Urteil des VG Potsdam vom 15.03.2017

VG Potsdam: vertrag zugunsten dritter, beitragssatz, steigerung, aufwand, satzung, bebauungsplan, stadt, geschosszahl, gegenleistung, grundstück

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Gericht:
VG Potsdam 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 K 651/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 GG, § 8 Abs 6 S 1 KAG BB,
§ 8 Abs 6 S 2 KAG BB
Bei Anwendung des Vollgeschossmaßstabes satzungsrechtlich
vorgesehene Steigerung; nachvollziehbare Beitragskalkulation
Leitsatz
1. Eine bei Anwendung des Vollgeschossmaßstabes satzungsrechtlich vorgesehene
Steigerung von 0,75 für eine sechs- und mehrgeschossige Bebaubarkeit gegenüber einer
fünfgeschossigen Bebaubarkeit (von 1,75 auf 2,50) ist bei einem Nutzungsfaktor von 1,00 für
eine eingeschossige, von 1,15 für eine zweigeschossige, von 1,30 für eine dreigeschossige
und von 1,50 für eine viergeschossige Bebaubarkeit ohne besondere sachliche Erwägungen
willkürlich und vorteilswidrig.
2. Zu den Anforderungen an eine nachvollziehbare Beitragskalkulation.
Tenor
Der Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 18. November 2005 in der Fassung des
Klarstellungsverwaltungsaktes vom 8. Dezember 2008 und der Widerspruchsbescheid
vom 6. März 2006 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag für die
Herstellung der öffentlichen Trinkwassereinrichtung.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks M.R. 8 im Ortsteil M. der Stadt Ludwigsfelde,
Flurstück der Flur der Gemarkung M. . Das Grundstück ist 13.990 m² groß und im linken
vorderen straßenseitigen Bereich mit einem vom Kläger selber bewohnten Wohnhaus
nebst Nebenanlagen bebaut.
Der beklagte Zweckverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der nach
seinen satzungsmäßigen Aufgaben in der Gemeinde G. mit Ausnahme des Ortsteils D,
der Stadt L, der Stadt T für die Ortsteile C, G, M-W und T, und der Stadt Z für den Ortsteil
N für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zuständig ist. In
Wahrnehmung dieser Aufgaben hat er in den Jahren 2000 bis 2003 u.a. das Grundstück
des Klägers an die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
angeschlossen.
Mit Bescheid vom 18. November 2005 zog der Beklagte den Kläger auf der Grundlage
des § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) und der
Beitrags-, Gebühren- und Kostenerstattungssatzung des Wasserver- und
Abwasserentsorgungs-Zweckverbandes Region Ludwigsfelde vom 15. Februar 2005
(BGKS) für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage zu
einem Anschlussbeitrag in Höhe von 3.405,30 € heran. Das eingeschossig bebaute
Grundstück des Klägers sei mit einer Fläche von insgesamt 1.640 m² beitragspflichtig.
Der Beitragssatz betrage 1,79 €/m² beitragspflichtiger modifizierter Grundstücksfläche
zuzüglich 16 % Umsatzsteuer (§ 6 Abs. 2 BGKS).
Die zu erhebenden Wasser- und Schmutzwasseranschlussbeiträge sind vom Wasserver-
und Abwasserentsorgungs-Zweckverband Region Ludwigsfelde (WARL) in Teil I (§§ 1 bis
11) der BGKS geregelt worden. In Teil II (§§ 12 bis 21) finden sich Vorschriften über
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11) der BGKS geregelt worden. In Teil II (§§ 12 bis 21) finden sich Vorschriften über
Gebühren und in Teil III (§§ 22 und 23) über die Kostenerstattung für Haus- und
Grundstücksanschlüsse. Teil IV (§§ 24 bis 31) enthält sodann gemeinsame Vorschriften
für die Beitrags- und Gebührenerhebung sowie die Kostenerstattung. Nach § 1 Abs. 3
BGKS erhebt der WARL für die erstmalige Herstellung der öffentlichen
Wasserversorgungsanlage Beiträge zur teilweisen Deckung des durchschnittlichen
Aufwandes. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 BGKS werden Wasser- und Schmutzwasserbeiträge
erhoben, soweit der Aufwand nicht durch Wasser- bzw. Schmutzwassergebühren oder
auf andere Weise gedeckt wird. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 BGKS werden sie von den
Grundstückseigentümern als Gegenleistung dafür erhoben, dass ihnen durch die
Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtungen wirtschaftliche Vorteile
geboten werden. Die beitragspflichtigen Grundstücke sind in § 2 BGKS („Gegenstand der
Beitragspflicht“) umschrieben. Nach § 3 BGKS berechnet sich der Beitragsmaßstab aus
einem nutzungsbezogenen Flächenmaßstab, der sich durch Vervielfachen der
anrechenbaren Grundstücksflächen (§ 4) mit einem Nutzungsfaktor (§ 5) ergibt. Die
Regelung des § 4 BGKS über die Grundstücksfläche sieht u.a. vor, dass bei in den
Außenbereich übergehenden Grundstücken eine Tiefenbegrenzungsregelung von 50
Metern gelten soll. § 5 lautet wie folgt:
(1) Entsprechend der Ausnutzbarkeit wird die Grundstücksfläche (§ 4) mit einem
Nutzungsfaktor vervielfacht, der im Einzelnen beträgt:
(2) Als zulässige Zahl der Geschosse gilt die im Bebauungsplan oder einer Satzung im
Sinne von § 4 Absatz 2 dieser Satzung festgesetzte höchstzulässige Zahl der
Vollgeschosse. Weist der Bebauungsplan nur eine Baumassenzahl aus, so gilt als
Geschosszahl die Baumassenzahl geteilt durch 2,8. Dabei werden Bruchzahlen unter 0,5
auf die vorausgehende volle Zahl abgerundet und solche ab 0,5 auf die nächstfolgende
volle Zahl aufgerundet. Dies gilt entsprechend, wenn ein Bebauungsplan in Aufstellung
ist und eine Bebauung nach § 33 BauGB stattfindet.
