Urteil des VG Saarlouis vom 05.05.2010

VG Saarlouis: körperliche unversehrtheit, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, recht auf leben, gerichtshof für menschenrechte, windkraftanlage, gemeinde, privates interesse

VG Saarlouis Beschluß vom 5.5.2010, 5 L 217/10
Einstweiliger Rechtsschutz eines Nachbarn gegen den vom VG angeordneten Sofortvollzug
einer BImSchG-Genehmigung für eine Windkraftanlage
Leitsätze
1. Gewährt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung Nachbarn einen höheren Schutz
als ihn die TA Lärm gewährt, macht die Anfechtung der Genehmigung mit der Begründung
keinen Sinn, das gewährte Schutzniveau sei nicht einzuhalten.
2. Grundsätzliche Bedenken des Nachbarn gegen die Anwendung der TA Lärm auf
Windkraftanla-gen und gegen die Grundsatzentscheidung des BVerwG im Urteil vom
29.08.2007 - 4 C 2.07 - stellen die Rechtmäßigkeit eines Genehmigungsbescheides nicht
ernsthaft in Frage.
3. In Wohngebieten ist ein Lärmpegel von 45 dB(A) nachts vorübergehend hinnehmbar.
4. Moderne Windenergieanlagen erzeugen keinen im Rechtssinne belästigenden Infraschall.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen
trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz für seinen Widerspruch gegen die
dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und
zum Betrieb einer Windkraftanlage in A-Stadt, für die die Kammer mit Beschlusses vom
24.06.2009 auf der Grundlage von § 80 a Abs. 3 VwGO den Sofortvollzug angeordnet hat.
I.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens in A-Stadt, Ortsteil und Gemarkung …, A-
Straße. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans H. der Gemeinde A-
Stadt, der an dieser Stelle als Art der baulichen Nutzung ein Allgemeines Wohngebiet
festsetzt.
Mit dem Genehmigungsbescheid vom 27.04.2009 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen
die Erlaubnis zur Errichtung und zum Betrieb von einer Windkraftanlage vom Typ Enercon E
53 in A-Stadt, Gemarkung Dirmingen, Flur 27, Flurstück 26, und ersetzte mit dem
Bescheid das von der Gemeinde versagte Einvernehmen. Die Anlage hat eine Nennleistung
von 800 KW, einen Rotordurchmesser von 53 m und eine Nabenhöhe von 73,5 m.
Der Beigeladene hatte bereits im Juli 2003 bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde des
Landkreises Neunkirchen einen Bauvorbescheid zur Errichtung einer Windkraftanlage vom
Typ Vensys 62 (Nabenhöhe 69 m, Rotordurchmesser 62 m, Gesamthöhe 100 m)
beantragt. Dieser Antrag war im Hinblick auf das von der Gemeinde versagte
Einvernehmen abgelehnt worden, auch der Widerspruch hatte keinen Erfolg gehabt. Die auf
die Erteilung des Bauvorbescheides gerichtete Klage wurde mit Urteil vom 30.08.2006 – 5
K 106/04 – im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der Standort befinde sich nicht
innerhalb eines im Landesentwicklungsplan Teilabschnitt Umwelt (LEP Umwelt) vom
13.07.2004 ausgewiesenen Vorranggebietes für Windenergie und der LEP Umwelt schließe
die Zulässigkeit solcher Anlagen außerhalb von Vorranggebieten aus. Auf die vom
Verwaltungsgericht zugelassene Berufung änderte das Oberverwaltungsgericht des
Saarlandes mit Urteil vom 17.01.2008 – 2 R 11/06 - das erstinstanzliche Urteil ab und
verpflichtete die Bauaufsichtsbehörde zur Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zur
Frage des Nichtvorliegens einer Sperrwirkung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für
die Errichtung und den Betrieb der Windkraftanlage.
Der streitige Genehmigungsbescheid vom 27.04.2009 enthält u.a. die
Nebenbestimmungen, dass durch den Betrieb dieser Windkraftanlagen vor den Fenstern
von schutzbedürftigen Räumen am Nachbaranwesen des Antragstellers … inklusive des in
der Schallimmissionsprognose angesetzten Sicherheitszuschlages von 2,5 dB(A) während
der Nachtszeit der nach der TA Lärm ermittelte Immissionspegel von 35 dB(A) nicht
überschritten werden darf. Spätestens sechs Monate nach Inbetriebnahme der
Windkraftanlagen ist durch Messungen einer nach § 26 BImSchG bekanntgegebenen
Messstelle der Nachweis zu führen, dass die Immissionspegel bezogen auf die
schalltechnisch ungünstigste Betriebsart (i.d.R. bei Windgeschwindigkeit 10 m/s in 10 m
Höhe bzw. 95 % Nennleistung) an den genannten Aufpunkten eingehalten werden. Für
diesen Nachweis scheide das mit der Erstellung der Lärmprognose beauftrage
Ingenieurbüro aus.
Mit Antrag vom 28.04.2009 begehrte der Beigeladene vom Antragsgegner die Anordnung
der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides gemäß § 80 a VwGO i.V.m. § 80
Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
Am 15.05.2009 legte die Gemeinde gegen die Genehmigung vom 27.04.2009
Widerspruch ein und kündigte eine Begründung nach erfolgter Akteneinsicht an.
