der Gemarkung (Gewann und ) mit einer Flächengröße von
rd. 7 ha gegen die aus dem staatsforstlichen Eigenjagdbezirk „…“ westlich des öffentlichen
Weges -C-Stadt gelegenen Flächen aus Distrikt und in einer Größe von rd. 10 ha
ausgetauscht werden. Es werde somit eine Fläche von 5,62 ha zur Jagdnutzung
verpachtet.
Unter dem 01.04.2003 bzw. 25.04.2003 wurde zwischen der Klägerin und dem
SaarForst Landesbetrieb eine Vereinbarung über die Arrondierung des gemeinschaftlichen
Jagdbezirkes A-Stadt und des staatlichen Eigenjagdbezirkes getroffen, wonach die Klägerin
dem SaarForst Landesbetrieb die Jagdnutzung auf einer Fläche von ca. 5,7 ha in den Fluren
und der Gemarkung A-Stadt verpachtet und der SaarForst Landesbetrieb als Ausgleich der
Klägerin eine Fläche von ca. 5,7 ha in der Flur verpachtet. Gemäß der der Vereinbarung
beiliegenden Karte lag die Fläche, die vom SaarForst Landesbetrieb der Klägerin verpachtet
werden sollte, in einem Bereich, der gemäß dem Bescheid vom 27.05.1960 zum früheren
Eigenjagdbezirk, nunmehr, gehört. Diese Vereinbarung wurde vom Ministerium für Umwelt
am 13.06.2003 genehmigt.
Der SaarForst Landesbetrieb teilte dem Ministerium für Umwelt mit Schreiben vom
05.06.2006 mit, dass die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem SaarForst
Landesbetrieb nichtig sei, weil die der Klägerin verpachteten Flächen auf der Grundlage der
im Jahr 1959 festgelegten Grenzen zu dem Eigenjagdbezirk gehörten. Der Beklagte teilte
mit Schreiben vom 22.04.2009 der Klägerin mit, es sei beabsichtigt die
Arrondierungsvereinbarung zwischen der Klägerin und dem SaarForst Landesbetrieb
aufzuheben, da diese nichtig sei. Die Angliederung der unter Nr. 2 der Vereinbarung
genannten Fläche an die Klägerin sei rechtlich nicht möglich, da diese Fläche durch die
Angliederungsverfügung vom „27. Mai 1969“ bereits Bestandteil des Eigenjagdbezirkes der
Firma sei. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20. Mai 2009 gegeben.
Mit Schriftsatz vom 15.05.2009 wandten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin an
den Beklagten und führten aus, dass die Verfügungen vom 01.06.1959 und 27.05.1960
unwirksam bzw. nichtig seien. Deshalb sei auch die Angliederungsverfügung rechtswidrig,
weil deren Grundlagen nicht existent seien.
Am 30.07.2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie führt zur Begründung aus, die vom
Landrat des Kreises Saarlouis in seinem Schreiben vom 15.04.1959 vertretene
Auffassung, die im Eigentum der Gemeinde A-Stadt stehende trennende Parzelle sei als
„ähnliche Fläche“ im Sinne des § 5 Abs. 2 des Bundesjagdgesetzes anzusehen, habe sich
durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.03.1990 und
28.09.1988 als falsch erwiesen. Diese Parzelle habe eine Länge von 500 m und eine Breite
von bis zu 250 m. Da weder ein Weg noch eine Eisenbahntrasse eine derartige Breite
aufweise, liege keine sogenannte "ähnliche Fläche" vor. Damit seien durch die beiden
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts die Grundlagen für die Verfügung vom
01.06.1959 entfallen. Aus der Verwaltungsakte gehe eindeutig hervor, dass gerade mit
dem Begriff der "ähnlichen Fläche" die Gründung des Eigenjagdbezirkes begründet worden
sei.
Richtig sei, dass die Verfügungen vom 01.06.1959 und 27.05.1960 rechtskräftig seien.
