Urteil des VG Saarlouis vom 09.09.2010

VG Saarlouis: beihilfe, arzneimittel, anerkennung, diabetes mellitus, innere medizin, fürsorgepflicht, homöopathie, wissenschaft, einverständnis, therapie

VG Saarlouis Urteil vom 9.9.2010, 3 K 573/09
Beamtenrecht; Beihilfe; keine Beihilfe zu den Aufwendungen für die homöopathischen Mittel
NeyDil 66; NeySol 66 und Horvi-Enzym C 300
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger hinsichtlich seines Begehrens, ihm zu den
Aufwendungen für das Mittel „Kelofibrase Sandoz“ Beihilfe zu gewähren, seine Klage
zurückgenommen hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der am … 1932 geborene Kläger ist als Ruhestandsbeamter für sich und seine Ehefrau
jeweils mit einem Bemessungssatz von 70 vom Hundert beihilfeberechtigt.
Mit Beihilfeantrag, beim Beklagten eingegangen am 18.08.2008, begehrte der Kläger
unter anderem Beihilfe zu folgenden Aufwendungen:
- für seine Ehefrau:
- Kelofibrase Sandoz 25 mg
Euro 9,95
- Kelofibrase Sandoz 50 mg
Euro 31,90
___________
Euro 41,85
- für sich selbst:
- NeyDil 66
Euro 48,89
- NeySol L 66
Euro 398,10
___________
Euro 446,99
Mit Beihilfebescheid vom 12.09.2008 wurden die Aufwendungen des Klägers für NeyDil 66
und NeySol L 66 in Höhe von 446,99 Euro sowie die Aufwendungen seiner Ehefrau für
Kelofibrase in Höhe von 41,85 Euro nicht als beihilfefähig anerkannt.
Mit Beihilfeantrag, beim Beklagten eingegangen am 04.11.2008, machte der Kläger unter
anderem folgende, für ihn persönlich angefallene Aufwendungen geltend:
- NeyDil 66
Euro 59,10
- NeySol L 66
Euro 398,10
_____________
Euro 457,20
- NeyDil 66
Euro 59,10
- NeyDil 66
Euro 59,10
- NeyDil 66 und NeySol L 66
Euro 516,30
- Horvi-Enzym C 300
Euro 44,90
_____________
Euro 679,40
Mit Beihilfebescheid vom 17.11.2008 wurden auch die vorgenannten Aufwendungen des
Klägers nicht als beihilfefähig anerkannt.
Zur Begründung seines gegen beide Beihilfebescheide erhobenen Widerspruchs trug der
Kläger vor, das Medikament Kelofibrase sei seiner Ehefrau ärztlich verordnet worden und
zur schmerz- und verhärtungsfreien Ausheilung einer Operationsnarbe am linken Oberarm
erforderlich gewesen. Die ihm verordneten Medikamente seien ebenfalls notwendig
gewesen. Neben seiner im Jahre 1990 aufgetretenen coronaren Herzkrankheit liege eine
langjährige arterielle Hypertonie mit einem intermittierenden Vorhofflimmern und eine
chronisch-obstruktive Lungenerkrankung vor. Seine Lungen- und Bronchienprobleme
manifestierten sich insbesondere als permanente und erhebliche asthmatische
Beeinträchtigung auch auf der Basis einer Allergie gegenüber Hausstaub und Birkenpollen.
Seine chronischen Erkrankungen hätten darüber hinaus zu einer Immunschwäche geführt.
Seit 1993 leide er an rezidivierender Urolithiasis. Im Jahr 2006 seien zudem ein Diabetes
mellitus Typ 2 sowie ein Prostatakarzinom diagnostiziert worden. Letzteres sei
schulmedizinisch behandelt worden. Ungeachtet der nebenwirkungsfreien Situation zeichne
sich ein Rezidiv des Karzinoms ab. Auf ärztlichen Rat hin habe er die Behandlung mit den in
der Beihilfe unberücksichtigt gebliebenen Medikamenten aufgenommen. In der
Naturmedizin würden die Mittel ausdrücklich als Ergänzung einer schulmedizinischen
Behandlung empfohlen. Ausdrücklich werde darauf hingewiesen, dass es aus medizinischer
Sicht ein Kunstfehler sei, Krebspatienten nicht ergänzend einer biologischen Behandlung zu
unterziehen. Durch die erfolgte Behandlung solle eine Ausbreitung des Krebses verhindert
werden.