(3) Ist im Einzelfall eine größere Geschosszahl genehmigt, ist diese zu Grunde zu legen.
(4) In unbeplanten Gebieten und bei Grundstücken, für die ein Bebauungsplan weder die
Geschosszahl noch die Baumassenzahl festsetzt, ist maßgebend:
a) bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,
mindestens jedoch die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen
Vollgeschosse,
b) bei unbebauten aber bebaubaren Grundstücken die Zahl der auf den
Grundstücken der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse.
(5) Als Vollgeschoss im Sinne dieser Satzung gelten alle oberirdischen Geschosse, die
über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m
haben. Ist eine Vollgeschosszahl wegen der Besonderheiten des Bauwerkes nicht
feststellbar, werden bei industriell genutzten Grundstücken je angefangene 2,80 m und
bei allen in anderer Weise genutzten Grundstücken je angefangene 2,30 m Höhe des
Bauwerkes als ein Vollgeschoss gerechnet.
(6) Als Vollgeschoss gilt auch ein Dachgeschoss, wenn es eine abgeschlossene Wohnung
enthält, unabhängig davon, ob das Dachgeschoss alle Merkmale eines Vollgeschosses
nach Absatz 5 erfüllt.“
In §§ 6 bis 11 BGKS finden sich sodann Vorschriften über den Beitragssatz, die
Entstehung der Beitragspflicht, den Kreis der Beitragspflichtigen, die Vorausleistungen,
die Ablösung und die Fälligkeit der Beiträge.
Gegen den Bescheid vom 18. November 2005 und einen zugleich ergangenen
Beitragsbescheid für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Abwasseranlage legte
der Kläger mit Schreiben vom 4. Dezember 2005 Widerspruch ein. Die Bescheide seien
sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht nachvollziehbar. Die Richtigkeit der
Gesamtsumme zu überprüfen, sei er so nicht in der Lage. Dies gelte insbesondere auch
für die Zusage eines Investors, der L GmbH & Co. KG, die komplette Erschließung zu
übernehmen. Bei der Bemessung der beitragspflichtigen Grundstücksgröße hätte nach
der üblichen Verfahrensweise von einer Grundstückstiefe entsprechend der hinteren
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der üblichen Verfahrensweise von einer Grundstückstiefe entsprechend der hinteren
Bebauung von ca. 32 Metern ausgegangen werden müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass die
Beitragsbescheide nicht der notwendigen Nachprüfbarkeit entbehrten. Einzelne Angaben
über Aufschlüsselung und Verteilung der Kosten seien im Bescheid selber nicht
erforderlich. Insofern müsse auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die
Gesamtkalkulation und sonstiger Unterlagen verwiesen werden. Die Richtigkeit der
angenommenen beitragspflichtigen Grundstücksfläche ergebe sich aus der
Tiefenbegrenzungsregelung der Satzung von 50 Metern. Hinsichtlich der Zusage des
Investors, der L. GmbH und Co. KG, sei darauf hinzuweisen, dass der Abschluss eines
Erschließungsvertrages mit einer Ablösevereinbarung die Entstehung der Beitragspflicht
des einzelnen Grundstückseigentümers nicht beeinflusse. Erfolge keine Zahlung durch
den Erschließungsträger und damit keine Ablösung, so sei der Verband dazu verpflichtet,
die Beiträge von den einzelnen Grundstückseigentümern einzufordern.
Am 31. März 2006 hat der Kläger gegen beide Beitragsbescheide die Klage 8 K 634/06
erhoben. Zur Begründung führt er ergänzend zu seinem Vorbringen aus dem
Widerspruchsverfahren im Wesentlichen aus, dass er aufgrund des
Erschließungsvertrages des Beklagten mit der Projektentwicklungsgesellschaft „G am
See“ L. GmbH & Co. KG vom 24./ 27. Oktober 1997 von der Beitragspflicht befreit sei.
Die Projektentwicklungsgesellschaft sei im Jahre 1995 von Herrn G L. gegründet worden,
um ein ca. 40 Hektar großes Gelände im Ortsteil G, auf dem sich zu DDR-Zeiten eine
Schweinemastanlage befunden habe, zu parzellieren und mit Einfamilien- bzw.
