Urteil des VG Münster vom 12.03.2003

VG Münster: sozialhilfe, zusage, entlassung, datum, stadt, form, rechtsmittelbelehrung, vollstreckung, unterbringung, unterrichtung

Verwaltungsgericht Münster, 5 K 1292/99
Datum:
12.03.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 1292/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger
dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte den Aufenthalt eines Hilfeempfängers
in einem Heim der Kläger im Rahmen von Eingliederungshilfe in der Zeit vom 13. Juni
1997 bis zum 30. Juni 1997 in Höhe von 2.222,82 DM bezahlen muss.
2
Die Kläger betreiben als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwei Pflegeeinrichtungen in
B, unter anderem das L.
3
Der Hilfeempfängers erhielt seit Jahren Hilfe in besonderen Lebenslagen nach den
Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes. Unter dem Datum des 3. Juli 1996 schloss
er, vertreten durch seine Betreuerin, einen Heimvertrag mit den Klägern für einen
Aufenthalt im L mit Wirkung vom 3. Juli 1996. Die Kosten des Aufenthaltes wurden bis
zum 28. Februar 1997 vom Sozialamt der Stadt Hagen als Hilfe in besonderen
Lebenslagen nach § 68 BSHG getragen.
4
Der Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 25. März 1997 Hilfe zur
Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG, indem er mit
Wirkung vom 1. März 1997 die Kosten des Aufenthaltes im L übernahm, soweit diese
Kosten nicht durch das Renteneinkommen des Hilfeempfängers gedeckt werden
konnten.
5
Der Beklagte übersandte den Klägern mit Schreiben vom 25. März 1997 eine
Durchschrift dieses Bescheides zu ihrer Unterrichtung und teilte den Klägern zugleich
6
mit, dass die Kosten für die im Bescheid genannten Leistungen ab 1. März 1997 in der
vereinbarten Form in Rechnung gestellt werden könnten.
Der Hilfeempfänger befand sich vom 9. Mai 1997 bis zum 12. Juni 1997 in einem
Krankenhaus. Nach seiner Entlassung kehrte er nicht mehr in die Pflegeeinrichtung der
Kläger zurück, sondern meldete sich mit Hilfe seiner Betreuerin wieder bei dem
Sozialamt der Stadt Hagen. Dort wurde ihm eine Obdachlosenunterkunft zugewiesen.
Auch erhielt er vom Sozialamt Lebensmittelgutscheine ausgehändigt.
7
Mit Schreiben vom 2. Juni 1997 teilten die Kläger dem Beklagten mit, dass der
Hilfeempfänger nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nicht wieder in die
Pflegeeinrichtung zurückgekehrt sei; da der Heimplatz bis heute nicht gekündigt worden
sei, werde gebeten, weiterhin die Platzgebühr zu übernehmen.
8
Mit Schreiben vom 18. Juni 1997 teilte die Betreuerin des Hilfeempfängers dem
Beklagten mit, dass der Hilfeempfänger seinen Heimplatz im L zum 30. Juni 1997
gekündigt habe. Dem Schreiben war die Kopie einer Kündigung durch den
Hilfeempfänger unter dem Datum vom 1. Mai 1997 zum 30. Juni 1997 beigefügt.
9
Die Kläger unterrichteten den Beklagten mit Schreiben vom 25. Juni 1997, dass der
Hilfeempfänger seinen Heimplatz zum 30. Juni 1997 gekündigt habe.
10
Daraufhin teilte der Beklagte den Klägern mit Schreiben vom 8. August 1997 mit, dass
er seine Kostenzusage für den Hilfeempfänger mit Wirkung vom 12. Juni 1997
zurückziehe.
11
Die Kläger ließen durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten gegen die
Kostenrücknahme am 25. Februar 1998 Widerspruch einlegen, den der Beklagte durch
Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 1999 als unzulässig zurückwies.
12
Die Kläger haben entsprechend der dem Widerspruchsbescheid beigefügten
Rechtsmittelbelehrung am 5. Februar 1999 Klage bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg
eingelegt.