Der vom Beklagten hierzu um Stellungnahme gebetene Amtsarzt teilte demgegenüber mit,
bei den dem Kläger verordneten Mitteln handele es sich nicht um wissenschaftlich
allgemein anerkannte Arzneimittel. Der Nachweis einer Wirksamkeit habe nicht erbracht
werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2009 wurden die Widersprüche des Klägers
zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 6 der
Beihilfeverordnung (BhVO) seien aus Anlass einer Krankheit die notwendigen
Aufwendungen für Arzneimittel in angemessenem Umfange grundsätzlich beihilfefähig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30.05.1996 - 2 C
5.95) sei dabei von einem engen Arzneimittelbegriff auszugehen, der nur die unmittelbar
der Wiederherstellung der Gesundheit oder der Besserung und Linderung einer Krankheit
dienenden Mittel umfasse. Das Ministerium für Inneres und Sport könne gemäß § 5 Abs. 2
a BhVO Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden sowie Materialien, Arznei- und Verbandmittel von der
Beihilfefähigkeit ausnehmen. Bei der Prüfung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für
Arzneimittel seien die hierzu ergangenen Richtlinien zu § 5 Abs. 2 Buchst, a BhVO
betreffend die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte
Behandlungsmethoden und Mittel vom 15.04.2003 (GMBI. Saar S. 259), jetzt Anlage 2 zur
BhVO, zu beachten. In Nr. 4 dieser Richtlinien werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
für Mittel, die entweder keine Arzneimittel seien oder deren Wirksamkeit aus
therapeutischer Sicht nicht anerkannt sei, keine Beihilfe gewährt werde. Dabei seien die
Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung
(Arzneimittel-Richtlinien) des Gemeinsamen Bundesausschusses entsprechend
anzuwenden. Mittel, die im Allgemeinen nur vorbeugend, unterstützend oder wegen ihrer
allgemeinen gesundheitsfördernden Wirkung verabreicht würden, seien grundsätzlich nicht
als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne anzusehen. Bei dem für die Ehefrau des Klägers
verordneten Mittel "Kelofibrase" handele es sich um ein Hautpflegemittel zur medizinischen
Körperpflege. Derartige Mittel seien nach Nr. 23 der Anlage III zu den Arzneimittelrichtlinien
nicht beihilfefähig. Auch bei den dem Kläger selbst verordneten Mitteln "NeyDil 66, NeySol L
66 und Horvi-Enzym C 300" handele es sich nach Auskunft des Amtsarztes nicht um
wissenschaftlich allgemein anerkannte Arzneimittel.
Mit am 29.06.2009 bei Gericht eingegangenem Schreiben hat der Kläger Klage erhoben,
mit der er sich zunächst gegen die Ablehnung seiner Beihilfebegehren insgesamt gewandt
hat.
Mit Schriftsatz vom 10.09.2009 hat der Kläger erklärt, er nehme seine Klage zurück,
soweit Beihilfe für Kelofibrase Sandoz (9,95 Euro und 31,90 Euro) geltend gemacht
worden sei.
Hinsichtlich der im Übrigen aufrecht erhaltenen Klage trägt der Kläger zur Begründung vor,
die Medikamente NeyDil 66 und NeySol L 66 seien ihm von dem Facharzt für Innere
Medizin J.B., A-Stadt, verordnet worden, nachdem die schulmedizinische Behandlung seines
Prostatakarzinoms lediglich einen vorübergehenden Erfolg gebracht habe. Der sogenannte
PSA-Wert steige bei ihm beständig an. Mit Rücksicht auf diesen Umstand sei es entgegen
der offenbar vom Amtsarzt vertretenen Auffassung dringend erforderlich, die
schulmedizinische Behandlung durch die streitgegenständlichen Mittel zu ergänzen. Dies
habe bislang auch Erfolg gehabt, da die Entstehung von Metastasen habe verhindert
werden können. Infolge seiner Immunschwäche und die hierdurch verursachten
chronischen Erkrankungen sei auch der Einsatz von Horvi-Enzym C 300, eines Mittels zur
Stärkung des Immunsystems, dringend erforderlich. Er erfülle auch die in Nr. 4.2 der
Richtlinie zu § 5 Abs. 2 a) BhVO genannten Ausnahmevoraussetzungen. Ein schwerer,
lebensbedrohender Fall liege bei ihm vor, da er an einem Prostatakarzinom erkrankt sei.
Die entsprechende Behandlung mit "wissenschaftlich anerkannten" Arzneimitteln der
Schulmedizin habe keinen dauerhaften Erfolg gehabt. Auch seien ihm die
streitgegenständlichen Mittel von einem Arzt verordnet worden. Zwar habe der Amtsarzt
die Mittel nicht für dringend erforderlich gehalten. Diese Beurteilung sei jedoch nicht haltbar.
