Urteil des VG Neustadt vom 24.02.2011

VG Neustadt: trennung von staat und kirche, gemeindeversammlung, ordre public, staatliches gericht, öffentliche gewalt, gemeindeordnung, wrv, fusion, inventar, tagesordnung

VG
Neustadt/Wstr.
24.02.2011
4 K 1213/10.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Urteil vom 24.02.2011 - 4 K 1213/10.NW
Recht der Religionsgemeinschaften
Verkündet am: 24.02.2011
gez. …
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstrasse
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn G.,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Paul Beckmann, Poststraße 23, 67269 Grünstadt,
gegen
die Mennonitengemeinde Obersülzen K.d.ö.R., vertreten durch den Vorsitzenden Joachim Hörth,
Hauptstraße 41-43, 67271 Obersülzen,
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Lock & Kollegen, Luisenstraße 11, 67547 Worms,
wegen Rechts der Religionsgemeinschaften
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 24. Februar 2011, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Butzinger
Richter am Verwaltungsgericht Kintz
Richter am Verwaltungsgericht Bender
ehrenamtliche Richterin Büroleiterin Stuckenberg-Hammann
ehrenamtlicher Richter Rentner Ungerer
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Mennonitengemeinde, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er
wendet sich gegen die auf einer außerordentlichen Gemeindeversammlung gefassten Wahlen und
Beschlüsse, insbesondere zur Veräußerung des Vereinsvermögens und zur Eingliederung der Gemeinde
in eine Nachbargemeinde.
Nachdem bis zum Frühjahr 2010 der Pastor der Beklagten seine Tätigkeit beendet hatte und in der
Folgezeit die gemeindlichen Aktivitäten immer weiter zurückgegangen waren, kam es innerhalb der
beklagten Mennonitengemeinde zu Überlegungen, die Gemeinde mit der Nachbargemeinde in Monsheim
zusammenzuschließen. In den daraufhin aufgenommenen Gesprächen zeigte sich die Nachbargemeinde
an einem Zusammenschluss durchaus interessiert, wollte jedoch die bestehenden Gemeindeimmobilien
in Obersülzen wegen eines erheblichen Investitions- und Modernisierungsstaus nicht übernehmen.
Nachdem die übrigen Vorstandsmitglieder ausgetreten bzw. zurückgetreten waren, informierte das
letztverbliebene Vorstandsmitglied mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 die Gemeindemitglieder über die
Situation und lud zu einer außerordentlichen Gemeindeversammlung am 5. November 2010 unter
Bekanntgabe der Tagesordnung ein. Dabei kündigte er an, dass ein weiteres Vorstandsmitglied gewählt
werden müsse, um die Handlungsfähigkeit des Vorstands herzustellen, und sich der bisher noch nicht zur
Gemeinde gehörende Herr J……….. bereit erklärt habe, die Aufgabe zu übernehmen. Seine Aufnahme in
die Gemeinde solle ebenfalls im Rahmen der außerordentlichen Gemeindeversammlung erfolgen.
Die der Einladung beigefügte Tagesordnung sah zunächst unter Tagesordnungspunkt (TOP) 2 die
Ernennung eines Versammlungsleiters vor. Unter TOP 5 war die Aufnahme eines neuen
Gemeindemitglieds, unter TOP 8 die Vorstellung des Fusionskonzepts und des Fusionsvertrages mit der
Mennonitengemeinde Monsheim K.d.ö.R. mit anschließender Aussprache und unter TOP 9 und 10 die
Beschlussfassung über die Veräußerung von Immobilien und Inventar vorgesehen. Hieran anschließend
sollte unter TOP 11 die Beschlussfassung über die Fusion der Mennonitengemeinde Monsheim K.d.ö.R.
folgen.
