Urteil des VG Potsdam vom 15.03.2017

VG Potsdam: satzung, echte rückwirkung, mitgliedschaft, beitragspflicht, klageerweiterung, datum, amtsblatt, nichtigkeit, beitragssatz, erlass

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Gericht:
VG Potsdam 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 K 2928/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 RAVersorgG BB, § 33
Abs 1 RAVersorgSa BB, § 9 Abs
1 RAVersorgG BB, § 9 Abs 2
RAVersorgG BB, § 44 Abs 1
RAVersorgSa BB
Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk für Rechtsanwälte;
Beitragspflicht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger, Mitglied des Versorgungswerks, dessen Vorstandsvorsitzender der Beklagte
ist, wendet sich gegen die Beitragsbescheide betreffend die Jahre 2001 bis 2005, und,
nach mehreren Klageerweiterungen, auch gegen die Bescheide betreffend die Jahre
2006 bis 2010.
Der im Jahr 1960 geborene Kläger wurde 1991 in Brandenburg zur Rechtsanwaltschaft
zugelassen. Er ist seit dem 05.09.1996 Mitglied des Versorgungswerks. Am 30.12.1996
beantragte er seine Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft.
Mit Bescheid vom 12.10.1998 beschied der Beklagte den Antrag auf vollständige
Befreiung des Klägers von der Pflichtmitgliedschaft abschlägig und setzte die
Monatsbeiträge des Klägers für Dezember 1996 und die Jahre 1997 und 1998 jeweils auf
den halben Regelbeitrag fest entsprechend § 44 Abs. 2 der am 3. Juli 1996
beschlossenen Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Land Brandenburg
(Amtlicher Anzeiger Nr. 37 vom 4.9.1996, Beilage zum Amtsblatt für Brandenburg Nr. 38
– Satzung 1996 –). Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte zurück. Im sich
darauf anschließenden Klageverfahren - 3 K 3190/99 - hob der Beklagte am 25.02.2003
nach dem gerichtlichen Hinweis auf einen eventuellen Veröffentlichungsmangel der
Satzung 1996 den Bescheid vom 12.10.1998 auf.
Mit Bescheiden vom 17.03.2005 setzte der Beklagte die Monatsbeiträge des Klägers für
2001 auf 356,45 € fest, für 2002 auf 358,13 €, für 2003 auf 414,38 €, für 2004 auf 424,13
€ und für 2005 auf 429,00 €. Der Kläger erhob gegen alle fünf Bescheide am 19.05.2005
Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2005 zurückwies,
dem Kläger zugegangen am 22.11.2005.
Der Kläger hat am 20.12.2005 Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, die rückwirkende Geltendmachung von Beiträgen vor 2003 sei
unzulässig, weil er das Verhalten des Beklagten im vorangegangenen Gerichtsverfahren
dahin habe verstehen können, dass für die dort streitigen Zeiträume keine Beiträge
gefordert würden. Es sei unverhältnismäßig, von ihm auch rückwirkend Beiträge zu
fordern; er habe seine Altervorsorge bereits durch Immobilienerwerb gesichert. Die
Absicherung über den Beklagten sei wirtschaftlich unzumutbar. Die in der Satzung des
Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Land Brandenburg vom 8.11.2002 (ABl. für
Brandenburg Nr. 39 vom 1.10.2003, S. 886 – Satzung 2002 –) angeordnete echte
Rückwirkung sei unzulässig. Es sei treuwidrig, ihn kurz vor dem Vollenden seines 45.
Lebensjahres (erstmals) zur Beitragszahlung heranzuziehen, der Grenze für die
Mitgliedschaft gemäß § 21 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte
im Land Brandenburg (Brandenburgisches Rechtsanwaltsversorgungsgesetz –
BbgRAVG) vom 04. Dezember 1995 (GVBl. I/95, [Nr. 21], S. 266), geändert durch Artikel
2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2002 (GVBl. I/02, [Nr. 12], S.189,190). Die
Übergangsregelung des § 44 Abs. 2 der Satzung, wonach im Jahr 1995 bereits
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Übergangsregelung des § 44 Abs. 2 der Satzung, wonach im Jahr 1995 bereits
zugelassene Rechtsanwälte, die noch keine 45 Jahre alt seien, die Hälfte des
Regelpflichtbeitrags entrichten müssten, und nicht die Hälfte des
einkommensabhängigen Beitrags, sei gleichheitswidrig. Seine Pflichtmitgliedschaft sei
verfassungswidrig. Sie sei auch unzumutbar deswegen, weil der Beklagte keine Auskunft
über die Finanzlage des Versorgungswerks erteile. Seine Vorsorgeaufwendungen für
2001 bis 2004 habe er 2005 nicht mehr steuermindernd geltend machen können.
Jedenfalls seien die den Bescheiden zugrunde liegenden Satzungsbestimmungen
unwirksam.
Die Satzung 1996 sei weder ordnungsgemäß beschlossen noch ordnungsgemäß
bekannt gemacht worden. Die Satzungsgebung sei nicht nachvollziehbar. Das Protokoll
der Sitzung, in dem die Satzung beschlossen sein solle, sei offenbar unrichtig, etwa im
Hinblick auf die Anwesenheitsliste, und zudem nur vom Vorsitzenden unterschrieben.
Die Beschlussvorlage fehle. Zwischen der Beschlussfassung und der Genehmigung bzw.
der Publikation seien noch Änderungen am Text der Satzung vorgenommen worden,
weshalb auch der Ausfertigungsvermerk unrichtig sei. Dieser sei zudem, wie die Satzung
als Ganzes, nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden. Eine Wahlordnung sei weder
beschlossen noch genehmigt oder veröffentlicht worden. Jedenfalls sei die Satzung 1996
durch § 47 Satz 2 der Satzung 2002 ausdrücklich aufgehoben worden, wonach die
(neue) Satzung die Satzung 1996 ersetze.
Das gelte unabhängig davon, dass auch die Satzung 2002 unwirksam sei. Diese sei
ebenfalls nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Die zur Satzungsgebung berufene
Vertreterversammlung sei nicht wirksam gewählt worden. Es habe schon – mangels
wirksamer Satzung 1996 – keine wirksamen Wahlvorschriften gegeben; der Fehler sei so
schwerwiegend, dass die Wahl nicht nur als unwirksam, sondern sogar als nichtig
anzusehen sei. Auf eine Notgeschäftsführungskompetenz könne sich die
Vertreterversammlung nicht stützen, denn nach § 20 Abs. 5 BbgRAVG führten die
Mitglieder der ersten Vertreterversammlung ihr Amt bis zum Amtsantritt des
Nachfolgers fort. Zudem hätte die Notgeschäftsführungskompetenz lediglich zur
Beseitigung der Formfehler bestanden; anderenfalls wäre jegliche demokratische
Beteiligung auszuhebeln. Das Protokoll der Sitzung der Vertreterversammlung vom
07.11.2003, in der die Satzung 2003 beschlossen worden sein solle, sei nur von der
Protokollführerin unterschrieben, so dass fraglich sei, ob überhaupt Beschlüsse gefasst
worden seien. Der Beklagte habe mit dem Erlass der Satzung 2002 ein neues
Übergangsrecht schaffen müssen. Der Ausfertigungsvermerk sei nicht in der originalen
Form bekannt gemacht worden.
Auch die Satzung 2003 leide an formellen Fehlern. Das Protokoll der Sitzung der
Vertreterversammlung vom 07.11.2003, in der die Satzung 2003 beschlossen worden
sein solle, sei nur von der Protokollführerin unterschrieben, weshalb auch insoweit
Zweifel bestünden, was – wenn überhaupt – tatsächlich beschlossen worden sei. Der
Ausfertigungsvermerk sei ebenfalls nicht in der originalen Form bekannt gemacht
worden. Auch hier habe eine Wahlordnung Teil der Satzung sein sollen, die nie existiert
habe, weshalb auch diese Satzung nie vollständig genehmigt und publiziert worden sei.