Der Antragsgegner lehnte die Anordnung des Sofortvollzugs mit Bescheid vom 29.05.2009
ab. Auf den Antrag des Beigeladenen ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom
24.06.2009 – 5 L 505/09 – die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides vom
27.04.2009 an: Es könne dahin stehen, ob das vom Beigeladenen geltend gemachte
besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug gegeben ist. Denn jedenfalls dränge sich
das überwiegende (private) Interesse des Beigeladenen geradezu auf. Aufgrund des Urteils
des OVG des Saarlandes vom 21.02.2008 – 2 R 11/06 – stehe rechtskräftig fest, dass für
die Errichtung und den Betrieb der (im Wesentlichen gleichen) Windenergieanlage die
Sperrwirkung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht vorliege. Zu den Gründen der
Gemeinde, das Einvernehmen zu der Anlage zu versagen, habe der Antragsgegner im
Genehmigungsbescheid aller Voraussicht nach zutreffend ausgeführt, dass das
Naturschutzrecht nicht Sache der Gemeinde, sondern der Stelle sei, die das Einvernehmen
nach § 29 Abs. 1 SNG herzustellen und hergestellt habe, das Lärmschutzgutachten in sich
stimmig sei, das Anschließen der Kabeltrasse an das Netz des Energieversorgers nicht zum
bauplanungsrechtlichen Inhalt der Erschließung gehöre und in diesem
Genehmigungsverfahren nicht entscheiden und die wegemäßige Erschließung im
Verständnis von § 35 Abs. 1 BauGB gesichert seien. Die im Verfahren nach § 36 BauGB zu
prüfenden Fragen seien allein bauplanungsrechtlicher Natur. Diese seien im
vorangegangenen Vorbescheidsverfahren geprüft und ein Konflikt sei rechtskräftig verneint
worden. Daraus ergebe sich eine in jeder Hinsicht schwache Rechtsposition der Gemeinde
gegenüber dem zugelassenen Vorhaben. Lege die Gemeinde in einem solchen Falle
Widerspruch gegen die Genehmigung ein, um den Suspensiveffekt herbeizuführen,
begründe bereits der bloße Antrag des Genehmigungsinhabers ein sich aus der ihm
erteilten Genehmigung ergebendes überwiegendes privates Interesse an der Anordnung
des Sofortvollzugs. Erschwerend komme hinzu, dass der Beigeladene bereits erhebliche
Kosten zur Verwirklichung des Vorhabens aufgewendet hat und die ihm aufgrund des EEG
zustehende Mindestvergütung mit jedem Kalenderjahr geringer wird, in dem die Anlage
später in Betrieb genommen wird. Das reiche ohne Weiteres aus, um von einem
überwiegenden Interesse des Genehmigungsinhabers auszugehen, der – worauf
ausdrücklich hinzuweisen sei – im Falle der Ausnutzung des Sofortvollzugs auf eigenes
Risiko handele und folglich auch das Risiko mit einplanen müsse, im äußersten Falle die
errichtete Anlage beseitigen zu müssen.
Die Gemeinde nahm ihren Widerspruch daraufhin zurück.
Am 04.03.2010 erhob der Antragsteller gegen die dem Beigeladenen erteilte
Genehmigung vom 27.04.2009 Widerspruch.
Am 15.03.2010 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Genehmigung beantragt. Zur
Begründung macht er geltend, der Widerspruch sei zulässig, weil ihm die Genehmigung
nicht förmlich bekanntgegeben worden sei und auch keine öffentliche Bekanntmachung
erfolgt sei. Die Entfernung der Windkraftanlage zu seinem Wohnhaus betrage etwa 600 m.
Es sei davon auszugehen, dass die sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebende Grenze
der Zumutbarkeit überschritten werde. Beim Betrieb der Anlage sei der Lärmrichtwert für
die Nachtzeit von 35 dB(A) nicht einzuhalten. Da die Windkraftanlage auf einer Anhöhe
über dem Wohngebiet errichtet werden solle, sei davon auszugehen, dass der Schall
reflektiert werde, was in der Schallprognose aber keine Berücksichtigung gefunden habe.
Mit der gesetzlichen Maßgabe der Abnahmemessung dürfe es nicht sein Bewenden haben.
Vielmehr müssten alle Genehmigungsvoraussetzungen vorab umfassend geprüft werden.
Zu Unrecht sehe der Antragsgegner die Abnahmemessung als Teil des
Genehmigungsverfahrens an. Die Verfahrensweise des Antragsgegners, Höchstgrenzen für
Schallleistungspegel und Höchstwerte für den Nachtimmissionsrichtwert festzulegen,
entspreche nicht der Rechtslage. Vielmehr dürfe die Genehmigung nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst erteilt werden, wenn die der
Bewertung zugrunde liegenden Prognosen „auf der sicheren Seite“ lägen. Das erfordere für
die Genehmigungsbehörde eine umfangreiche Überprüfung der Prognosen und lasse sich
nicht durch die Festlegung von Obergrenzen regulieren. Dass der Antragsgegner derart
intensiv geprüft habe, ergebe sich aus dem Genehmigungsbescheid nicht.
Das gelte auch für die Belastung mit Infraschall (unter 16 bzw. 20 Hz), der bei
Windkraftanlagen durch Wirbelablösungen an den Rotorblattenden, Kanten, Spalten und
Verstrebungen entstehe. Diese Belastung sei bisher von den Windkraftbetreibern und
Verwaltungsbehörden stets in Abrede gestellt worden. Nunmehr liege aber eine
wissenschaftliche Studie des Instituts für Hirnforschung und angewandte Technologie vom
28.10.2005 vor, aus der sich ergebe, dass Windkraftanlagen Infraschall erzeugten, der zu
ernormen körperlichen Belastungen bis hin zu schwersten körperlichen Erkrankungen führe.