Auch der Kläger erhielt die Einladung zur außerordentlichen Mitgliederversammlung, an der er aber nicht
teilnahm. Zur Mitgliederversammlung erschienen 13 Gemeindemitglieder sowie der sich zur Wahl als
weiteres Vorstandsmitglied stellende J……….., der unter TOP 2 einstimmig zum Versammlungsleiter
gewählt und unter TOP 5 einstimmig in die Gemeinde aufgenommen wurde. Anschließend wurde er mit
13 Ja-Stimmen und bei einer Enthaltung zum Vorstandsmitglied gewählt. Schließlich beschloss die
Gemeindeversammlung unter Leitung des neu aufgenommenen Mitglieds die Veräußerung von
Immobilien und Inventar sowie die Fusion mit der Mennonitengemeinde Monsheim.
Gegen diese Beschlüsse hat der Kläger am 22. November 2010 zunächst beim Amtsgericht Ludwigshafen
Klage erhoben, das den Rechtsstreit an das Amtsgericht Grünstadt abgab, das wiederum das Verfahren
mit Beschluss vom 9. Dezember 2010 an das hiesige Verwaltungsgericht verwies, wobei es offen ließ, ob
überhaupt ein Rechtsweg zu staatlichen Gerichten eröffnet sei.
Der Kläger trägt vor:
Bereits die Bestimmung des später erst als Gemeindemitglied aufgenommen Versammlungsleiters unter
TOP 2 verstoße gegen die Gemeindeordnung der Beklagten. Deswegen seien auch alle hiernach
gefassten Beschlüsse unwirksam. Nach der Gemeindeordnung werde die Gemeindeversammlung vom
Vorsitzenden des Gemeindevorstands, im Falle seiner Verhinderung vom stellvertretenden Vorsitzenden
geleitet. Die Wahl eines Versammlungsleiters sei daher unzulässig. Im Übrigen hätte ein
Nichtgemeindemitglied auch nicht zum Versammlungsleiter gewählt werden dürfen. Darüber hinaus seien
auch die Beschlüsse zur Veräußerung von Immobilien und Inventar sowie zur Fusion mit der
Nachbargemeinde rechtswidrig, da die Mitglieder nicht ausreichend über die geplanten
Verkaufsgeschäfte informiert worden seien. Es entstehe der Eindruck, dass die außerordentliche
Gemeindeversammlung nur dazu gedient habe, intern bereits gefasste Beschlüsse einer kleinen Gruppe
von Gemeindemitgliedern zu legitimieren.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die ab TOP 2 in der außerordentlichen Gemeindeversammlung vom 5. November 2010
gefassten Beschlüsse unwirksam sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor:
Nach dem Ausscheiden verschiedener Vorstandsmitglieder sei das Neumitglied J………. in der
außerordentlichen Gemeindeversammlung ordnungsgemäß in die Gemeinde aufgenommen und gewählt
worden. Bis zu seiner Aufnahme habe er auf Einladung des Vorstandes an der Gemeindeversammlung
teilgenommen. Ihm sei die Versammlungsleitung übertragen worden, da ihn der Vorsitzende des
Vorstandes aus gesundheitlichen Gründen hierum gebeten habe. Die Gemeindeordnung schließe eine
solche Vertretung auch nicht aus. Die Gemeindemitglieder seien mit dem Einladungsschreiben und der
Tagesordnung ausreichend über die Gegenstände der Gemeindeversammlung informiert worden. Jedem
Gemeindemitglied habe es freigestanden, an der Versammlung teilzunehmen und nach eigenem
Ermessen abzustimmen. In der Gemeindeversammlung sei dann ausgiebig über das weitere Schicksal
der Gemeinde gesprochen worden. Der vom Kläger geäußerte Eindruck, einzelne Kräfte der Gemeinde
hätten es sich auf die Fahne geschrieben, der Beklagten durch Veräußerung des Vermögens zu schaden,
sei daher unzutreffend.
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die
Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die
Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bereits unzulässig.