Der Beklagte könne sich nicht auf die von ihm zitierte Richtlinie berufen, wenn die darin
erwähnte Stellungnahme des Amtsarztes nicht zutreffend sei. Er bestreite die Auffassung
des Amtsarztes, es handele sich bei den streitgegenständlichen Mitteln nicht um
wissenschaftlich allgemein anerkannte Arzneimittel, weil der Nachweis einer Wirksamkeit
nicht habe erbracht werden können. Für die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Mittel
spreche vielmehr, dass sie bei ihm sehr wohl die Entstehung von Metastasen bisher
verhindert hätten. Der Amtsarzt habe auch keinerlei individuelle Untersuchung
durchgeführt, sondern allein nach Aktenlage geurteilt. Dies sei schon vom Grundsatz her zu
beanstanden. Im Übrigen habe der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23.06.1993 -
Aktenzeichen IV ZR 135/92 - (= BGHZ 123, 83 - 92 = NJW 1993, 2369 - 2371) eine
Klausel in allgemeinen Versicherungsbedingungen eines privaten Krankenversicherers für
unwirksam erklärt, die besagt habe, dass keine Leistungspflicht bestehe "für
wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden
und Arzneimittel". Zwar handele es sich um eine Entscheidung für den Bereich der privaten
Krankenversicherung. Deren Grundgedanken ließen sich jedoch ohne weiteres auch auf den
Bereich des Beihilferechts übertragen. Daher müsse auch die Rechtswirksamkeit der vom
Beklagten angeführten Richtlinie in Zweifel gezogen werden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Abänderung der
Beihilfebescheide vom 12.09.2008 und vom 17.11.2008 sowie des
Widerspruchsbescheides vom 03.06.2009 zu verpflichten, ihm zu
den Aufwendungen für die Medikamente NeyDil 66, NeySol L 66 und
Horvi-Enzym C 300 Beihilfe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an den ergangenen Bescheiden aus den darin aufgeführten Gründen fest.
Ergänzend trägt er vor, die Voraussetzungen für die Anerkennung wissenschaftlich nicht
anerkannter Mittel seien in der Richtlinie zu § 5 Abs. 2 Buchstabe a BhVO geregelt. Nach
der Nr. 4.2 müsse es sich um einen schweren lebensbedrohenden Fall handeln, das Mittel
müsse von einem Arzt verordnet werden, eine vorhergehende Behandlung mit
wissenschaftlich anerkannten Arzneimitteln müsse ohne Erfolg geblieben sein und der
Amtsarzt müsse das Mittel für dringend erforderlich halten. Die genannten
Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssten, seien im Falle des Klägers nicht alle
erfüllt. Es fehle jedenfalls an zwei Voraussetzungen: Das dringende Erfordernis sei vom
Amtsarzt nicht bestätigt worden. Ebenso fehle der Nachweis, dass eine vorangegangene
Behandlung mit wissenschaftlich anerkannten Arzneimitteln keinen Erfolg gebracht habe.
Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23.02.2010 ergangenem Beweisbeschluss in
der Fassung des Beschlusses vom 22.03.2010 hat die Kammer durch Einholung eines
medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis erhoben zu folgenden Fragen:
1.) Handelt es sich bei den dem Kläger ärztlich verordneten Mitteln
NeyDil 66, NeySol L 66 und Horvi-Enzym C 300 um Arzneimittel,
deren Wirksamkeit im Rahmen der Behandlung der beim Kläger
vorliegenden Erkrankungen aus therapeutischer Sicht
allgemein
2.) Für den Fall, dass die Frage zu 1.) verneint wird:
Besteht nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft Aussicht auf
Anerkennung der unter 1.) genannten Behandlungsmethode als in
Fällen der vorliegenden Art indiziert, was voraussetzt, dass bereits
wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse
vorliegen, die attestieren, dass die Methode zur Heilung der Krankheit
oder zur Linderung der Leidensfolgen geeignet ist und wirksam
eingesetzt werden kann?
3.) Für den Fall, dass die Frage zu 2.) bejaht wird:
a. Ist die Erkrankung des Klägers als schwer und lebensbedrohend
einzustufen und war sie dies gegebenenfalls bereits zum Zeitpunkt
des Entstehens der Aufwendungen im zweiten Halbjahr 2008?
b. Sind gegebenenfalls beim Kläger die Möglichkeiten einer
Behandlung der lebensbedrohenden Erkrankung mittels
wissenschaftlich allgemein anerkannter Methoden ohne Erfolg
ausgeschöpft und waren sie dies gegebenenfalls bereits zum
Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen im zweiten Halbjahr
2008?