Das Robert-Koch-Institut mahne in seiner Empfehlung aus dem Jahre 2007 einen deutlichen
Mangel an umweltmedizinisch orientierten wissenschaftlichen Studien zu tieffrequentem
Schall an, weise aber zugleich darauf hin, dass als gesicherte Krankheitssymptome
Müdigkeit am Morgen, vermehrte Schlafstörungen, Einschlafstörungen und eine subjektive
Verminderung des Konzentrationsvermögens gelten. Bei den bisher üblichen
Messmethoden werde der Schallpegel mit dem A-Bewertungsfilter gemessen, der
tieffrequente Geräusche unterschätze oder überhaupt nicht berücksichtige. Dr. W. aus W.
komme im Gutachten des Instituts für angewandte Hirnforschung und angewandte
Technologie GmbH vom 28.10.2005 aufgrund der Messungen mittels eines quantitativen
EEG bei einer 56 Jahre alten Probantin u.a. zu dem Ergebnis, dass eine subliminale
Beschallung zu Änderungen hirnphysiologischer Prozesse führe, die Deltapower ansteigen
lasse und zu Konzentrationsstörungen, reduzierter mentaler Belastbarkeit, Vigilanzstörung,
Merkfähigkeitsstörung, Panik/Angst, innere Unruhe, Schwindel, Schlafstörung, labile
emotionale Lage und Störung der Exekutivfunktionen Antrieb, Planung, Ordnung und
Initiative führe. Das Robert-Koch-Institut verweise gleichfalls auf entsprechende
Belastungen durch tieffrequente Schallkomponenten insbesondere bei Risikogruppen wie
Kindern, Jugendlichen, Schwangeren, Wöchnerinnen und Kindern in der postnatalen Phase.
In der EWG-Richtlinie 89/391/EWG sei bestimmt, dass schwangere Arbeitnehmerinnen
keine Tätigkeiten verrichten sollten, die zu starker niederfrequenter Vibration führen könne,
da sich hierdurch das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt erhöhen könne. Diese neueren
umweltmedizinischen Erkenntnisse könnte Wissenschaftler wie Bartsch in Jena, Bethke und
Remmers in Oldenburg, Griefahn in Dortmund, Leventhal in England und Schust in Berlin
bestätigen.
Der Antragsgegner habe zudem im Rahmen der gebotenen Abwägung seine – des
Antragstellers – Interessen unzureichend bewertet und die Interessen der Beigeladenen
einseitig in den Vordergrund geschoben. Seine Beeinträchtigung werde zu einer enormen
Wertminderung seines Grundstücks führen, weil Immobilien in der Nähe von
Windkraftanlagen nur schlecht, d.h. zu einem geringen Preis, bzw. gar nicht zu verkaufen
seien. Auch das führe zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Genehmigung. Das
gesetzgeberische Ziel der Erhöhung des Anteils regenerativer Energiequellen an der
Stromerzeugung stelle kein öffentliches Interesse an der Genehmigung der
Windkraftanlage dar. Der Umstand, dass die Einspeisungsvergütung stetig sinke, sei dem
unternehmerischen Risiko der Beigeladenen zuzurechnen, nicht deren besonderem
Interesse an der vorzeitigen Zulassung. Das OVG des Saarlandes habe im Beschluss vom
28.11.1977 – II W 140/77 – ein besonderes Interesse am Sofortvollzug verneint.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die der
Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom
27.04.2009 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Widerspruchs. Zwar sei der Antragsteller am
Genehmigungsverfahren nicht beteiligt und ihm die Genehmigung vom 27.04.2009 auch
nicht zugestellt worden. Allerdings spreche einiges für die Annahme, dass er sein
Widerspruchsrecht verwirkt habe. Mit den Bau- bzw. Erdhubarbeiten sei bereits Anfang Juni
2009 begonnen worden. Insoweit habe er nicht bis zum 04.03.2010 warten dürfen. Zu
diesem Zeitpunkt habe der Beigeladene nicht mehr mit einem Widerspruch rechnen
müssen bzw. darauf vertrauen dürfen, dass kein Rechtsmittel mehr eingelegt werde.