Doppelhäusern zu bebauen. Um hierfür seitens der seinerzeit noch selbständigen
Gemeinde G. die erforderliche Aufstellung eines Bebauungsplans zu erhalten, habe Herr
L. bzw. die Projektentwicklungsgesellschaft den Gemeindevertretern zugesichert, als
Gegenleistung hierfür alle „alteingesessenen“ Grundstückseigentümer in der Gemeinde
G. von den Kosten für die Trink- und Abwassererschließung freizustellen. Bei dem
Erschließungsvertrag handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zugunsten
Dritter. In § 10 Abs. 4 des Vertrages habe der Erschließungsträger sich ausdrücklich
dazu verpflichtet, die in einer Anlage 8 aufgeführten Grundstücke in der Gemeinde G.,
die demnächst von dem WARL an das öffentliche Ver- und Entsorgungssystem
angeschlossen würden, von den erstmalig zu erhebenden Anschlussbeiträgen
freizustellen. Zwei Bankbürgschaften der D Bausparkasse AG in Höhe von 250.000,- DM
und 200.000,- DM und ein Vergleich des Beklagten mit der D über 130.000,- € würden
sich auch auf diese Freistellungsverpflichtung beziehen. Dass die Anlage 8 der
begünstigten Einwohner bei Vertragsabschluss offensichtlich noch nicht vorgelegen
habe, sei unschädlich. Insbesondere könne auch ohne die Anlage nicht zweifelhaft sein,
dass auch der Kläger zu den begünstigten alteingesessenen Bürgern gehöre. Eine
rechtlich unzulässige unangemessene Gegenleistung sei damit nicht verbunden. Ein
Verstoß gegen das Koppelungsverbot liege nicht vor. Im Übrigen sei auch der in der
Beitragssatzung vorgesehene Beitragssatz von 1,79 €/m² (netto) nichtig. Die
„Beitragskalkulation“ des Beklagten verstoße gegen das Kostendeckungsprinzip, das
Vorteilsprinzip, das Äquivalenzprinzip sowie den Grundsatz der Globalberechnung.
Zwischen dem Inkrafttreten der Satzung und der zugrunde gelegten Rechnungsperiode
bestehe kein hinreichender zeitlicher Zusammenhang mehr. Dass das zuständige
Vertretungsorgan des WARL die Kalkulation gebilligt haben könnte, sei nicht ersichtlich.
Bei der Ermittlung des Aufwandes seien weitgehend Kosten angesetzt worden, die dem
Beklagten selber überhaupt nicht entstanden seien. Die angesetzten beitragsfähigen
Kosten für von der Treuhandanstalt unentgeltlich zur Verfügung gestellte Grundstücke
und Anlagen betrügen immerhin 8.768.470,98 €. In zahlreichen
Erschließungsvertragsgebieten seien die Erschließungskosten nicht von dem
Zweckverband, sondern von den jeweiligen Erschließungsträgern getragen worden. Auch
handele es sich regelmäßig lediglich um grobe Kostenschätzungen.
Mit Beschluss vom 3. April 2006 hat die Kammer das vorliegende Verfahren hinsichtlich
des Wasserversorgungsbeitrages abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 8 K 651/06
fortgeführt.
Durch Klarstellungsverwaltungsakt vom 8. Dezember 2008 hat der Beklagte - nachdem
der seinerzeitige Berichterstatter in einem Erörterungstermin am 3. Dezember 2008 u.
a. darauf hingewiesen hatte, dass sich hinsichtlich der Bestimmtheit des
Beitragsbescheides Bedenken ergeben könnten - die beitragspflichtige
Grundstücksfläche durch Markierung auf einem Auszug aus der Liegenschaftskarte
präzisiert. Ein vom Kläger dagegen eingelegter Widerspruch ist unbeschieden.
Der Kläger beantragt,
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den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 18. November 2005 in der
Fassung des Klarstellungsverwaltungsaktes vom 8. Dezember 2008 und den
Widerspruchsbescheid vom 6. März 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er mit Schriftsatz vom 12. Juni 2006 zunächst mitgeteilt, dass die
für eine Beitragskalkulation erforderliche Zusammenstellung von Unterlagen noch
andauern würde. Der Investitionsaufwand für die öffentliche Schmutzwasserentsorgung
im Verbandsgebiet würde sich jedoch auf ca. 44 Millionen € belaufen. Davon seien 8
Millionen € durch Fördermittel abgedeckt. Etwa 12 Millionen € würden durch die
Beitragserhebung finanziert. Der Investitionsaufwand für die öffentliche
Trinkwasserversorgung belaufe sich auf ca. 19 Millionen €, wovon etwa 5 Millionen €
durch Fördermittel und weitere ca. 5 Millionen € durch die Beitragserhebung finanziert
würden. Ausweislich einer sodann vorgelegten, aus einem Erläuterungsbericht nebst
diverser Anlagen bestehenden Beitragskalkulation vom 28. Februar 2007 soll sich die
Gesamtsumme beitragsfähiger Kosten hinsichtlich des Geschäftsbereichs Abwasser auf
insgesamt 60.410.667,07 € und hinsichtlich des Geschäftsbereichs Wasserversorgung
auf insgesamt 31.478.123,99 € belaufen. Bei einer beitragsfähigen Fläche von
13.634.131 m² (Schmutzwasser) bzw. 13.761.077 m² (Wasser) ergebe sich ein
höchstzulässiger Beitragssatz von 4,43 €/m² für den Schmutzwasserbeitrag und von
2,29 €/m² (netto) für den Wasserversorgungsbeitrag. Die satzungsmäßigen
Beitragssätze von 4,19 €/m² bzw. 1,79 €/m² (netto) lägen jeweils darunter. Es würde sich
um eine nach der obergerichtlichen „Ergebnisrechtsprechung“ zulässige nachträgliche
Kalkulation handeln. Als Kalkulationszeitpunkt sei auf den 31. Dezember 2004 abgestellt
worden. Der Kalkulationszeitraum umfasse den Zeitraum von der Gründung des
Verbandes bis zum 31. Dezember 2004. Da der Erschließungsgrad bereits 98,0 bzw.
