Urteil des VG Saarlouis vom 08.04.2009

VG Saarlouis: aufgabenbereich, verfügung, beamter, hauptsache, referat, stadt, ermessen, erfüllung, verwaltung, höchstarbeitszeit

VG Saarlouis Beschluß vom 8.4.2009, 2 L 212/09
Änderung des Aufgabenbereichs eines Beamten
Leitsätze
Ein Beamter muss auf sachlichen Gründen beruhende Änderungen seines dienstlichen
Aufgabenbereichs regelmäßig hinnehmen, solange diesem nur ein ein amtsangemessener
Aufgabenbereich verbleibt.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
Der am 16.03.2009 bei Gericht eingegangene, vorrangig auf die vorläufige
Rückgängigmachung der von der Antragsgegnerin mit Verfügungen vom 20.11.2008 und
05.03.2009 ausgesprochenen Änderungen des Aufgabenbereichs des Antragstellers
gerichtete Antrag ist gemäß § 123 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig,
hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach
Abs. 1 Satz 2 dieser Norm sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese
Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile
abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig
erscheint.
Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht
grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem
Umfange, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in
der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte.
Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf
Gewährung effektiven Rechtsschutzes gilt das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme
der Hauptsacheentscheidung jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte vorläufige Regelung
schlechterdings notwendig ist, d.h., wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den
Antragsteller unzumutbar wären und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen
Erfolg auch in der Hauptsache spricht
vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988 – 2 BvR
745/88 -, NJW 1989, 827; ferner Kopp/Schenke, VwGO,
15. Aufl. 2007, § 123 VwGO, Rdnr. 14 m. w. N.
Ob eine solche Vorwegnahme der Hauptsache, die der Antragsteller mit der
Rückgängigmachung der vorgenommenen Änderungen seines Aufgabenbereichs begehrt,
wegen ansonsten drohender unzumutbarer Nachteile ausnahmsweise zulässig wäre, kann
vorliegend dahinstehen. Denn auch ohne Rücksicht hierauf fehlte es jedenfalls an den
erforderlichen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren. Die mit Verfügung der
Antragsgegnerin vom 20.11.2008 mit Wirkung vom 01.12.2008 zusätzlich zu den
bisherigen Aufgaben des Antragstellers erfolgte Übertragung der Dienstaufgaben eines
Stellvertretenden Referenten des Referates 4.5 der Abteilung 4-Leistung erweist sich nach
den Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ebenso wenig wie
die mit Verfügung vom 05.03.2009 weiter ausgesprochene Freistellung des Antragstellers
von seinen bisherigen Aufgaben als Stellvertretender Referent des Referats 4.1 zum
Nachteil des Antragstellers als rechtsfehlerhaft.
Ein Beamter hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte dienstliche
Verwendung bzw. Übertragung bestimmter Dienstaufgaben. Vielmehr muss er
Änderungen seines dienstlichen Aufgabenbereichs durch Umsetzungen oder andere
organisatorische Maßnahmen nach Maßgabe seines Amtes im statusrechtlichen Sinne
regelmäßig hinnehmen. Über die dienstliche Verwendung des Beamten entscheidet der
Dienstherr entsprechend den organisatorischen Erfordernissen des Personaleinsatzes nach
seinem pflichtgemäßen Ermessen. Danach kann der Dienstherr aus jedem sachlichen
Grund den Aufgabenbereich eines Beamten verändern, solange diesem nur ein
amtsangemessener Aufgabenbereich verbleibt. Die Ermessenserwägungen des
Dienstherrn können daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Allgemeinen nur
daraufhin überprüft werden, ob die Gründe des Dienstherrn seiner tatsächlichen
Einschätzung entsprochen haben und nicht nur vorgeschoben sind, um eine in Wahrheit
allein oder maßgebend mit auf anderen Beweggründen beruhende Entscheidung zu
rechtfertigen, oder ob sie aus anderen Gründen willkürlich sind
vgl. zu Vorstehendem BVerwG, Urteile vom 28.11.1991 –
2 C 41/89 -, BVerwGE 89, 199 und vom 22.05.1980,
BVerwGE 60, 144 und Beschluss vom 26.11.2004 – 2 B
72/04 –, Buchholz 235, § 9 BDO Nr. 41, m. w. N.
