Urteil des VG Potsdam vom 15.03.2017

VG Potsdam: öffentliche sicherheit, kreuzung, blaulicht, ampel, grobe fahrlässigkeit, dienstfahrzeug, wegerecht, gefährdung, subjektiv, sorgfalt

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Gericht:
VG Potsdam 2.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 K 832/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 48 BeamtStG, § 44 Abs 1 BG
BB, § 35 Abs 1 StVO, § 35 Abs 8
StVO, § 38 Abs 1 StVO
Pflicht eines Polizeibeamten zur Leistung von Schadensersatz
nach Unfall mit Dienstfahrzeug und Einfahrt in Kreuzung bei Rot
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Beklagte nimmt den Kläger wegen eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in
Anspruch.
Der Kläger ist Polizeimeister im Dienst des beklagten Landes. Er befuhr am 30.
September 2004 gegen 9.30 Uhr als Führer des Dienstfahrzeugs, Mercedes Benz,
Sprinter, amtliches Kennzeichen …, gemeinsam mit dem Polizeimeister ... die ... in
Potsdam in Richtung ... . Als sie etwa noch 50 Meter von der Ampelkreuzung ... / ... bzw.
... entfernt waren, beobachteten die Beamten einen PKW, Typ BMW, der die Kreuzung in
Richtung ... beim Lichtzeichen „Rot“ überfuhr. Der Kläger erwog, diesen PKW zum
Zwecke der Verkehrskontrolle zu verfolgen. Seine vor ihm liegende Fahrspur war frei. Er
schaltete das Blaulicht ein, überquerte langsam die auf „Rot“ stehende Ampel und fuhr
in den Kreuzungsbereich ein. Im Bereich der Straßenbahnschienen hielt er an, um das
Signalhorn einzuschalten. Er bediente den Einschaltknopf des Signalshorns, welches
jedoch nicht sofort funktionierte. Erst nach nochmaliger Betätigung des Einschaltknopfes
setzte es sich in Gang.
Zu dieser Zeit befuhr der PKW, Opel, amtliches Kennzeichen …, die Querstraße „…“ in
Richtung ... . Die Ampel in seiner Richtung zeigte grünes Licht. Im Kreuzungsbereich
kollidierte der Opel mit dem Dienstfahrzeug des Klägers. Der Opel überschlug sich und
kam auf dem Fahrzeugdach zum Stillstand. Der Streifenwagen erlitt einen Frontschaden,
seine Airbags blieben unausgelöst. Die Fahrerin des Opels erlitt Schnittwunden und eine
Schädelprellung. An ihrem Fahrzeug entstand ein Totalschaden, den der Beklagte in
vollem Umfang ersetzte.
Ein gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger
Körperverletzung wurde nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt. Gegen ihn
wurde ein Bußgeld in Höhe von 35 Euro verhängt, weil er das Sonderrecht nicht mit der
gebührenden Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeübt habe. Ein
Disziplinarverfahren wurde nicht gegen ihn eingeleitet.
Mit Schreiben vom 1. August 2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er
beabsichtige, ihn wegen des grob fahrlässig verursachten Sachschadens am
Dienstfahrzeug in Höhe von 8.651,20 Euro in Anspruch zu nehmen und gab ihm
Gelegenheit zur Stellungnahme. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Kläger bei
„Rot“ und ohne Einsatzhorn in den Kreuzungsbereich eingefahren sei. Die
Unfallgeschädigte und alle Zeugen des Ermittlungsverfahrens hätten bekundet, das
Einsatzhorn nur ein bis zwei mal wahrgenommen zu haben. Das Horn sei im allerletzten
Augenblick vor dem Unfall eingeschaltet worden. Den anderen Verkehrsteilnehmern sei
es daher unmöglich gewesen, sich auf die Sondersituation angemessen einzustellen.
Blaulicht und Einsatzhorn zusammen dürften nach § 38 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung
(StVO) nur bei höchster Eile zur Rettung von Menschenleben, zur Abwehr von
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(StVO) nur bei höchster Eile zur Rettung von Menschenleben, zur Abwehr von
gesundheitlichen Schäden oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
sowie zur Verfolgung flüchtiger Personen oder zur Erhaltung bedeutender Sachwerte
verwendet werden.
Der Kläger äußerte sich mit Schreiben vom 9. August 2006 dazu. Wegen des Inhalts
jenes Schreibens wird ergänzend auf den Verwaltungsvorgang Bezug genommen (Blatt
110 ff des Verwaltungsvorgangs).