98,5 % betragen habe, handele es sich um eine Rechnungsperiodenkalkulation mit einer
hohen Genauigkeit. Bei der Aufwandsermittlung seien sog. „Altanlagen“, die schon vor
dem 3. Oktober 1990 errichtet worden sind, miteinbezogen worden. Der Wert dieser
Anlagen dürfte auch unter Berücksichtigung ihres Zustandes signifikant größer Null
gewesen sein. Bei der Flächenermittlung seien auch die sog. Altanschlüsse aus der Zeit
vor 1990 berücksichtigt worden. Bei der Flächenbewertung habe man zunächst auf
vorhandene Daten aus bereits erstellten Beitragsbescheiden zurückgegriffen. Soweit
eine Bescheidung noch nicht erfolgt sei, habe man sodann außerhalb der Stadt
Ludwigsfelde aufgrund der dortigen weitgehenden homogenen Bebauung bzw.
Bebaubarkeit auf einen aus den bereits erlassenen Beitragsbescheiden errechneten
durchschnittlichen Nutzungsfaktor abgestellt. Lediglich wenn abweichende Informationen
wie z. B. durch Bebauungspläne vorgelegen hätten, seien diese vorrangig in die
Bewertung einbezogen worden. Im Stadtgebiet Ludwigsfelde seien die entsprechenden
Ermittlungen vor Ort erfolgt. Im Industriepark Ludwigsfelde West und Ost habe man eine
zweigeschossige Bebaubarkeit angenommen. Im räumlichen Geltungsbereich von
Erschließungsverträgen seien sowohl die Grundflächen bei der Flächenermittlung als
auch die (fiktiven) Erschließungskosten bei der Aufwandsermittlung berücksichtigt
worden.
Ausweislich einer Ergänzung zum Erläuterungsbericht vom 4. Mai 2009 soll die
Beitragskalkulation auf der Aufwandsseite keine sog. „DDR-Altanlagen“ enthalten. Die
Altanlagen der damaligen WAB-Betriebe seien kostenlos übertragen worden und hätten
keinen Eingang in die Wertansätze der Beitragskalkulation gefunden. Bei den in die
Kalkulation aufgenommenen „Altanlagen“ habe es sich ausschließlich um Anlagen
gehandelt, welche von der PWA vom 1. Juli 1990 bis zum 30. Juni 1994 erstellt worden
seien. Der Altanlagenbegriff müsse insoweit präzisiert werden.
Im Übrigen trägt der Beklagte zur Begründung seines Klageabweisungsantrages
schriftsätzlich insbesondere vor, dass es sich bei der Aufwandsermittlung die
Erschließungsvertragsgebiete betreffend keineswegs lediglich um grobe Schätzungen
gehandelt habe. Auch komme es lediglich darauf an, dass es im Ergebnis zu keiner
Aufwandsüberschreitung gekommen sei. Die Kosten für die von der
Projektentwicklungsgesellschaft „G. am See“ L. GmbH & Co. KG erfolgte Erschließung
seien nicht mit in die Kalkulation aufgenommen worden. Hinsichtlich der Regelung in § 10
Abs. 4 des Erschließungsvertrages habe es sich lediglich um eine Zusatzvereinbarung
gehandelt. Ein eigenes Forderungsrecht des Klägers gegen den Erschließungsträger auf
Zahlung des Erschließungsbeitrages sei damit nicht begründet worden. Die
Bürgschaften und der Vergleich mit der D. Bausparkasse würden sich nicht auf diese
Zusatzvereinbarung beziehen. Auch habe es sich ohne die erst unter dem 22. Februar
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Zusatzvereinbarung beziehen. Auch habe es sich ohne die erst unter dem 22. Februar
2002 erstellte Liste der Berechtigten um eine bloße Blanketterklärung gehandelt. Diese
Anlage 8 habe eben nicht nur deklaratorischen Charakter gehabt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte u. a. ausgeführt, dass zwischenzeitlich
die Beitragskalkulation insbesondere hinsichtlich der Gewerbegebiete und der nur als
eingeschossig bebaubar eingestellten Grundstücke nochmals überprüft worden sei.