Mit Bescheid vom 10.01.2006 setzte der Beklagte die Monatsbeiträge des Klägers für
das Jahr 2006 auf 429,00 € fest. Der Kläger erhob gegen den ihm am 17.01.2006
zugegangenen Bescheid am 17.02.2006 Widerspruch, den der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 29.09.2006 zurückwies. Der Kläger hat insoweit am
16.10.2006 die Klageerweiterung erklärt.
Mit Bescheid vom 10.01.2007 setzte der Beklagte die Monatsbeiträge des Klägers für
das Jahr 2007 auf 452,73 € fest, den halben Regelpflichtbeitrag. Der Kläger erhob gegen
den ihm am 12.01.2007 zugegangenen Bescheid am 12.01.2007 Widerspruch. Mit
Bescheid vom 10.01.2008 setzte der Beklagte die Monatsbeiträge des Klägers für das
Jahr 2008 auf 447,75 € fest, den halben Regelpflichtbeitrag. Der Kläger erhob am
11.02.2008 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2008 wies der Beklagte
die Widersprüche gegen die Bescheide vom 10.01.2007 und 10.01.2008 zurück, dem
Kläger zugegangen am 04.06.2008. Der Kläger hat insoweit am 02.07.2008
Klageerweiterung erklärt.
Mit Bescheid vom 13.01.2009 setzte der Beklagte die Monatsbeiträge des Klägers für
das Jahr 2009 auf 452,73 € fest, den halben Regelpflichtbeitrag. Den dagegen am
13.02.2009 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
03.04.2009 zurück. Der Kläger hat insoweit am 06.05.2009 Klageerweiterung erklärt.
Daneben mahnte der Beklagte beim Kläger mit Bescheiden vom 13.05.2008 und
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Daneben mahnte der Beklagte beim Kläger mit Bescheiden vom 13.05.2008 und
09.07.2009 den jeweils aufgelaufenen Zahlungsrückstand an und setzte jeweils einen
Säumniszuschlag sowie Verzugszinsen nebst Zustellkosten fest. Hiergegen sowie gegen
die auf seinen jeweiligen Widerspruch hin ergangenen Widerspruchsbescheide vom
26.09.2008 und 21.08.2009 hat der Kläger am 24.10.2008 bzw. 28.09.2009
Klageerweiterung erklärt. Das Verfahren ist insoweit mit Beschluss der Kammer vom
27.01.2011 abgetrennt worden und wird unter dem Aktenzeichen VG 3 K 144/11
fortgeführt.
Mit Bescheid vom 07.01.2010 setzte der Beklagte die Monatsbeiträge des Klägers für
das Jahr 2010 auf 462,68 € fest, den halben Regelpflichtbeitrag. Den dagegen am
09.02.2010 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
26.02.2010 zurück, dem Kläger zugegangen am 03.03.2010. Der Kläger hat insoweit am
31.03.2010 Klageerweiterung erklärt.
Der Kläger beantragt,
I. 1. die Bescheide des Beklagten vom 17.03.2005 (Jahre 2001 – 2005) in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2005,
2. den Bescheid des Beklagten vom 10.01.2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 29.09.2006,
3. die Bescheide des Beklagten vom 10.01.2007 und vom 10.01.2008 (für 2008)
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.05.2008,
4. den Bescheid des Beklagten vom 13.01.2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 03.04.2009,
5. den Bescheid des Beklagten vom 07.01.2010 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 26.02.2010
aufzuheben.
Außerdem beantragt der Kläger
im Weg der Zwischenfeststellungsklage, für den Fall der Unzulässigkeit der
Zwischenfeststellungsanträge, im Wege der Feststellungsklage anzuerkennen:
II. 1. Der Beklagte ist gehindert, gegenüber dem Kläger auch künftig
Beitragsbescheide auf seine Satzung aus dem Jahr 1996 zu stützen,
hilfsweise: Die Satzung 1996 ist nichtig;
2. Der Beklagte ist gehindert, gegenüber dem Kläger auch künftig
Beitragsbescheide auf seine Satzung aus dem Jahr 2002 zu stützen,
hilfsweise: Die Satzung 2002 ist nichtig;
3. Die gegenüber dem Kläger ergangenen Beitragsbescheide des Beklagten sind
aufgrund der Nichtigkeit der Satzung des Beklagten aus dem Jahre 1996 rechtswidrig,
hilfsweise: Die Satzung 1996 ist nichtig;
4. Die gegenüber dem Kläger ergangenen Beitragsbescheide des Beklagten sind
aufgrund der Nichtigkeit der Satzung des Beklagten aus dem Jahr 2002 rechtswidrig,
hilfsweise: Die Satzung 2002 ist nichtig;
5. Der Beklagte besitzt keine Notkompetenz zum Erlass von Beitragssatzungen,
insbesondere nicht zum Erlass der streitgegenständlichen Satzung 2002;
6. die Wahlen zur Vertreterversammlung des Beklagten aus dem Jahre 2001 sind
nichtig;
7. die Wahlen zur Vertreterversammlung des Beklagten aus dem Jahre 2006 sind
nichtig;
8. im Wahlverfahren der oben genannten Wahl unterliefen dem Beklagten und
seinem Wahlausschuss insgesamt 52 Wahlfehler, und zwar diejenigen, die in Anlage V
zum Schriftsatz vom 18.01.2011 nummeriert wurden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor, die Bescheide könnten sämtlich auf § 9 Abs. 2 Satz 2 BbgRAVG i. V. m. § 33
der Satzung 2002 bzw. 2003 gestützt werden. Die Satzung 1996 sei nicht erheblich, da
sie wirksam durch die Satzung 2002 ersetzt worden sei. Unabhängig von der
Wirksamkeit der Wahl der Vertreterversammlung im Jahr 2001 habe diese jedenfalls im
Wege der Notkompetenz handeln können und müssen, da anderenfalls die
Funktionsfähigkeit des Versorgungswerks nicht zu gewährleisten gewesen wäre; die
Vertreterversammlung sei kein Nichtorgan gewesen. Die Satzung 2002 habe auch
rückwirkend in Kraft gesetzt werden können; das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz
erlaube eine anderweitige Bestimmung des Inkrafttretens. Die hierin liegende echte
Rückwirkung sei gerechtfertigt, weil anderenfalls ein der verfassungsmäßigen Ordnung
entgegenstehender Zustand bestanden hätte. Ein etwaiger Unterschriftsmangel beim
Protokoll über die Sitzung der Vertreterversammlung sei nicht derart gravierend, dass er
zur Nichtigkeit der Satzung führe. Die Übergangsregelung des § 21 BbgRAVG treffe den
Kläger nicht, der im Dezember 1995 erst 35 Jahre alt gewesen sei. Immobilienbesitz
allein genüge nicht für eine Befreiung. Eine unbillige Härte liege in der Geltendmachung
des Rückstandes nicht; dass er so hoch auflief, habe der Kläger selbst verursacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte in dieser Besetzung entscheiden ungeachtet der erneuten
Befangenheitsgesuche des Klägers gegen die mitwirkenden Berufsrichter, gestellt im
Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.02.2011 bzw. mit Schriftsatz vom
17.02.2011 sowie 20.02.2011, eingegangen am 21.02.2011. Diese sind aus den im
Beschluss vom 21.02.2011 näher dargelegten Gründen unbegründet bzw. als
offensichtlich missbräuchlich unbeachtlich. Auf den Beschluss wird ergänzend Bezug
genommen. Das gegen die mitwirkenden ehrenamtlichen Richter gerichtete
Ablehnungsgesuch des Klägers vom 17.02.2011 ist ebenfalls als offensichtlich
missbräuchlich unbeachtlich. Der pauschal gegen alle mitwirkenden Richter gestellte
Antrag enthält keinen konkreten Vortrag zu einem Verhalten der ehrenamtlichen
Richter, das bei einem unbefangenen Beobachter den Eindruck der
Voreingenommenheit entstehen lassen könnte.
