Urteil des VG Saarlouis vom 07.02.2008

VG Saarlouis: öffentliches interesse, steuergeheimnis, disziplinarverfahren, steuerhinterziehung, steuerstrafverfahren, steuerberater, verwertungsverbot, verdacht, finanzen, steuererklärung

VG Saarlouis Entscheidung vom 7.2.2008, 7 K 131/07
Disziplinarverfahren und Steuergeheimnis, Verdacht der Steuerhinterziehung
Leitsätze
a) Eine Disziplinarverfügung, die unter Verstoß gegen das Steuergeheimnis zustande
gekommen ist, ist rechtswidrig und verletzt den Beamten in seinen Rechten, so dass sie
aufzuheben ist.
b) Zur Bedeutung des Steuergeheimnisses in Disziplinarverfahren.
Tenor
I. Die in der Einstellungsverfügung des Beklagten vom 27.12.2006 enthaltene
Disziplinarverfügung wird aufgehoben.
II. Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens trägt das beklagte Ministerium.
III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Das beklagte Ministerium darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung
eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden
Kostenschuld abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
IV. Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid wird zugelassen.
Tatbestand
Die am ... 1955 geborene Klägerin ist seit dem 02.11.1972 als Finanzbeamtin in der
saarländischen Steuerverwaltung tätig.
Im Zuge von Durchsuchungsmaßnahmen am 16.05.2002 bei einer Saarbrücker
Steuerberatungsgesellschaft entstand der Verdacht, dass sie in einem
arbeitnehmerähnlichen Verhältnis für dieses Steuerberaterbüro tätig geworden war, ohne
die entsprechenden Einkünfte aus dieser Tätigkeit versteuert zu haben. Daraufhin wurde
am 17.05.2002 ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der
Einkommensteuerhinterziehung hinsichtlich der Jahre 1996 - 2000 gegen sie eingeleitet.
Mit Verfügung vom 23.05.2002 wurde auch ein Vorermittlungsverfahren gemäß §§ 27 ff.
SDO wegen des Verdachts der unerlaubten Hilfe in Steuersachen in mehreren Fällen und
einer damit verbundenen Steuerhinterziehung gegen sie eingeleitet; zugleich wurde dieses
Verfahren wegen des laufenden Strafverfahrens ausgesetzt. Auf welchem konkreten Weg
die Steuerfahndung den Dienstvorgesetzten der Klägerin informiert hatte, ist den
vorgelegten Verwaltungsunterlagen nicht zu entnehmen.
Mit Schreiben vom 11.07.2002 teilte die Steuerfahndung dem beklagten Ministerium mit,
dass ein Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin eingeleitet worden sei; zuvor hatte der
ermittelnde Steuerfahnder in einem Aktenvermerk vom 05.07.2002 u.a. festgehalten,
dass "die steuerlichen Auswirkungen" des Verhaltens der Klägerin "hinsichtlich der
Steuerschuld als gering anzusehen" seien.
Unter dem 17.06.2003 erstellte der im Steuerstrafverfahren tätige Steuerfahnder seinen
Schlussbericht. Dieser wurde am 02.07.2003 dem im Disziplinarverfahren tätigen
Vorermittlungsführer übersandt und von dem Dienstvorgesetzten der Klägerin am
04.08.2003 zusammen mit der übrigen Disziplinarakte und der Anregung, ein förmliches
Disziplinarverfahren gegen die Klägerin einzuleiten, an das beklagte Ministerium
weitergeleitet. Eine Überprüfung der Zulässigkeit dieser Übermittlungen durch die jeweils
zuständigen Amtswalter ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.
Mit Schreiben vom 04.09.2003 wurde die Klägerin vom Beklagten darüber informiert, dass
wegen der Schwere der Pflichtverletzungen, die sich aus dem Schlussbericht der
Steuerfahndung ergäben, beabsichtigt sei, das förmliche Disziplinarverfahren gegen sie
einzuleiten. Mit Schreiben vom 26.09.2003 nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
hierzu Stellung, wobei er Verfahrensmängel rügte.