Insbesondere aufgrund der Festsetzungen von Bebauungsplänen hätte oftmals eine
höhere Geschossigkeit zugrunde gelegt werden müssen. Nach einer Neuberechnung sei
gegenwärtig von einem höchstzulässigen Beitragssatz von 4,20 €/m² für Abwasser und
von 2,07 €/m² für Trinkwasser auszugehen. Auch seien bei der Flächenermittlung im
Industriepark Ludwigsfelde möglicherweise zu große Flächen angesetzt worden. Auf
Befragen zu der großen Staffelung zwischen einer fünf- und sechsgeschossigen
Bebauung wies er auf den erheblich größeren technischen und finanziellen Aufwand hin,
der bei einer sechs- und höhergeschossigen Bebauung entstanden sei. Ferner sei es der
Wille der Verbandsversammlung gewesen, Einfluss auf die Siedlungsstruktur zu nehmen
und eine derart intensive Bebauung möglichst zu verhindern.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens
und des Verfahrens 8 K 634/06, den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die im
Verfahren 8 K 1052/06 vorgelegte Beitragskalkulation des Beklagten Bezug genommen,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Heranziehungsbescheid des Beklagten vom
18. November 2005 in der Fassung des Klarstellungsverwaltungsaktes vom 8. Dezember
2008 und der Widerspruchsbescheid vom 6. März 2006 sind rechtswidrig und verletzen
den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -). Dem Beklagten fehlt es für den Erlass des streitigen Beitragsbescheides an
einer nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG zwingend erforderlichen gültigen satzungsrechtlichen
Grundlage. Die BGKS ist hinsichtlich ihrer Regelungen über die Beitragserhebung nichtig,
da zumindest die Regelung des § 5 Abs. 1 über den anzuwendenden Nutzungsfaktor bei
sechs- und mehrgeschossiger Bebaubarkeit als auch der Beitragssatz von 1,79 €/m²
(netto) in § 6 Abs. 1 mit höherrangigem Recht unvereinbar sind.
Der nach § 5 Abs. 1 BGKS anzuwendende Nutzungsfaktor verstößt sowohl gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 des Grundgesetzes (GG) und Art. 12 der
Verfassung des Landes Brandenburg (BbgVerf) als auch gegen die einfachgesetzliche
Vorschrift des § 8 Abs. 6 Satz 1 KAG, wonach Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen
sind.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart
entsprechend verschieden zu behandeln. Eine Differenzierung ist geboten, wenn die
Unterschiede der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihnen unter
Gerechtigkeitsgesichtspunkten Rechnung getragen werden muss. Dabei ist für den
Normgeber in den Grenzen des Willkürverbots eine weitgehende Gestaltungsfreiheit
gegeben, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft,
die er also im Rechtssinne als gleich ansehen will. Die Auswahl muss lediglich
anknüpfend an die Eigenart der zu regelnden Lebenssachverhalte sachgerecht
vorgenommen werden und sich sachbereichsbezogen auf einen vernünftigen oder sonst
wie einleuchtenden Grund zurückführen lassen. Gerichtlich nicht zu prüfen ist, ob jeweils
die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden wurde (zum
Abgabenrecht vgl. z. B. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 7. Dezember 2004 -
2 A 168/02 -, S. 16 f. des Urteilsabdrucks; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.
November 2008 - 9 A 3/08 -, juris Rdnr. 31, jeweils m. w. N.).
Nach § 8 Abs. 6 Sätze 1 und 2 KAG sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen
(Satz 1), wobei Gruppen von Beitragspflichtigen mit annähernd gleichen Vorteilen
zusammengefasst werden können (Satz 2). Der Begriff des Vorteils erschließt sich aus
der Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG, die bestimmt, dass Beiträge von den
Grundstückseigentümern als Gegenleistung dafür erhoben werden, dass ihnen durch die
Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche Vorteile
geboten werden. Der der Beitragsbemessung zu Grunde zu legende Vorteilsbegriff ist
also ein wirtschaftlicher. Aus dem Umstand, dass der Beitrag (nur) von den
Grundstückseigentümern bzw. Erbbauberechtigten oder Nutzern im Sinne des § 8 Abs. 2
Sätze 4 bis 6 KAG erhoben wird, ergibt sich zugleich, dass der Vorteil
grundstücksbezogen ist. Maßgebend für die Beitragsbemessung ist mithin die durch die
Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage oder Einrichtung – hier der öffentlichen
Wasserversorgung – bewirkte Steigerung des Gebrauchswerts des Grundstücks (vgl.
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Wasserversorgung – bewirkte Steigerung des Gebrauchswerts des Grundstücks (vgl.
OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, LKV 2001, 132,
138 m. w. N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. September 2006 - 9 B 24/05 -,
KStZ 2007, 50 ff.). Dieser besteht regelmäßig darin, dass das Grundstück über den
bloßen Besitz und die Veräußerungsmöglichkeit hinaus in bestimmter Weise mit einer
bestimmten Renditeerwartung genutzt werden kann. Der wirtschaftliche Vorteil in
diesem Sinne lässt sich allerdings nicht beziffern, sondern kann nur mittelbar über die
Umstände erfasst werden, von denen er abhängt. Dies sind für die wirtschaftliche
Ausnutzbarkeit eines Grundstücks grundsätzlich Art und Maß der zulässigen baulichen
oder sonstigen Grundstücksnutzung, wobei nach Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur
Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S.