Für die vorliegend begehrte Feststellung der Unvereinbarkeit der in der außerordentlichen Versammlung
der Beklagten vom 5. November 2010 unter TOP 2 bis 13 getroffenen Beschlüsse mit den Vorgaben der
Gemeindeordnung der Beklagten ist der Rechtsweg zu den staatlichen Verwaltungsgerichten nicht
eröffnet.
Ein solcher Rechtsweg zu den staatlichen Verwaltungsgerichten ist zunächst nicht bereits aufgrund des
Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Grünstadt gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG gegeben. Dieser
Verweisungsbeschluss entfaltet seine Bindungswirkung nach der vorgenannten Vorschrift nur hinsichtlich
der Frage, welcher der staatlichen (fachgerichtlichen) Rechtswege beschritten werden muss. Das
Verwaltungsgericht, an das nun aber verwiesen wurde, ist darüber hinaus verpflichtet, alle übrigen
Sachurteilungsvoraussetzungen zu prüfen. Hierzu gehört gerade die Frage der staatlichen
Jurisdiktionsgewalt (VG Berlin, Urteil vom 26. September 1994 – 28 A 261.92 –; OVG Berlin, Urteil vom
14. Dezember 1999 – 4 B 94.94 –, jeweils juris).
Eine Rechtswegeröffnung zu den staatlichen Verwaltungsgerichten ergibt sich auch nicht nach § 40
Abs. 1 VwGO i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG bzw. dem allgemeinen verfassungsrechtlichen
Justizgewährungsanspruch. Einer staatlichen Jurisdiktionsgewalt stehen nämlich vorliegend die
Schranken des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV), der über Art. 140 GG
Bestandteil des Grundgesetzes ist, entgegen. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgemeinschaft
ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Hierdurch
wird den Kirchen- bzw. Religionsgemeinschaften, zu denen auch die Beklagte gehört, das Recht
eigenverantwortlicher Ordnung und Gestaltung ihrer inneren Angelegenheiten verfassungsrechtlich
gewährleistet. Das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften ist neben der Religionsfreiheit
und der Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) Grundprinzip der
staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes. Dies gilt für alle Religionsgemeinschaften
unabhängig davon, ob sie, wie die Beklagte, Körperschaften des öffentlichen Rechts oder privatrechtliche
Vereine sind oder der Rechtsfähigkeit überhaupt ermangeln. Dort, wo die Kirchen über das Recht zur
Selbstbestimmung verfügen, unterliegen sie auch nicht der staatlichen Gerichtsbarkeit (BVerwG, Urteil
vom 30. Oktober 2002 – 2 C 23/01; BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. September 1998 – 2 BvR
1476/94 –, jeweils juris).
Dem steht auch nicht die Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG oder § 40 Abs. 1 VwGO entgegen,
soweit diese Vorschriften gerade den Rechtsschutz gegen Akte staatlicher Gewalt gewährleisten.
Kirchliche Maßnahmen oder solche religiöser Körperschaften des öffentlichen Rechts wie der Beklagten
stellen zwar öffentliche Gewalt dar, aber eben keine staatliche (BVerwG, a.a.O., insoweit auch zustimmend
OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 26. November 2008 – 2 A 10495/08.OVG – und vom 1. Juni 2001
– 2 A 12125/00.OVG –, trotz der im Übrigen vom BVerwG abweichenden Auffassung hinsichtlich der
Tragweite des Justizgewährungsanspruches, juris).
Ein demnach von jeder staatlichen – auch rechtsprechenden – Einflussnahme geschütztes
Selbstverwaltungsrecht steht den Religionsgemeinschaften grundsätzlich bei rein „innerkirchlichen“
Maßnahmen zu. Das sind solche Maßnahmen, die materiell, der Natur der Sache oder Zweckbeziehung
nach als eigene Angelegenheiten der Kirche bzw. der Religionsgemeinschaft anzusehen sind (auch
insoweit übereinstimmend BVerwG und OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).