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des fachurologischen
Gutachtens des Dr. med. M. vom 07.04.2010 und des Ergänzungsgutachtens desselben
vom 02.06.2010 Bezug genommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet und
ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 87 a Abs. 2
und 3 VwGO erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Hefter); der Gegenstand
der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2010 sowie der weiteren
Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Über die Klage konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne
weitere mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter. § 6
Abs. 2 VwGO steht der Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 87 a Abs. 2 und 3
VwGO angesichts der Wesensverschiedenheit beider Verfahrensvorschriften, insbesondere
mit Blick auf das in § 87 a Abs. 2 VwGO vorausgesetzte und hier ausdrücklich erklärte
Einverständnis der Beteiligten, nicht entgegen.
Soweit der Kläger seine ursprünglich auch auf Beihilfegewährung zu den Aufwendungen
seiner Ehefrau für das Mittel Kelofibrase Sandoz gerichtete Klage zurückgenommen hat,
war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die im Übrigen, das heißt hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen des Klägers
für die Mittel NeyDil 66, NeySol L 66 und Horvi-Enzym C 300, aufrecht erhaltene Klage ist
als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alternative 2 VwGO statthaft und auch im
Übrigen zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte
Beihilfegewährung. Die diesen Anspruch verneinenden angefochtenen Bescheide sind
rechtlich nicht zu beanstanden und verletzen den Kläger somit nicht in seinen Rechten, so
dass die beantragte Verpflichtung des Beklagten nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht in
Betracht kommt.
Auszugehen ist zunächst davon, dass die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung eines in
Anwendung der Beihilfevorschriften erlassenen Verwaltungsaktes sich allein darauf
erstreckt, ob dieser mit den Vorschriften selbst in Einklang steht und ob sich die
Beihilfevorschriften in ihrer Anwendung auf den konkreten Einzelfall in den Grenzen des
dem Dienstherrn eingeräumten Konkretisierungsermessens halten, insbesondere ob eine
Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen mit der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn und dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist
(vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20.08.1969 – VI C 130.67 –,
BVerwGE 32, 352).
Abzustellen ist hinsichtlich der Vereinbarkeit der angegriffenen Bescheide mit den
Beihilfevorschriften auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der
Aufwendungen, für die eine Beihilfe begehrt wird
(vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 – 2 C 35.04 –, ZBR 2006,
195; stdg. Rspr. der Kammer, s. z.B. Urteil der Kammer vom
10.06.2008 – 3 K 31/08),
also auf § 98 SBG a.F. (jetzt § 67 SBG F. vom 11. März 2009) i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 6,
Abs. 2 Buchstabe a) BhVO (F. 2006). Beihilfefähig sind – soweit hier von Belang – nach § 5
Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 BhVO u.a. die vom Arzt nach Art und Umfang schriftlich verordneten
Arzneimittel abzüglich der in den Buchstaben a) bis c) aufgeführten Eigenanteile.
Insoweit geht die Kammer in ihrer Rechtsprechung von einem engen Arzneimittelbegriff
aus
(s. zuletzt Urteil der Kammer vom 25.08.2009 – 3 K 347/09 –),
weshalb für die Mittel Horvi-Enzym C 300 und NeySol L 66, die beide nicht in der so
genannten Roten Liste aufgeführt sind, bereits fraglich ist, ob es sich überhaupt um
Arzneimittel im Sinne der zitierten Vorschrift handelt. Ist dies nicht der Fall, so scheidet eine
Beihilfefähigkeit bereits nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 BhVO aus. Ney Tumorin Sol 66 und
Horvi C 300 sind allerdings in der „Grauen Liste“ der Homöopathischen Arzneimittel
aufgeführt, in der nach eigenen Angaben des Herausgebers keine Nichtarzneimittel erfasst
sind.
Dessen ungeachtet schließt § 5 Abs. 2 Buchstabe a) BhVO die Beihilfefähigkeit der
streitgegenständlichen Mittel aus. Danach kann das Ministerium für Inneres die
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie Materialien, Arznei- und Verbandmittel
ganz oder teilweise von einer vorherigen Anerkennung abhängig machen, begrenzen oder
ausschließen. Nach Nr. 1 der hierzu ergangenen Richtlinien vom 15.04.2003 setzt die
Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine Heilbehandlung oder ein Mittel voraus,
dass die Wirksamkeit der Heilbehandlung oder des Mittels aus therapeutischer Sicht von
der medizinischen Wissenschaft allgemein anerkannt und durch Erfahrung erprobt ist;
Mittel, deren Wirksamkeit aus therapeutischer Sicht nicht anerkannt ist, sind daher gemäß
Nr. 4.1 der Richtlinien zu § 5 Abs. 2 Buchstabe a BhVO regelmäßig nicht beihilfefähig.