Ein Grund für die durch den Kläger beantragte Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 2 und 173 VwGO i. V. m. 156 ZPO besteht nicht.
Insbesondere enthält der angeführte – nicht nachgelassene – Schriftsatz des Klägers
vom 20.02.2011 kein neues tatsächliches oder rechtliches Vorbringen, das eine
Erörterung nach § 104 Abs. 1 VwGO erforderlich machen würde. Die sich über mehr als
vier Stunden erstreckende mündliche Verhandlung bot ausreichend Gelegenheit, zur
Sach- und Rechtslage vorzutragen.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist im Punkt I. zulässig, auch im Hinblick auf die in den jeweiligen
Klageerweiterungen liegenden Klageänderungen. Diese sind zulässig gemäß § 91 Abs. 1
und 2 VwGO schon deshalb, weil der Beklagte sich rügelos hierauf eingelassen hat. Sie
sind auch sachdienlich, da der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die
Klageerweiterung die endgültige Beilegung des Streits fördert.
Die Klage zu I. ist jedoch unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind nicht
rechtswidrig und verletzen den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten im Sinne des §
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage der Bescheide sind §§ 3 Abs. 1 und 9 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über
das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land Brandenburg (Brandenburgisches
Rechtsanwaltsversorgungsgesetz – BbgRAVG) vom 04. Dezember 1995 (GVBl. I/95, [Nr.
21], S. 266), geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2002 (GVBl. I/02,
[Nr. 12], S. 189/190) i. V. m. § 33 der Satzung 2002 bzw. – soweit Beiträge für die Zeit
ab 11.11.2004 festgesetzt werden – i. V. m. § 33 der Satzung 2003.
Nach § 9 Abs. 1 BbgRAVG ist der monatliche Regelpflichtbeitrag nach näherer Maßgabe
der Satzung einkommensbezogen; er muss den Beitragssatz und die
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten
berücksichtigen. Nach Absatz 2 Satz 1 und 2 der Vorschrift sind Mitglieder bis zum
Eintritt des Versorgungsfalles zur Entrichtung der Beiträge verpflichtet. Die Beiträge
werden vom Versorgungswerk durch Bescheid festgesetzt. Nach § 33 Abs. 1 der
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werden vom Versorgungswerk durch Bescheid festgesetzt. Nach § 33 Abs. 1 der
Satzung 2002/2003 ist der monatliche Regelpflichtbeitrag ein bestimmter Teil der im
Land Brandenburg geltenden Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen
Rentenversicherung gemäß § 159 SGB VI. Sofern ihn die Vertreterversammlung – wie
hier – nicht anders festsetzt, stimmt er (der Bruchteil) überein mit dem Beitragssatz der
gesetzlichen Rentenversicherung. Nach Absatz 2 der Vorschrift tritt für Mitglieder, bei
denen die Summe von Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt die
Beitragsbemessungsgrenze nicht erreicht, für die Bestimmung des Beitrages anstelle
der Beitragsbemessungsgrenze nach § 159 SGB VI die Summe des jeweils
nachgewiesenen Arbeitseinkommens und Arbeitsentgelts. Unabhängig von Absatz 2 ist
nach Absatz 3 als Beitrag mindestens 1/10 des Regelpflichtbeitrages (gemäß Absatz 1)
zu entrichten. Nach Absatz 5 haben Mitglieder in den ersten fünf Jahren ihrer
Mitgliedschaft grundsätzlich nur den halben Beitrag zu bezahlen, mindestens jedoch den
Beitrag gemäß Absatz 3.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage bestehen entgegen der
Auffassung des Klägers keine Bedenken.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie der
Verwaltungsgerichte, darunter der BayVGH und das BVerwG, ist gegen die gesetzlich
angeordnete Pflichtmitgliedschaft unter anderem von Rechtsanwälten in einem
Versorgungswerk von Verfassungs wegen nichts zu erinnern (BVerfG, Beschl. v.
25.02.1960 – 1 BvR 239/52 – NJW 1960, 620; Beschl. v. 04.04.1989 – 1 BvR 685/88 – NJW
1990, 1653; BayVGH, Beschl. v. 18.12.2008 – 21 ZB 08.470 – DStR 2009, 874; BVerwG,
Urt. v. 05.12.2000 – 1 C 11/00 2001 – NJW 2001, 1590; Urt. v. 29.01.1991 – 1 C 11/89 –,
BVerwGE 87, 324 = NJW 1991, 1842). Dem folgt die Kammer (vgl. VG Potsdam, Urt. v.
26.11.2010, VG 3 K 417/10). Der klägerische Vortrag gibt keinen Anlass zu einer anderen
Beurteilung.
Die der konkreten Beitragserhebung jeweils zugrunde liegenden satzungsmäßigen
Bestimmungen sind entgegen der Auffassung des Klägers wirksam.
Rechtsgrundlage der Satzung 2002 ist § 18 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 BbgRAVG. Nach
§ 18 Abs. 1 BbgRAVG werden die Angelegenheiten des Versorgungswerks, soweit sie
nicht gesetzlich bestimmt sind, durch die Satzung geregelt. Hierzu gehört nach § 9 Abs.
1 Satz 1 BbgRAVG die nähere Bestimmung des monatlichen (Regelpflicht-)Beitrags. Die
Satzung und etwaige Änderungen werden gemäß § 7 Abs. 5 BbgRAVG von der
Vertreterversammlung beschlossen. Sie bedarf nach Absatz 6 der Vorschrift der
Genehmigung des Ministeriums der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten,
das im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie
entscheidet. Die Vertreterversammlung beschließt gemäß Absatz 7 der Vorschrift mit
einfacher Mehrheit der anwesenden Vertreter, bei Änderungen der Satzung mit einer
Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Vertreterversammlung.
Nach diesen Maßstäben ist die Satzung 2002 ordnungsgemäß zustande gekommen. Sie
wurde am 08.11.2002 von der Vertreterversammlung beschlossen, am 18.07.2003
durch die zuständige Ministerin genehmigt und am 01.10.2003 im Amtsblatt für
Brandenburg Nr. 39/2003 auf S. 886 ff. veröffentlicht.
Die Vertreterversammlung war entgegen der Auffassung des Klägers zum
Satzungserlass berufen. Zwar rügt er insbesondere, die Wahl zur Zweiten
Vertreterversammlung im Jahre 2001 sei aus mehreren Gründen unwirksam, zu denen
das Fehlen wirksamer Wahlvorschriften – der ordnungsgemäß beschlossenen wie
publizierten Satzung 1996 wie einer Wahlordnung – ebenso gehöre wie erhebliche
Verstöße gegen das Demokratieprinzip, etwa durch die Zurwahlstellung nur einer Liste.
Damit kann er indes nicht durchdringen. Die Rechtmäßigkeit der Wahl zur
satzungsgebenden Versammlung ist in einem eigenen Wahlprüfungsverfahren zu klären.
Erst die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungsgemäßheit der Wahl berührt die
Wirksamkeit der nach diesem Zeitpunkt gefassten Beschlüsse dieser Versammlung. Es
liefe der Eigenständigkeit des Wahlprüfungsverfahrens zuwider, die Wirksamkeit der Wahl
inzident im Rahmen eines anderen Streitverfahrens zu klären (BVerwG, Urt. v.