Hieraus schließt das Bundesverwaltungsgericht, dass eine solchermaßen innerkirchliche bzw.
innerreligionsgemeinschaftliche Maßnahme von jeder staatlichen Einflussnahme, aber auch Kontrolle
durch die Rechtsprechung auch dann geschützt ist, wenn diese in den Bereich des Öffentlichen,
Gesellschaftspolitischen hinübergreift und dort mittelbar wirkt. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt aus
dem Zusatz des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, wonach die Autonomie der Religionsgemeinschaften nur
innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes gewährleistet ist, keinen allgemeinen
Gesetzesvorbehalt und sieht eine staatliche Kontrolle nur für solche kirchliche Maßnahmen als zulässig
an, die unmittelbar in den vom Staat zu regelnden Bereich hineinwirken. Demgegenüber sehen der
Bundesgerichtshof (Urteil vom 28. März 2003 – V ZR 261/02 –, juris) und das Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz (a.a.O.) das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften unter
Beachtung des Justizgewährungsanspruchs insoweit bereits eingeschränkt, als eine staatliche
Jurisdiktionskontrolle grundsätzlich auch dann eröffnet sein soll, soweit die Vereinbarkeit einer kirchlichen
Maßnahme mit dem für alle geltenden Recht Gegenstand der Prüfung ist.
Ausgehend von diesen Prämissen gelangt die erkennende Kammer zu der Überzeugung, dass nach
beiden hier dargestellten Auffassungen des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des Bundesgerichtshofs
und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz ein Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten für die
vorliegend begehrte Überprüfung der Gemeindeversammlungsbeschlüsse des Beklagten nicht eröffnet
ist. Bei diesen Beschlüssen handelt es sich um rein innerkirchliche Maßnahmen, die ihren Ursprung in der
gemeindlichen Verfassung haben. Die streitgegenständlichen Wahlen eines Versammlungsleiters und
Vorstandsmitglieds, die Aufnahme eines Gemeindemitglieds oder die Beschlüsse über die Veräußerung
von Gemeindevermögen sowie über die Fusion mit einer Nachbargemeinde sind auf der Grundlage der
Gemeindeordnung der Beklagten erfolgte rein innerkirchliche Maßnahmen. In der Gemeindeordnung hat
die Beklagte nach Art 137 Abs. 3 Satz 1 WRV selbständig ihre innere Verfassung abschließend geregelt.
Die Entscheidungen der Gemeindeversammlung unterliegen damit nach der Auffassung des BVerwG
nicht der staatlichen Rechtskontrolle durch die Verwaltungsgerichte, weil sie nicht unmittelbar in den
staatlich geordneten Rechtsbereich hineinwirken, sondern allein den Bereich der innergemeindlichen
Verfassung betreffen.
Gegen diese Entscheidungen der Gemeindeversammlung ist aber auch nach Auffassung des OVG
Rheinland-Pfalz und des BGH (jeweils a.a.O.) der Rechtsweg zu staatlichen Verwaltungsgerichten nicht
gegeben, da sie nicht auf ihre Vereinbarkeit mit den für alle geltenden Gesetze zu prüfen sind. Die
Beschlüsse sind vielmehr – auch nach Auffassung des Klägers – einzig und allein auf ihre Vereinbarkeit
mit den Vorgaben der Gemeindeordnung der Beklagten zu überprüfen. Die hier allein gebotene
Auslegung von Rechtsvorschriften der innergemeindlichen Verfassung einer Glaubensgemeinschaft, die
sie in Verwirklichung ihrer verfassungsrechtlich nach Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV geschützten Garantie frei
von jeder staatlichen Einflussnahme beschlossen hat, muss der Glaubensgemeinschaft selbst
vorbehalten bleiben. Die Kammer würde nämlich in unzulässiger Weise in den Kernbereich der
verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Beklagten eingreifen, wenn sie als staatliches
Gericht durch ihre Auslegung der innergemeindlichen Verfassung nicht nur beeinflusst, sondern sogar
verbindlich entscheidet, wie die Beklagte ihr eigenes Recht anzuwenden hat.
Demnach ist es auch nach dem weitergehenden Verständnis des Bundesgerichtshofs und des OVG
Rheinland-Pfalz zum verfassungsrechtlichen Justizgewährungsanspruch nicht zulässig, die
angefochtenen innerkirchlichen Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den autonomen Regeln der
Gemeindeverfassung der Beklagten hin zu überprüfen.
Der Justizgewährungsanspruch eröffnet schließlich auch nicht deswegen den Rechtsweg zu staatlichen
Verwaltungsgerichten, weil die Beklagte selbst ihren Gemeindemitgliedern keinen innerkirchlichen
Rechtsweg zur Anfechtung ihrer Maßnahmen und Entscheidungen bietet. Insoweit besteht keine Not- oder
Hilfszuständigkeit staatlicher Gerichte. Eine Notzuständigkeit kommt zum einen allenfalls dann in Betracht,
wenn letztlich staatliche Interessen durch die zur Überprüfung gestellten innerkirchlichen Maßnahme(n) in
schwerwiegender Weise tangiert sind, wofür aber hier keinerlei Anhaltspunkte bestehen (vgl. OLG
Frankfurt, Beschluss vom 12. Mai 1999 – 23 Sch 1/98 –; VG München, Beschluss vom 10. Juni 2008
– M 22 E 08.3289 –).
Im Übrigen besteht auch kein subsidiärer Rechtsweg zu staatlichen Gerichten in Bezug auf die nur der
innerkirchlichen Regelung unterliegenden Maßnahmen. Umfang und Tragweite des
verfassungsrechtlichen Anspruchs einer Religionsgemeinschaft auf Wahrung ihrer Unabhängigkeit von
staatlicher und damit auch rechtsprechender Einflussnahme sind nicht davon abhängig, inwieweit diese
sich gerade in Ausübung ihrer nach Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV garantierten Unabhängigkeit und auf der
Grundlage ihres religiösen Selbstverständnisses dafür entscheidet, einen eigenen innergemeindlichen
Rechtsweg einzuführen oder darauf zu verzichten (so im Ergebnis auch VGH Baden-Württemberg,
Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 4 S 1542/05 –; HessVGH, Beschluss vom 20. März 1990
– 6 TG 3074/89 –; OVG Berlin und VG Berlin, jeweils a.a.O.).
Selbst wenn man aber eine Eröffnung des staatlichen Verwaltungsrechtswegs unter Zugrundelegung
eines sehr weit gefassten Verständnisses des verfassungsrechtlichen Justizgewährungsanspruchs
annehmen würde, wäre die Klage aber auch dann in der Sache ohne Erfolg. Eine Rechtsprüfung
staatlicher Gerichte muss unter Beachtung der Grenzen des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV auf eine
Wirksamkeitskontrolle begrenzt bleiben. Die Entscheidungen der außerordentlichen
Gemeindeversammlung der Beklagten dürfen daher inhaltlich nur daraufhin geprüft werden, ob sie mit
fundamentalen Rechtsgrundsätzen der staatlichen Ordnung wie dem Willkürverbot, den guten Sitten oder
dem ordre public (Art. 6 EGBGB) vereinbar sind (OVG Rheinland-Pfalz und BGH, jeweils a.a.O.). Die
Kammer vermag Anhaltspunkte für eine Unvereinbarkeit der angegriffen
Gemeindeversammlungsbeschlüsse mit diesen fundamentalen Rechtsgrundsätzen staatlicher Ordnung
nicht zu erkennen, zumal der Kläger derartiges auch nicht behauptet hat.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11
ZPO.
Rechtsmittelbelehrung ...
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.
gez. Butzinger
gez. Kintz
gez. Bender