Urteil des VG Neustadt vom 25.03.2011

VG Neustadt: aufschiebende wirkung, öffentliche sicherheit, verfügung, versammlungsfreiheit, meinungsfreiheit, bürgerrecht, demokratie, rechtsstaat, quelle, verfassung

VG
Neustadt/Wstr.
25.03.2011
5 L 266/11.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Beschluss vom 25.03.2011 - 5 L 266/11.NW
Versammlungsrecht
Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstrasse
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des NPD-Kreisverband Westpfalz, vertreten durch den Vorsitzenden ….
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Stefan Böhmer, Fürther Straße 22, 91058 Erlangen,
gegen
die Stadt Kaiserslautern, vertreten durch den Oberbürgermeister, Willy-Brandt-Platz 1, 67657
Kaiserslautern,
- Antragsgegnerin -
wegen Versammlungsrechts
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der Beratung vom
25. März 2011, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Cambeis
Richter am Verwaltungsgericht Wingerter
Richter am Verwaltungsgericht Pirrung
beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5000.- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort
vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 24. März 2011 wiederherzustellen, mit welcher
die vom Antragsteller am 11. März 2011 für den 26. März 2011 angemeldete Versammlung unter dem
Motto „Weiß ist nicht nur eine Trikotfarbe – für eine echte deutsche Nationalmannschaft“ verboten wurde,
ist gemäß § 80 Abs.5 VwGO zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Bei der in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt
das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Verbotsverfügung gegenüber dem Interesse des
Antragstellers an der Durchführung der von ihm angemeldeten Versammlung, weil die Verbotsverfügung
offensichtlich rechtmäßig ist.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage liegen die in § 15 Abs. 1 des
Versammlungsgesetzes – VersammlG – normierten Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot vor.
Danach kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten, wenn nach den
zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei
Durchführung der Veranstaltung unmittelbar gefährdet ist. Hier besteht eine unmittelbare Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit, weil aufgrund des – von Antragstellerseite als zentraler und unverzichtbarer Inhalt
der Versammlung bezeichneten – Mottos konkret zu erwarten ist, dass durch Teilnehmer und Redner der
Versammlung der Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB verletzt
werden wird. Die Antragsgegnerin hat in der angefochtenen Verfügung in ohne Weiteres
nachvollziehbarer und rechtlich überzeugender Weise dargelegt, dass das Versammlungsmotto – nach
Wortlaut, sprachlichem Kontext und den konkretenBegleitumständen – hier nur so verstanden werden
kann, dass der Begriff „weiß“ für Angehörige einer „weißen Rasse“ steht und somit Deutsche anderer
Hautfarbe bzw. mit Migrationoshintergrund in böswilliger und verächtlich machender Weise als nicht zur
deutschen Nation gehörend ausgrenzen will.
Eine andere Deutung scheidet unter den vorliegenden Umständen aus. Der Zusammenhang mit dem am
26. März stattfindenden Fußball-Länderspiel Deutschland-Kasachstan in Kaiserslautern, der Umstand,
dass derzeit in der Öffentlichkeit keine aktuellen Korruptions-Skandale im Fußballsport diskutiert werden
und vor allem die Angaben des für die Versammlung auf Antragstellerseite Verantwortlichen im
Kooperationsgespräch mit der Antragsgegnerin lassen an der rassistisch-diskriminierenden Absicht des
Mottos, das außerdem auch eine „echte“ deutsche Nationalmannschaft fordert und damit zusätzlich
deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund ausgrenzen will, keine Zweifel aufkommen. Auf die
ausführlichen zutreffenden Gründe des Bescheides, die die Kammer sich zu Eigen macht, wird daher
Bezug genommen.
Dass das Landgericht Berlin den Bundesvorsitzenden der NPD in Bezug auf die Verwendung eines
ähnlichen Mottos in einem Druckwerk, - einem sog. WM-Planer anlässlich der Fußballweltmeisterschaft
2006 - kürzlich vom Vorwurf der Volksverhetzung – noch nicht rechtskräftig - freisprach, stellt die
Richtigkeit der Deutung des Versammlungsmottos und der damit verbundenen Volksverhetzung im Sinne
von § 130 StGB im vorliegenden Fall nicht in Frage, denn die maßgebenden Umstände sind nicht
vergleichbar. Der Veranstaltungsleiter des Antragstellers hat es im Übrigen im Kooperationsgespräch
abgelehnt, den Inhalt des bei der Versammlung auch geplanten Redenbeitrags dieses
Bundesvorsitzenden näher zu beschreiben, und damit die Gelegenheit versäumt, die berechtigten
Befürchtungen der Antragsgegnerin in Bezug auf volksverhetzende, rassistische Äußerung zu zerstreuen.
Die Verbotsverfügung steht somit in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
und missachtet nicht den hohen Rang, der dem Schutz der Grundrechte auf Meinungsfreiheit und auf
Versammlungsfreiheit (Art. 5 und Art. 8 Grundgesetz) im Rechtsstaat zukommt. Der Staat schützt die
Versammlungsfreiheit als Bürgerrecht, um Bürgerfreiheiten zu sichern und die Demokratie funktionsfähig
zu halten. Die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit gilt gerade auch für Minderheiten und ihre
Meinung, solange die Meinungsäußerung nicht gegen Strafrechtsnormen verstößt. Daher weist das
Bundesverfassungsgericht zur Auslegung des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG immer unmissverständlich darauf
hin, dass auch im Rahmen von Versammlungen für den Inhalt von Aussagen – u. a. das Motto einer
Versammlung und etwa zu erwartende Äußerungen von Versammlungsteilnehmern – gilt, dass die Bürger
grundsätzlich auch frei sind, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die
Änderung tragender Prinzipien zu fordern, und dass Beschränkungen des Inhalts und der Form einer
Meinungsäußerung ihre Rechtfertigung ausschließlich in den in Art. 5 Abs. 2 GG aufgeführten Schranken
finden, auch dann, wenn die Äußerung „in einer oder durch eine Versammlung erfolgt“ (so ausdrücklich
BVerfG, Beschluss vom 23. April 2004 – 1 BvQ 19/04-, BVerfGE 111, 147, Leitsatz 2; w. Nachw. zur
Rechtsprechung des BverfG in den Gründen der Entscheidung).
Wenn aber – wie hier – durch die betroffenen Inhalte der zu erwartenden Meinungsäußerungen der
Straftatbestand des § 130 StGB erfüllt wird, greifen diese Schranken ein und der Antragsteller kann sich
demgegenüber nicht mehr auf den Schutz der Grundrechte des Art. 5 und Art. 8 GG berufen. Denn wenn
die Meinungsäußerung die Menschenwürde eines anderen antastet, ist für eine Abwägung kein Raum
mehr. In einem solchen Fall muss die Meinungsfreiheit stets zurücktreten (BVerfG, Beschluss vom 4. April
2010, 1 BvR 369/04, NJW 2010, 2193).
Da das Motto für den Antragsteller unverzichtbar ist, wie sein Vertreter erklärt hat, kamen mildere Mittel
wie etwa versammlungsrechtliche Auflagen nicht in Betracht. Auch das weiter in der Verfügung
ausgesprochene Verbot von Ersatz- veranstaltungen (d.h. Veranstaltungen unter dem gleichen oder
einem ähnlichen, ebenfalls strafrechtlich relevanten Motto) an einem anderen Ort im
Zuständigkeitesbereich der Antragsgegnerin ist nach alledem nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Wertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 2
i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.
Rechtsmittelbelehrung …
Dr. Cambeis
Wingerter
Pirrung