Gemessen daran halten die mit Verfügungen der Antragsgegnerin vom 20.11.2008 und
05.03.2009 vorgenommenen Änderungen des Dienstaufgabenbereichs des Antragstellers
einer rechtlichen Überprüfung stand.
Die Antragsgegnerin hat die zusätzliche Übertragung der Dienstaufgaben eines
Stellvertretenden Referenten des Referates 4.5 der Abteilung 4-Leistung auf den
Antragsteller zum einen auf die zwingende Verpflichtung zur amtsangemessenen
Beschäftigung des Antragstellers gestützt und zum anderen damit begründet, dass die
nach Besoldungsgruppe A 13 g.D. bewertete Funktion des Stellvertretenden Referenten
des Referats 4.5 der Abteilung 4 durch Ruhestandsversetzung des bisherigen
Dienstinhabers vakant geworden sei. Hierzu hat die Antragsgegnerin im Weiteren
nachvollziehbar dargelegt, dass sich im Laufe des Jahres 2008 herausgestellt habe, dass
seit der Zusammenführung der beiden Auskunfts- und Beratungsdienste der Deutschen
Rentenversicherung Bund in B-Stadt und der Deutschen Rentenversicherung Saarland zu
Beginn des Jahres 2008 im Verwaltungsgebäude der Deutschen Rentenversicherung
Saarland eine amtsangemessene Beschäftigung des Antragstellers mit den ihm bis zu
diesem Zeitpunkt zugewiesenen Aufgaben nicht mehr herzustellen sei, weil mit der
Eingliederung des früheren Beratungsdienstes der Deutschen Rentenversicherung Bund als
Sachgebiet in das Referat 4.1 der Abteilung 4-Leistung viele der früheren Aufgaben des
Antragstellers, insbesondere auch frühere Entscheidungskompetenzen weggefallen seien.
Der Antragsteller habe vor dem 01.01.2008 die Beratungsstelle der Deutschen
Rentenversicherung Bund in B-Stadt, eine weitgehend eigenständige Dienststelle, geleitet.
Viele der Entscheidungen und Befugnisse, die der Antragsteller vorher inne gehabt habe,
seien bei der Deutschen Rentenversicherung Saarland bereits anderen Arbeitseinheiten
übertragen. Zudem sei, nachdem zum 01.01.2009 eine Funktion der Besoldungsstelle A
13 g. D. innerhalb der Abteilung 4-Leistung durch Ruhestandsversetzung des bisherigen
Dienstinhabers vakant geworden sei, im Hinblick auf die zwingenden Sparvorgaben des §
220 SGB VI sowie die daraus resultierenden Sparbeschlüsse des Vorstandes der
Deutschen Rentenversicherung Saarland entschieden worden, diese Aufgaben dem
Antragsteller zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben bis auf Weiteres zu übertragen.
Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die von der Antragsgegnerin für die zusätzliche
Übertragung der Dienstaufgaben eines Stellvertretenden Referenten des Referates 4.5 der
Abteilung 4 auf den Antragsteller angeführten, ersichtlich auf sachgerechten
Gesichtspunkten beruhenden Gründe nicht ihrer tatsächlichen Einschätzung entsprechen,
sondern nur vorgeschoben sind, um eine in Wahrheit auf anderen, nämlich sachfremden
Beweggründen beruhende Entscheidung zu rechtfertigen, bestehen nicht. Dass die
Übertragung der in Rede stehenden Dienstaufgaben auf den Antragsteller nur deshalb
erfolgt wäre, um ihn -wie er meint- zu „bestrafen“, weil er die von der Antragsgegnerin
angeordnete Zeichnungsregelung als überkommen angesehen habe und nicht bereit
gewesen sei, Unterschriften stets unter Verwendung seiner Amtsbezeichnung zu leisten,
ist eine bloße Vermutung, für die der Antragsteller konkrete Tatsachen nicht dargetan,
geschweige denn glaubhaft gemacht hat.
