Urteil des VG Potsdam vom 15.03.2017

VG Potsdam: jugend und sport, schüler, oberstufe, ferien, klassenbildung, genehmigung, schule, zahl, besuch, berechtigung

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Gericht:
VG Potsdam 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 L 573/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 123 VwGO, § 3 Abs 2
GymOStAPrV BB, § 103 SchulG
BB, § 102 Abs 1 SchulG BB, §
102 Abs 3 SchulG BB
Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe an einer Gesamtschule
trotz Unterschreitung der Mindestfrequenz
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin,
den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die
Einrichtung einer 11. Jahrgangsstufe mit zwei Klassen zum Schuljahr 2007/2008 an der
Gesamtschule "P." mit gymnasialer Oberstufe in der Stadt Lychen zu genehmigen,
ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine
einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile
abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig
erscheint. Dabei sind ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch glaubhaft zu
machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Begehrt
der Antragsteller - wie hier - mit der einstweiligen Anordnung die Vorwegnahme der
Hauptsache, kann eine einstweilige Anordnung nur ergehen, wenn dies zur Gewährung
effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist und ein hoher Grad der
Wahrscheinlichkeit für den Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht.
Nach der in diesem Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung spricht bereits
keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragstellerin in einem
Hauptsacheverfahren ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Einrichtung einer
11. Jahrgangsstufe an der Gesamtschule "P." in Lychen zum Schuljahr 2007/2008
zuerkannt wird.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über den Bildungsgang in der gymnasialen
Oberstufe und über die Abiturprüfung - GOSTV - entscheidet das staatliche Schulamt im
Rahmen der Unterrichtsorganisation über die Klassenbildung in der Einführungsphase,
sofern dies aufgrund der Anmeldezahl - wie hier - erforderlich ist. Die Entscheidung des
Antragsgegners zur Klassenneubildung ist nach summarischer Prüfung nicht zu
beanstanden. Deswegen ist auch nicht ersichtlich, dass sich das Ermessen des
Antragsgegners dahin reduzieren würde, die Einrichtung einer 11. Jahrgangsstufe an der
Gesamtschule "P." zu genehmigen. Nur das würde aber dem Antrag zum Erfolg
verhelfen.
Nach § 103 Abs. 1 Brandenburgisches Schulgesetz - BbgSchulG - müssen Schulen die
für einen geordneten Schulbetrieb erforderliche Zahl von Parallelklassen
(Mindestzügigkeit) haben. Sie müssen mindestens zweizügig organisiert sein. Das für die
Schule zuständige Ministerium legt die Richtwerte und die Bandbreiten für die
Klassenfrequenz einschließlich der Bedingungen für eine Unterschreitung der
Bandbreiten, insbesondere, wenn der Besuch bestehender Schulen in zumutbarer
Entfernung nicht gewährleistet ist und bei kleinen Jahrgangsbreiten, fest (§ 103 Abs. 5
Satz 2 BbgSchulG). Dies ist durch die Verwaltungsvorschriften über die
Unterrichtsorganisation in den Schuljahren 2007/2008 und 2008/2009 vom 20.
Dezember 2006 (VV-Unterrichtsorganisation) durch den Minister für Bildung, Jugend und
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Dezember 2006 (VV-Unterrichtsorganisation) durch den Minister für Bildung, Jugend und
Sport geschehen. Es unterliegt dabei keinen Zweifeln, dass die für das kommende
Schuljahr geltende Verwaltungsvorschrift auch der Entscheidung, die dieses Schuljahr
betrifft, zugrundezulegen ist. Im Übrigen unterscheidet sich die Verwaltungsvorschrift im
hier maßgeblichen Teil auch nicht entscheidungserheblich von der vorangegangenen.
Nach Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VV-Unterrichtsorganisation beträgt die erforderliche
Mindestschülerzahl für die Einrichtung der Jahrgangsstufe 11 am letzten Schultag vor
den großen Ferien 60 Schülerinnen und Schüler mit Berechtigung zum Besuch der
gymnasialen Oberstufe.
Die Verwaltungsvorschriften zur Unterrichtsorganisation im Schuljahr 2007/2008 stellen
zwar keine das Gericht bindende Regelung dar, sondern enthalten lediglich Vorgaben für
den Antragsgegner, die dieser u. a. bei der Genehmigung der Einrichtung von Klassen in
seiner Ermessensausübung beachten muss. Die in der VV-Unterrichtsorganisation
enthaltenen Mindestfrequenzen und Bandbreiten füllen aber in einer in diesem
Verfahren nicht zu beanstandenden Weise den unbestimmten Rechtsbegriff des
"geordneten Schulbetriebes" nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BbgSchulG aus und können daher
bei der Überprüfung der angegriffenen Entscheidung zu Grunde gelegt werden (vgl. OVG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juli 2005 - 8 S 66.05 -, Beschlüsse der Kammer
vom 18. Juli 2006 - 12 L 233/06 und vom 13. Juli 2007 - 12 L 355/07 -). Es ist für das
Gericht auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen
Gründen verpflichtet wäre, über die Regelungen in § 103 BbgSchulG hinaus den Begriff
des "geordneten Schulbetriebes", insbesondere im Hinblick auf Mindestgrößen von
Schulklassen, im Gesetz näher zu regeln.