Die Einschätzung des Antragstellers, die Anwendbarkeit der TA Lärm auf
Windenergieanlagen sei zweifelhaft, sei dessen unmaßgebliche persönliche Meinung, die
von den Gerichten nicht geteilt werde. (BVerwG, Urteil vom 29.07.2007 – 4 C 2.07 -) Der
TA Lärm komme als normkonkretierende Verwaltungsvorschrift eine im gerichtlichen
Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die Schallimmissionsprognose der Windtest
Grevenbroich GmbH vom 16.09.2008 sei auf der Grundlage der DIN ISO 9613-2 erstellt
worden und berücksichtige, dass für den Anlagentyp ein Vermessungsbericht für den
leistungsoptimierten Betrieb vorliege. Der höchste Schallleistungspegel sei dort mit 101,0
dB(A) angegeben (worst case). Danach ergebe sich für den Immissionspunkt … ein
Beurteilungspegel von 32,0 dB(A). Unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags von
2,5 dB(A) betrage der Beurteilungspegel für die Nachtzeit 35 dB(A). Der maßgebliche
Immissionsrichtwert für das Anwesen des Antragstellers betrage aufgrund der Festsetzung
des Gebietes im Bebauungsplan als Allgemeines Wohngebiet 40 dB(A). Die Festsetzung
eines Pegels von 35 dB(A) im Genehmigungsbescheid diene dem Schutz der Anwohner. In
jedem Falle liege die Prognose „auf der sicheren Seite“. Sollte sich im Rahmen der
Messung wider Erwarten herausstellen, dass die Prognose unzutreffend sei, stelle eine
Nebenbestimmung sicher, dass die Anlage während der Nachtzeit nicht mehr betrieben
werden dürfe, bis der Nachweis der Einhaltung der festgelegten Immissionsrichtwerte
geführt werde. Der Einwand des Antragstellers, die Abnahmemessung könne nicht Teil des
Genehmigungsverfahrens sein, treffe nicht zu. Die durch Infraschall vom Antragsteller
behaupteten Gefahren bestünden nicht. Eine mögliche Wertminderung seines Anwesens
stehe der Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht entgegen. Insgesamt überwiege das
Interesse des Beigeladenen an der Ausnutzung seiner Genehmigung das gegenläufige
Interesse des Antragstellers, davon vorerst verschont zu bleiben.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
den Antrag zurückzuweisen.
II.
Im Hinblick darauf, dass der Sofortvollzug der dem Beigeladenen erteilten
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht vom Antragsgegner, sondern vom
Verwaltungsgericht angeordnet wurden, ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass der
Antragsteller die Abänderung des Beschlusses vom 24.06.2009 – 5 L 505/09 - begehrt,
mit dem die Kammer auf den Antrag des Beigeladenen den Sofortvollzug der ihm erteilten
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 10.09.2009 angeordnet hat, und zugleich
den Antrag des Beigeladenen zurückzuweisen.
Der Antrag ist nach § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 7 VwGO statthaft, da die Kammer mit
Beschluss vom 24.06.2009 – 5 L 505/09 - die sofortige Vollziehung der Genehmigung
angeordnet hat. Er ist in der Sache aber erfolglos.
Die Kammer hat im Beschluss vom 24.06.2009 – 5 L 505/09 - das überwiegende private
Interesse des Beigeladenen an einer sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung in einer den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1
VwGO genügenden Weise dargelegt.
Bei Vorliegen einer den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechenden
Begründung der Vollzugsanordnung findet keine inhaltliche Rechtmäßigkeitsprüfung der
Vollzugsanordnung, sondern allein eine an dem Ergebnis einer summarischen
Vorausbeurteilung der Hauptsache ausgerichtete Interessenabwägung vom Gericht statt.
Diese am Ergebnis einer summarischen Vorausbeurteilung der Hauptsache ausgerichtete
eigene Interessenabwägung des Gerichts geht zu Lasten des Antragstellers aus.
Nach § 80 a Abs. 3 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die sofortige
Vollziehung eines von einem Dritten angegriffenen Verwaltungsakts anordnen. Im Rahmen
der vom Gericht dabei zu treffenden Abwägung, ob das öffentliche Interesse an der
sofortigen Durchsetzung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung das
entgegenstehende private Interesse des Antragstellers, unter Berücksichtigung von § 80 b
VwGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Rechtsbehelf von der Ausnutzung
der Genehmigung durch die Beigeladene verschont zu bleiben, überwiegt, sind die
Erfolgsaussichten des Widerspruchs zu berücksichtigen. Dabei ist der Sofortvollzug in der
Regel anzuordnen, wenn das Rechtsmittel nach dem derzeitigen Erkenntnisstand
offensichtlich aussichtslos ist; umgekehrt überwiegt bei einer offensichtlichen
Erfolgsaussicht des Widerspruchs das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. (vgl. Kopp,
VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80 Rzn. 152 ff., 158 ff.)
Die Kammer lässt vorliegend offen, ob der Widerspruch des Antragstellers bereits wegen
Verwirkung unzulässig ist. Denn die im Streit befindliche immissionsschutzrechtliche
Genehmigung ist zur Überzeugung der Kammer im Verhältnis zum Antragsteller jedenfalls
offensichtlich rechtmäßig, sodass die Interessenabwägung in jedem Fall zu Lasten des
Antragstellers ausfällt.
Im Falle der Drittanfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist diese
allein
dieses Verfahrens zu vereinbaren ist. Hierbei sind allein diejenigen Vorschriften des
öffentlichen Rechts in den Blick zu nehmen, die durch die angefochtene Genehmigung
berührt werden und gerade den Schutz des konkret um Rechtsschutz nachsuchenden
Dritten bezwecken sollen.
Für die Beurteilung der Verletzung von öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten
durch die staatliche Zulassung eines Vorhabens ist nur der Regelungsinhalt der
Genehmigungsentscheidung und nicht die davon ggf. abweichende Ausführung maßgeblich,
weil der Regelungsinhalt einer Genehmigung immer von einer (technisch) einwandfreien
Ausführung des genehmigten Vorhabens ausgeht. (OVG des Saarlandes, Beschluss vom
23.11.1999 - 2 Q 33/99 -)
Die angefochtene Genehmigung verstößt aller Voraussicht nach im Ergebnis nicht gegen
solche öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch den Schutz des Antragstellers
bezwecken.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten
und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche
Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht
hervorgerufen werden können. Diese Vorschrift hat nachbarschützenden Charakter. Der
Antragsteller wäre deshalb in seinen Rechten verletzt, wenn die der Beigeladenen erteilte
Genehmigung die Anforderungen dieser Vorschrift im Verhältnis zum Antragsteller nicht
hinreichend beachten würde.