In der vom Beklagten eingeholten amtsärztlichen Stellungnahme heißt es hinsichtlich der
Mittel NeyDil 66 und NeySol L 66 lapidar, es handele sich nicht um Arzneimittel, deren
Wirksamkeit wissenschaftlich allgemein anerkannt sei. Zu dem Mittel Horvi-Enzym gibt die
Stellungnahme keine Auskunft.
Aus dem vor diesem Hintergrund von der Kammer eingeholten Sachverständigengutachten
des Leiters der urologischen Klinik am W.Klinikum B-Stadt, Dr. med. M., vom 07.04.2010,
ergänzt durch die gutachterliche Stellungnahme vom 02.06.2010, ergibt sich indes zur
Überzeugung des erkennenden Gerichts, dass die genannten Mittel als Therapeutika
wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt sind. Im Gutachten vom 07.04.2010 heißt es
hierzu eindeutig: „Bei diesen Präparaten handelt es sich um homöopathische Arzneimittel,
deren Wirksamkeit nicht eindeutig wissenschaftlich belegt ist. NeyDil 66 und NeySol L 66
entsprechen dem ehemaligen Ney-Tumorin Präparat und gehören zu der Gruppe der
Revitorgan-Präparate. Diese sind z.B. in der 'Negativliste, Bundesanzeiger Nr. 170 vom
11.9.2002, Köln' aufgeführt. Diese Präparate gehören somit nicht zu den wissenschaftlich
allgemein anerkannten Therapeutika.“ Ergänzend hierzu führt der Gutachter in seiner
Stellungnahme vom 02.06.2010 aus: „Die in der Antwort zur Frage 1 aufgeführte
Negativliste wird vom gemeinsamen Bundesausschuss aufgestellt. Nach § 34, Absatz 3
SGB V dürfen unwirtschaftliche Arzneimittel nicht durch die gesetzlichen Krankenkassen
erstattet werden. Als unwirtschaftlich gelten Arzneimittel, deren therapeutischer Nutzen
nicht nachgewiesen ist. Der gemeinsame Bundesausschuss erstellte eine solche Negativ-
Liste auf Grund einschlägiger Beratungsanträge, Anhörungen sowie mit wissenschaftlicher
Unterstützung, z.B. durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen (IQWG). Beim Erstellen der Negativ-Liste erfolgen auch
Literaturrecherchen.“ Entsprechende Literaturstellen sind vom Gutachter angegeben
worden. Die Beantwortung der Beweisfrage durch den Sachverständigen ist damit
eindeutig und wissenschaftlich belegt. Sie entspricht auch den bisherigen Erkenntnissen der
Kammer. Das gilt insbesondere für die weitere Feststellung des Gutachters, „bei
homöopathischen Präparaten“ bestehe „allgemein keine Aussicht, eine therapeutische
Wirksamkeit wissenschaftlich fundiert nachzuweisen“. Die Kammer hat zuletzt in ihrem
Urteil vom 20.04.2010 – 3 K 40/10 –
(Urteil der Kammer vom 20.04.2010 – 3 K 40/10 –, veröffentlicht in
JURIS)
darauf hingewiesen, dass eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode nur dann
vorliegt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der
medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet
erachtet wird
(Urteil der Kammer a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom
18.06.1998 - 2 C 24.97 - zur sog. Autohomologen Immuntherapie,
und unter Hinweis auf das Urteil des BVerwG vom 29.06.1995 - 2 C
15.94 -, DÖV 1996, 37, und den Beschluss desselben vom
15.03.1984 - 2 C 2.83 -, DÖD 1985, 87 = Buchholz 238.927 BVO
NW Nr. 6).
Die Kammer hat hierzu weiter ausgeführt, um "anerkannt" zu sein, müsse einer
Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) -
attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen
geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um "wissenschaftlich"
anerkannt zu sein, müssten Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an
Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen
medizinischen Fachrichtung tätig seien. Um "allgemein" anerkannt zu sein, müsse die
Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen
Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sei eine
Behandlungsmethode dann "wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt", wenn eine
Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen
Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliege oder wenn die überwiegende Mehrheit
der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen
oder jedenfalls gering beurteile
(Urteil der Kammer vom 20.04.2010 – 3 K 40/10 –, a.a.O.).