17.12.1998 – 1 C 7/98 –, BVerwGE 108, 169 = NJW 1999, 2292, zu
Satzungsbestimmungen einer Handwerkskammer und Beschluss der 3. Kammer vom
24.10.2006 – 3 L 149/06 –).
Ein Wahlprüfungsverfahren betreffend die Wahl zur Vertreterversammlung 2001 ist
bislang nicht erfolgreich durchgeführt worden. In dem einzigen der Kammer bekannten
Fall ist die Klage (mangels Rechtsschutzbedürfnisses) als unzulässig abgewiesen worden
(VG Potsdam, Urt. v. 19.08.2010 – 1 K 1120/08). Jedenfalls wird die rechtliche
Wirksamkeit von Beschlüssen und sonstigen Rechtsakten nicht berührt, wenn die
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Wirksamkeit von Beschlüssen und sonstigen Rechtsakten nicht berührt, wenn die
Wirksamkeit der Bestellung des Organs - hier der Zweiten Vertreterversammlung - durch
die Wahlanfechtung zwar in Frage gestellt, die Bestellung aber noch nicht rechtskräftig
für unwirksam erklärt worden ist. Dieser Grundsatz ist in der Rechtsprechung des BVerfG
bei der Wahl der Landtage und des Deutschen Bundestages entwickelt und damit
begründet worden, es sei mit der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit unvereinbar, wenn
die Maßnahmen und Beschlüsse des Organs, die bis zur Rechtskraft der Entscheidung
getroffen bzw. gefasst worden seien, in ihrem Rechtsbestand und in ihrer Verbindlichkeit
in Frage gestellt würden. Diese im Rechtsstaatsprinzip verankerten und daher
beispielsweise auch für die Wahlen zu Gemeinde- und Kreistagen geltenden Grundsätze
sind nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.12.1998, a. a. O.),
dem sich die Kammer anschließt, auch bei Selbstverwaltungskörperschaften wie einer
Handwerkskammer oder hier eines Rechtsanwaltsversorgungswerks anzuwenden. Mit
der Gewährung funktionaler Selbstverwaltung innerhalb eines von vornherein durch
Wesen und Aufgaben der Körperschaft begrenzten Bereichs hat der Staat einzelnen
gesellschaftlichen Gruppen Satzungsgewalt zu dem Zweck verliehen, durch
demokratisch gebildete Organe in überschaubaren Bereichen solche Angelegenheiten
zu regeln, die sie selbst betreffen und die sie am sachkundigsten beurteilen können. Die
nach dem Demokratiegebot grundsätzlich zu fordernde demokratische Rückanbindung
an die Volksvertretung wird hier durch eine mitgliedschaftliche Binnenstruktur der
jeweiligen Selbstverwaltungskörperschaft ersetzt; damit wird zugleich das Defizit an
demokratischer Verantwortung der Volksvertretung kompensiert. Diesen Anforderungen
trägt die Wahl der Vertreterversammlung gemäß § 7 Abs. 1 BbgRAVG als
mitgliedschaftlich legitimierte Organwahl Rechnung. Ob dabei auch der Wahlmodus dem
Demokratiegebot entsprach, kann deshalb bis zu einer gegenteiligen
Wahlprüfungsentscheidung dahinstehen. Die Vertreterversammlung ist daher selbst
während eines Verfahrens über die Gültigkeit der Wahl nicht gehindert, die ihr gesetzlich
vorbehaltenen Beschlüsse zu fassen. Dies gebietet auch die Kontinuität der Arbeit des
Versorgungswerks, das angesichts der nicht kalkulierbaren Dauer eines Rechtsstreits
über die Gültigkeit der Wahl der Vertreterversammlung anderenfalls in seiner
Funktionsfähigkeit in nicht übersehbarer Weise beeinträchtigt wäre. Die Beschlüsse der
Vertreterversammlung können daher allenfalls nach einer die Wahl betreffenden
Ungültigkeitserklärung unwirksam sein (BVerwG ebd.; in diesem Sinne bereits Beschluss
der Kammer v. 02.06.2009 – 3 L 573/08 – zur sog. Notkompetenz m. w. N.). Die vom
Kläger für seine gegenteilige Auffassung angeführten Entscheidungen von Gerichten der
Arbeitsgerichtsbarkeit beruhen ersichtlich auf Besonderheiten des
Betriebsverfassungsrechts.
Nichts anderes ergibt sich, soweit der Kläger ausdrücklich die Nichtigkeit anstelle der
Unwirksamkeit der Wahl anführt. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit
und die daraus allgemein etwa im Beamtenrecht abgeleiteten Unterscheidung zwischen
der Berufung oder Konstituierung eines Organs, die nichtig sein kann, und den von
diesem Organ im Rahmen seiner „Zuständigkeit“ erlassenen Hoheitsakten, die trotz
jener Nichtigkeit der Berufung des Organs gültig sein können, besteht bei einer
unwirksamen ebenso wie bei einer nichtigen Berufung oder Konstituierung des Organs
(BVerfG, Urt. v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51 –, BVerfGE 1, 14). Das Beamtenrecht sieht
entsprechend die Rechtswirksamkeit der Amtshandlungen unabhängig davon vor, ob die
Berufung des Beamten als nichtig oder aufgrund von erheblichen Formverstößen als
Nichternennung zu beurteilen ist (vgl. nur Battis, BBG, 2. Aufl. 1997, § 14 BBG Rdnr. 2;
für das brandenburgische Landesrecht siehe Kotulla, Landesbeamtengesetz
Brandenburg, Stand Oktober 1999, § 17 LBG Rdnr. 2). Auf die vorgenommene
Unterscheidung kommt es mithin nicht an.
Die Zweite Vertreterversammlung als satzungsgebendes Organ des Versor-gungswerks
durfte daher im Jahre 2002 eine neue Satzung erlassen, damit die dem
Versorgungswerk kraft Gesetzes obliegende Aufgabe der Versorgung der Mitglieder des
Versorgungswerks und deren Hinterbliebenen (vgl. § 2 BbgRAVG) erfüllt werden konnte.
Ohne wirksame Satzung können Beiträge von den Mitgliedern des Versorgungswerks
nicht erhoben werden. Die Beitragserhebung sichert allein die Funktionsfähigkeit des
Versorgungswerks, da das Versorgungswerk die ihm obliegenden Leistungen, wie z. B.
die Altersrente, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrente (vgl. § 10 Abs. 1
BbgRAVG), ausschließlich aus eigenen Mitteln erbringt (vgl. § 2 Abs. 2 BbgRAVG). Bis zur
ordnungsgemäßen Wahl und zum Zusammentritt einer neuen Vertreterversammlung ist
die Zweite Vertreterversammlung daher zur Weiterführung ihres Amtes befugt (vgl. § 7
Abs. 3 BbgRAVG). Auf die Befugnisse der in § 20 BbgRAVG näher geregelten Ersten
Vertreterversammlung kann es schon deshalb nicht mehr ankommen, da diese mit dem
Zusammentreten der Zweiten Vertreterversammlung aufgelöst war, § 20 Abs. 5
BbgRAVG.
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Demnach kommt es auf die Frage, ob die Satzung 1996 wirksam bekanntgegeben
wurde (vgl. hierzu OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 23.10.2002 – 1 A
147/02 – und andererseits OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.05.2010 – OVG
12 S 10.10 –) und ob die Satzung 1996 an weiteren, vom Kläger mit der Fehlerübersicht
geltend gemachten formellen Mängel leidet, nicht an.
Durchgreifende formelle Fehler beim Satzungserlass sind nicht zu konstatieren.