Die Übertragung der Dienstaufgaben eines Stellvertretenden Referenten des Referates 4.5
der Abteilung 4 auf den Antragsteller stellt sich auch nicht etwa deshalb als
ermessensfehlerhaft dar, weil der Antragsteller aufgrund seines bisherigen beruflichen
Werdeganges, insbesondere seiner Ausbildung, seiner Kenntnisse und seinen Erfahrungen
nicht in der Lage wäre, die ihm zusätzlich zugewiesenen Dienstaufgaben ordnungsgemäß
zu erfüllen. Insoweit ist allein entscheidend, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller
aufgrund der von ihm im Rahmen seiner bisherigen dienstlichen Verwendung gezeigten
Leistungen und seines Fachwissens für befähigt hält, die ihm neu übertragenen
Dienstaufgaben nach angemessener Einarbeitung bewältigen zu können. Der Umstand,
dass der Antragsteller sich gleichwohl in den ihm neu zugewiesenen Tätigkeitsbereichen
zunächst einarbeiten und hierfür gegebenenfalls auch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen
in Anspruch nehmen muss, steht dem nicht entgegen. Denn dies bringt die Übertragung
eines neuen Aufgabenbereichs zwangsläufig mit sich und darf von jedem Beamten
grundsätzlich erwartet werden. Da der Beamte im Interesse einer an den Grundsätzen der
Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ausgerichteten effektiven Verwaltung nicht nur für einen
bestimmten Dienstposten, sondern im Hinblick auf die erforderliche vielseitige
Verwendbarkeit, Austauschbarkeit und Mobilität für den gesamten Aufgabenbereich seiner
Laufbahn ausgebildet wird, muss er von vorneherein mit der Möglichkeit einer Änderung
des von ihm bislang wahrgenommenen Aufgabenbereichs oder der Zuweisung neuer
Aufgaben und etwaigen daraus resultierenden Härten und Unannehmlichkeiten rechnen
vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22.05.1980 a. a. O.
Besonderheiten des dem Beamten bisher zugewiesenen Aufgabenbereichs, wie
beispielsweise der Vorgesetzten- oder Leitungsfunktion, Beförderungsmöglichkeiten oder
einem etwaigen gesellschaftlichen Ansehen kommt dabei ebenfalls keine das Ermessen
des Dienstherrn bei der Änderung des Aufgabenbereichs einschränkende Wirkung zu
vgl. BVerwG, Urteil vom 28.11.1991, a.a.O..
Von daher ist es vorliegend auch ohne rechtliche Relevanz, dass der Antragsteller bei seiner
bisherigen Tätigkeit im Wesentlichen Führungsaufgaben wahrgenommen hat.