Die heutige jagdliche Situation sei von der rechtsfehlerhaften Verfügung vom 01.06.1959
geprägt, die sich deshalb durch immer neue Arrondierungen weiterhin auswirke. Nach
Eintritt der Rechtskraft sei es zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage gekommen, da
in der Folgezeit eine weitere Angliederungsverfügung erlassen worden sei und sich die
Rechtslage infolge einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der
„ähnlichen Fläche“ geändert habe. Danach könne im vorliegenden Fall eine Trennung der
beiden Jagdbezirke nicht durch den Begriff "ähnliche Fläche" überwunden werden. Aus
diesem Grunde bestehe aufgrund der Nichtigkeit des Bescheides das entsprechende
Feststellungsinteresse. Der Verwaltungsakt vom 01.06.1959 sei nichtig, da er die
erlassende Behörde nicht erkennen lasse und weil er nur durch die Aushändigung einer
Urkunde erlassen werden könne. Die Urkunde vom 01.06.1959 genüge jedoch nicht der
Form, da die Grenzen des Jagdbezirkes in dem Bescheid vom 01.06.1959 nicht festgelegt
worden seien, sondern die Festlegung der Grenze durch die Jagdaufsichtsbehörde erfolgen
sollte. Die Anerkennung eines Eigenjagdbezirkes habe aber entweder durch das Ministerium
oder durch den Landrat erfolgen müssen. Der Bescheid sei schließlich nichtig, weil in Folge
rechtswidrigen Zuschnitts des Jagdbezirkes alle nachfolgenden Jagdpächter gewildert
hätten, da durch den Grundstücksstreifen eine Trennung des Jagdbezirkes erfolgt sei, der
nicht überwunden werden könne. Der Bescheid verstoße außerdem gegen die guten
Sitten, weil mit Scheinargumenten zu Gunsten der Jagdgrenzen verschoben worden seien,
um dieser einen wirtschaftlichen Vorteil zukommen zu lassen, auf den sie keinen Anspruch
gehabt habe und dies zu Lasten der Klägerin gehe. Schließlich leide der Verwaltungsakt an
einem besonders schwerwiegenden Fehler, der bei verständiger Würdigung aller in
Betracht kommenden Umstände offenkundig sei, weil der Umstand, dass der hier
streitbefangene Grundstücksstreifen nicht mit einem Weg vergleichbar sei, derart auf der
Hand liegt, dass der Bescheid vom 01.06.1959 nur als Rechtsbeugung angesehen werden
könne. Die Zeiten seien damals sicherlich anders gewesen, so dass mit einer absurden
rechtlichen Begründung Jagdgrenzen verschoben worden seien. Eine derartige
Vorgehensweise der damals entscheidenden Behörde sei jedoch offenkundig falsch und
sittenwidrig.
Die Klägerin beantragt,
es wird festgestellt, dass die Verfügung des Landkreises
Saarlouis vom 01.06.1959 bezüglich der Einrichtung eines
Eigenjagdbezirkes, die Angliederungsverfügung vom
27.05.1960 und die Angliederungsverfügung vom
01.04.2003 unwirksam bzw. nichtig sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, die Verfügungen des Landkreises Saarlouis vom 01.06.1959 bezüglich der
Einrichtung eines Eigenjagdbezirks sowie die Angliederungsverfügung vom 27.05.1960
seien wirksam und keineswegs nichtig. Soweit der Beklagte mit Schreiben vom
22.04.2009 der Klägerin mitgeteilt habe, dass vorgesehen sei die
Arrondierungsvereinbarung zwischen der A. und den SaarForst Landesbetrieb aufzuheben,
da diese nichtig sei, berühre dies weder die Verfügung des Landkreises Saarlouis vom
01.06.1959 noch die Angliederungsverfügung vom 27.05.1960. Der Hinweis auf die
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.03.1990 und 28.09.1988 sei
nicht geeignet, Zweifel an der Wirksamkeit der angegriffenen Verfügungen zu begründen.
Selbst wenn man den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich der
Auslegung des Merkmals der "ähnlichen Fläche" folge, führe dies nicht zu einer
Unwirksamkeit der rechtskräftigen Verfügungen vom 01.06.1959 und 27.05.1960. Im
Übrigen sei sie der Auffassung, dass die zur Begründung eines Eigenjagdbezirks in der
Verfügung vom 01.06.1959 angegebene Begründung, auch im Zusammenhang mit dem
Begriff der "ähnlichen Flächen", zutreffend sei. Nach dem Erlass der Verfügung vom
01.06.1959 und der Arrondierungsverfügung vom 27.05.1960 sei es zu keiner Änderung
der Sach- und Rechtslage gekommen, die die Rechtskraft der angegriffenen Verfügungen
beseitigen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die
Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie die beigezogenen
Verwaltungsunterlagen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
1. Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit bzw.