Gerade in Bezug auf die auch hier angewandte Homöopathie hat die Kammer in der
zitierten Entscheidung klargestellt, dass für die Frage der wissenschaftlichen Anerkennung
nicht allein auf die Therapieform „Homöopathie“ und die auf diesem Gebiet tätigen
Wissenschaftler und Ärzte abgestellt werden darf. Dem Urteil der Kammer vom
20.04.2010 liegt ein Sachverständigengutachten des Chefarztes der Deutschen Klinik für
Naturheilkunde und Präventivmedizin, Krankenhaus A-Stadt, Prof. Dr. med. M.S., vom
10.02.2010 zugrunde, in welchem dieser (anlässlich einer streitgegenständlichen
allgemein zur Homöopathie
dargelegt hat, dass diese „grundsätzlich allen gut abgesicherten Erkenntnissen der
Naturwissenschaften“ widerspreche. Es seien keine grundwissenschaftlichen Daten
bekannt, die für die postulierte Wirksamkeit von Homöopathika einen naturwissenschaftlich
plausiblen Ansatz lieferten. Die Tatsache, dass die Homöopathie in Deutschland als eine
„besondere Therapieform“ im Sinne des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V)
eingestuft werde, sich der deutsche Gesetzgeber im Arzneimittelgesetz zum
„Wissenschaftspluralismus“ der Medizin bekenne und darunter neben der wissenschaftlich
gesicherten Medizin auch die Homöopathie verstehe, besage jedenfalls nicht, dass die
Homöopathie als wissenschaftlich gesichertes Verfahren von der ganz überwiegenden
Mehrzahl der Ärzteschaft anerkannt werde.
Bei NeyDil 66 und NeySol L 66 handelt es sich nach der Feststellung des Sachverständigen
Dr. M. um Nachfolgeprodukte des Mittels NeyTumorin
(so auch Berliner Heilpraktiker Nachrichten Heft 1 März 2005, 47).
Auch in der Rechtsprechung ist die Wirksamkeit dieser Mittel bislang als wissenschaftlich
nicht allgemein anerkannt angesehen worden
(VG Gießen, Urteil vom 19.03.2003 – 8 E 3344/01 –, zitiert nach
JURIS, mit weiteren Nachweisen aus <älterer> Rspr.; LSG München,
Urteil vom11.03.1999 – L 4 KR 4/97, zitiert nach JURIS).
Des gleichen wird dem Mittel Horvi-Enzym die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung
abgesprochen
(s. hierzu die Internet-Seiten http://www.therapeuten.de/
therapien/horvi_enzym_therapie.htm; http://esowatch.com/
ge/index.php?title=Horvi-Enzym-Therapie).
Unter anderem ist eine therapeutische Wirkung von Ney-Tumorin und Horvi-Enzym nach
den Angaben des Tumorzentrums München bei Krebserkrankungen nicht nachgewiesen
(http://tumorzentrum-muenchen.de/fileadmin/manuale/
697_Manual_Maligne_Melanome.pdf).
Von einer allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung der dem Kläger verordneten
streitgegenständlichen Mittel vermag das erkennende Gericht nach alldem nicht
auszugehen.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegt bei ihm auch kein Ausnahmefall vor, der die
Anerkennung seiner Aufwendungen als beihilfefähig angesichts besonderer
Einzelfallumstände rechtfertigen könnte.
Eine Ausnahme von dem Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht anerkannter Methoden und
Mittel ist nach Nr. 4.2 der Richtlinien zu § 5 Abs. 2 Buchstabe a BhVO zuzulassen, wenn in
einem schweren lebensbedrohenden Krankheitsfall das Mittel von einem Arzt verordnet
wurde, der Amts- oder ein von der Festsetzungsstelle bezeichneter Vertrauensarzt die
Anwendung dieses Mittels für dringend erforderlich hält und eine vorangegangene
Behandlung mit wissenschaftlich anerkannten Arzneimitteln keinen Erfolg gebracht hat
(siehe hierzu OVG Saarlouis, Urteil vom 16.01.1996, a.a.O.).
Diese – kumulativ zu erfüllenden (!) – Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht
dargetan. Insbesondere fehlt es auch unter Berücksichtigung des Klagevortrages an einer
auf die Lebensbedrohlichkeit der vom Kläger geschilderten Erkrankung gestützten
Befürwortung der Außenseitermethode als dringend erforderlich durch den Amts- oder
Vertrauensarzt.
Die geltenden Beihilfevorschriften schließen die Gewährung einer Beihilfe zu den vom Kläger
aufgewendeten Kosten demnach aus.