Mit Verfügung vom 27.11.2003 leitete das beklagte Ministerium der Finanzen sodann das
förmliche Disziplinarverfahren gegen die Klägerin ein. Zur Begründung wurde ausgeführt,
nach dem Ergebnis der Ermittlungen stehe sie im Verdacht, ihre Dienstpflichten durch
folgende Handlungen verletzt zu haben:
"1) Steuerverkürzung in erheblichem Umfang in den Jahren 1992 bis
2000:
- durch Nichterklärung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
aufgrund der Tätigkeit bei der Steuerberatung in den Jahren 1995 bis
1999,
- durch Nichterklärung von Einkünften aus Gewerbebetrieb aus der
Erstellung von Steuererklärungen in den Jahren 1991 bis 2000
- durch Nichtversteuerung von Einnahmen aus Kapitalvermögen für die
Jahre 1991 und 1992
(im Einzelnen wird auf den Schlussbericht der Steuerfahndungsstelle
verwiesen)
2) unerlaubte Hilfe in Steuersachen in den Jahren 1991 bis 2000
3) Ausübung einer Nebentätigkeit ohne Genehmigung in den Jahren
1991 bis 2000"
Gleichzeitig wurde das Verfahren gemäß § 17 Abs. 2 SDO im Hinblick auf das bereits am
17.05.2002 gegen die Klägerin eingeleitete Steuerstrafverfahren ausgesetzt und
angekündigt, zu gegebener Zeit würden ein Untersuchungsführer und ein Vertreter der
Einleitungsbehörde bestellt.
Mit am 21.03.2006 beim Finanzamt A-Stadt eingegangenem Schreiben vom 14.03.2006
teilte die Staatsanwaltschaft A-Stadt mit, das Strafverfahren gegen die Klägerin sei nach
Erfüllung einer Geldauflage (in Höhe von 500 EUR) eingestellt worden.
Mit Verfügung vom 27.12.2006 stellte das beklagte Ministerium als Einleitungsbehörde
nach Anhörung der Beamtin das förmliche Disziplinarverfahren gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1
SDO ein, verhängte zugleich eine Geldbuße in Höhe von 1.600 EUR und führte zur
Begründung Folgendes aus:
"... Da der Sachverhalt im Vorermittlungsverfahren und im
steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren umfassend aufgeklärt
wurde, ist eine Wiederaufnahme des förmlichen Disziplinarverfahrens
nach Abschluss des Strafverfahrens nicht erforderlich. Daher wird das
förmliche Ermittlungsverfahren nach § 56 Abs. 2 S.1 SDO eingestellt.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen steht folgender Sachverhalt
fest:
In den Jahren 1991 - 2000 haben Sie - gegen Entgelt -
Einkommensteuererklärungen für jeweils ca. 15 - 17 Personen aus
ihrem Bekannten- und Freundeskreis angefertigt. Das hierfür
vereinnahmte Honorar betrug für
1991 220 DM 1995 1300 DM 1999 1815 DM
1992 970 DM 1996 1870 DM 2000 1216 DM
1993 1150 DM 1997 890 DM
1994 1260 DM 1998 1000 DM.
In den Jahren 1995 - 1999 waren Sie als Aushilfe bei dem
Steuerberater angestellt. Sie haben dort Einkommensteuerfälle von
Mandanten des Steuerberaters bearbeitet. Im Einzelnen haben Sie
die Buchhaltung aufbereitet, indem Sie das amerikanische Journal
addiert und die Kontenaufbereitung vorgenommen haben. Hierfür
erhielten Sie einen Pauschal-Arbeitslohn und zusätzliche
Einzelzahlungen. Der Arbeitslohn wurde vom Steuerberater pauschal
versteuert. Später erfolgte die Gehaltsabrechnung über die
Lohnsteuerkarte ihrer Mutter.
Nebentätigkeitsgenehmigungen für die oben genannten Tätigkeiten
lagen nicht vor.
Die mit den oben genannten Tätigkeiten erzielten Einnahmen haben
Sie nicht versteuert. Dies hat für die Jahre 1997 - 2000 zu einer
Steuerverkürzung von 2.345 EUR geführt.
Beweiswürdigung
Auf Grund Ihrer geständigen Einlassung (Schreiben an das
Ministerium der Finanzen vom 23.03.2004) steht fest, dass Sie in
den Jahren 1991 - 2000 jährlich ca. 15 - 17 einfache Lohnsteuerfälle
bearbeitet haben. Aus der beigezogenen staatsanwaltlichen
Ermittlungsakte ergibt sich die Höhe der vereinnahmten Honorare.