Die Satzung 2002 wurde ordnungsgemäß ausgefertigt. Zwar ist keine konkrete Norm
erkennbar, die das Erfordernis und die Ausgestaltung einer Ausfertigung der von der
Vertreterversammlung beschlossenen Satzungen bzw. Satzungsänderungen regelt. In §
18 Abs. 3 Satz 1 BbgRAVG ist vielmehr – anders als etwa in § 3 Abs. 3 der
Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) – lediglich bestimmt, dass
die Satzung und jede Änderung mit dem Genehmigungsvermerk im Amtsblatt für
Brandenburg bekanntzugeben sind. Allerdings ist es ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit,
dass Rechtsnormen nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt
erlassen werden dürfen, so dass Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts
mit dem vom Normgeber Beschlossenen bestehen muss (BVerwG, Beschl. v.
16.05.1991 – BVerwG 4 NB 26.90 –, BVerwGE 88, 204 = NVwZ 1992, 371). Vorliegend
bestätigt der Ausfertigungsvermerk des Beklagten und des Vorsitzenden der
Vertreterversammlung vom 06.08.2003 die Identität des am 08.11.2002 von der
Vertreterversammlung beschlossenen Textes mit der vorliegenden Ausfertigung der
Satzung. Das genügt den Anforderungen.
Die Satzung 2002 ist auch – mitsamt dem Ausfertigungsvermerk – ordnungsgemäß im
Amtsblatt für Brandenburg veröffentlicht. Dass der Ausfertigungsvermerk selbst nicht
vollständig veröffentlicht wurde, ist angesichts dessen unerheblich, dass eine Publikation
des Vermerks nach § 18 Abs. 3 Satz 1 BbgRAVG nicht erforderlich ist. Ungeachtet
dessen ist die Satzung vollständig veröffentlicht. Dass nicht auch die Wahlordnung
publiziert wurde, die nach dem Wortlaut des Ausfertigungsvermerks Bestandteil der
Satzung ist, ist ebenfalls unschädlich. Dies führt nicht zu der rechtlichen Folge, dass die
Satzung 2002 nicht als (vollständig) veröffentlicht anzusehen ist. Der
Veröffentlichungsmangel betrifft allein die Wahlordnung, die kein unselbständiger Teil der
Satzung ist. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 BbgRAVG trifft zwar die Satzung insbesondere
Bestimmungen unter anderem über die Wahl der Vertreterversammlung. Dem
entsprechend enthält § 4 Abs. 2 bis 5 der Satzung 1996 und – wortgleich – der
Satzungen 2002 und 2003 nähere Bestimmungen zur Wahl der Vertreterversammlung.
In Absatz 2 Satz 1 und 2 heißt es hierzu, dass die Vertreter und acht Ersatzvertreter
durch Briefwahl gewählt werden, wobei Näheres die Wahlordnung „als Bestandteil dieser
Satzung“ bestimmt. Die hierin liegende Regelungstechnik soll ersichtlich die
Normqualität der Wahlordnung in einer § 18 Abs. 2 Nr. 1 BbgRAVG entsprechenden
Weise ausgestalten, nicht aber auch die Satzung untrennbar mit der Wahlordnung
verknüpfen mit der Folge, dass das Fehlen oder Fehler der Wahlordnung zur
Unwirksamkeit der Satzung als Ganzes führen. Im Übrigen wäre auch einer mangels
Wahlordnung unvollständigen (im Sinne der gesetzlichen Inhaltsbestimmung gemäß §
18 Abs. 2 BbgRAVG) Satzung die Rechtswirksamkeit im Übrigen nicht abzusprechen.
Die übrigen Rügen des Klägers betreffend etwaige Formverstöße beim Satzungserlass,
erstmals vorgetragen im Termin zur mündlichen Verhandlung, waren gemäß § 87b Abs.
3 VwGO zurückzuweisen. Sie wurden nach Ablauf der dem Kläger mit gerichtlicher
Verfügung vom 26.01.2011 gesetzten Frist am 08.02.2011 vorgebracht, bei der er auf
die Folgen der Fristversäumnis hingewiesen wurde, ohne dass der Kläger die Verspätung
hinreichend entschuldigt hätte. Ihre Zulassung würde die Erledigung des Rechtsstreits
schon deshalb verzögern, weil dem Beklagten eine Erwiderung auf diesen neuen
umfangreichen Vortrag im Termin nicht möglich gewesen wäre. Hinzu kommt, dass der
Kläger zum Beweis der Tatsachen nicht präsente Beweismittel anführt.
Die Satzung durfte sich auch wie geschehen Rückwirkung beimessen.
Einfaches Gesetzesrecht steht dem – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht
entgegen. In § 18 Abs. 3 Satz 2 BbgRAVG ist ausdrücklich bestimmt, dass die Satzung
und jede Änderung am Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt für Brandenburg in
Kraft treten, . Eine solche andere
Bestimmung liegt hier in der Angabe des 05.09.1996, zu dem die Satzung 2002
rückwirkend in Kraft tritt.
Auch Verfassungsrecht steht der Rückwirkung nicht entgegen. Zwar handelt es sich hier
um eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung, da die Satzung 2002 den Beginn
ihres zeitlichen Anwendungsbereichs in § 47 Satz 1 auf einen Zeitpunkt festlegt, der vor
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ihres zeitlichen Anwendungsbereichs in § 47 Satz 1 auf einen Zeitpunkt festlegt, der vor
dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Satzung rechtlich existent geworden ist. Eine solche
Rückwirkung ist nur in engen Grenzen zulässig und zwar dann, wenn die neue Satzung
eine unwirksame ersetzt oder eine unklare oder verworrene Regelung mit Rückwirkung
ändert, denn ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand einer unwirksamen oder
unklaren Regelung besteht nicht. Anders liegt es, wenn der Satzungsgeber eine
fehlerhafte Bestimmung einer Satzung rückwirkend zu Lasten von Beitragspflichtigen
ändert oder die wegen erkannter Satzungsmängel erforderliche Neufassung dazu nutzt,
gleichzeitig mit Wirkung in die Vergangenheit wirksame Bestimmungen zu Lasten der
Pflichtigen zu ändern (so bereits Beschluss der Kammer vom 02.06.2009 – 3 L 573/08 –,
unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 14.05.1986 – 2 BVL 2/83 – BVerfGE 72, 200;
BVerwG, Urt. v. 07.04.1989 – 8 B 83/87 –, NVwZ 1990, 168; OVG Münster, Urt. v.
17.05.1990 – 2 A 500/88 –, NVwZ-RR 1991, 664 ff. m. w. N.; siehe auch OVG Berlin-
Brandenburg, Beschl. v. 01.03.2010 – OVG 12 M 121.08 –; BVerwG, Urt. v. 26.06.1970 –
IV C 134.68 = DVBl. 1970, 835; Urt. v. 28.11.1975 – IV C 45.74 –, BVerwGE 50, 2 = NJW
1976, 1115; Urt. v. 15.04.1983 – 8 C 170/81 – BVerwGE 67, 129 = NVwZ 1983, 612; OVG
Lüneburg, Urt. v. 15.06.2010 – 8 LC 102/08).
Nach diesen Maßstäben ist gegen das rückwirkende Inkraftsetzen nichts zu erinnern.
Seit dem Inkrafttreten des BbgRAVG musste jedes Mitglied des Beklagten und damit
auch der Kläger mit seiner Beitragspflicht rechnen. Diese war auch in ihrer etwaigen
Höhe vorhersehbar, bestimmt § 9 Abs. 1 BbgRAVG doch, der einkommensbezogene
monatliche Regelpflichtbeitrag müsse den Beitragssatz und die
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten
berücksichtigen. Ein Vertrauen darauf, dass die Satzung 1996 wegen eines etwaigen
Fehlers bei der Publikation als unwirksam anzusehen ist, ist nicht schützenswert, zumal
hier nicht erkennbar ist, dass der Kläger die Gültigkeit der Satzung unter Berufung auf
diesen Fehler schon vor der erwähnten Entscheidung des OVG Brandenburg (vom
23.10.2002 – 1 A 147/02.Z –) bezweifelt hätte. Er musste bereits mit Blick auf die
gesetzliche Regelung zur Beitragspflicht mit dem Erlass einer neuen Satzung rechnen
und konnte nicht darauf vertrauen, dass das Versorgungswerk auf die Ersetzung der für
unwirksam erachteten Satzung verzichten würde. Eine rückwirkende Schlechterstellung
der Beitragspflichtigen durch die Satzung 2002 behauptet der Kläger nicht. Sie ist
angesichts des nahezu identischen Wortlauts auch sonst nicht ersichtlich (so bereits
Beschl. der Kammer v. 02.06.2009 – 3 L 573/08 –; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v.