Die Anwendung der genannten Beihilfevorschriften hält sich auch innerhalb der Grenzen
des dem Dienstherrn eingeräumten Konkretisierungsermessens und ist insbesondere mit
der Fürsorgepflicht des Dienstherrn vereinbar
(vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 03.03.1989 – 2 NB 1.88 –, ZBR
1989, 244; Urteil vom 29.08.1996 – 2 C 2.95 –, NWVBl. 1997, 136,
137, 138 und zuletzt Urteil vom 10.6.1999 – 2 C 29.98 –, zitiert
nach JURIS).
Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht
anerkannte Behandlungsmethoden ist – entgegen der Auffassung des Klägers, der insoweit
auf eine Entscheidung des BGH zum Recht der privaten Krankenversicherung verweist, der
ein gänzlich anderes Leistungssystem zugrunde liegt, – grundsätzlich mit der durch Art. 33
Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie für den Bereich der
Krankenvorsorge durch die Beihilferegelungen konkretisiert wird, vereinbar
(zuletzt Urteil der Kammer vom 20.04.2010 – 3 K 40/10 –, a.a.O.
mit weiteren Nachweisen).
Hinsichtlich der Beihilferegelungen im Einzelnen steht dem Normgeber bzw. Dienstherrn in
Bund und Ländern ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung, innerhalb dessen er die
Voraussetzungen, den Umfang sowie die Art und Weise dieser speziellen Fürsorge
bestimmen kann. Von Verfassungs wegen fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich
jeglicher aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen entstandener Aufwendungen
und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang
(ständige Rechtsprechung - vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom
13.11.1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89 <100f.> = NJW 1991,
743; BVerwG, Urteil vom 08.06.1980 - 6 C 19/79 -, BVerwGE 60,
212 <219> = DÖV 1981, S. 101; Beschluss vom 03.03.1989 - 2
NB 1.88 –, Buchholz 271 Nr. 6 und Urteil vom 03.07.2003 – 2 C
36.02 -, DVBl 2003, 1554 = NJW 2004, 308; OVG Saarlouis, Urteil
vom 16.01.1996 - 1 R 19/93 -).
Insbesondere ist die Fürsorgepflicht nicht durch die vorgesehene Begrenzung der Beihilfe
auf Aufwendungen verletzt, die dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach
angemessen sind. Zwar wird bei der Prüfung der Notwendigkeit regelmäßig der Beurteilung
des Arztes zu folgen sein
(BVerwG, Urteil vom 28.11.1963 - 8 C 72.63 -, Buchholz 238.91 Nr.
2).
Eine Ausnahme hierfür gilt jedoch für wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethoden. Die
Gewährung von Beihilfen, die aus allgemeinen Steuergeldern finanziert werden, gründet
nämlich auf der Erwartung, dass die Heilbehandlung zweckmäßig ist und hinreichende
Gewähr für eine möglichst rasche und sichere Therapie bietet. Aus der Sicht des
Dienstherrn ist es deshalb nicht ohne Belang, ob die von ihm (mit-)finanzierte Behandlung
Erfolg verspricht oder nicht. Dass das öffentliche Interesse an einer effektiven und
sparsamen Verwendung von Steuergeldern eine Begrenzung der Beihilfe auf
erfolgversprechende Behandlung zulässt, ist schon frühzeitig von der Rechtsprechung
anerkannt worden
(vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1960, Autovaccine-Behandlung 1961
BeihilfeGr Nr. 4; BVerwG, Urteil vom 28.11.1963 - 8 C 72.63 -,
Buchholz 238.91 Nr. 2).
Allerdings kann das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot, eine Beihilfe zu "dem Grunde
nach" notwendigen Aufwendungen zu leisten, den Dienstherrn in Ausnahmefällen auch
dazu verpflichten, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten
Behandlungsmethode nach den jeweiligen Bemessungssätzen zu erstatten. Diese
Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode
für die Behandlung einer bestimmten Krankheit - z.B. unbekannter Genese - noch nicht
herausgebildet hat, wenn im Einzelfall - z.B. wegen einer Gegenindikation - das anerkannte
Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg
eingesetzt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster
Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen
aber nach ernst zu nehmender
Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten.
Stehen wissenschaftlich allgemein nicht anerkannte Methoden zur Behandlung einer
Erkrankung oder zur Linderung von Leidensfolgen nicht zur Verfügung, können auch
Aufwendungen für sogenannte "Außenseitermethoden" notwendig und angemessen und
wenn die Aussicht besteht, dass eine solche
Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend
dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich anerkannt
werden kann
(Urteil der Kammer vom 20.04.2010 – 3 K 40/10 –, a.a.O. unter
Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 18.06.1998, a.a.O.; ähnlich bereits
OVG Saarlouis, Urteil vom 16.01.1996, a.a.O.).