294 ff.) gemäß § 8 Abs. 6 Satz 3 KAG bei leitungsgebundenen Anlagen ausschließlich
das Maß der baulichen Nutzung berücksichtigt werden soll. Diese gesetzliche
Neuregelung stellt eine sachlich zu rechtfertigende Erhebungserleichterung für die
Kommunen und Zweckverbände im Sinne einer Entlastung von Aufgaben dar, die an den
wirtschaftlichen Vorteilsbegriff anknüpft (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6.
September 2006 - 9 B 24/05 -, KStZ 2007, 50, 51). Insoweit obliegt es dem
Ortsgesetzgeber, nach seinem Ermessen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu wählen,
der an Kriterien anknüpft, die die Unterschiede, die sich aus der jeweiligen baulichen
Ausnutzbarkeit bevorteilter Grundstücke nach ihrer Größe und Lage unter
Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ergeben, angemessen zum Ausdruck
bringen. Es kann jeder Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werden, der nicht in einem
offensichtlichen Missverhältnis zu den mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme
gebotenen Vorteilen steht. Gerichtlich überprüfbar sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe
nur darauf, ob sie offensichtlich ungeeignet sind, den Vorteil zu bestimmen. Dagegen ist
es dem Satzungsgeber überlassen, welchen Wahrscheinlichkeitsmaßstab er unter den
zulässigen auswählt. Der Einrichtungsträger muss sich nicht für den zweckmäßigsten,
gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden (vgl. OVG
für das Land Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 2003 - 2 B 319/03 -, LKV 2004,
375; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. November 2008 - 9 A 3/08 -, juris Rdnr.
31).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Satzungsgeber der BGKS mit der in § 5 Abs. 1
getroffenen Regelung des Nutzungsfaktors die Grenzen des ihm eingeräumten weiten
politischen Gestaltungsermessens überschritten. Zwar ist der sog.
Vollgeschossmaßstab grundsätzlich ein geeigneter und sachgerechter
Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der auf dem Erfahrungssatz beruht, dass mit einer
zunehmenden Zahl von Vollgeschossen regelmäßig auch eine Steigerung der zulässigen
Intensität der baulichen Nutzung und eine Erhöhung des durch den Beitrag
abzugeltenden Vorteils einhergehen (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 12. November 2008 - 9 A 3/08 -, juris Rdnr. 31). Vorliegend ist jedoch
zumindest die Regelung, dass bei einem Nutzungsfaktor von 1,00 für eine
eingeschossige Bebaubarkeit für eine sechs- und mehrgeschossige Bebaubarkeit eine
Steigerung von 0,75 (von 1,75 auf 2,50) gegenüber einer fünfgeschossigen Bebaubarkeit
anzuwenden ist, willkürlich und vorteilswidrig. Damit wird der Gebrauchswert u. a. des
sechsten Geschosses gegenüber dem fünften Geschoss, bei dem eine Steigerung von
nur 0,25 (von 1,50 auf 1,75) gegenüber einer viergeschossigen Bebaubarkeit gilt, in nicht
nachvollziehbarer Weise drei Mal so hoch eingestuft. Gegenüber dem zweiten Geschoss,
bei dem eine Steigerung von lediglich 0,15 (von 1,00 auf 1,15) gegenüber einer
eingeschossigen Bebaubarkeit gelten soll, wird sogar ein fünf Mal so hoher
Gebrauchswert angenommen. Eine sachliche Erwägung dafür ist jedoch nicht ersichtlich.
Insbesondere sind auch die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung dazu
vorgetragenen Erwägungen sachwidrig. Bei dem Argument, dass ab dem sechsten
Geschoss regelmäßig wegen des erforderlichen Wasserdrucks ein erheblich größerer
Aufwand erforderlich gewesen sei, wird verkannt, dass die Beiträge – wie bereits
dargelegt – aufgrund der Vorschrift des § 8 Abs. 6 Satz 1 KAG nach den Vorteilen und
damit gerade nicht nach dem jeweils erforderlich gewesenen Aufwand zu bemessen
sind. Die dargelegten bauplanungsrechtlichen Erwägungen, dass man auf die
Siedlungsstruktur habe Einfluss nehmen und eine derartige intensive Bebauung habe
verhindern wollen, fallen als Ausfluss der kommunalen Planungshoheit ausschließlich in
die Kompetenz der Mitglieder des WARL und haben ersichtlich keinen Bezug zu den vom
WARL wahrzunehmenden Aufgaben der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung.
Auch liegt diese Steigerung erheblich außerhalb der in der obergerichtlichen
Rechtsprechung als gebräuchlich und rechtssicher angesehenen Steigerungswerte von
0,25 bis 0,5 (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. November 2007 - 9 S
34/07 -, S. 4 des Beschlussabdrucks). Aufgrund der in größerer Anzahl tatsächlich
vorhandenen sechsgeschossigen Bebauung und der aufgrund von Festsetzungen von
Bebauungsplänen zulässigen sechsgeschossigen Bebaubarkeit ist diese
Satzungsregelung auch erheblich.