01.03.2010 – OVG 12 M 121.08 –).
Die ebenfalls auf §§ 18 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 BbgRAVG beruhende Satzung 2003 ist
gleichfalls rechtswirksam. Sie wurde am 07.11.2003 beschlossen, am 08.07.2004 durch
die zuständige Ministerin genehmigt und am 10.11.2004 im Amtsblatt für Brandenburg
Nr. 44/2004, S. 838 bekannt gemacht.
Durchgreifende Formfehler beim Satzungserlass bestehen auch hier nicht. Die vom
Kläger gerügten Mängel des Protokolls vom 07.11.2003 sind unerheblich. Es ist schon
nicht erkennbar, aufgrund welcher gesetzlichen oder satzungsmäßigen Bestimmungen
die Vertreterversammlung überhaupt zur Führung eines Protokolls verpflichtet gewesen
wäre. Daher ist auch nicht erkennbar, welche Anforderungen an ein solches Protokoll zu
stellen wären, etwa welchen Mindestinhalt es haben und welche Unterschriften es tragen
müsste. Schon deshalb kann ein Verstoß gegen Protokollierungsbestimmungen nicht
angenommen werden. Die weitergehende Schlussfolgerung des Klägers, mangels eines
seinen Vorstellungen entsprechenden Protokolls sei nicht sichergestellt, dass am
07.11.2003 die Satzung 2003 wie später veröffentlicht beschlossen wurde, so dass
davon auszugehen sei, dass kein Satzungsbeschluss gefasst worden sei, vermag die
Kammer nicht nachzuvollziehen. Dem stehen schon der Ausfertigungsvermerk und die
nachfolgende Genehmigung sowie Publikation der Satzung entgegen (vgl. auch VG
Potsdam, Urt. v. 19.08.2010 – 1 K 497/07 –; siehe ferner BVerwG, Beschl. v. 16.04.2003
– 9 B 81/02 –, NVwZ 2003, 995). Gleiches trifft auf die angeblichen Fehler im Protokoll
der Sitzung vom 8.11.2002 zu.
Da sich die Satzung 2002 Rückwirkung beimaß, bedurfte die Satzung 2003 dessen nicht.
Keine durchgreifenden Bedenken bestehen schließlich gegen die vom Kläger gerügte
Übergangsregelung des § 44 Abs. 2 der Satzung 2002/2003. Nach § 44 Abs. 1 der
Satzung wird, wer als Mitglied am 9. Dezember 1995 der Rechtsanwaltskammer im
Lande Brandenburg angehörte und das 45. Lebensjahr zu diesem Zeitpunkt noch nicht
vollendet hatte, auf Antrag von der Mitgliedschaft im Versorgungswerk oder von der
Beitragspflicht nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 ganz oder teilweise befreit. Ohne
Nachweis eines anderweitigen Befreiungstatbestandes erfolgt gemäß Absatz 2 die
Befreiung von der Beitragspflicht bis zur Hälfte des Regelpflichtbeitrages gemäß § 33
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Befreiung von der Beitragspflicht bis zur Hälfte des Regelpflichtbeitrages gemäß § 33
Abs. 1. Der Beitragssatz wird folglich einkommensunabhängig festgesetzt.
Ein Gleichheitsverstoß liegt hierin auch im Hinblick auf einkommensschwache
Pflichtmitglieder nicht, zu denen der Kläger seinem Vortrag nach im Übrigen nicht
gehört. Keiner der von der Regelung Erfassten ist auf diese Art der Veranlagung
festgelegt. Nach § 44 Abs. 3 Satz 3 der Satzung können Mitglieder, deren Pflichtbeitrag
gemäß den Absätzen 2 und 3 unabhängig von dem nach § 33 Abs. 2 beitragspflichtigen
Arbeitseinkommen festgesetzt ist, jederzeit auf diese Festsetzung ihres
einkommensunabhängigen Pflichtbeitrages verzichten und ihren Beitrag fortan
einkommensbezogen entrichten. Die Satzung ermöglicht damit die vom Kläger
vermisste Berücksichtigung geringerer Einkommen auch bei den von § 44 Abs. 2
erfassten Pflichtmitgliedern.
Die Voraussetzungen der gesetzlichen bzw. satzungsgemäßen Beitragspflicht des
Klägers liegen vor.
Der Kläger ist als seit 1991 zur Rechtsanwaltschaft in Brandenburg Zugelassener seit
der Gründung des beklagten Versorgungswerks dessen Pflichtmitglied.
Nach § 3 BbgRAVG sind Pflichtmitglieder des Versorgungswerks alle Mitglieder der
Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg.
Hierzu gehört der Kläger.
Von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen sind nach § 3 Abs. 2 BbgRAVG
Rechtsanwälte, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes das 45. Lebensjahr vollendet haben
(Nr. 1), Rechtsanwälte, die nach Vollendung des 45. Lebensjahres Mitglied der
Rechtsanwaltskammer werden (Nr. 2) sowie Rechtsanwälte, die an dem Tag, an dem die
Pflichtmitgliedschaft beginnen würde, berufsunfähig sind (Nr. 3).
Keine dieser Voraussetzungen liegen vor. Der am 1.5.1960 und seit dem 6.3.1991 im
Land Brandenburg als Rechtsanwalt zugelassene geborene Kläger war am 05.12.1995
erst 35 Jahre alt und zu diesem Zeitpunkt bereits – nicht berufsunfähiger – Rechtsanwalt.
An der angefochtenen Festsetzung der Mitgliedsbeiträge ist der Beklagte auch nicht
durch die gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Bestimmungen über die Befreiung von
der Mitgliedschaft gehindert. Insoweit kann offen bleiben, ob diese Frage nicht allein im
Wege der – nicht erhobenen – Verpflichtungsklage zu klären wäre. Eine Befreiung kommt
hier nicht in Betracht.
Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 BbgRAVG wird, wer bei Inkrafttreten des Gesetzes Mitglied der
Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg ist und das 45. Lebensjahr nicht
vollendet hat, Mitglied des Versorgungswerks; er kann nach Maßgabe der Satzung auf
Antrag von der Mitgliedschaft oder der Beitragspflicht ganz oder teilweise befreit werden.
Die entsprechenden Bestimmungen zur Befreiung von der Mitgliedschaft oder der
Beitragspflicht enthält § 44 der Satzung 2002/2003.
Aus dem Zusammenhang der Regelungen des § 44 der Satzung 2002/2003 wird
deutlich, dass der Satzungsgeber eine Minderung der Beitragspflicht über die Hälfte
hinaus oder eine noch weitergehend begünstigende gänzliche Befreiung von der
Mitgliedschaft nur dann gewährt, wenn bei dem Mitglied eine gleichwertige Versorgung
sichergestellt ist, sei es durch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (Absatz 7)
oder eine anderweitige, in Absatz 3 näher spezifizierte Alters- und
Hinterbliebenenversorgung. Das wird insbesondere deutlich aus Absatz 4, wonach durch
eine volle Beitragsbefreiung die Mitgliedschaft beendet wird. Auch die Regelung in § 44
Absatz 2 widerspricht der Auffassung des Klägers, Absatz 1 gewähre einen
voraussetzungslosen Anspruch auf Befreiung von der Mitgliedschaft für Rechtsanwälte,
die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits zugelassen, aber noch keine 45 Jahre alt
waren. Denn voraussetzungslos gewährt die Satzung hier gerade nur eine hälftige
Beitragsbefreiung, vgl. § 44 Abs. 2 der Satzung 2002/2003.