13
Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat sich durch Beschluss vom 26. Mai 1999 nach
Anhörung der Beteiligten für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß § 83
Satz 1 i.V.m. § 52 Nr. 5 VwGO an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Münster
verwiesen.
14
Die Kläger sind der Ansicht, dass der Beklagte in seinem Schreiben vom 25. März 1997
ihnen gegenüber verbindlich zugesagt habe, die Kosten des Aufenthaltes des
Hilfeempfängers im L zu übernehmen; diese Kostenzusage sei bis zum Zeitpunkt der
ordentlichen Kündigung zum 30.6.1997 wirksam geblieben; der Hilfeempfänger habe
nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus in der Zeit vom 12. Juni 1997 bis zum
30. Juni 1997 jederzeit wieder in die Pflegeeinrichtung zurückkehren und sich dort
versorgen lassen können.
15
Die Kläger sind darüber hinaus der Ansicht, dass der Beklagte in seinem an den
Hilfeempfänger gerichteten Bescheid vom 2. Juni 1997 auch ihnen zugesagt habe, für
die Kosten des Aufenthaltes des Hilfeempfängers aufzukommen.
16
Nach den Angaben der Kläger war in der Zeit vom 13. Juni 1997 bis zum 30. Juni 1997
ein Tagessatz in Höhe von 123,49 DM zu zahlen. Insgesamt machen die Kläger einen
Betrag in Höhe von 2.222,82 DM geltend.
17
Die Kläger beantragen,
18
den Beklagten zu verurteilen, 2.222,82 DM nebst vier Prozent Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
19
Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf die Gründe seines Widerspruchsbescheides,
20
die Klage abzuweisen.
21
Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass über die Klage ohne
mündliche Verhandlung durch den jeweiligen Berichterstatter ohne mündliche
Verhandlung entschieden wird.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
23
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24
Über die Klage wird mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
durch den Berichterstatter als Einzelrichter entschieden (vgl. § 101 Abs. 2, § 87 a Abs. 3
VwGO).
25
Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den
von den Klägern geltend gemachten Betrag in Höhe von 2.222,82 DM zu zahlen.
26
Eine Verpflichtung der Beklagten ergibt sich nicht aus dem an den Kläger gerichteten
Bescheid vom 25. März 1997. Dieser Bescheid regelt lediglich die Bewilligung von
Eingliederungshilfe an den Hilfeempfänger selbst, enthält jedoch keine Regelung zu
Gunsten der Kläger mit dem Inhalt einer Kostenzusage in Höhe des von ihnen geltend
gemachten Betrages. Die Formulierung in dem Bescheid, dass die Zahlung unmittelbar
an den Träger der Einrichtung erfolge, ist lediglich als Hinweis auf die
Zahlungsmodalitäten zu verstehen, begründet jedoch keinen eigenen Rechtsanspruch
der Kläger selbst auf Zahlung der Kosten der Unterbringung an sie. Dies wird durch die
Regelung über die Zahlung der Barbeträge verdeutlicht, denn es heißt in diesem
Zusammenhang in dem Bescheid vom 25. März 1997, dass die Zahlung des
Barbetrages im Auftrag der Abteilung Sozialhilfe des Beklagten erfolgt. Insoweit werden
eigene Verpflichtungen der Kläger nicht begründet. Dementsprechend können sie aus
dem Bescheid auch keine eigenen Rechte herleiten.
27
Eine Verpflichtung zur Zahlung ergibt sich auch nicht aus dem an die Kläger gerichteten
Schreiben des Beklagten vom 25. März 1997, denn dieses Schreiben enthält ebenfalls
keine rechtsverbindliche Zusage gegenüber den Klägern, die monatlichen Kosten der
Unterbringung des Hilfeempfängers im Pflegeheim zu übernehmen.
28
Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine auf Zahlung gerichtete
Willenserklärung im Rahmen des öffentlichen Rechts Bestandteil einer Zusage, d.h.