Nach Zustimmung des zuständigen Personalrats nahm der Beklagte den Kläger mit
Bescheid vom 27. November 2006 (Zugang 30. November 2006) gemäß § 44
Landesbeamtengesetz (LBG) wegen des Schadens in Höhe von 8.651,20 Euro in
Anspruch. Zur Begründung führte er ergänzend aus, die Sonderrechte dürften nur in
Anspruch genommen werden, wenn dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend
geboten sei, §§ 35 Abs. 1 und 38 Abs. 1 StVO. Die hier beabsichtigte Verfolgung des
Rotlichtverstoßes stehe in keinem Verhältnis zu der Gefährdung für die höchsten
Rechtsgüter Leben und Gesundheit aller anderen Verkehrsteilnehmer. Die erforderliche
Sorgfalt sei vom Kläger in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers
Widerspruch ein und begründete diesen mit Schreiben vom 29. Januar 2007. Der
Entschluss des Klägers, die Kreuzung zu befahren sei nicht pflichtwidrig. Die zu
verfolgende Verkehrsordnungswidrigkeit des BMW-Fahrers sei massiv und erheblich
gefährdend gewesen. Verfolgungsmaßnahmen unter der Nutzung von Sonderrechten
seien vor allem zulässig, wenn - wie hier - ein Verkehrsteilnehmer versuche, sich der
Kontrolle durch Flucht zu entziehen. Die vom Beamten vorzunehmende Abwägung
zwischen der Schwere des Verkehrsverstoßes und der möglichen Beeinträchtigung der
Verkehrssicherheit stehe im Ermessen des Beamten. Diesen Ermessenspielraum habe
der Kläger zulässig ausgeschöpft und sei vorsichtig in den Kreuzungsbereich
eingefahren.
Das Einsatzhorn sei nicht zu spät eingeschaltet worden. Die Bedienung der mittig
liegenden Schaltkonsole erfordere Erfahrung und Übung, die dem Kläger als
überwiegendem Kradfahrer fehle. Nach dem Entschluss zur Verfolgung habe der Kläger
sofort das Blaulicht eingeschaltet. Der Kläger habe an der Haltelinie angehalten, um den
Bereich einzusehen. Er habe bemerkt, dass das Horn nicht in Betrieb sei und den
rechten Einschalttaster der Konsole gedrückt. Zugleich sei er langsam in die Mitte
gefahren, um an den Schienen noch mal anzuhalten. Da er davon habe ausgehen
können, dass sein Fahrzeug ausreichend wahrgenommen worden sei, sei er langsam
angefahren. Kurz darauf sei von rechts ungebremst der PKW Opel gekommen. Der
Kläger habe gebremst, doch sei es zur Kollision gekommen. Die verzögerte Einschaltung
des Einsatzhorns sei hier also besonderen Umständen geschuldet und nicht grob
fahrlässig. Auch treffe die Unfallgegnerin zumindest eine Mitschuld.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2007, zugestellt am 12. April 2007, wies der
Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte er die Ausführungen aus
dem Anhörungsschreiben. Vertiefend führte er aus, die Nutzung des Sonderwegerechts
erfordere den Einsatz von Blaulicht und Signalhorn, § 38 Abs. 1 StVO und sei auch nur
bei höchster Eile geboten. Gemäß § 35 Abs. 8 StVO dürfe das Wegerecht nur unter
gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt
werden. Der Fahrer dürfe seine Fahrt daher nur fortsetzen, wenn er sich vergewissert
habe, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen und ihm freie Bahn
eingeräumt hätten. Hätte der Kläger dies tatsächlich getan, so hätte er den Wagen der
Unfallgegnerin wahrnehmen müssen. Das Verhalten des Klägers weise eine gesteigerte
Risikobereitschaft aus, die angesichts des möglichen Schadensausmaßes den Vorwurf
grober Fahrlässigkeit rechtfertige.
Mit der am 27. April 2007 erhobenen Klage wiederholt der Kläger sein Vorbringen aus der
Widerspruchsbegründung und ergänzt: Soweit sich sein Verfolgungsentschluss
rückblickend tatsächlich als unverhältnismäßig darstelle, liege allenfalls ein
„Augenblicksversagen“ vor, da er, im Dienst befindlich, eine sofortige Entscheidung
habe treffen müssen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 27. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 4. April 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Der Beklagte wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem
Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er vor: Der Unfallgegnerin könne nicht
vorgeworfen werden, das Einsatzfahrzeug zu spät bemerkt zu haben. Sie habe in der
Grünphase grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, freie Fahrt zu haben. Zudem habe sie
zu wenig Zeit gehabt, sich auf die Sondersituation einzustellen, weil das Einsatzhorn nur
1-2 Mal zu hören gewesen sei. Zudem habe nicht tatsächlich eine Flucht des
Verkehrssünders vorgelegen, denn dieser habe den 3 bis 4 Wagenlängen hinter ihm
fahrenden Streifenwagen vermutlich gar nicht wahrgenommen.