Zudem hat die Steuerfahndung die entsprechenden Geldeingänge
auf ihrem Konto erfasst.
In der schriftlichen Einlassung Ihres Prozessbevollmächtigten im
Vorermittlungsverfahren vom 28.05.2002 bestätigt dieser Ihre
Tätigkeit für den Steuerberater ab 1996. Herr …. hat in seiner
Vernehmung durch die Steuerfahndung am 10.07.2002 ausgesagt,
dass Sie auch schon 1995 für ihn tätig waren (Bl. 108-111). Diese
Aussage erscheint auf Grund der detaillierten Angaben, die diese
enthält, glaubhaft.
Nebentätigkeitsgenehmigungen für die oben genannten Tätigkeiten
lagen nicht vor.
Ausweislich der beigezogenen staatsanwaltlichen Ermittlungsakte
beträgt die Steuerverkürzung für die Jahre 1997 - 2000 insgesamt
2.345 EUR (Bl. 114).
Eine Steuerhinterziehung für die Jahre 1991 - 1996 kann aus
disziplinarrechtlicher Sicht nicht nachgewiesen werden. Das
Strafverfahren hat sich nur auf die Jahre 1997 - 2000 bezogen, da
die Jahre 1991 - 1996 der strafrechtlichen Verjährung unterliegen.
Rechtliche Würdigung
Es liegen Verstöße gegen § 160 StBerG (unbefugte Hilfe in
Steuersachen), § 370 AO (Steuerhinterziehung), § 79 SBG, § 5 NtVO
vor. Durch Ihr Verhalten haben Sie vorsätzlich ein schweres
Dienstvergehen nach § 92 SBG begangen.
Mit dem allgemeinen beamtenrechtlichen Gebot, durch das Verhalten
innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem
Vertrauen gerecht zu werden, die der Beruf erfordert, ist die
entgeltliche private Hilfe eines Angehörigen der Finanzverwaltung in
Steuersachen unvereinbar. Dasselbe gilt hinsichtlich der
Steuerhinterziehung und auch des Verstoßes gegen die
Genehmigungsvorschriften.
Eine Verfolgungsverjährung des Dienstvergehens gemäß § 5 SDO ist
nicht eingetreten. Gemäß § 5 SDO ist die Verfolgung eines
Dienstvergehens nicht mehr zulässig, wenn seit dem Dienstvergehen
2 Jahre verstrichen sind und dieses höchstens die Gehaltskürzung
oder die Kürzung des Ruhegehalts rechtfertigt. Die einzelnen
Pflichtverstöße bilden disziplinarrechtlich ein einheitliches
Dienstvergehen (§ 92 SBG). Bei einer Mehrheit von
Pflichtverletzungen richtet sich die Verjährung wegen der Einheit des
Dienstvergehens im Allgemeinen nach der Verjährung des gesamten
Dienstvergehens, also nach der zeitlich letzten Einzelverfehlung. Die
Steuerhinterziehung für das Jahr 2000 wurde erst mit Bekanntgabe
des Steuerbescheids am 09.07.2001 vollendet. Da das
Strafverfahren am 17. Mai 2002 eingeleitet wurde, ist für das
gesamte Dienstvergehen keine Verjährung eingetreten.
Das Strafverfahren bezüglich des Tatkomplexes 'Steuerhinterziehung'
wurde gemäß § 153a StPO gegen eine Auflage von 500 EUR
eingestellt. Im vorliegenden Fall ist entgegen § 14 SDG eine Ahndung
des gesamten Dienstvergehens möglich. Die Anwendung des § 14
SDG setzt voraus, dass es sich bei dem disziplinarrechtlich zu
ahndenden Sachverhalt um 'dieselbe Tat' wie im Straf- oder
Bußgeldverfahren handelt. Maßgeblich ist der strafprozessuale
Tatbegriff. Die Tatkomplexe 'Aushilfstätigkeit für den Steuerberater ',
'unbefugte Hilfe in Steuersachen' bilden mit dem Tatkomplex
'Steuerhinterziehung' jedoch keinen einheitlichen Geschehensablauf
und waren auch nicht Gegenstand des Strafverfahrens. Der
strafrechtliche Sachverhalt bleibt daher weit hinter dem
disziplinarrechtlichen Sachverhalt zurück, so dass § 14 Abs. 1 SDG
unanwendbar ist. Nach dem disziplinarrechtlichen Einheitsgrundsatz
ist daher der gesamte Geschehensablauf disziplinarrechtlich zu
würdigen.
Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK liegt nicht vor. Das förmliche
Disziplinarverfahren war seit dem 27.11.2003 gemäß § 17 SDO
wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens ausgesetzt. Der
Abschluss des Strafverfahrens wurde dem Ministerium am
31.03.2006 mitgeteilt. Eine überlange Verfahrensdauer besteht
somit nicht.
Im Rahmen der Strafzumessung war zu Ihren Lasten die lang
anhaltende Dauer der Pflichtverstöße (z.T. 9 Jahre) zu
berücksichtigen. Insgesamt haben Sie das Dienstvergehen sehr
planvoll begangen, was sich z. B. daran zeigt, dass Sie Ihre
Tätigkeiten beim Steuerberater über die Lohnsteuerkarte Ihrer Mutter
abrechnen ließen.
Zu Ihren Gunsten war jedoch zu berücksichtigen, dass die Höhe der
hinterzogenen Steuern, relativ gering ist. Auch haben Sie die gegen
Sie erhobenen Vorwürfe teilweise eingeräumt. Die Ihnen im
Strafverfahren gemachte Auflage von 500 EUR haben Sie umgehend
bezahlt.
Seit der Aufnahme der strafrechtlichen Ermittlungen haben Sie sich
nichts mehr zu schulden kommen lassen und erfüllen Ihre Aufgaben
beim Landesamt für Finanzen ohne Beanstandungen.
Bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße wurde berücksichtigt,
dass Sie bereits eine Geldauflage von 500 EUR im Strafverfahren
erfüllt haben.
Im Ergebnis scheint bei einer Gesamtwürdigung der Umstände die
Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 1600 EUR erforderlich und
vertretbar.
...."
Die Verfügung wurde der Klägerin am 04.01.2007 zugestellt.
Am 10.01.2007 hat sie gegen die in der Einstellungsverfügung enthaltene
Disziplinarverfügung die Entscheidung der Disziplinarkammer beantragt und den Antrag am
25.01.2007 begründet.
Sie rügt Verfahrensfehler im Vorermittlungsverfahren und macht Verfolgungsverjährung,
ein Maßnahmeverbot nach § 14 SDG, die Verletzung des Steuergeheimnisses sowie eine
unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer geltend.
Insbesondere habe sie ihre Tätigkeit bei Steuerberater am 31.10.1999 beendet, weshalb
die nach § 5 SDO geltende 2-jährige Verjährungsfrist am 01.11.2001 abgelaufen gewesen
sei und weder das am 17.05.2003 eingeleitete Steuerstrafverfahren noch die am
27.11.2003 erfolgte Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens zu ihrer Hemmung
habe führen können.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
die in der Einstellungsverfügung des Beklagten vom 27.12.2006
enthaltene Disziplinarverfügung aufzuheben.
Das beklagte Ministerium ist diesem Antrag entgegengetreten und macht insbesondere
geltend, das letzte pflichtwidrige Tun der Klägerin habe in der unvollständigen Abgabe ihrer
Steuererklärung für das Jahr 2000 am 05.03.2001 gelegen; im Jahr 2000 seien
Nachzahlungen des Steuerberaters für das Jahr 1999 in Höhe von 1.400 DM erfolgt, die in
der Steuererklärung für das Jahr 2000 hätten angegeben werden müssen. Ein Verstoß
gegen das Steuergeheimnis liege nicht vor. Die Übermittlungen der Steuerfahndung an den
Dienstvorgesetzten der Klägerin, den Vorermittlungsführer und das beklagte Ministerium
seien gemäß Nr. 8.6 a) des Anwendungserlasses zu § 30 AO des Bundesministers der
Finanzen gerechtfertigt gewesen. Im Übrigen komme ein Verwertungsverbot analog § 393
AO vorliegend nicht in Betracht, da es nicht um Verhältnisse gehe, die die Klägerin vor
Einleitung des Steuerstrafverfahrens freiwillig offenbart habe.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der
Disziplinarakten und der Personalakte der Klägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 45 Satz 1, 52 Abs. 2, 3 Satz 1 SDG, 42 VwGO zulässige Anfechtungsklage,
über die nach Anhörung der Beteiligten gemäß §§ 3 Satz 1 SDG, 84 Abs. 1 VwGO durch
Gerichtsbescheid entschieden werden kann, da die Sache keine besonderen
Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt - soweit
entscheidungserheblich - geklärt ist, ist begründet.