Die nach Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VV-Unterrichtsorganisation erforderliche Mindestschülerzahl
für die Einrichtung der Jahrgangsstufe 11 ist an der Gesamtschule "P." in Lychen
unstreitig nicht erreicht. Am letzten Schultag vor den großen Ferien betrug die Zahl der
angemeldeten Schülerinnen oder Schüler jedenfalls keine 60. Deswegen kann es
dahinstehen, ob sich, wie die Antragstellerin meint, 55, oder, wovon der Antragsgegner
ausgeht, 54 Schülerinnen und Schüler angemeldete haben. Dabei ist nach Sinn und
Zweck der Regelung davon auszugehen, dass bei der Mindestschülerzahl nicht alle
Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen sind, die die Berechtigung zum Übergang
in die gymnasiale Oberstufe besitzen, sondern lediglich die an der entsprechenden
Schule Angemeldeten. Die am letzten Schultag vor den großen Ferien, dem 11. Juli
2007, getroffene Entscheidung des Antragsgegners, unter Berücksichtigung dieser
Mindestfrequenz die Genehmigung zur Errichtung eines 11. Jahrgangs nicht zu erteilen,
ist unter Berücksichtigung dieser Vorgabe nicht zu beanstanden.
Die Antragstellerin hat aber auch keinen Anspruch auf Genehmigung der Einrichtung
eines 11. Jahrgangs mit einer geringeren Anzahl von Schülerinnen und Schülern für das
Schuljahr 2007/2008 glaubhaft gemacht. Einen dahingehenden Anspruch leitet die
Antragstellerin aus Nr. 8 Abs. 2 Satz 3 VV-Unterrichtsorganisation her, wonach die
Klassenbildung erfolgen kann, wenn in der Vorbereitungswoche des Schuljahres die
Schülerzahl mindestens 50 beträgt. Dabei geht die Verwaltungsvorschrift offensichtlich
davon aus, dass bei einem Bestand von 50 Schülerinnen und Schülern die
Anforderungen der GOSTV an die Qualität des Unterrichts in den einzelnen
anzubietenden Fächern auf den unterschiedlichsten Lernniveaus - noch - gesichert sind.
Ob allerdings die Voraussetzungen zur Klassenbildung nach Nr. 8 Abs. 2 Satz 3 VV-
Unterrichtsorganisation vorliegen, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch offen.
Maßgeblich ist hierfür nämlich die Situation in der Vorbereitungswoche des Schuljahres,
bei der es sich um die 34. Kalenderwoche handeln dürfte. Derzeit ist nicht absehbar, ob
zu diesem Zeitpunkt noch 50 Schülerinnen und Schüler die 11. Klasse der Gesamtschule
"P." besuchen wollen.
Im Übrigen spricht nach der Systematik der Vorschrift Überwiegendes dafür, dass die
Mindestfrequenz von 50 Schülerinnen und Schüler, die in der Vorbereitungswoche des
neuen Schuljahrs erreicht sein muss, nur dann anzuwenden ist, wenn am letzten
Schultag vor den großen Ferien 60 Anmeldungen von Schülerinnen und Schülern
vorlagen, woran es hier bereits fehlt. Sinn und Zweck der unterschiedlichen Zeitpunkte
und der unterschiedlichen Frequenzwerte dürfte es nämlich sein, jedenfalls ab Beginn
der großen Ferien für Schulen, Schüler und deren Eltern Planungssicherheit zu schaffen.
Diese Planungssicherheit soll in Fällen, in denen die Mindestschülerzahl erreicht war,
auch bestehen bleiben, wenn die Zahl der Anmeldungen im Laufe der großen Ferien die
Mindestfrequenz von 60 Schülerinnen und Schüler unterschreitet, aber noch über 50
liegt. Eine Auslegung dahingehend, dass dem Staatlichen Schulamt ein
Ermessensspielraum für die Genehmigung der Einrichtung von Klassen in der 11.