Im Zuge des Bußgeldverfahrens wurden neben dem Beifahrer und der Unfallgegnerin
weitere sechs Zeugen vernommen. Zum Inhalt dieser Zeugenaussagen sowie wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten (1 Ordner)
ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 113 Abs 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als
Anfechtungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der
angefochtene Bescheid vom 27. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 4. April 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113
Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger ist zum Ersatz des am
Dienstfahrzeug entstandenen Schadens verpflichtet.
Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheides ist § 44 Abs. 1
Satz 1 LBG (entsprechend § 48 Beamtenstatusgesetz) in der zum Zeitpunkt des
Erlasses des Widerspruchs gültigen Fassung (Fassung der Bekanntmachung vom 8.
Oktober 1999 (GVBl. I S. 446), zuletzt geändert durch 6. ÄndG v. 22. Juni 2005 (GVBl. I S.
214)). Danach hat ein Beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden
Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den
daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Hier hat der Kläger seine Dienstpflichten verletzt, indem er das Einsatzhorn zu spät
einschaltete. Er ist unter Verstoß gegen die Bestimmungen des § 35 Abs. 1, 8, § 37 Abs.
2 Nr. 1 Satz 7 und § 38 Abs. 1 und 2 StVO in eine in seiner Fahrtrichtung durch Rot-
Signal gesperrte Kreuzung mit nur dem Sondersignal „Blaues Blinklicht“ eingefahren,
ohne sich dabei zugleich des das besondere Wegerecht gewährenden Einsatzhorns (§ 38
Abs. 1 StVO) zu bedienen und sich hinreichend zu versichern, dass die anderen
Verkehrsteilnehmer tatsächlich nicht gefährdet werden.
Nach den, die Angaben im replizierenden Schriftsatz vom 21. September 2007 des
Prozessbevollmächtigten des Klägers bestätigenden, Einlassungen des Klägers in der
mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2011 steht unstreitig fest, dass er das
Einsatzhorn erstmalig einschaltete (bzw. versuchte einzuschalten), als er bereits bis zu
den Straßenbahnschienen in die für ihn durch Rot gesperrte Kreuzung eingefahren war.
Damit verletzte der Kläger im hier vorliegenden (Einzel-) Fall die ihm aus der
Straßenverkehrsordnung obliegenden Dienstpflichten.
Zwar ist die Polizei gemäß § 35 Abs. 1 StVO von den Vorschriften der
Straßenverkehrsordnung befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend
geboten ist. Eine solch dringende Aufgabenerfüllung mag hier die Verfolgung des
Rotlichtsünders möglicherweise gewesen sein. Gleichwohl dürfen die Sonderrechte des §
35 Abs. 1 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung ausgeübt werden, § 35 Abs. 8 StVO.
Soll eine Kreuzung unter Inanspruchnahme des Sonderwegerechts bei Rot passiert
werden, muss der Fahrer daher in Rechnung stellen, dass andere Verkehrsteilnehmer
die Sondersignale nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen und mit hoher
Geschwindigkeit herannahen. Die damit verbundene Kollisionsgefahr ist unter allen
Umständen zu vermeiden. Das Wegerecht berechtigt nicht zu einer Gefährdung oder gar
Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer.
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. September 1997 - A 3 S 164/96 -, Juris.
Blaues Blinklicht allein darf dabei gemäß § 38 Abs. 2 StVO grundsätzlich nur zur Warnung
verwendet werden, gebietet den übrigen Verkehrsteilnehmern aber gerade nicht, dem
blinkenden Fahrzeug freie Fahrt einzuräumen. Nur die Verwendung von blauem Blinklicht
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blinkenden Fahrzeug freie Fahrt einzuräumen. Nur die Verwendung von blauem Blinklicht
zusammen
Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben, setzt deren
Vorfahrtsberechtigung mithin vorübergehend außer Kraft.
Die verspätete Benutzung des Einsatzhorns erfolgte auch grob fahrlässig. Grob
fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem
Maße verletzt, wer nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, oder
wer schon die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht anstellt. Dabei ist
zu berücksichtigen, dass sich die grobe Fahrlässigkeit nicht nur danach bemisst, dass
das Verhalten, das zu dem Schaden geführt hat, objektiv grob fehlerhaft ist, sondern
auch danach, ob der Schädiger sich subjektiv über Gebote und Einsichten hinweggesetzt
hat, die sich ihm in der konkreten Situation hätten aufdrängen müssen.
VG München, Urteil vom 30. März 1999 - M 5 K 97.460 -, Rn 30, Juris, m. w. N.; auch
BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 - IV a ZR 57/88 -, NJW 1989, 1354, 1355; Urteil vom 29.
Januar 2003 - IV ZR 173/01 -; OLG Brandenburg, Urteil vom 25. September 2002 - 14 U
40/02 -.