Vorliegend handelt es sich nicht um einen Antrag auf Entscheidung der Disziplinarkammer
gemäß § 85 Abs. 3 SDG, der nach dem früheren Recht der Saarländischen
Disziplinarordnung gemäß 56 Abs. 2 Satz 2, 32 Abs. 3 SDO zu behandeln wäre, sondern
um eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen die seitens des Beklagten nach dem
21.12.2005 erlassene Disziplinarverfügung vom 27.12.2006, für die bereits das neue
Recht des Saarländischen Disziplinargesetzes gilt. (vgl. zur Problematik BVerwG, Beschluss
vom 17.02.2003 - 1 DB 2/03 -, NJW-RR 2003, 662)
Diese Klage ist begründet, weil die angegriffene Disziplinarverfügung rechtswidrig ist und
die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt (§§ 3 Satz 1 SDG, 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Die Verfügung ist unter Verstoß gegen das Recht der Klägerin auf Wahrung des
Steuergeheimnisses (§ 30 AO) zustande gekommen und daher aufzuheben.
Nach § 30 Abs. 1 AO haben Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren. Nach § 30 Abs.
2 Nr. 1 b) AO verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis, wenn er Verhältnisse eines
anderen, die ihm in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem
Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt geworden sind, unbefugt
offenbart oder verwertet. Die Offenbarung der nach § 30 Abs. 2 AO erlangten Kenntnisse
ist gemäß § 30 Abs. 4 AO (nur) zulässig, soweit - Nr. 1 - sie entweder der Durchführung
eines Verwaltungsverfahrens, Rechnungsprüfungsverfahrens oder gerichtlichen Verfahrens
(jeweils) in Steuersachen oder eines Strafverfahrens wegen einer Steuerstraftat oder eines
Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit dient, oder - Nr. 2- sie durch
Gesetz ausdrücklich zugelassen ist oder - Nr. 3 - der Betroffene zustimmt oder - Nr. 4 - sie
unter bestimmten Voraussetzungen der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer
Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, oder - Nr. 5 - für sie ein zwingendes öffentliches
Interesse besteht.
Vorliegend hat die Offenbarung von "Verhältnissen" der Klägerin, die im Rahmen eines
Steuerstrafverfahrens bekannt geworden sind, zur Einleitung des gegen sie gerichteten
Disziplinarverfahrens geführt, sodass der Schutzbereich des Steuergeheimnisses zunächst
einmal tangiert ist. Insbesondere handelte es sich auch bei den rein behördeninternen
Mitteilungen der Steuerfahndung an den Dienstvorgesetzten der Klägerin und den
Vorermittlungsführer um ein "Offenbaren" i.S.d. § 30 Abs. 2 AO; das gleiche gilt hinsichtlich
der Mitteilung der Steuerfahndung an das beklagte Ministerium und schließlich hinsichtlich
der Übersendung des Schlussberichts der Steuerfahndung an das Ministerium durch den
Dienstvorgesetzten der Klägerin. Insoweit geht auch die Kammer - mit der ganz h.M. (vgl.
hierzu nur Drüen, Disziplinarverfahren und Steuergeheimnis, ZBR 2002, 115 ff. [118]
m.w.N.) - davon aus, dass entsprechende Mitteilungen innerhalb einer Behörde oder an
eine übergeordnete Behörde eines Rechtfertigungsgrundes gemäß § 30 Abs. 4 AO
bedürfen, um zulässig und rechtmäßig zu sein. Im Übrigen haben nicht nur die Angehörigen
der Finanzverwaltung das Steuergeheimnis zu wahren. Sein Träger kann jeder anderen
Verwaltung oder Gerichtsbarkeit angehören; entscheidend ist nur, dass es um Verhältnisse
bzw. Daten geht, die unter den in § 30 Abs. 2 AO bezeichneten Umständen bekannt
geworden sind. (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, Stand November 2007, §
30, Rdnr. 45) Dabei handelt es sich um eine individuelle Verpflichtung jedes einzelnen
Amtsträgers und nicht nur um eine die Behörde als solche bindende. (vgl. auch hierzu
Drüen, a.a.O.)