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Auf die Zulässigkeit der Regelung des § 5 Abs. 4 BGKS, wonach in unbeplanten Gebieten
und bei Grundstücken, für die ein Bebauungsplan weder die Geschosszahl noch die
Baumassenzahl festsetzt, die in der näheren Umgebung „überwiegend“ vorhandene
Bebauung maßgebend sein soll, kommt es damit nicht mehr an. Die Frage, ob es sich
dabei entsprechend der Rechtsprechung der früheren 9. Kammer des Gerichts um eine
unzulässige auch aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität nicht erforderliche
Verkennung der die bauliche Ausnutzbarkeit von im Innenbereich belegenen
Grundstücken regelnden bauplanungsrechtlichen Vorschrift des § 34 des
Baugesetzbuches (BauGB) handelt (vgl. z. B. Urteil vom 19. März 2007 - 9 K 421/07 -,
juris Rdnrn. 31 ff.) oder um eine aus Praktikabilitätserwägungen noch hinnehmbare
zulässige Pauschalierung (vgl. VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 18. Juli 2008 - 5 K 1078/04
-), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung (ebenfalls offen lassend vgl.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. September 2009 - 9 S 5/09 -, S. 3 des
Beschlussabdrucks).
Unabhängig davon lässt sich auf der Grundlage der vom Beklagten vorgelegten
Beitragskalkulation nicht feststellen, dass der nach § 6 Abs. 1 BGKS bestimmte
Beitragssatz von 1,79 €/m² (netto) für die erstmalige Herstellung und den Anschluss an
die öffentliche Trinkwasseranlage im Einklang mit dem Aufwandsüberschreitungsverbot
nach § 8 Abs. 4 Satz 8 KAG ermittelt worden ist. Danach soll das veranschlagte
Beitragsaufkommen den Aufwand, der sonst von der Gemeinde und dem
Gemeindeverband selbst aufzubringen wäre, einschließlich des Wertes der
bereitgestellten eigenen Grundstücke, nicht überschreiten. Die Festlegung eines der
Höhe nach bestimmten Beitragssatzes, wie ihn jede Beitragssatzung im
Anschlussbeitragsrecht zwingend enthalten muss, beruht auf der Division des Betrages
des beitragsfähigen Aufwandes durch die Summe der Maßstabseinheiten, die in
Anwendung der Maßstabsregelungen der Satzung für die Gesamtheit der zu
prognostizierenden Beitragsfälle zu ermitteln sind. Die Bestimmung des Beitragssatzes
erfordert eine differenzierte Kalkulation; denn sowohl die Aufwandsermittlung, die nur
nach einer der in § 8 Abs. 4 Satz 2 und 3 KAG gesetzlich vorgeschriebenen Methoden
erfolgen darf, als auch die Ermittlung der Maßstabs- (hier: Flächen-)einheiten sind
komplexe Vorgänge, die bestimmten vom Satzungsgeber zu beachtenden gesetzlichen
Anforderungen unterliegen. Im gerichtlichen Verfahren ist diese Berechnung insoweit zu
überprüfen, als es um die Plausibilität der Berechnung des konkreten Beitragssatzes
geht (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -,
juris Rdnr. 30). Dabei ist es auch nach der vom Beklagten in Bezug genommenen
bisherigen für das Land Brandenburg einschlägigen ständigen obergerichtlichen sog.
Ergebnisrechtsprechung (vgl. z. B. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 6.
November 1997 - 2 D 32/96 -; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. Dezember 2005 -
9 A 3/05 -, juris Rdnr. 23) Aufgabe der Gemeinde bzw. des Zweckverbandes, spätestens
bis zur mündlichen Verhandlung eine nachvollziehbare und fehlerfreie Kalkulation
vorzulegen. Ansonsten muss das Gericht davon ausgehen, dass der Beitragssatz unter
Beachtung des Kostenüberschreitungsverbotes nicht zu rechtfertigen ist (vgl. OVG für
das Land Brandenburg, Urteil vom 6. November 1997 - 2 D 32/96 -, S. 6 des
Entscheidungsabdrucks). Eine Vermutung, dass der gewählte Beitragssatz den
ansatzfähigen Aufwand nicht überschreitet, ist ohne stimmige Kalkulation unzulässig.
Insbesondere ist es auch nicht Sache des Gerichts, eine „Ersatzkalkulation“ aufzustellen
(vgl. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 27. März 2002 - 2 D 46/99.NE - juris
Rdnr. 66). Fehler der Beitragskalkulation führen auch dann zu einer Unwirksamkeit der
Satzung, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob
das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht (vgl. OVG Münster,
Beschluss vom 3. November 2000 - 15 A 2340/97 -, KStZ 2001, 134 ff.).
In Anwendung dieser an eine ordnungsgemäße Beitragskalkulation zu stellenden
Anforderungen ist der Beitragssatz von 1,79 €/m² (netto) nach dem Ergebnis der
mündlichen Verhandlung schon wegen zahlreicher Mängel bei der Berechnung der
anzusetzenden modifizierten Beitragsflächen zu beanstanden. Die Anzahl der jeweils
zulässigen Vollgeschosse ist ersichtlich in großem Umfang zu niedrig angesetzt worden.