Gemessen an diesem Maßstab war es auch in subjektiver Hinsicht grob fahrlässig, dass
der Kläger das Einsatzhorn erst betätigte, als er sich schon auf der Kreuzung befand,
anstatt dies bereits vor der Überfahrt der Ampel zu tun. Nach seinen Einlassungen war
er allenfalls noch knapp 50 Meter von der roten Ampel entfernt, als er sich entschloss,
diese zu überfahren. Auch wenn er sich, wie in der mündlichen Verhandlung bekundet,
tatsächlich nicht sofort zur Verfolgung des Rotlichtsünders entschlossen haben sollte,
sondern erst schauen wollte, ob sich eine Verfolgung „lohne“, war er doch zumindest
entschlossen, die rote Ampel zu überfahren. Diesem Entschluss war notwendig
immanent, dass er, der Kläger, das Vorfahrtsrecht etwa vorhandenen Querverkehrs
würde missachten bzw. würde vorübergehend außer Kraft setzen müssen.
Das Überfahren einer Kreuzung birgt hohe Gefahren, insbesondere wenn sie für den
Verkehrsteilnehmer durch rotes Ampellicht gesperrt ist. Deshalb sind auch besonders
hohe Anforderungen an jenen Verkehrsteilnehmer zu stellen.
VG München, Urteil vom 30. März 1999 - M 5 K 97.460 -, Rn 39, Juris.
Gerade dem Kläger als Polizeivollzugsbeamten muss dabei bewusst sein, dass er von
seinem Sonder- und Wegerecht nur unter äußerster Vorsicht und erst nach rechtzeitiger
und ausreichender Ankündigung Gebrauch machen darf.
Dass der Kläger angesichts dieser offensichtlichen Gefahrgeneigtheit seines
beabsichtigten Handelns in nur knapp 50 Meter Entfernung zur roten Ampel die Signale
Blaulicht und Einsatzhorn nicht von vornherein gemeinsam betätigte, begründet einen
auch subjektiv besonders schwerwiegenden Sorgfaltsverstoß. Denn es ist evident und
hätte jedem einleuchten müssen, dass die Zeit für den bevorrechtigten fließenden
Querverkehr zu knapp ist, um sich akustisch, visuell und in der Fahrweise darauf
einzustellen, wenn das Einsatzhorn erst auf der Kreuzung im Gefahrenbereich selbst
eingeschaltet wird.
Subjektiv entlastende Umstände sind nicht vorhanden. Ein vernünftiger Grund, aufgrund
dessen der Kläger die beiden Sondersignale Blaulicht und Einsatzhorn getrennt
voneinander schalten musste, ist nicht ersichtlich. Eine erfolgreiche Verfolgung des
Verkehrssünders wäre ohnehin nur bei erheblicher Eile und, trotz der gebotenen
Vorsicht, nur mit größtmöglicher Beschleunigung möglich und sinnvoll gewesen. Welcher
vernünftige Nutzen hier darin gelegen haben soll, erst schrittweise fahrend nur mit
um
mit
Rest der Kreuzung zu passieren, ist weder vorgetragen noch ersichtlich; erscheint einer
erfolgversprechenden Verfolgung sogar eher kontraproduktiv. Im Einzelfall mögen für
solch eine getrennte Betätigung so kurz vor einer roten Ampel zwar
Rechtfertigungsgründe vorstellbar sein, so z. B. wenn notwendig verdeckte Ermittlungen
u. ä. dies evtl. gebieten. Hier ergeben sich diesbezüglich jedoch keine subjektiv
entlastenden Anhaltspunkte.
Dass der Kläger nach seinem Bekunden nur schrittweise fuhr, entlastet ihn ebenfalls
nicht. Auch dann obliegt ihm, erst recht bei Nutzung des Blaulichts allein, die Pflicht bei
Überfahrung der roten Ampel eine Gefährdung Anderer zu vermeiden. Die anderen
Verkehrsteilnehmer müssen nämlich nicht damit rechnen, dass ein Einsatzfahrzeug nur
mit blauem Blinklicht ohne Einsatzhorn bei Rot durchfährt.
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Vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 38 Rn 6, m.
w. N.
Aus diesem Grund trifft die Unfallgegnerin auch kein Mitverschulden, zumal die Klägerin
das Horn unstreitig höchstens zwei Mal vernehmen konnte, bevor es zu der Kollision
kam.
Schließlich entlastet den Kläger auch nicht, dass der Einschaltknopf des Einsatzhorns
möglicherweise erst nach wiederholter Bedienung funktionierte, denn bereits der erste
Einschaltversuch auf der Kreuzung war - wie dargelegt - grob fahrlässig zu spät.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit
§§ 708 Nr. 11 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Gründe, die Berufung gemäß §§ 124 Abs. 2, 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht
vor.
Beschluss
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes auf 8.651,20 Euro
festgesetzt.
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