Nichtigkeit der „Angliederungsverfügung“ vom 01.04.2003 begehrt, da eine solche
Verfügung nicht existiert. Es existiert unter dem genannten Datum nur eine Vereinbarung
zwischen der Klägerin und dem SaarForst Landesbetrieb über die Arrondierung des
gemeinschaftlichen Jagdbezirkes A-Stadt und des staatlichen Eigenjagdbezirkes. Selbst
wenn man den Antrag der Klägerin dahin auslegt, dass sie die Feststellung der
Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit dieser Vereinbarung begehrt, ist ihr Klageantrag unzulässig.
Denn auch wenn diese Vereinbarung als Vertrag i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Gesetzes Nr. 1407 zur Erhaltung und jagdlichen Nutzung des Wildes (Saarländisches
Jagdgesetz - SJG) vom 27.05.1998 dazu diente eine Abrundung der Jagdbezirke zwischen
der Klägerin und dem SaarForst Landesbetrieb herbeizuführen, ist ein
Feststellungsinteresse an der Unwirksamkeit dieser Vereinbarung nicht ersichtlich. Insoweit
ist zunächst maßgeblich, dass die Klägerin selbst diese Vereinbarung getroffen hat und sie
in keiner Weise vorgetragen hat, warum sie nunmehr in einem Verfahren gegen den
Beklagten, der überhaupt nicht Vertragspartei gewesen ist, sondern nur die Vereinbarung
gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 SJG genehmigt hat, deren Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit
feststellen lassen will. Wobei eine solche Feststellung gegenüber dem Beklagten auch
letztlich überflüssig ist, da dieser selbst – wie sich aus dem Schreiben vom 22.04.2009
ergibt – von der Nichtigkeit der Vereinbarung vom 01.04.2003 ausgeht und diese aufheben
will. Insofern ist weder ein Feststellungsinteresse noch das erforderliche
Rechtsschutzbedürfnis für das Feststellungsbegehren der Klägerin hinsichtlich der
Vereinbarung vom 01.04.2003 ersichtlich.
Zulässig ist dagegen die Feststellungsklage hinsichtlich der Verfügung vom 01.06.1959
bezüglich der Einrichtung eines Eigenjagdbezirkes und der Angliederungsverfügung vom
27.05.1960. Insoweit besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, da als Folge der
beiden Verfügungen ein Teil der im Eigentum der Gemeinde A-Stadt stehenden Flächen
dem Eigenjagdbezirk zugeschlagen worden sind und damit der Klägerin zur Verpachtung
nicht mehr zur Verfügung steht.
2. Hinsichtlich der Verfügungen vom 01.06.1959 und 27.05.1960 ist die Klage aber
unbegründet.
Die Feststellungsklage hätte nur dann Erfolg, wenn die beiden angegriffenen Verfügungen,
die bereits seit mehreren Jahrzehnten bestandskräftig sind, nichtig wären. Denn wenn
bestimmte Flächen nicht unmittelbar kraft Gesetzes, sondern durch eine konkrete
Maßnahme der Jagdbehörde Bestandteile eines Jagdbezirks geworden sind, dann stellt sich
nur die Frage nach dem Fortbestand solcher jagdrechtlicher Verfügungen. Bei den beiden
angegriffenen Bescheid handelt es unzweifelhaft um Verwaltungsakte. Es gilt damit der in §
43 Abs. 2 VwVfG verankerte Grundsatz, dass ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange
und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch
Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist. Daher
kommt eine Unwirksamkeit nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen der
Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 SVwVfG gegeben sind. Nach dieser Vorschrift ist ein
Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und
dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
Besonders schwerwiegend im Sinne des § 44 Abs 1 SVwVfG sind dabei nur solche
Rechtsfehler, die deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sein
können, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung
immanenten Wertvorstellungen widersprechen. Der schwerwiegende Fehler muss darüber
hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Die Nichtigkeit eines
Verwaltungsaktes ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige
Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von
niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen.
Dagegen ist die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes nicht schon deswegen anzunehmen,
weil er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt (sog. "gesetzloser" Verwaltungsakt) oder die
in Frage kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.01.1954 - I B 49.53 -
BVerwGE 1, 67 = NJW 1954, 735 = DÖV 1954, 249 =
DVBl 1954, 500 = JZ 1954, 452 = DÖV 1956, 548 =
Buchholz 310 Vorbem. 3 zu § 42 VwGO Nr. 2 Nr. 1, Urteil
vom 22.02.1985 - 8 C 107.83 - DVBl 1985, 624 =
BayVBl 1985, 410 = Buchholz 406.11 § 134 BBauG Nr. 6
= NJW 1985, 2658 = BRS 43 Nr. 130 und Beschluss vom
11.05.2000 - 11 B 26.00 - NVwZ 2000, 1039-1040 =
DÖV 2000, 1004 = Buchholz 316 § 44 VwVfG Nr. 12.