Insoweit macht der Antragsteller geltend, es sei zu befürchten, dass die zulässigen
Schallschutzwerte überschritten würden und seine körperliche Unversehrtheit wegen der
drohenden Gesundheitsgefahren durch von der Anlage ausgehenden Infraschall bedroht
werde. Diese Gründe stehen der Zulässigkeit des Vorhabens aller Voraussicht nach nicht
entgegen.
Was die von den Windkraftanlagen verursachten Lärmeinwirkungen auf das Wohnanwesen
des Antragstellers anbelangt, ist die drittschützende Norm des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BImSchG das Maß aller Dinge für den betroffenen Nachbarn. Danach sind
genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur
Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche
Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche
Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden
können.
Als möglicherweise schädliche Umwelteinwirkungen sind gemäß § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG
zunächst die von den Windenergieanlagen ausgehenden Geräusche (Lärmimmissionen) zu
verstehen. Das Ausmaß der Lärmimmissionen, das dem Antragsteller noch zuzumuten ist,
bestimmt sich nach der 6. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum
Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm)
vom 26.08.1998 (GMBl. S. 503). Dabei ist von folgenden Überlegungen auszugehen: Die
Genehmigung für Windenergieanlagen muss zum Schutz der Nachbarn auf einer Prognose
der Immissionsbelastungen beruhen, die „auf der sicheren Seite“ liegt. Sie hat auf den
Betriebszustand der Anlagen mit den höchsten Emissionen abzustellen. Bei sog. pitch-
gesteuerten Anlagen tritt dieser Zustand regelmäßig bei Windgeschwindigkeiten ein, bei
denen die Nennleistung erreicht wird. Der Prognose ist deshalb der mit einem
Sicherheitszuschlag (u.a. wegen möglicher „Serienstreuung“) versehene
Schallleistungspegel zugrunde zu legen, der für die Nennleistung bei einer
Referenzmessung desselben Anlagentyps ermittelt worden ist. Sodann ist in einer
Ausbreitungsrechnung nach der TA Lärm, und zwar zur Vermeidung von Prognosefehlern
tunlichst in den sog. alternativen Verfahren gemäß DIN ISO 9613-2 Abschnitt 7.3.2. zu
ermitteln, ob an den relevanten Immissionsorten der einschlägige Nachwert eingehalten
wird. Ist dies der Fall, muss die Genehmigung grundsätzlich Vorsorge treffen, dass die bei
der Prognose unterstellte Prämisse, aufgrund derer das Fehlen schädlicher
Umwelteinwirkungen angenommen werden konnte, möglichst dauerhaft eingehalten wird.
Hierzu bietet sich die Festschreibung des der Prognose zugrunde gelegten
Schallleistungspegels – d.h. des Schallleistungspegels der Referenzanlage ohne
Sicherheitszuschlag – an. Eine solche Festschreibung ist deshalb sachgerecht, weil ihre
Einhaltung am ehesten im Rahmen der Überwachung überprüfbar ist. Demgegenüber stellt
die Vorgabe, dass ein bestimmter Zielwert am maßgeblichen Immissionsort einzuhalten ist,
für sich genommen nicht hinreichend sicher, dass dort schädliche Umwelteinwirkungen
vermieden werden. (VG des Saarlandes, Beschluss vom 26.05.2006 – 1 F 16/05 – unter
Hinweis auf OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.01.2005 – 8 A 11488/04 -, DÖV, 2005,
615; OVG Münster, Urteil vom 18.11.2002 – 7 A 2127/00 -, NVwZ 2003, 756, sowie
Beschlüsse vom 07.01.2004 – 22 B 1288/03 -, NVwZ-RR 2004, 408, und vom
14.06.2004 – 10 B 2151/03 -, bei juris)
Auf dieser Grundlage ist das Schallgutachten von der Windtest Grevenbroich GmbH vom
16.09.2008 erstellt worden und dementsprechend enthält der angegriffene
Genehmigungsbescheid die Nebenbestimmung B.3, dass die Windkraftanlage so zu
errichten und zu betreiben ist, dass ein Schallleistungspegel von 101,0 dB(A) zuzüglich der
Unsicherheit der Typenmessung und Serienstreuung nicht überschritten wird; nach Ablauf
von jeweils drei Jahren nach Inbetriebnahme ist durch Messung der Nachweis zu führen,
dass dieser Wert nicht überschritten ist.
Die grundsätzlichen Bedenken des Antragstellers gegen die Anwendung der TA Lärm und
der DIN ISO 9613-2 sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides
in Zweifel zu ziehen.