Jahrgangsstufe eingeräumt sei, wenn die Mindestschülerzahl am letzten Schultag vor
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Jahrgangsstufe eingeräumt sei, wenn die Mindestschülerzahl am letzten Schultag vor
den großen Ferien zwischen 50 und 60 Schülerinnen und Schülern liegt, dürfte sowohl
dem Wortlaut, als auch Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen. Dabei ist es im
Gegensatz zur Ansicht der Antragstellerin ohne Belang, dass anders als in der
vorherigen Fassung in der VV-Unterrichtsorganisation für die Schuljahre 2007/2008 und
2008/2009 nicht mehr ausgeführt ist, dass die Klassenbildung "endgültig erfolgen"
könne, wenn in der Vorbereitungswoche die Schülerzahl mindestens 50 beträgt, sondern
nunmehr, dass dies unter diesen Voraussetzungen "erfolgen" könne.
Gleichwohl hat der Antragsgegner in seiner Entscheidung vom 11. Juli 2007 die
Genehmigung der Einrichtung einer unterfrequenten 11. Jahrgangsstufe erwogen, aber
abgelehnt. Diese Entscheidung ist nach summarischer Prüfung gleichfalls nicht zu
beanstanden.
Der Antragsgegner hat bei seiner Entscheidung zutreffend berücksichtigt, dass es sich
bei der Unterschreitung der Mindestfrequenz von 60 Schülerinnen und Schüler nach
derzeitigen Erkenntnissen nicht um einen vorübergehenden Zustand handelt, der die
Klassenbildung ausnahmsweise rechtfertigen könnte, um in der Schule durchgängig alle
Jahrgangsstufen vorzuhalten. Bereits zum Schuljahr 2006/2007 ist an der Gesamtschule
"P." ein unterfrequenter Jahrgang genehmigt worden. Der Antragsgegner hat
unwidersprochen vorgetragen, dass die Zahl von 50 Schülerinnen und Schüler in diesem
Jahrgang inzwischen sogar unterschritten wird. Es ist auch nicht mit der erforderlichen
Sicherheit absehbar, dass im Schuljahr 2007/2008 die Mindestfrequenz von 60
Schülerinnen und Schüler - wieder - erreicht wird. Ob das zuständige Ministerium die
Mindestfrequenz für kommende Schuljahre senkt, ist genauso offen, wie die Frage, ob an
der Schule diese möglicherweise abgesenkte Mindestfrequenz in einem kommenden
Schuljahr - noch - erreicht werden wird.
Die Entscheidung erweist sich auch nicht wegen eines Widerspruchs gegen die
Schulentwicklungsplanung als fehlerhaft. Zutreffend weisen beide Beteiligte zunächst
darauf hin, dass die 2. Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung für den Landkreis
Uckermark noch nicht beschlossen ist und damit auch noch nicht berücksichtigt werden
kann. Aber auch die 1. Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung steht der
angegriffenen Entscheidung nicht entgegen.
Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BbgSchulG hat das staatliche Schulamt die
Schulentwicklungsplanung bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Dies ist hier in
ausreichendem Umfang geschehen. Zwar wird in der 1. Fortschreibung die gymnasiale
Oberstufe an der Gesamtschule "P." im Schuljahr 2007/2008, das allerdings außerhalb
des Planungszeitraums gem. § 102 Abs. 3 BbgSchulG liegen dürfte, als gesichert
angesehen. Daraus folgt aber nicht, dass im Schuljahr 2007/2008 dort zwingend ein 11.
Jahrgang einzurichten wäre. Die planerischen Vorgaben stehen einerseits unter dem
Vorbehalt, dass auch tatsächlich ein geordneter Schulbetrieb an der Schule
durchführbar ist (vgl. Hanßen/Glöde, Brandenburgisches Schulgesetz § 102 Nr. 22; vgl.
auch Beschluss der Kammer vom 11. Mai 2004 - 12 L 442/04 -). Andererseits liegt ein
durchgreifender Widerspruch schon deswegen nicht vor, weil auch die 1. Fortschreibung
der Schulentwicklungsplanung berücksichtigt, dass mittelfristig (hier prognostiziert für
das Schuljahr 2008/2009) kein 11. Jahrgang an der Gesamtschule "P." in Lychen
eingerichtet werden kann.
Die Antragstellerin kann schließlich nicht damit gehört werden, die Entscheidung greife
zu Unrecht in die Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung des Landkreises
Uckermark ein. Ein solcher Eingriff ist hier nicht erkennbar. Im vorliegenden Verfahren
geht es lediglich um die Einrichtung eines 11. Jahrgangs für das Schuljahr 2007/2008.
Über den Fortbestand einer gymnasiale Oberstufe an der Gesamtschule "P." in Lychen
ist damit keine endgültige Entscheidung, die ohnehin dem Schulträger zustände,
getroffen worden. Vielmehr ist vom Antragsgegner zum Schuljahr 2008/2009 unter
Berücksichtigung der maßgeblichen Vorschriften erneut über die Klassenbildung zu
entscheiden.
Der Antrag ist danach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes, wobei eine Halbierung des Streitwertes wegen der begehrten
Vorwegnahme der Hauptsache nicht geboten war.
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