Zu einer weitergehenden Regelung im Sinne des Klägers wäre der Satzungsgeber auch
nicht befugt. Denn § 21 Abs. 1 Nr. 1 BbgRAVG ermächtigt den Satzungsgeber nur dazu,
nähere Regelungen zu treffen, aufgrund derer von der Mitgliedschaft ganz oder teilweise
befreit werden kann, wer bei Inkrafttreten des Gesetzes das 45. Lebensjahr nicht
vollendet hat. Eine voraussetzungslose Befreiung kann hiermit schon deshalb nicht
verbunden sein, weil diese Gruppe von Rechtsanwälten nach dem eindeutigen Willen des
Gesetzgebers von Gesetzes wegen Mitglied des Versorgungswerks wird, § 21 Abs. 1 Nr.
1 BbgRAVG. Hierin liegt eine deutliche Abgrenzung zu den Rechtsanwälten, die bei
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1 BbgRAVG. Hierin liegt eine deutliche Abgrenzung zu den Rechtsanwälten, die bei
Inkrafttreten des Gesetzes bereits 45 Jahre alt und von der Pflichtmitgliedschaft
ausgenommen sind, vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BbgRAVG. Diese unterschiedliche Behandlung
ist auch sachgerecht. Von der Mitgliedschaft im Versorgungswerk soll nur befreit sein,
wer bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits anderweitig ausreichend versichert ist und
deshalb gezwungen wäre, eine Überversicherung in Kauf zu nehmen oder wegen seiner
Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk die bisherige Versicherung aufzugeben (LT-
Drs. 2/1234, S. 20 und 31 f.). Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass ein
Rechtsanwalt grundsätzlich erst nach einer gewissen Zeit der Berufstätigkeit eine
ausreichende Alters- und Hinterbliebenenversorgung aufgebaut hat. Das Abstellen auf
das Lebensalter stellt hierbei eine im Sinne der Praktikabilität zulässige Pauschalisierung
dar. Die Zeiten der Berufsausbildung unterscheiden sich angesichts der vergleichsweise
einheitlich langen Zeiten des Studiums und des Vorbereitungsdienstes nicht wesentlich
voneinander.
Eine weitergehende Befreiung als in § 44 Abs. 2 der Satzung 2002/2003 vorgesehen
kommt nicht in Betracht. Von den Voraussetzungen der Absätze 3 bis 7 liegt nur der
rechtzeitig gestellte Antrag des Klägers auf Befreiung vor. Er hat indes keinen der
materiellen Befreiungstatbestände nachgewiesen, so dass es nur bei der hälftigen
Beitragsbefreiung des Absatzes 2 bleiben kann, die voraussetzungslos zu gewähren ist
und gewährt wurde.
Insbesondere genügt das vom Kläger mehrfach angeführte Immobilieneigentum für sich
genommen nicht den Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 und des darin in Bezug
genommenen Befreiungstatbestand nach § 12 Abs. 1 der Satzung 2002/2003 (so
bereits Beschl. der Kammer v. 02.06.2009 – 3 L 573/08 –; OVG Berlin-Brandenburg,
Beschl. v. 16.11.2009 – OVG 12 S 58.09 –). Die aus dem Immobilieneigentum erzielten
Nettovermögenserträge im Sinne des § 44 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der Satzung 2002/2003,
die der Kläger nunmehr mit gut 8.500 € angibt, waren jedenfalls zum maßgeblichen
Zeitpunkt des Erlasses der jeweils angegriffenen Widerspruchsbescheide nicht in der von
§ 44 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der Satzungen geforderten Form nach Grund und Höhe
nachgewiesen. Erforderlich wäre danach der Nachweis von Nettovermögenserträgen,
ermittelt nach steuerlichen Grundsätzen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der
Satzung, die mindestens die Höhe der Anwartschaft auf Berufsunfähigkeitsrente
erreichen, wie sie ohne Befreiung bestehen würde, wenn der halbe Regelpflichtbeitrag
entrichtet worden wäre. Auch die erstmals im Termin der mündlichen Verhandlung
vorgelegte Auskunft des Steuerberaters des Klägers entspricht diesen Maßstäben schon
deshalb nicht, weil sie sich nicht auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung
bezieht und zudem nicht deutlich macht, nach welchen steuerlichen Grundsätzen die
Zahlen ermittelt wurden.
Die rückwirkende Geltendmachung der Beiträge bis zum Jahr 2001 war auch nicht im
Hinblick auf die Aufhebung der Beitragsbescheide für diesen Zeitraum im Rahmen des
gerichtlichen Verfahrens - 3 K 3190/99 - ausgeschlossen.
Dem Prozessverhalten des Beklagten im vorigen Anfechtungsprozess kann nicht die
vom Kläger angenommene Bedeutung eines Verzichts beigemessen werden. Der
Beklagte hat in dem genannten Rechtsstreit aufgrund des gerichtlichen Hinweises auf
die problematische Veröffentlichung der Satzung 1996 die angefochtenen Bescheide
aufgehoben. Diesem Verhalten kann nicht die Erklärung beigemessen werden, der
Beklagte werde nach der Klärung oder der Herstellung der Satzungswirksamkeit keine
weiteren für den streitigen Zeitraum geltenden Bescheide erlassen (vgl. auch OVG
Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.11.2009 – OVG 12 S 58.09 –).
Die Heranziehung des Klägers zu Mitgliedsbeiträgen ist nicht deshalb unbillig, weil er
mittlerweile gegebenenfalls über eine hinreichende anderweitige Altersversorgung
verfügt. Die Einbeziehung auch der Rechtsanwälte in das Versorgungswerk, die bereits
anderweitig abgesichert ist, stellt grundsätzlich keinen Gleichheitsverstoß dar. Eine auf
dem Versicherungsgrundsatz aufbauende kollektive Altersversorgung ist wirtschaftlich
nur durchführbar, wenn grundsätzlich alle Berufsangehörigen zu ihrer Finanzierung
beitragen. Es liegt in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, den Mitgliederkreis so
weit und die Befreiungstatbestände so eng zu fassen, dass eine möglichst
leistungsfähige Solidargemeinschaft entsteht (BVerfG, Kammerbeschluss vom
25.09.1990 – 1 BvR 907/87 –, NJW 1991, 746, unter Verweis auf BVerfG, Urt. v.
25.02.1960 – 1 BvR 239/52 –, BVerfGE 10, 354 = NJW 1960, 619 und BVerfG, Beschl. v.
09.02.1977 – 1 BvL 11/74 u. a. – BVerfGE 44, 70 = NJW 1977, 1099; ebenso BVerwG, Urt.
v. 29.01.1991 – 1 C 11/89 –, BVerwGE 87, 324 = NJW 1991, 1842).