Der TA Lärm vom 29.08.1998 kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten
Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Verständnis von § 3 Abs. 1 BImSchG
konkretisiert, als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift eine im gerichtlichen
Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die TA Lärm ist auch auf
Windenergieanlagen anwendbar. Diese sind Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1
BImSchG. Sie sind im Katalog der in Nr. 1 vom Anwendungsbereich der TA Lärm
ausdrücklich ausgenommenen Anlagenarten nicht aufgeführt. In der Praxis der
Verwaltungsbehörden und der Judikatur der Verwaltungsgerichte und
Oberverwaltungsgerichte wird die generelle Eignung der Regelungen der TA Lärm für die
von Windenergieanlagen verursachten Geräuschimmissionen nicht ernsthaft in Frage
gestellt. (BVerwG, Urteil vom 29.08.2007 – 4 C 2.07 -, BRS 71 Nr. 103 unter Hinweis auf
den Überblick bei Ohms, Immissionsschutz bei Windkraftanlagen, DVBl. 2003, 958)
Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende staatliche Schutzpflicht gebietet nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht, alle nur denkbaren
Schutzmaßnahmen zu treffen. Deren Verletzung kann vielmehr nur festgestellt werden,
wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die
getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene
Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Eine Pflicht des Staates zur
Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen besteht nicht. Die geltenden Grenzwerte
könnten nur dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar ist, dass sie
die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützen. Es ist allein eine politische
Entscheidung des Verordnungsgebers, ob er Vorsorgemaßnahmen in einer solchen
Situation der Ungewissheit sozusagen "ins Blaue hinein" ergreifen will. Dabei ist es Sache
des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln
nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weiter gehende
Schutzmaßnahmen treffen zu können. Demnach bestehen keine gewichtigen
Anhaltspunkte, dass die den Grenzwerten für Hochfrequenzanlagen zu Grunde liegende
Risikoeinschätzung des Verordnungsgebers auf Grund neuer wissenschaftlicher
Erkenntnisse überholt sein könnte. (BVerfG, Beschluss vom 28.02.2002 - 1 BvR 1676/01 -
, BauR 2002, 1222 zur Gefährdung durch Mobilfunksendeanlagen)
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist in Bezug auf das (vergleichbare)
Problem der von einer Mobilfunkanlage ausgehenden Gefahren hochfrequenter Strahlung
zu dem Ergebnis gekommen, dass es in erster Linie Aufgabe der Regierung als
Verordnungsgeber ist, den Stand der Wissenschaft auf internationaler Ebene fortlaufend zu
beobachten und das Gefahrenpotential zu bewerten. Solange ein schlüssiger Nachweis
fehlt, dass die von der Regierung getroffenen Maßnahmen unzulänglich sind, sind die
Gerichte nicht verpflichtet, Beweis über mögliche Gefahren zu erheben. (EGMR,
Zulässigkeitsentscheidung vom 03.07.2007 – Nr. 32.015/02 (Hans Gaida/Deutschland),
NuR 2010, 39)
Eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens kommt im
gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren ohnehin nicht in Betracht. Denn auch wenn in dieser
Verfahrensart der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, hat in aller Regel keine umfassende
Klärung des Sachverhaltes mittels einer förmlichen Beweisaufnahme zu erfolgen. Denn
anders würde das Eilrechtsschutzverfahren zum Hauptsacheverfahren, ohne dass der in
ihm ergehenden Entscheidung eine der Hauptsacheentscheidung vergleichbare
Bindungswirkung zukommt. Das entspricht nicht dem Sinn des auf die Gewährung von
vorläufigem Rechtsschutz abzielenden Eilrechtsschutzverfahrens. (OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 10.11.2006 – 3 W 7/06 -, S. 21)
In Bezug auf die am Wohnhaus des Antragstellers ankommenden Geräuschimmissionen
lässt die Genehmigung nach Nebenbestimmung B.1.d während der Nachtzeit einen
Immissionsrichtwert von 35 dB(A) zu. Dieser Wert entspricht zwar dem
Immissionsrichtwert nach Nummer 6.1 e) der TA Lärm für reine Wohngebiete. Allerdings
ergibt sich aus der Mitteilung der Gemeinde A-Stadt vom 23.06.2008 und aus dem
Lärmgutachten, dass das Anwesen des Antragstellers im Geltungsbereich des
Bebauungsplans „Hirtenwiese“ liegt, der für diesen Bereich ein Allgemeines Wohngebiet
festsetzt. Dementsprechend verlangt die TA Lärm nur die Einhaltung eines
Lärmrichtwertes von 40 dB(A) nachts. Wenn die angegriffene Genehmigung dem
Antragsteller einen höheren Lärmschutz einräumt, macht es indes wenig Sinn, die
Genehmigung deswegen anzugreifen.
Der Antragsgegner hat seine Entscheidung tragend auf die Regelung der Nummer 3.2.1 TA
Lärm gestützt. Danach ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch
Geräusche (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 bis
5 sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die
Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 nicht überschreitet. (Die Absätze 2 bis 5
bestimmen, wann ein Genehmigungsanspruch auch bei Überschreiten der Richtwerte
besteht.)
Nach dem der Genehmigung zugrunde liegenden Schallgutachten beträgt die gerechnete
Gesamtbelastung durch die Windkraftanlage ohne Zu- und Abschläge am IP 5 … 32,0
dB(A). Zu diesem Wert hat das Gutachten einen „Zuschlag im Sinne des oberen
Vertrauensbereichs“ von 3,0 dB(A) aufgrund einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 %
hinzurechnet, sodass sich eine obere Vertrauensbereichsgrenze von 35,0 dB(A) am IP 5
ergibt. Dieser Wert liegt noch im Bereich des nach der Genehmigung zulässigen Wertes
von 35 dB(A) und um 5,0 dB(A) unterhalb des nach der TA Lärm maximal zulässigen
Richtwert von 40 dB(A).