Soweit der Antragsteller sich mit den ihm bislang zugewiesenen Tätigkeiten für ausgelastet
hält und meint, dass er die ihm zusätzlich übertragenen Dienstaufgaben eines
Stellvertretenden Referenten im Referat 4.5 der Abteilung 4 auch nach angemessener
Einarbeitung zeitlich nicht wird bewältigen können, vermag er damit ebenfalls nicht
durchzudringen. Insofern ist nämlich zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller zur
Einarbeitung in die Aufgaben eines Stellvertretenden Referenten des Referates 4.5 sowohl
für die Tätigkeit eines Referenten als auch für die Tätigkeiten eines Hauptabschnittsleiters
jeweils ein Beamter zugewiesen und er mit der von ihm weiter angegriffenen Verfügung
vom 05.03.2009 zudem von den Aufgaben eines Stellvertretenden Referenten des
Referates 4.1 freigestellt worden ist, um eine Einarbeitung in die Aufgabengebiete des
Stellvertretenden Referenten des Referates 4.5 zu erleichtern, sowie darüber hinaus von
der Vertretungsregelung der Referenten, Stellvertretenden Referenten und
Hauptabschnittsleiter ausgenommen worden ist. Gerade vor dem Hintergrund dieser
zweifelsfrei sachlich gerechtfertigten Maßnahmen ist die Annahme der Antragsgegnerin,
dass eine physische Überforderung des Antragstellers nicht zu befürchten sei, er vielmehr
nach Abschluss der bereits laufenden angemessenen Einarbeitung die ihm neu
übertragenen Dienstaufgaben bewältigen wird können, durchaus nachvollziehbar. Für eine
künftige ordnungsgemäße Wahrnehmung der Dienstaufgaben des Stellvertretenden
Referenten des Referates 4.5 der Abteilung 4 durch den Antragsteller spricht dabei mit
Gewicht auch der von der Antragsgegnerin vorgelegte erste Bericht über den Stand der
bisherigen Einarbeitung des Antragstellers vom 27.02.2009. Darin ist u. a. festgehalten,
dass die mit der Stellvertretenden Referententätigkeit des Referates 4.5 verbundenen
Führungsaufgaben, die nach den Angaben der Antragsgegnerin in gleicher Weise wie bei
der Funktion des Stellvertretenden Referenten des Referates 4.1 wahrzunehmen sind, von
dem Antragsteller eigenverantwortlich ausgeübt werden könnten, und dies ebenso für die
mit der Stelle verbundenen Zeichnungsbefugnisse gelte. Zudem wird die eigenständige
Bearbeitung und Entscheidung der Fallgruppen Vorliegen von Erwerbsminderung,
Altersrenten, Hinterbliebenenrenten, der Fallgruppen des SGB I und SGB X sowie
Festsetzung von Kindererziehungszeiten bereits als denkbar angesehen. Bei diesen
Gegebenheiten unterliegt die vorgenommene Änderung des Aufgabenbereichs des
Antragstellers aber keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Schließlich verfängt auch nicht der Hinweis des Antragstellers darauf, dass ihm die Erfüllung
der dienstlichen Obliegenheiten seines Hauptamtes über die gesetzlich vorgeschriebene
Höchstarbeitszeit hinaus nur aus zwingenden dienstlichen Gründen abverlangt werden
dürfe. Angesichts der mit Verfügung der Antragsgegnerin vom 05.03.2009
vorgenommenen Entlastung des Antragstellers durch die Freistellung von seinen bisherigen
Aufgaben eines Stellvertretenden Referenten 4.1 erweist sich die Behauptung des
Antragstellers, es sei davon auszugehen, dass er durchgehend die vorgeschriebenen
Höchstarbeitszeiten erheblich werde überschreiten müssen, um die anfallenden
Arbeitsaufgaben verantwortlich bewältigen zu können, rein spekulativ.
Soweit der Antragsteller darüber hinaus mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verhindern sucht, dass die Antragsgegnerin den
von ihm bis zum 30.11.2008 inne gehabten Dienstposten neu besetzt, geht dieser Antrag
von vorneherein ins Leere, da die Antragsgegnerin nach ihren keinen Richtigkeitszweifeln
unterliegenden Angaben eine Neubesetzung dieser Funktionsstelle mit einem anderen
Beamten gerade nicht beabsichtigt.
Nach alledem ist der Antrag in vollem Umfange mit der Kostenfolge aus 154 Abs. 1 VwGO
zurückzuweisen.
Beschluss
Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG auf die Hälfte des
Auffangstreitwertes und damit auf 2.500 EUR festgesetzt.