Vorliegend leiden die beiden angegriffenen Verfügungen an keinem entsprechenden
Mangel. Insbesondere haben die von der Klägerin gerügten Fehler kein derartiges Gewicht.
Die Nichtigkeit der Verfügung vom 01.06.1959, die nicht vom Landkreis Saarlouis, sondern
vom Minister des Innern erlassen worden ist, lässt sich nicht damit begründen, dass darin
das Bestehen eines Eigenjagdbezirkes festgestellt worden ist. Auch die
Angliederungsverfügung des Landrates in Saarlouis vom 27.05.1960, mit der die Grenzen
des Eigenjagdbezirkes festgelegt worden sind, leidet unter keinem entsprechenden
offenkundigen Fehler. Zwar entsteht ein Eigenjagdbezirk nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BJagdG
kraft Gesetzes, ohne dass es dazu einer Erklärung des Grundeigentümers oder einer
Entscheidung der Behörde bedarf. Diese Gesetzesfolge führt aber nicht dazu, dass
Verwaltungsakte, die bestimmte Grundflächen einem anderen Jagdbezirk zuordnen,
dadurch aufgehoben oder auf sonstige Weise unwirksam werden.
So BVerwG, Urteil vom 07.12.1995 - 3 C 15.94 - RdL
1996, 147 = Buchholz 451.16 § 5 BJagdG Nr. 27 =
Jagdrechtliche Entscheidungen II Nr. 129 = BayVBl 1996,
669 = NuR 1996, 586 = NVwZ-RR 1997, 321.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, beide Bescheide seien fehlerhaft, weil darin zu
Unrecht Flächen, die mit der Angliederungsverfügung vom 27.05.1960 dem
Eigenjagdbezirk der Beigeladenen zugeschlagen wurden, in dem sie als „ähnliche Flächen“
i.S. des § 5 Abs. 2 BJagdG behandelt worden seien, so ist eine Offenkundigkeit dieses
Fehlers, sofern er überhaupt besteht, nicht gegeben. Denn dabei handelt es sich allenfalls
um die unrichtige Anwendung des § 5 BJagdG, nicht jedoch um einen solchen Rechtsfehler,
der dazu führen würde, dass die angegriffenen Bescheide mit der Rechtsordnung unter
keinen Umständen vereinbar sein könnten, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder
den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen.
Insoweit ist zu beachten, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide die von der
Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 5
Abs. 2 BJagdG überhaupt noch nicht existent war. Den von ihr zitierten Rechtssatz aus
dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.09.1988 (- 3 B 56/87 - Buchholz
451.16 § 5 BJagdG Nr. 21 = RdL 1989, 153-154 = NuR 1990, 214 = Jagdrechtliche
Entscheidungen II Nr. 113) sowie dem Urteil vom 08.03.1990 (- 3 C 34/87 - BVerwGE 85,
33 = BayVBl 1990, 631 = Jagdrechtliche Entscheidungen II Nr. 112 = Buchholz 451.16 § 5
BJagdG Nr. 23 = NVwZ-RR 1991, 163 = RdL 1991, 319), wonach Flächen, die schon nach
der äußeren Gestalt den Wegen, Wasserläufen, Triften und Bahnkörpern nicht ähnlich
seien, nicht unter § 5 Abs. 2 BJagdG fielen, stellte das Bundesverwaltungsgericht erst in
seinem Urteil vom 28.01.1980 (- 3 C 113/79 - BVerwGE 59, 342 = Buchholz 451.16 § 5
BJagdG Nr. 15 = RdL 1980, 124) auf. Diese Rechtsprechung konnte daher bei einer
Verwaltungsentscheidung im Jahr 1959 bzw. 1960 keine Berücksichtigung finden.
Außerdem sind Klarstellungen von Rechtsbegriffen in der Rechtsprechung kein Grund für
die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes, da selbst eine falsche Rechtsanwendung kein
Nichtigkeitsgrund ist. Zudem ist im vorliegenden Fall auch nicht offensichtlich, dass selbst
unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die
streitgegenständlichen Flächen nicht unter § 5 Abs. 2 BJagdG fallen. Vielmehr bedürfte es
selbst nach dem Vortrag der Klägerin tatsächlicher Feststellungen vor Ort, inwieweit die
angegliederten Flächen nach der äußeren Gestalt den Wegen, Wasserläufen, Triften und
Bahnkörpern ähnlich sind und sie (zugleich) nach Umfang und Gestalt für sich allein eine
ordnungsgemäße Jagdausübung nicht gestatten. Eine Offenkundigkeit des Fehlers i.S. der
o.g. Rechtsprechung zur Frage der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes besteht auf keinen
Fall. Deshalb kann auch nicht festgestellt werden, dass mit Scheinargumenten zu Gunsten
der GmbH Jagdgrenzen verschoben worden seien, um dieser einen wirtschaftlichen Vorteil
zukommen zu lassen oder dass mit einer absurden rechtlichen Begründung Jagdgrenzen
verschoben worden seien.