Entgegen der Behauptung auf Seiten 28 und 29 des Erläuterungsberichtes zur
Beitragskalkulation vom 28. Februar 2007 sind Festsetzungen von Bebauungsplänen im
Wesentlichen gerade nicht vorrangig vor dem ansonsten für Flächen außerhalb der
Kernstadt Ludwigsfelde angenommenen aus den bereits abgerechneten
Grundstücksflächen errechneten durchschnittlichen Nutzungsfaktor zur Bewertung
herangezogen worden. Insbesondere sind die großflächigen Industrie- und
Gewerbeflächen im Brandenburgpark (Gemarkung Genshagen), Preußenpark
(Gemarkungen Löwenbruch und Ludwigsfelde), Güterverkehrszentrum G., Gewerbepark
am Güterverkehrszentrum und Gewerbegebiet Thyrow trotz bauplanungsrechtlicher
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am Güterverkehrszentrum und Gewerbegebiet Thyrow trotz bauplanungsrechtlicher
Festsetzungen von zulässigen zwei bis sechs Vollgeschossen bzw. Baumassenzahlen
von bis zu 10 regelmäßig als lediglich mit einem Vollgeschoss bzw. durchschnittlich mit
nur etwas mehr als einem Vollgeschoss bebaubar (durchschnittliche Nutzungsfaktoren
von 1,000, 1,003 bzw. 1,012) angesetzt worden. Die in dem Erläuterungsbericht für die
Ortsteile außerhalb der Kernstadt unterstellte weitgehende homogene Bebauung bzw.
Bebaubarkeit ist damit nicht nachvollziehbar. Die über einen langen Zeitraum
gewachsenen Dorflagen und die in der Nachwendezeit entstandenen großflächigen
Industrie- und Gewerbegebiete verfügen entgegen dem Erläuterungsbericht gerade nicht
über eine homogene Bebauung. Auch beruht die Annahme einer durchweg nur
eingeschossigen Bebauung bzw. Bebaubarkeit in der Gemarkung Genshagen auf
lediglich 22 bereits abgerechneten Grundstücken (vgl. Seite 19 der Anlage 2.2). Eine so
geringe Anzahl dürfte auch unter Außerachtlassung des Industrie- und Gewerbegebiets
Brandenburgpark für die große Anzahl der in der Gemarkung Genshagen noch nicht
abgerechneten Grundstücke (vgl. Seiten 60 bis 68 der Anlage 2.3) kaum hinreichend
repräsentativ sein. Zumindest bei dem Schloss Genshagen und der Bebauung im
Wohngebiet Genshagener Forst handelt es sich in größerem Umfang ebenfalls um keine
nur eingeschossige Bebauung, so dass der bisher vorliegenden Beitragskalkulation
insgesamt die gebotene Plausibilität fehlt.
Zu einer Vertagung, um dem Beklagten Gelegenheit zu erneuten Berechnungen zu
geben, sieht die Kammer auch in Anbetracht eines erheblichen weiteren
Aufklärungsbedarfs hinsichtlich der zutreffenden Aufwandsermittlung keinen Anlass. Die
nunmehrige Behauptung des Beklagten in seiner Ergänzung zum Erläuterungsbericht
vom 4. Mai 2009, dass auf der Aufwandsseite keine sog. „DDR-Altanlagen“ in der
Beitragskalkulation enthalten seien, steht in offensichtlichem Widerspruch zu dem
Erläuterungsbericht vom 28. Februar 2007, wonach bei der Aufwandsermittlung auch
sog. „Altanlagen“, die schon vor dem 3. Oktober 1990 errichtet worden sind,
miteinbezogen worden seien und kann damit nicht ohne weiteres als zutreffend
unterstellt werden. Wie es zu den vom Beklagten in seinem Schriftsatz vom 12. Juni 2006
gemachten, von der späteren Beitragskalkulation erheblich abweichenden Angaben
kommen konnte, ist ungeklärt. Ob die Annahme des Beklagten, dass auch die von der
PWA vom 1. Juli 1990 bis zum 30. Juni 1994 gemachten Aufwendungen zum
umlegungsfähigen Aufwand gehören, zutreffend ist, ist tatsächlich und rechtlich ebenso
wie die Behandlung von Aufwand und Flächen nach Grund und Höhe in den
Erschließungsvertragsgebieten ungeklärt. In Anbetracht dieser Umstände ist die mit
einer Vertagung verbundene erhebliche weitere Verzögerung des Rechtsstreites für den
Kläger unzumutbar. Darauf, dass Gegenstand der mündlichen Verhandlung auch eine
Inzidentprüfung der BGKS sein würde, waren die Beteiligten bereits in der Ladung zur
mündlichen Verhandlung hingewiesen worden.
Wegen der Nichtigkeit der der Beitragserhebung zugrunde liegenden einschlägigen
Satzungsbestimmungen kommt es auf die vom Kläger geltend gemachte Regelung des
§ 10 Abs. 4 des Erschließungsvertrages des Beklagten mit der
Projektentwicklungsgesellschaft „G. am See“ L. GmbH & Co. KG vom 24./27. Oktober
1997 und die von den Beteiligten im Zusammenhang mit diesem Erschließungsvertrag
erörterten Sach- und Rechtsfragen nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§
708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Berufung ist nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Ein
Berufungszulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegt nicht vor.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 3.405,30 € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
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