Allerdings ergeben sich aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des
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Allerdings ergeben sich aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des
Vertrauensschutzes Grenzen für die Beitragspflicht. So ist auf schwerwiegende
Besonderheiten und unbillige Härten, insbesondere auf die wirtschaftliche Belastbarkeit
des Mitglieds, Rücksicht zu nehmen, wobei bei bereits zuvor anderweitig versorgten
Mitgliedern eine unzumutbare Überversicherung zu vermeiden ist. Dem genügt aber
regelmäßig eine Beitragsermäßigung für beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits
anderweitig versorgte Mitglieder, verbunden mit einer Härtefallregelung, die eine
Stundung bis hin zur Niederschlagung ermöglicht, insbesondere bei
existenzbedrohenden Notlagen (BVerwG ebd. m. w. N.). Die hier in Rede stehenden
Satzungen entsprechen diesen Anforderungen mit ihren Regelungen in §§ 33 Abs. 8 und
44. Mit der Beschränkung der Ausschlussgründe auf bestimmte anderweitige
Altersversorgungssysteme in § 44 der Satzung 2002/2003 ist keine unzumutbare
Überversicherung der bereits entsprechend abgesicherten Mitglieder verbunden. Der
von ihnen zu entrichtende halbe Regelpflichtbeitrag – bzw. bei geringerem Einkommen
gegebenenfalls ein entsprechend geringerer Betrag – ergibt nur einen entsprechend
geringen Versorgungsanspruch. Dieser kann neben einer anderweitigen Versorgung
sinnvoll sein, und zwar insbesondere dann, wenn die anderweitige Versorgung weniger
gesichert ist oder keine dynamischen Rentenansprüche gewährt. In diesen Fällen kann
der sich aus der Mindestbeteiligung an dem Versorgungswerk ergebende
Rentenanspruch einen nützlichen, dynamisch ausgestalteten Ausgleich schaffen (vgl.
BVerwG ebd.). Die Einordnung bestimmter anderweitiger Versorgungssysteme als
genügend oder nicht liegt im Gestaltungsermessen des Satzungsgebers. Für eine
willkürliche Gestaltung ist hier nichts erkennbar.
Darüber hinausgehende Befreiungen aus Billigkeitsgründen sind auch aus
verfassungsrechtlicher Sicht nicht erforderlich. Insbesondere ist es nicht erforderlich,
eine nach dem Beitritt (wesentlich) aufgebaute Altersversorgung in Form einer
(weitergehenden) Beitragsermäßigung oder -befreiung zu berücksichtigen. Wer in
Kenntnis des Bestehens der gesetzlich angeordneten Pflichtmitgliedschaft parallel eine
weitere Altersversorgung aufbaut, führt selbst die teilweise doppelte Beitragslast
bewusst herbei und kann insoweit nicht unzumutbar belastet sein (vgl. BVerwG ebd.
ebenso OVG Brandenburg, Urt. v. 31.08.1995 - 2 (4) A 26/94 -). So liegt der Fall hier. Der
vom Kläger angeführte Immobilienerwerb geschah zwar seinen Angaben zufolge vor
seinem Beitritt zum beklagten Versorgungswerk. Der wesentliche Vermögensaufbau
begann jedoch erst im Folgenden.
Die rückwirkende Geltendmachung der Beiträge ist auch nicht deshalb unbillig, weil der
Kläger die Vorsorgeaufwendungen nicht rückwirkend steuerlich geltend machen kann,
wie er angibt. Es ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar, in welcher Höhe der
Kläger durch diesen ihn vermeintlich treffenden steuerlichen Nachteil wirtschaftlich
belastet wird.
Die Ansprüche sind nicht verjährt und nicht verwirkt. Allein der Zeitablauf zwischen der
im Februar 2003 erfolgten Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 12.10.1998
über das Bestehen der Pflichtmitgliedschaft des Klägers einschließlich
Beitragsfestsetzung für den Zeitraum Dezember 1996 bis Dezember 1998 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids und der erneuten Heranziehung des Klägers zu Beiträgen
zum Versorgungswerk im Jahre 2005 rechtfertigt nicht die Annahme der Verwirkung.
Hiermit hat der Beklagte nicht einmal ansatzweise zu erkennen gegeben, dass er
nunmehr den Kläger von der Mitgliedschaft oder Beitragspflicht befreien wollte (sog.
Umstandsmoment; vgl. bereits den Beschl. der Kammer v. 02.06.2009 – 3 L 573/08 –;
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.11.2009 – OVG 12 S 58.09 –).
Im Punkt II. ist die Klage bereits unzulässig.
Eine auch im Verwaltungsprozess grundsätzlich statthafte Zwischenfeststellungsklage
gemäß § 256 Abs. 2 ZPO kann nur zur Klärung eines zwischen den Parteien streitigen
Rechtsverhältnisses erhoben werden, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die
Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise abhängt. Sie ist folglich unzulässig
sowohl dann, wenn sie ein Rechtsverhältnis betrifft, das zum Streitgegenstand gehört
und hinsichtlich dessen ohnehin Rechtskraftwirkung eintritt, wie auch dann, wenn sie ein
Rechtsverhältnis betrifft, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung
nicht abhängt (so grundlegend BVerwG, Urt. v. 09.12.1971 – VIII C 6.69 –, BVerwGE 39,
135 = ZMR 1972, 160; ebenso jüngst BVerwG, Beschl. v. 23.01.2008 – 10 B 88/07).
Danach ist die Klage im Punkt II.1., 3. und 5. bis 8. bereits deshalb als
Zwischenfeststellungsklage unzulässig, weil sie insoweit jeweils ein Rechtsverhältnis
betrifft, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung – wie dargelegt –
nicht abhängt. In Punkt 4. ist die Klage ebenfalls unzulässig, weil sich die Klage nicht auf
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nicht abhängt. In Punkt 4. ist die Klage ebenfalls unzulässig, weil sich die Klage nicht auf
ein Rechtsverhältnis bezieht, sondern auf ein Begründungselement der
Anfechtungsklage zu I.
Im Übrigen ist die Klage, ob als Feststellungs- (§ 43 VwGO) oder als
Zwischenfeststellungsklage (§ 256 ZPO) erhoben – unzulässig, da sie eine
Klageänderung in Form der Klageerweiterung (hierzu grundlegend BGH, Urt. v.
21.12.1960 – VIII ZR 145/59 –, NJW 1961, 777; a. A. – ohne Begründung – Kopp/Schenke,
VwGO, 16. Aufl. 2009, § 43 VwGO Rdnr. 35) ist, für die die Zulässigkeitsvoraussetzungen
des § 91 Abs. 1 VwGO nicht vorliegen. Der Beklagte hat keine Einwilligung zur
Klageerweiterung erklärt. Diese ist auch nicht sachdienlich. Hierfür wäre insbesondere
erforderlich, dass der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt. Davon kann angesichts
des erheblichen Umfangs des Feststellungsbegehrens nicht gesprochen werden, das u.
a. die Gültigkeit von Wahlen (vgl. Nr. 6 bis 8) oder Satzungen (vgl. Nr. 3) in Rede steht,
die für das hiesige Verfahren irrelevant ist, aber erhebliche Aufklärung und Prüfung
erfordern würde.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1 und 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §
709 Satz 1 und 2 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird festgesetzt gemäß § 52 Abs. 2 und 3 GKG
– auf 23.785,08 € bis zum 16.10.2006,
– auf 28.933,08 € ab diesem Datum bis zum 02.07.2008,
– auf 39.738,84 € ab diesem Datum bis zum 24.10.2008,
– auf 40.059,81 € ab diesem Datum bis zum 06.05.2009,
– auf 45.492,57 € ab diesem Datum bis zum 28.09.2009,
– auf 49.033,90 € ab diesem Datum bis zum 31.03.2010,
– auf 54.586,06 € ab diesem Datum bis zum 27.01.2011 und
– auf 50.723,76 € ab diesem Datum bis zum 15.02.2011 und
– auf 55.723,76 € ab diesem Datum.
Gründe
Die Festsetzungen bis zum 15.02.2011 entsprechen dem jeweilig streitigen Geldbetrag
(§ 52 Abs. 3 GKG). Die im Termin erstmals erhobene (Zwischen-) Feststellungsklage war
ohne nähere Anhaltspunkte mit 5.000 € zu bemessen (§ 52 Abs. 2 GKG).
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