Die grundsätzlichen Bedenken des Antragstellers gegen die Berechnung des
Beurteilungspegels teilt die Kammer nicht. Damit liegt die Lärmprognose für die
Windkraftanlage im Rechtssinne „auf der sicheren Seite“.
Darüber hinaus regelt die Nebenbestimmung B.2, dass spätestens zwölf Monate nach
Inbetriebnahme der Windkraftanlagen durch Messungen einer nach § 26 BImSchG
bekanntgegebenen Messstelle der Nachweis zu führen ist, dass die zuvor genannten
Immissionspegel bezogen auf die schalltechnisch ungünstigste Betriebsart an den
genannten Aufpunkten eingehalten werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 29.08.2007 – 4 C 2.07 – ausgeführt,
dass die im Rahmen einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung auf das betreffende
Gebäude einwirkenden Lärmimmissionen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch
Messung
Genehmigungsverfahren zuzurechnen und nicht als Teil der den Behörden aufgegebenen
Überwachung anzusehen sei. (Deshalb könne in diesem Rahmen der in Nr. 6.9 der TA
Lärm vorgesehene „Messabschlag bei Überwachungsmessungen“ von 3 dB(A) nicht
berücksichtigt werden.) Für die Nachbarklage gegen eine immissionsschutzrechtliche
Genehmigung kann nichts anderes gelten.
Die grundsätzlichen Bedenken des Antragstellers gegen diese Grundsatzentscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts sind nicht ernsthaft geeignet, die Rechtmäßigkeit des
Genehmigungsbescheides in Frage zu stellen.
Wenn sich im Rahmen der Messung herausstellen sollte, dass die Prognose unzutreffend
gewesen sein sollte und die Richtwerte nicht eingehalten werden, erweist sich die
Genehmigung aller Voraussicht nach als rechtswidrig. Denn entgegen den Ausführungen in
der Antragserwiderung trifft die Genehmigung für diesen Fall keine Vorsorge. Sie bestimmt
nicht, dass die Windkraftanlagen in diesem Falle während der Nachtzeit nicht mehr
betrieben werden dürfen, bis der Nachweis geführt ist, dass die festgelegten
Immissionsrichtwerte eingehalten sind.
Damit wird dem Antragsteller zwar in der Tat möglicherweise zugemutet, ein Jahr einen
höheren Lärmpegel hinzunehmen, als ihn die Genehmigung vorschreibt. Allerdings ist ihm
diese rein hypothetische Möglichkeit von Rechts wegen zuzumuten. Denn selbst wenn der
in der Genehmigung festgeschriebene nächtliche Immissionsrichtwert von 35 dB(A)
überschritten würde, wäre ihm aufgrund der Festsetzung des Bereichs als Allgemeines
Wohngebiet im Bebauungsplan von Rechts wegen nicht nur ein Lärmniveau von bis zu 40
dB(A), sondern darüber hinaus vorübergehend zuzumuten, den für Kern-, Dorf- und
Mischgebiete geltenden Beurteilungspegel von 45 dB(A) hinzunehmen. Denn auch in diesen
Gebieten ist Wohnnutzung nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1
BauNVO regelmäßig zulässig. Es ist von daher davon auszugehen, dass die für derartige
Gebiete maßgeblichen Lärmrichtwerte der TA Lärm in Bezug auf die Lärmeinwirkungen ein
Wohnen unter zumutbaren Bedingungen sicherstellen. (OVG des Saarlandes, Beschluss
vom 10.06.2006 – 3 W 7/06 -, S. 24/25 des amtl. Umdrucks)
Zu berücksichtigen ist ferner, dass Nr. 2.3 der TA Lärm für die Ermittlung der
Beurteilungspegel bei bebauten Flächen maßgeblich auf den Immissionsort 0,5 m
außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten
betroffenen schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109, Ausgabe 1989, abstellt, das Ziel
des Lärmschutzes aber grundsätzlich darin besteht, in den Gebäuden eine ungestörte
Kommunikation am Tage und ein ungestörtes Schlafen in der Nacht zu ermöglichen. Nach
dem Stand der Lärmforschung muss zur ungestörten Kommunikation ein
Innengeräuschpegel von 45 dB(A) gewährleistet sein. Ein Innengeräuschpegel von 30 dB(A)
bis 35 dB(A) – gemessen am Ohr des Schläfers – liegt im schlafgünstigen Bereich eines
durchschnittlich Lärmempfindlichen (Ticken einer leisen Uhr: 30 dB(A)). (Fickert/Fieseler,
BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 15 Rdnrn. 15.2, 18.3, 18.4, 19.1 und 19.3) Die Pegeldifferenz
zwischen Innen- und Außengeräusch beträgt bei geöffnetem Fenster bis 10 dB(A), bei
spaltbreit geöffnetem (auf Kipp gestelltem) Fenster bis 15 dB(A) und bei geschlossenem
Einfachfenster ca. 20 bis 25 dB(A). (Fickert/Fieseler, a.a.O., Rdnrn. 15.1 und 19.3) Vor
diesem Hintergrund weist nichts darauf hin, dass ein Beurteilungspegel von 45 dB(A) die
Grenze des von Anwohnern vorübergehend Hinnehmbaren überschreitet. (OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 10.11.2006 – 3 W 7/06 -, S. 25)
Dass die durch die mit der angegriffenen Genehmigung zugelassene Windenergieanlage
diesen Beurteilungspegel übersteigt, erscheint vorliegend ausgeschlossen.