29
eine im ungeschriebenen allgemeinen Verwaltungsrecht wurzelnde hoheitliche
Selbstverpflichtung mit Bindungswillen, sein kann (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5
C 33.91 -, BVerwGE 96, 71 = FEVS 45, 151 = NJW 1994, 2968; OVG NRW, Urteil vom
17. Oktober 2000 - 22 A 5519/98 -, FEVS 52, 303). Das Schreiben des Beklagten vom
25. März 1997 enthält jedoch keine rechtsverbindliche Zusage.
Dies folgt schon aus der äußeren Form der Mitteilung, denn die Beklagte hat an die
Kläger in diesem Zusammenhang lediglich ein formloses Schreiben geschickt und nicht
einen mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Verwaltungsakt erlassen. Auch der Inhalt
des Schreibens vom 25. März 1997 lässt nicht die Auslegung zu, dass der Beklagte eine
rechtsverbindliche Kostenzusage abgeben wollte. Zu Beginn des Schreibens heißt es,
dass die beiliegende Durchschrift (des an die Betreuerin des Hilfeempfängers
gerichteten Bescheides vom 25. März 1997) zur Unterrichtung übersandt wird. Die daran
anschließende Formulierung, dass die Kosten für die im Bescheid genannten
Leistungen ab 1. März 1997 in der vereinbarten Form in Rechnung gestellt werden
können sowie die daran anschließenden Ausführungen zur Abrechnung selbst konnten
aus der insoweit maßgeblichen Sicht der Kläger nicht als rechtsverbindliche Zusage
verstanden werden. Weder das wirtschaftliche Interesse des privaten Trägers einer
Einrichtung an einem potenten und zuverlässigen Zahler in Gestalt des Trägers der
Sozialhilfe noch das von diesem verfolgte öffentliche Interesse daran, einem
Hilfesuchenden die Leistungen zu sichern, die ihm nach den Vorschriften des
Bundessozialhilfegesetzes zustehen, reichen für die Annahme aus, dass der
Sozialhilfeträger mit seiner Erklärung gegenüber dem Träger der Einrichtung eine
eigene materiell-rechtliche Leistungspflicht gegenüber dem Träger der Einrichtung
begründen wollte, denn dieser Interessenlage wird im Regelfall auch eine Auslegung
gerecht, die den Inhalt einer entsprechenden Erklärung des Trägers der Sozialhilfe darin
erblickt, dass dieser den Träger der Einrichtung über das gegenwärtige Bestehen eines
Hilfeanspruchs des Hilfeempfängers unterrichtet und unter der Voraussetzung
fortbestehender Hilfebedürftigkeit zugleich eine bestimmte verwaltungstechnische
Abwicklung des Zahlungsverkehrs bekannt gibt. Diese Verfahrensweise schließt die
Gefahr aus, dass ein Hilfeempfänger die an ihn gezahlten Leistungen nicht an den
privaten Erbringer der Leistung weiterleitet. Sie trägt damit dem Interesse des privaten
Trägers einer Pflegeeinrichtung ebenso Rechnung wie dem vom Sozialhilfeträger
verfolgten öffentlichen Interesse an einer wirksamen Sozialhilfegewährung. Es müssen
daher besondere Umstände hinzu treten, um die Annahme zu rechtfertigen, eine dem
Träger einer Pflegeeinrichtung gegenüber abgegebene Erklärung des Sozialhilfeträgers
beschränke sich nicht auf die Mitteilung des Sozialhilfeanspruches und der direkten
Zahlungsweise, sondern bezwecke mehr, nämlich die Begründung einer materiell-
rechtlichen Zahlungsverpflichtung gegenüber dem privaten Träger der
Pflegeeinrichtung. Notwendig ist vor allem, dass der Sozialhilfeträger seinen
Rechtsbindungswillen unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat (so ausdrücklich
BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33.91 -, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen
hier entgegen der Ansicht der Kläger gerade nicht vor, denn den Formulierungen des
Schreibens vom 25. März 1997 lässt sich kein unzweideutiger Wille des Beklagten
entnehmen, gegenüber den Klägern rechtsverbindlich zu erklären, dass sie unmittelbar
einen Anspruch auf Zahlung der Kosten haben sollten. Die von den Klägern in diesem
Zusammenhang geschilderte besondere Lebenssituation des Hilfeempfängers selbst
kann in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht als besonderer Umstand im
Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angesehen
werden, weil die Rechtsverbindlichkeit nur im Verhältnis zwischen dem Träger der
Einrichtung und dem Träger der Sozialhilfe geregelt werden kann.