Das Recht der Klägerin auf Wahrung des Steuergeheimnisses wurde zudem verletzt, weil
keine der Voraussetzungen vorlag, unter denen die Offenbarung gemäß § 30 Abs. 4 AO
zulässig ist, sodass die Offenbarung und auch die anschließende Verwertung unbefugt
i.S.d. § 30 Abs. 2 AO waren.
Die Zulässigkeit der hier in Rede stehenden Offenbarungen ergibt sich zunächst nicht aus §
30 Abs. 4 Nr. 1 AO, denn ein Disziplinarverfahren ist keines der dort genannten Verfahren.
Die Offenbarungen waren - mit Ausnahme der Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom
14.03. 2006 über die Einstellung des Strafverfahrens - auch nicht gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 2
AO durch Gesetz ausdrücklich zugelassen. Der insoweit vorliegend allein in Frage
kommende § 125 c BRRG rechtfertigt gemäß seinem Abs. 6 Satz 1 i.V.m. seinen Absätzen
1 Nr. 3 und 3 lediglich die Mitteilung der Verfahrenseinstellung durch die
Staatsanwaltschaft, da diese auch hinsichtlich Daten zulässig war, die dem
Steuergeheimnis unterlagen. Die übrigen erfolgten Übermittlungen - die Unterrichtung des
Dienstvorgesetzten der Klägerin durch die Steuerfahndung im Mai 2002, die Übersendung
des Schlussberichts an den Vorermittlungsführer durch die Steuerfahndung im Juli 2003
und die Übersendung des Schlussberichts an das beklagte Ministerium durch den
Vorermittlungsführer im August 2003 - wären gemäß § 125 c Abs. 6 Satz 2 BRRG nur
unter den Voraussetzungen des - auch ohne diese Vorschrift ohnehin geltenden - § 30 Abs.
4 Nr. 5 AO zulässig gewesen, also wenn für sie ein zwingendes öffentliches Interesse
bestanden hätte. An einem solchen Interesse fehlte es hier jedoch. Die im Gesetz zunächst
aufgeführten Beispiele hierfür waren nicht gegeben; denn der gegen die Klägerin gerichtete
Verdacht, Steuerhinterziehungen und unerlaubte Hilfe in Steuersachen begangen und eine
Nebentätigkeit ohne Genehmigung ausgeübt zu haben, bezog sich weder auf Verbrechen
noch auf vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und
seine Einrichtungen, noch auf Wirtschaftsstraftaten, die nach ihrer Begehungsweise oder
wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die
wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die
Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden
und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, was keiner weiteren
Ausführungen bedarf. Aber auch ein unbenannter Fall eines zwingenden öffentlichen
Interesses lag hier nicht vor. Ein solcher Fall kann nur angenommen werden, wenn er in
seiner Gravität einem der benannten Fälle entspricht. Denn durch die benannten Fälle ist
der Maßstab für das zwingende öffentliche Interesse hinsichtlich der unbenannten Fälle
vorgegeben. Von daher kann Nr. 8.6 a) des Anwendungserlasses des Bundesministers der
Finanzen zur Abgabenordnung, wo es heißt, ein zwingendes öffentliches Interesse gemäß §
30 Abs. 4 Nr. 5 AO sei insbesondere anzunehmen bei unbefugter Hilfeleistung in
Steuersachen durch Beamte der Steuerverwaltung, nicht gefolgt werden. Denn hierbei
handelt es sich nach § 160 StBerG lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, während die
benannten Fälle des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO Verbrechen oder - schwere - Vergehen
betreffen. Von einer vergleichbaren Qualität und Gravität kann hierbei erkennbar nicht die
Rede sein. Auch soweit der Anwendungserlass in Nr. 8.6 b) Steuerstraftaten unter § 30
Abs. 4 Nr. 5 AO subsumiert, hat die Kammer erhebliche Zweifel an der Vergleichbarkeit;
diese können jedoch auf sich beruhen, da die von der Klägerin verkürzte Steuer immer
unter 2.500 EUR pro Veranlagungszeitraum betrug und sie auch zu keiner Zeit eine
erhebliche kriminelle Energie (z.B. durch Fälschung von Belegen) aufgewendet hatte.