Es kann auch keine Änderung der Sach- und Rechtslage festgestellt werden, die
Auswirkungen auf die Bestandskraft haben könnte. Insoweit kommt allenfalls die
Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem SaarForst Landesbetrieb über die
Arrondierung des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes A-Stadt und des staatlichen
Eigenjagdbezirkes vom 01.04.2003 bzw. 25.04.2003 in Frage. Diese Vereinbarung hat
jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Verfügungen vom 01.06.1959 und vom
27.05.1960, sondern ist auf Grund deren Bestandskraft rechtswidrig, weil darin eine
Fläche einbezogen worden ist, die bereits bestandskräftig dem Eigenjagdbezirk zugewiesen
worden war. Insoweit wird zwar die Rechtmäßigkeit dieser Vereinbarung durch die
Bestandskraft der genannten Bescheide berührt, nicht jedoch umgekehrt.
Die Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der Form des Bescheides vom 01.06.1959 sind
nicht nachvollziehbar. Denn der Bescheid ist offensichtlich in Form eines Verwaltungsaktes
erlassen worden, auch wenn er keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Dass auf der in der
Verwaltungsakte enthaltenen Abschrift des Bescheides dessen Aussteller nicht erkennbar
ist, spricht nicht gegen dessen Wirksamkeit. Denn es ist den sich aus der Akte ergebenden
Gesamtumständen eindeutig zu entnehmen, dass der Bescheid vom damaligen Minister
des Innern erlassen worden ist. Auch dass dieser Bescheid der GmbH zugegangen und
damit wirksam geworden ist, ist aus der Verwaltungsakte ersichtlich. Im Übrigen ist dieser
Bescheid auch Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gewesen, das von
der Gemeinde A-Stadt gegen den Minister des Innern erhoben worden war. Dieses
Verfahren ist mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 04.09.1961 – 3 K 217/61 –
eingestellt worden, nachdem die Gemeinde A-Stadt ihre Klage zurückgenommen hatte.
Insofern bestehen auch in formeller Hinsicht hinsichtlich der Wirksamkeit der beiden
angegriffenen Bescheide keine Bedenken.
Im Hinblick auf die Wirksamkeit der genannten Verfügungen bestehen auch offensichtlich
keine Unklarheiten hinsichtlich der Grenzen der Jagdbezirke, so dass der Vortrag der
Klägerin, in Folge der rechtswidrigen Gliederung hätten alle nachfolgenden Jagdpächter
gewildert, da durch den Grundstücksstreifen eine Trennung des Jagdbezirkes erfolgt sei,
der nicht überwunden werden könne, in keiner Weise nachvollziehbar ist.
Die Frage inwieweit die im Bescheid vom 27.05.1960 angesprochenen Jagdpacht-
verhältnisse nachfolgend abgeschlossen worden sind, spielt für Frage die Nichtigkeit keine
Rolle, sondern betrifft allein dessen Vollzug. Im Übrigen wurde zumindest für einen Teil der
Flächen verträgliche Regelungen getroffen, da sich aus den Verwaltungsunterlagen ergibt,
dass unter dem 10.03.1966 zwischen der Klägerin und der GmbH ein Jagdpachtvertrag
über den Austausch und die Verpachtung von Flächen geschlossen worden ist.
Nach alledem war für eine Nichtigkeitsfeststellung kein Raum.
Der Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO insgesamt abzuweisen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind auf der Grundlage von § 162 Abs. 3
VwGO erstattungsfähig, weil diese einen Antrag gestellt hat und damit ihrerseits das Risiko
eingegangen ist, im Falle des Unterliegens gemäß § 154 Abs. 3 VwGO Kosten zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4
VwGO nicht vorliegen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht
wendet dabei Textziffer 20.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
i.d.F. der am 07./08. Juli 2004 beschlossenen Änderungen (NVwZ 2004, 1327) an,
wonach der Streitwert für eine Klage über Bestand und Abgrenzung von Jagdbezirken
10.000 Euro beträgt.