Damit lässt die von der zugelassenen Windkraftanlage ausgehende Lärmbelastung keine
Verletzung öffentlich-rechtlich geschützter Rechte des Antragstellers in den Vordergrund
treten.
Auch der Einwand des Antragstellers gegen die immissionsschutzrechtliche Zulassung der
Windenergieanlage, diese erzeuge eine erhebliche Infraschallgefahr, greift nicht durch. Von
Rechts wegen kann sich der Antragsteller insoweit nur auf eine drohende Verletzung von
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG („Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“)
berufen.
Der Verordnungsgeber hat zur Beurteilung von Gesundheitsgefährdungen durch technische
Anlagen die TA Lärm und die TA Luft erlassen, bei denen es sich um auf wissenschaftlichen
Erkenntnissen beruhende normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften handelt. Daran
gemessen ist die zugelassene Windkraftanlage unbedenklich.
Soweit sich der Antragsteller auf das Gutachten von Dr. W. vom 28.10.2005 stützt, führt
auch das nicht zum Erfolg. In diesem Zusammenhang fällt bereits auf, dass Dr. W. sein
Gutachten mit dem Datum vom 28.10.2005 versehen hat, dieses aber auf einem am
10.11.2005 bei einer Probantin durchgeführten quantitativen EEG beruhen soll. Dass es
sich dabei nicht um wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse handelt, bedarf keiner
weiteren Ausführungen. Zudem hat die Beigeladene zutreffend darauf hingewiesen, dass
der Einfluss von Infraschall auf die menschliche Gesundheit unbestritten sei und mit Nr. 7.3
in der TA-Lärm seine Regelung gefunden habe. Dort heißt es:
7.3 Berücksichtigung tieffrequenter Geräusche
Für Geräusche, die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich unter 90 Hz
besitzen (tieffrequente Geräusche), ist die Frage, ob von ihnen schädliche
Umwelteinwirkungen ausgehen, im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen.
Schädliche Umwelteinwirkungen können insbesondere auftreten, wenn bei deutlich
wahrnehmbaren tieffrequenten Geräuschen in schutzbedürftigen Räumen bei
geschlossenen Fenstern die nach Nummer A.1.5 des Anhangs ermittelte Differenz L
Ceq
-L
Aeq
den Wert 20 dB überschreitet. Hinweise zur Ermittlung und Bewertung tieffrequenter
Geräusche enthält Nummer A.1.5 des Anhangs.
Wenn unter Berücksichtigung von Nummer A.1.5 des Anhangs schädliche
Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche zu erwarten sind, so sind geeignete
Minderungsmaßnahmen zu prüfen. Ihre Durchführung soll ausgesetzt werden, wenn nach
Inbetriebnahme der Anlage auch ohne die Realisierung der Minderungsmaßnahmen keine
tieffrequenten Geräusche auftreten.
Die Rechtsprechung geht übereinstimmend davon aus, dass moderne Windenergieanlagen
Infraschall in einem – im Rechtssinne - belästigenden Ausmaß nicht erzeugen. (vgl. etwa
Urteil der Kammer vom 27.08.2008 – 5 K 5/08 – unter Hinweis u.a. auf OVG Münster
vom 22.05.2006 – 8 B 2122/05 –, juris Rdnr. 20; OVG Lüneburg vom 18.05.2007 – 12
LB 8/07 -, juris Rdnr. 72)
Sollte das Grundstück des Antragstellers durch das Vorhaben der Beigeladenen an Wert
verlieren, ist das vorliegend nicht zu berücksichtigen. Einen allgemeinen Schutz dagegen,
dass durch Vorgänge, die auf einem anderen Grundstück stattfinden und etwa die
bisherige Aussicht in die freie Landschaft durch einen Neubau beseitigt wird, der Wert des
eigenen Grundstücks sinkt, kennt die Rechtsordnung nicht. (BVerfG, Beschluss vom
24.01.2007 – 1 BvR 382/05 -, BRS 71 Nr. 74; vom 26.06.2002 – 1 BvR 558/91 -,
BVerfGE 105, 252 (277); BVerwG, Beschluss vom 17.02.1981 - 4 B 13.81 -, BRS 38 Nr.
183)
Damit ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen
die Genehmigung nach § 80 Abs. 5 VwGO unbegründet und mit der Kostenfolge aus § 154
Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.
Der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO entspricht es, die außergerichtlichen Kosten
des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da dieser einen Antrag gestellt und
damit selbst ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2
GKG. Nach Ziffern 19.2 und 2.2.1 und 2.2.2 des Streitwertkataloges für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit beträgt der Streitwert im Falle der Klage eines drittbetroffenen
Privaten gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung wegen
Eigentumsbeeinträchtigung den Betrag der Wertminderung des Grundstücks, höchstens
50 % des geschätzten Verkehrswertes und wegen sonstiger Beeinträchtigungen (ggf.
zusätzlich zum Betrag der Eigentumsbeeinträchtigung) grundsätzlich 15.000 EUR. Auf
dieser Grundlage hat die Kammer das Interesse eines Nachbarn, der sich gegen eine
Genehmigung für Windkraftanlagen gewandt hat, hauptsache- und grundstücksbezogen
mit 15.000,- EUR bewertet. (Urteil vom 27.08.2008 – 5 K 5/08 -) Dieser Betrag ist nach
Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges bei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu
halbieren.