Insoweit sind die Voraussetzungen des Anwendungserlasses vorliegend noch nicht einmal
erfüllt gewesen.
Schließlich waren auch die Voraussetzungen, die nach inzwischen wohl einheitlicher
Rechtsprechung (vgl. insbes. BGH - Dienstgericht des Bundes -, Beschluss vom
10.08.2001 - Ri St. (R) 1/00, NJW 2002, 834; FinG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom
11.06.2007 - 7 V 7060/07 -; OVG Münster, Beschluss vom 15.03.2006 - 21 d A
2169/04.O; sämtlich veröffentlicht auch bei Juris) ein zwingendes öffentliches Interesse
i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO an einer Offenbarung von nach § 30 Abs. 1, Abs. 2 AO an sich
geheim zu haltenden Verhältnissen zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens
begründen, vorliegend nicht gegeben; zumindest fehlte es insoweit an jeglicher
Überprüfung und Ermessensausübung.
Diese Rechtsprechung lässt sich dahin zusammenfassen, dass einerseits das
Steuergeheimnis durch das Grundrecht des Steuerpflichtigen aus Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich fundiert ist und dass andererseits
dem öffentlichen Interesse an der Reinhaltung und Aufrechterhaltung der
Vertrauenswürdigkeit der Beamtenschaft ein hoher Rang zuzumessen ist, sodass keinem
der beiden Rechtsgüter ein absoluter Vorrang zukommt, sondern sie im Einzelfall
gegeneinander abzuwägen sind. Daher ist im Rahmen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO darauf
abzustellen, ob die Vorgänge, deren disziplinare Überprüfung in Rede steht, ihrer Art nach
oder aus Gründen des Einzelfalles von einem solchen disziplinaren Gewicht sind, dass sie
eine nähere dienstrechtliche Prüfung unabhängig von der Herkunft der zugrunde liegenden
Informationen grundsätzlich unabweisbar erscheinen lassen. Dies ist aber erst dann der
Fall, wenn die mitteilende Stelle aufgrund einer Schlüssigkeitsprüfung zu der Überzeugung
gelangen kann, dass die ihr vorliegenden, an sich dem Steuergeheimnis unterliegenden
Informationen geeignet sind, zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, zumindest
aber zu einer Zurückstufung zu führen. Dass eine Gehaltskürzung bzw. eine Kürzung der
Dienstbezüge zu erwarten ist, wird insoweit nicht als ausreichend angesehen.
Die Auswertung der vorgelegten Verwaltungsunterlagen ergibt insoweit, dass die Klägerin
zu keiner Zeit dem Verdacht eines Dienstvergehens ausgesetzt war, das zu einer der
beiden genannten Disziplinarmaßnahmen geführt hätte. Der bereits am 05.07.2002
gefertigte Aktenvermerk des Steuerfahnders, in welchem festgehalten ist, dass "die
steuerlichen Auswirkungen" des Verhaltens der Klägerin "hinsichtlich der Steuerschuld als
gering anzusehen" seien - eine Erkenntnis, an der sich zu keiner Zeit etwas geändert hat -
belegt dies ebenso mit Gewicht wie der Umstand, dass die Klägerin nicht vorläufig des
Dienstes enthoben und eine solche Maßnahme offenbar auch nicht ernsthaft erwogen
wurde. Diese Frage braucht indes nicht abschließend geklärt zu werden, denn es fehlte
jedenfalls an der erforderlichen Schlüssigkeitsprüfung der jeweils mitteilenden Stellen und
damit an jeder Ausübung des dem jeweiligen Amtsträger in §§ 125 c Abs. 4 BRRG, 30 Abs.
4 Nr. 5 AO eingeräumten Ermessens, sodass das Steuergeheimnis der Klägerin jedenfalls
durch eine Ermessensunterschreitung der nach § 30 AO verpflichteten Amtsträger verletzt
worden ist.