Auch bei Anlegung dieser Maßstäbe steht dem Kläger der geltend gemachte
Beihilfeanspruch nicht zu, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht absehbar ist,
dass die Therapie mit den verordneten Mitteln in absehbarer Zeit wissenschaftliche
Anerkennung finden wird und etablierte konservative Therapieformen zur Behandlung des
Krankheitsbildes zur Verfügung stehen. Die Frage nach einer Aussicht auf wissenschaftliche
Anerkennung der streitgegenständlichen Mittel wird im Sachverständigengutachten vom
Anerkennung der streitgegenständlichen Mittel wird im Sachverständigengutachten vom
07.04.2010 und der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 02.06.2010
eindeutig verneint. In der letztgenannten Stellungnahme heißt es hierzu:
„Die Frage, ob nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft die
Aussicht auf eine Anerkennung der unter 1. genannten
Behandlungsmethode besteht, kann bereits mit dem Hinweis auf die
Negativ-Liste und die damit verbundenen Recherchen beantwortet
werden. Zusätzlich wurden zur Beantwortung der Frage die
klassischen internet-gestützten Recherchemöglichkeiten genutzt.
Hierzu wurde „PubMed“ und somit der Zugang zu den
Recherchemöglichkeiten der „MEDLINE“ genutzt, der Datenbank des
US-amerikanischen national centre of biotechnical information. Eine
weitere Anfrage wurde an das DIMDI (Deutsches Institut für Med.
Dokumentation und Information) gestellt. Sowohl die eigenen
Literaturrecherchen als auch die Anfrage an das DIMDI haben
keinerlei fundierte wissenschaftliche Arbeiten hervorbringen können,
die eine Wirksamkeit und damit einen therapeutischen Nutzen der
angesprochenen homöopathischen Mittel beweisen. Es fanden sich
hier lediglich zwei Kasuistiken, die sich auf Herzmuskelerkrankungen
bezogen. Die einzige relevante Literaturstelle fand sich in der
Zeitschrift „The Lancet“ mit einer Übersichtsarbeit über die Wirkung
von Homöopathika (The Lancet, Volume 366, Issue 9487, Seite 726
bis 732, 27. Aug. 2005. …“ In der Schlussfolgerung dieser Arbeit, so
das Ergänzungsgutachten vom 02.06.2010 weiter, sei nachzulesen,
dass klinische Effekte der Homöopathie sich auf Placeboeffekte
beschränkten. Somit bestehe „keine Aussicht, eine therapeutische
Wirksamkeit von homöopathischen Präparaten wissenschaftlich
fundiert nachzuweisen.“
Ausgehend von diesen nach Auffassung des erkennenden Gerichts überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. M. ist auch für eine ausnahmsweise
Beihilfegewährung im Falle des Klägers kein Raum.
Die Versagung von Beihilfe erscheint auch mit Blick auf die Höhe der Kosten der
verordneten Mittel nicht fürsorgepflichtwidrig. Die Beihilfe ist ihrem Wesen nach eine
Hilfeleistung, die zu der zumutbaren Eigenvorsorge des Beamten in angemessenem
Umfang hinzutritt, um ihm seine wirtschaftliche Lage in einer der Fürsorgepflicht
entsprechenden Weise durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Dabei
ergänzt die Beihilfe nach der ihr zugrunde liegenden Konzeption lediglich die Alimentation
des Beamten. Die Beihilfe muss allein sicherstellen, dass der Beamte in den genannten
Fällen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die für ihn unabwendbar sind
und denen er sich nicht entziehen kann
(BVerfG, Beschluss vom 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89
<100f.> = NJW 1991, 743; Beschluss vom 16.09.1992 - 2 BvR
1161/89 u.a. - NVwZ 1993, 560 = DÖD 1993, 233; Urteil der
Kammer vom 30.11.1998 - 3 K 260/96 - m.w.Nw.).
Diese Voraussetzungen liegen aufgrund der oben im einzelnen abgehandelten
Rechtsprechung des BVerwG zur Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für wissenschaftlich
nicht anerkannte Behandlungsmethoden unabhängig von der Beihilfehöhe nicht vor, weil es
sich bei den geltend gemachten Aufwendungen nicht um solche handelt, die für (hier:) den
Kläger unabwendbar waren und denen er sich nicht entziehen konnte.
Nach allem war die Klage, soweit der Kläger sie aufrecht erhalten hat, abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass (vgl. § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).
Beschluss
1.100,00 Euro