30
Eine für die Kläger günstigere Beurteilung der Sach- und Rechtslage ergibt sich auch
dann nicht, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass in dem Bescheid und in
dem Schreiben vom 25. März 1997 eine rechtsverbindliche Erklärung des Beklagten zu
sehen ist. Inhalt einer solchen Erklärung kann nur sein, die Zusage für die Dauer der
Hilfebedürftigkeit zu erteilen (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33.91 -, a.a.O.). Die
Kläger konnten in dem für sie günstigsten Fall darauf vertrauen, dass der Beklagte
Leistungen erbringen würde, solange der Hilfeempfänger hilfebedürftig war. Dies traf
jedoch gerade für den Zeitpunkt nach dem 12. Juni 1997 nicht mehr zu. Der
Hilfeempfänger erhielt nämlich seit dem 13. Juni 1997 vom Sozialamt der Stadt Hagen
Lebensmittelgutscheine. Auch wurde ihm eine Obdachlosenunterkunft zugewiesen. Der
Bedarf des Hilfeempfängers war mithin seit dem 13. Juni 1997 anderweitig gedeckt.
Eine Bedarfsdeckung durch den Beklagten im Rahmen der Hilfe in besonderen
Lebenslagen war nicht mehr notwendig. Da der Hilfeempfänger mithin im
streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig war, konnte auch aus der Sicht der
Kläger vom Beklagten insoweit keine Zahlungszusage erteilt werden.
31
Eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten lässt sich auch nicht aus zivilrechtlichen
Rechtsgrundlagen herleiten. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass die Kläger
zur Durchführung der von ihnen geltend gemachten Forderung den
Verwaltungsrechtsweg beschritten haben, denn nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG hat das
Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht
kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, also auch mit Blick auf
(rechtswegfremde) Forderungen des bürgerlichen Rechts (OVG NRW, Urteil vom 17.
Oktober 2000 - 22 A 5519/98 -, a.a.O.).
32
Zivilrechtliche Rechtsgrundlagen zwischen den Beteiligten scheiden hier schon deshalb
aus, weil der Beklagte aus den vorgenannten Gründen für den streitgegenständlichen
Zeitraum gegenüber den Klägern keine rechtsverbindliche Erklärung zur Zahlung der
Kosten des Aufenthaltes abgegeben hat. Darüber hinaus hat der Hilfeempfänger mit den
Klägern einen zivilrechtlichen Heimvertrag abgeschlossen, der eine abschließende
zivilrechtliche Rechtsgrundlage für Forderungen der Kläger darstellt.
33
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.
34
Gerichtskosten sind nach § 188 Satz 2 VwGO auch in diesem Rechtsstreit nicht zu
erheben. Aus der ganz allgemeinen Fassung dieser Vorschrift ergibt sich, dass es nicht
auf einzelne Ansprüche oder Gesichtspunkte, auf die eine Partei ihr Klagebegehren
stützt, ankommt, sondern auf die objektive Zugehörigkeit des Klagebegehrens zu einem
der genannten Sachgebiete, hier der Sozialhilfe (OVG NRW, Urteil vom 17. Oktober
2000 - 22 A 5519/98 -, a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 28. November 1974
- 5 C 18.74 -, FEVS 23, 177, 182).
35
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt
aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 1.Alternative, 711 Satz 1 ZPO.
36