Urteil des VG Potsdam vom 15.03.2017

VG Potsdam: wirtschaftliches interesse, feststellungsklage, vollstreckbarkeit, verfassungsgerichtsbarkeit, zugang, zivilprozessordnung, quelle, verwaltungsgerichtsbarkeit, kontrolle, sammlung

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Gericht:
VG Potsdam 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 K 2634/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 LKreisO BB, § 3 Abs 2
LKreisO BB, § 97 Abs 3 LVerfGG
MV
Anspruch einer Gemeinde auf Schullastenausgleich
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger war im Jahr 2000 Träger von Schulen und Träger der Schülerbeförderung.
Insoweit setzten das Ministerium des Innern und das Ministerium der Finanzen durch
gemeinsamen Bescheid vom 3. April 2000 einen Schullastenausgleich in Höhe von
insgesamt 6.461.174 DM fest.
Der Kläger hat am 12. Dezember 2003 beim Verwaltungsgericht Potsdam Klage mit
dem Ziel erhoben, unter anderem für die Schulträgerschaft und Schülerbeförderung
eine höhere Kostenerstattung zu erreichen (6 K 3940/03). Das vorliegende Verfahren ist
durch Beschluss vom 12. August 2004 abgetrennt worden.
Der Kläger bringt sinngemäß vor: Der Bescheid vom 3. April 2000 stehe in
Übereinstimmung mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2000 (GFG 2000). Ungeachtet
dessen sei dem Kläger in Bezug auf Schulträgerschaft und Schülerbeförderung im Jahr
2000 letztlich eine Deckungslücke in Höhe von insgesamt 14.349.427,04 DM verblieben.
Dies verstoße gegen Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Verfassung des Landes
Brandenburg (LV) und gegen § 3 Abs. 1 und 2 der Landkreisordnung (LKrO). Der Verstoß
müsse mangels anderweitiger Rechtschutzmöglichkeiten verwaltungsgerichtlich geltend
gemacht werden können.
Er bringt sinngemäß vor: Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet. Es liege eine
Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art vor. Weiter sei die Feststellungsklage wegen der
Subsidiarität der Feststellungsklage unzulässig. Der Kläger habe es versäumt,
fristgerecht eine Verpflichtungsklage zu erheben. Schließlich sei die Feststellungsklage
unbegründet. Insbesondere verstoße der im Gemeindefinanzierungsgesetz 2000
geregelte Schullastenausgleich nicht gegen Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV, weil es sich
bei den wahrgenommenen Aufgaben nicht um neue Aufgaben im Sinne der
Bestimmung handelte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung seinen bereits schriftsätzlich
angekündigten Antrag gestellt. Dieser bedarf in mehrfacher Hinsicht der Auslegung.
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Der Kläger begehrt nach dem Wortlaut seines Antrages die Feststellung, dass die dem
Gemeindefinanzierungsgesetz 2000 in Bezug auf Schulträgerschaft und
Schülerbeförderung zu Grunde liegende Kostenschätzung als solche keinen
entsprechenden Kostenausgleich gewährt und deshalb gegen Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und
3 LV und § 3 Abs. 1 und 2 LKrO verstößt. Indessen gewährt nicht die Kostenschätzung
als solche, sondern erst die auf ihrer Grundlage erlassene Kostenausgleichsregelung (§
15 GFG 2000) den Kostenausgleich. Mithin ist das Begehren des Klägers zunächst dahin
auszulegen, dass es ihm um die Feststellung eines Verstoßes der
Kostenausgleichsregelung gegen Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV und § 3 Abs. 1 und 2
LKrO geht. Weiter macht der Kläger mit seinem Feststellungsantrag nicht einen, sondern
drei Normverstöße geltend, nämlich erstens, dass die Kostenausgleichsregelung gegen
Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV gerade in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und 2 LKrO verstoße,
zweitens, dass sie gegen Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV verstoße, und drittens, dass sie
gegen § 3 Abs. 1 und 2 LKrO verstoße.
Hiermit kann er indessen nicht durchdringen.
Soweit der Kläger sinngemäß die Feststellung begehrt, dass die im
Gemeindefinanzierungsgesetz 2000 für die Schulträgerschaft und Schülerbeförderung
getroffene Kostenausgleichsregelung gegen Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV in
Verbindung mit § 3 Abs. 1 und 2 LKrO verstößt, ist die Feststellungsklage jedenfalls
unbegründet. Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV einerseits und § 3 Abs. 1 und 2 LKrO
andererseits haben nämlich keinen gerade aus ihrer Verbindung entstehenden
Regelungsgehalt. Vielmehr stehen Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV einerseits und § 3 Abs.
1 und 2 LKrO andererseits nebeneinander.
Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV schreibt für die Fälle, in denen Gemeinden oder
Gemeindeverbände durch oder auf Grund eines Gesetzes zur Erfüllung neuer öffentlicher
Aufgaben verpflichtet werden und in denen dies zu einer finanziellen Mehrbelastung
führt, von Verfassungswegen einen Kostenausgleich nach dem strikten
Konnexitätsprinzip vor. Der Kostenausgleich ist vom Gesetzgeber jeweils im Einzelnen zu
regeln (vgl. mit weiteren Nachweisen: VG Potsdam, Urteil vom 5. März 2008 - 6 K
3940/03 -, den Beteiligten bekannt). Diesen Regelungsauftrag hat der Gesetzgeber nicht
etwa mit § 3 Abs. 1 und 2 LKrO näher konkretisiert oder gar vollständig erfüllt, was zu
einer gemeinsamen Normaussage des Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV einerseits und des
§ 3 LKrO andererseits führen würde. Vielmehr enthält der - deutlich ältere - § 3 LKrO, wie
sich aus dem systematischen Zusammenhang seiner drei Absätze zeigt, seinerseits
einen Regelungsauftrag, der unabhängig von Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV besteht und
in die gleiche Richtung geht wie der Auftrag aus Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV.
Soweit der Kläger sinngemäß die Feststellung begehrt, dass die im
Gemeindefinanzierungsgesetz 2000 für die Schulträgerschaft und die
Schülerbeförderung getroffene Kostenausgleichsregelung gegen Art. 97 Abs. 3 Satz 2
und 3 LV verstößt, ist der Antrag bereits unzulässig. Insoweit liegt eine Streitigkeit
verfassungsrechtlicher Art vor, für die der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1
der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht eröffnet ist. Die prinzipale
Kontrolle förmlicher Gesetze am Maßstab der Verfassung ist den Verfassungsgerichten
vorbehalten (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. November 1988 - 7 C 115.86 -
, BVerwGE 80, 355 <358>). Der Zugang zum Verwaltungsgericht steht dem Kläger hier
auch nicht auf Grund des § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes offen. Die
danach gegebene Verpflichtung, bei einmal gegebener Eröffnung des
Verwaltungsrechtsweges auch über rechtswegfremde Ansprüche mitzuentscheiden,
greift im Verhältnis zur Verfassungsgerichtsbarkeit nicht (vgl. VG Potsdam, a. a. O.).
Soweit der Kläger sinngemäß die Feststellung begehrt, dass die im
Gemeindefinanzierungsgesetz 2000 für die Schulträgerschaft und die
Schülerbeförderung getroffene Kostenausgleichsregelung gegen § 3 Abs. 1 und 2 LKrO
verstößt, ist der Antrag wiederum jedenfalls unbegründet. Die Bestimmung des § 3 LKrO
enthält ausweislich ihres Absatzes 3 einen Regelungsauftrag, für den die Absätze 1 und
2 je nach Fallgestaltung einen unterschiedlichen materiellen Maßstab vorgeben. Weil der
Regelungsauftrag nur einfachgesetzlich besteht, hat sich der (einfache) Gesetzgeber
damit nicht dauerhaft gebunden, sondern kann von ihm abweichen. Das hat für die
Fallgestaltung des § 3 Abs. 1 LKrO bereits das Oberverwaltungsgericht für das Land
Brandenburg entschieden (Urteil vom 19. Mai 2004 - 1 A 707/01 -, juris, Rz. 58 ff.). Dem
schließt sich die Kammer an (vgl. auch VG Potsdam, a. a. O.). Auch für die Fallgestaltung
des § 3 Abs. 2 LKrO gilt nichts anderes. Danach kann indessen ein
Gemeindefinanzierungsgesetz nicht gegen § 3 Abs. 1 und 2 LKrO verstoßen. Vielmehr
sind etwaige Widersprüche insoweit durch Auslegung zu klären, und zwar nach dem
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sind etwaige Widersprüche insoweit durch Auslegung zu klären, und zwar nach dem
Grundsatz, dass das später erlassene Gesetz dem früher erlassenen Gesetz vorgeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 der
Zivilprozessordnung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 in
Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.336.745,55 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes in
der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung. Mit der Klage erstrebt der Kläger
ausdrücklich einen höheren Kostenausgleich für die Wahrnehmung bestimmter
Aufgaben. Sein diesbezügliches wirtschaftliches Interesse ist mangels anderer
Anhaltspunkte mit der vom Kläger behaupteten Deckungslücke gleichzusetzen. Dies
liegt auf der Linie des "Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit", der schon
in seiner bei Klageerhebung aktuellen Fassung empfohlen hat, Feststellungsklagen
ebenso zu bewerten wie auf das gleiche Ziel gerichteten Verpflichtungsklagen (vgl.
NVwZ 1996, 563). Darüber hinaus hat der Kläger einer entsprechenden
Streitwertfestsetzung auch in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen.
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