Die Verletzung des Steuergeheimnisses des § 30 AO führt unmittelbar und nicht erst über
ein Verwertungsverbot zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Disziplinarverfügung.
Im Übrigen enthält § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO für den Fall, dass - wie hier - keiner der
Rechtfertigungsgründe des § 30 Abs. 4 AO vorliegt und damit das Steuergeheimnis durch
eine unbefugte Offenbarung verletzt worden ist, ausdrücklich selbst ein Verwertungsverbot
("... unbefugt offenbart oder verwertet..."). (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., Rdnr. 53) Ein
Rückgriff auf das Verwertungsverbot des § 393 Abs. 2 AO ist in diesem Fall mithin nicht
erforderlich. (Die Vorschrift betrifft im Übrigen das Verhältnis von Besteuerungsverfahren
und Steuerstrafverfahren. In diesem Verhältnis ist eine Offenbarung von nach § 30 Abs. 2
AO erlangten Kenntnissen gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO aber grundsätzlich zulässig, sodass
das Steuergeheimnis im Falle einer insoweit tatsächlich erfolgten Offenbarung nicht verletzt
wird. § 393 Abs. 2 AO ordnet damit ein Verwertungsverbot für Fälle an, in denen es an
einer Verletzung des Steuergeheimnisses fehlt. Wollte man vorliegend die Notwendigkeit zu
einer analogen Anwendung sehen, so wäre allenfalls das argumentum a fortiori angebracht
(wenn schon in bestimmten Fällen, in denen das Steuergeheimnis nicht verletzt worden ist,
ein Verwertungsverbot besteht, dann muss erst recht ein solches bestehen, wenn das
Steuergeheimnis verletzt worden ist).)
Ob die angefochtene Disziplinarverfügung noch in anderer Hinsicht fehlerhaft ist, kann nach
all dem dahinstehen. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass zumindest auch ihre
Begründung - was das der Klägerin im Einzelnen als Dienstvergehen vorgeworfene
Verhalten anbelangt - unzureichend erscheint. (vgl. dazu, dass eine im Tatsächlichen
unzureichende Begründung der Disziplinarverfügung nach wie vor zu ihrer Aufhebung führt,
nur Hummel in Köhler/Ratz, Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht,
Kommentar, 3. Auflage, 2003, § 33, Rdnr. 11) Insbesondere der hinsichtlich der
Steuerhinterziehung erhobene Vorwurf ("Die mit den oben genannten Tätigkeiten erzielten
Einnahmen haben Sie nicht versteuert.") erscheint zu abstrakt; die Verfügung verdeutlicht
insoweit nicht genügend, welches konkrete Tun oder Unterlassen der Klägerin vorgeworfen
wird, was sich insbesondere auch daran zeigt, dass erst im Rahmen des vorliegenden
Klageverfahrens vorgetragen wurde, das letzte pflichtwidrige Tun der Klägerin habe in der
unvollständigen Abgabe ihrer Steuererklärung für das Jahr 2000 am 05.03.2001
bestanden - ein Verhalten, das in der Disziplinarverfügung nicht konkret angesprochen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs. 4, 78 Abs. 1 SDG, 154 Abs. 1 VwGO;
diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 3 SDG, 167 VwGO, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der
vorliegenden Rechtssache zuzulassen (§§ 3 SDG, 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. §§ 64
Abs. 2 SDG, 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass gegen den vorliegenden Gerichtsbescheid
nach §§ 3 SDG, 84 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ein Antrag auf mündliche Verhandlung als
Rechtsbehelf ausscheidet, nachdem die Berufung zugelassen worden ist. (ganz h.M., vgl.
etwa Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 84 Rdnrn. 6 und
34 (Stand: 14. EL 2007); Geiger in Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 84
Rdnr. 19a; Redeker/von Oertzen, Kommentar, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 84 Rdnr. 14;
BVerwG, Urteil vom 13.04.2202 - 1 C 15/01 -, NVwZ 2002, 993 (zu § 84 VwGO a.F.);
a.A. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl., 2007, § 84 Rdnr. 33a: § 87 Abs. 2 Nr.
2 VwGO analog (allerdings fehlt es mit Blick auf die ausdrückliche Regelung des § 84 Abs. 2
Nr. 1 VwGO an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke))