Urteil des VG Münster vom 09.03.2000

VG Münster: gebühr, schlachttier, kalb, härte, schaf, schwein, ziege, rind, abgeltung, abschlag

Verwaltungsgericht Münster, 7 L 1092/99
Datum:
09.03.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 L 1092/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 27.093,11 DM festgesetzt.
G r ü n d e:
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche des
Antragstellers gegen die Gebührenbescheide des Antragsgegners vom 5. Februar 1999,
23. März 1999 und 28. Mai 1999 hat keinen Erfolg.
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Er ist zulässig, insbesondere ist § 80 Abs. 6 VwGO (vorherige Ablehnung des
Aussetzungsantrages durch die Verwaltungsbehörde) beachtet, der Sache nach ist er
jedoch nicht begründet.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist einem Aussetzungsantrag in entsprechender
Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO stattzugeben, wenn die Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Bescheides ernstlichen Zweifeln begegnet oder die Vollziehung für den
Antragsteller eine nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur
Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn auf Grund
summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten ein Erfolg des Antragstellers in der
Hauptsache wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen.
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Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwar ist die Rechtslage nicht offensichtlich und es
bedarf durchaus noch weiterer Aufklärung und Erörterung im Hauptsacheverfahren. Bei
summarischer Prüfung sprechen aber überwiegende Argumente für die Rechtmäßigkeit
der angefochtenen Gebührenbescheide.
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Sie finden ihre Gesetzesgrundlage in §§ 2 Abs. 2, 11 - 13 des Gebührengesetzes -
GebG NW - in Verbindung mit § 1 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung -
AVwGebO NW - und der Anlage zu § 1 AVwGebO NW, Tarifstelle 23.8.3. Danach ist der
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Antragsteller Gebührenschuldner, weil er im Rahmen seiner Zuständigkeit für die
Schlachttier- und Fleischuntersuchungen auf Grund der Maßgaben des jährlichen
nationalen Rückstandskontrollplanes stichprobenartige Rückstandsuntersuchungen in
den Labors des Antragsgegners veranlasst hat.
Zwar knüpft die genannte Tarifstelle ausdrücklich an Artikel 2 der Richtlinie 85/73/EWG
des Rates vom 29. Januar 1985 (in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG) sowie an § 24
des Fleischhygienegesetzes in Verbindung mit § 1 des Fleischbeschaukostengesetzes
an. Dies ändert jedoch nichts an der genannten Rechtsgrundlage. Insoweit ist nämlich
zu beachten, dass der Antragsgegner nicht auf Seiten des Antragstellers an der
Erhebung von Gebühren auf dem Gebiet des Fleischhygienerechts beteiligt ist. Es ist zu
trennen zwischen dem nach außen gerichteten Verhältnis der für die Durchführung der
Schlachttier- und Fleischuntersuchungen zuständigen Behörde sowie des
Schlachtbetriebs einerseits und dem Innenverhältnis der an der staatlichen
Leistungserbringung beteiligten Behörden andererseits. Nur im erstgenannten Falle
kommen die EG-Richtlinien und ihre Umsetzung in Landesrecht zur Anwendung,
während im Verhältnis des Antragstellers zum Antragsgegner ausschließlich das
Gebührengesetz mit den dazu erlassenen Verordnungen gilt.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.03.1999 - 9 A 13/98 -.
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Nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts hat der Antragsgegner die Tarifstelle 23.8.3
zutreffend angewandt. Er muss sich nicht darauf verweisen lassen, nur für jede
eingesandte Probe eine Gebühr erheben zu dürfen. Allerdings ist dem Antragsteller
zuzugeben, dass die Tarifstelle nicht eindeutig formuliert ist und vom Wortlaut her
(beispielsweise „je Kalb 0,72 DM"), auch die Deutung „je tatsächlich untersuchtes Tier"
zulässt. Das liegt daran, dass in der Tarifstelle 23.8.3. ein die Leistung genauer
beschreibendes Adjektiv fehlt. Sie kann daher sowohl im Sinne der Formulierung „je
untersuchtes Tier" als auch im Sinne von „je für rückstandsfrei erklärtes Tier" verstanden
werden. Eine an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung ergibt aber, dass
letzteres gemeint ist, weil der Verordnungsgeber das gesamte gegenwärtig praktizierte
System der Rückstandsuntersuchungen im Bereich der Fleischhygiene berücksichtigt
hat. Es sieht Stichproben je Tierart vor - was die Tarifstelle ausdrücklich hervorhebt -
und fingiert damit, dass in einem bestimmten zahlenmäßigen Umfang, dessen
Zustandekommen der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 22. November 1999
näher beschrieben hat, Fleisch oder Fleischerzeugnisse insgesamt als rückstandsfrei
gelten, sofern ein jeweils festgesetzter Teil hiervon bei der Beprobung unbeanstandet
bleibt. Die Leistung des Antragsgegners bezieht sich deshalb nicht nur auf die eine
übersandte Stichprobe, sondern auch auf die in Folge der genannten Fiktion gleichsam
mituntersuchten und als unbedenklich geltenden Anteile. Dass der Verordnungsgeber
dies so gesehen hat, ergibt sich auch aus den geringen Beträgen zwischen 0,08 und
0,72 DM, die je Kalb, Rind, Schwein, Schaf und Ziege angesetzt sind. Angesichts der
aufwendigen Rückstandskontrollen wäre nicht verständlich, dass mit Gebühren in derart
niedriger Höhe nur die tatsächlich untersuchten Tierproben abgegolten seien sollten.
Erst die Multiplikation mit den dazu gehörigen Schlachtzahlen bringt die genannten
Beträge in ein angemessenes Verhältnis zu der Untersuchungsleistung.
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Die hier vertretene Auslegung führt nicht dazu, dass die Gebühr nach Tarifstelle 23.8.3
als Pauschgebühr anzusehen ist. Deren Kennzeichen ist gemäß § 5 Satz 1 GebG NW
die Abgeltung mehrfacher, gleichartiger, den selben Gebührenschuldner betreffender
Amtshandlungen. Eine stichprobenartige Rückstandsuntersuchung wird hingegen nur
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jeweils einmal vorgenommen; dieser einen Amtshandlung wird sodann vom Gesetz -
und Verordnungsgeber eine mehrfache Wirkung zugerechnet, was - auch hinsichtlich
der damit verbundenen Leistung der Behörde - anders zu bewerten ist als der
(gebührenrechtliche) Abschlag auf mehrfache, gleichartige Amtshandlungen.
Auch die übrigen Einwendungen des Antragstellers greifen voraussichtlich nicht durch.
So ist die Tarifstelle durchaus hinreichend bestimmt. Art und Umfang der
Hygieneüberwachung sowie die Überwachungsintervalle sind durch den
Rückstandskontrollplan festgelegt und aus der Multiplikation von Gebührensatz und
Schlachtzahlen lässt sich ohne weiteres die geschuldete Gebühr errechnen. Insofern
liegt auch ein fester, nämlich berechenbarer Satz im Sinne des § 4 GebG NW vor.
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Ob die konkrete Berechnung der Gebührenhöhe mit der Tarifstelle 23.8.3 in Einklang
steht, lässt sich, da die Beteiligten hierauf nicht eingegangen sind und dem Gericht nicht
alle Berechnungen vorliegen, nicht abschließend beurteilen. Dies muss dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben; ernstliche Zweifel ergeben sich jedenfalls
insoweit nicht.
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Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine unbillige Härte im Sinne des § 80
Abs. 4 Satz 3 VwGO eintritt, wenn die Gebührenbescheide des Antragsgegners
vollzogen werden, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anlass für die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung besteht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt
sich aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und entspricht mit einem Viertel der streitigen
Gebühren der ständigen Rechtsprechung der Kammer.
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