Urteil des VG Münster vom 07.07.2010

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Verwaltungsgericht Münster, 6 K 325/09
Datum:
07.07.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 325/09
Tenor:
Die Bescheide des Beklagten vom 30. August 2007 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 13. Januar
2009 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin erhielt seit Beginn ihres Studiums im Wintersemester 2002/2003
Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in wechselnder
Höhe. Nachdem eine Auswertung der Anfrage gemäß § 45 d EStG ergab, dass der
Klägerin im Meldejahr 2002 eine Freistellungssumme von 447,- EUR zuzuordnen war,
forderte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 auf, ihr
Vermögen zum Zeitpunkt ihrer Antragstellungen am 10. Oktober 2002, 13. November
2003 und 24. November 2004 darzulegen und nachzuweisen.
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Dieser Aufforderung kam die Klägerin nach. Aus den überreichten Unterlagen ergibt
sich, dass am 25. Januar 1999 bei der Oldenburgischen Landesbank AG in C. eine
Inhaberschuldverschreibung der Oldenburgischen Landesbank zum Nennwert von
15.000 DM auf den Namen der Klägerin angelegt worden war, die am 8. August 2002
fällig wurde. Die Zinsgutschriften waren in den folgenden Jahren dem Wertpapierkonto
der Klägerin gutgeschrieben worden, sodass der Klägerin zum Fälligkeitstermin am 8.
August 2002 ein Betrag von insgesamt 9.393,54 EUR zustand. Diesen Betrag überwies
die Klägerin am 30. September 2002 auf ein Konto ihrer Eltern bei der Postbank. Bei der
Kreissparkasse Wesermünde-Haddeln wurde auf den Namen der Klägerin ein
Girokonto geführt, welches am 10. Oktober 2002 46,42 EUR aufwies. Auf ihrem
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Sparbuch bei derselben Kreissparkasse waren 29,84 EUR gebucht. Außerdem besaß
die Klägerin ein Girokonto bei der Sparkasse Münsterland Ost, welches am 10. Oktober
2002 415,- EUR aufwies.
Auf der Grundlage dieser überreichten Unterlagen errechnete der Beklagte für den
Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003 eine Überzahlung in Höhe von
2.256,- EUR, die er mit Aufhebungs-, Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 30.
August 2007 zurückforderte.
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Für den Bewilligungszeitraum von November 2003 bis September 2004 errechnete der
Beklagte eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 1.529,- EUR, die er mit weiterem
Aufhebungs-, Änderungs- und Rückforderungsbescheid 30. August 2007 zurückforderte.
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Hinsichtlich des Bewilligungszeitraumes von November 2004 bis August 2005 erfolgte
mit Bescheiden vom 30. August 2007 eine Neuberechnung der Ausbildungsförderung.
Mit Bescheiden vom 30. August 2007 forderte der Beklagte für den Zeitraum von
November 2004 bis Juli 2004 einen Betrag von 900,- EUR und für August 2005 einen
Betrag von 100,- EUR zurück.
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Die Klägerin legte am 27. September 2007 Widerspruch ein und begründete diesen
damit, dass das in Rede stehende Vermögen von 9.393,54 EUR nicht ihr Eigentum,
sondern Eigentum ihrer Eltern gewesen sei. Sie habe im Jahr 1999 von ihrer Großmutter
ein Geldgeschenk in Höhe von 15.000,- DM erhalten, welches bei der Oldenburgischen
Landesbank angelegt worden sei. Dieser Betrag sei erst am 8. August 2002 fällig
geworden. Ihre Eltern hätten ihr im Jahr 2000 ein Darlehen für den Kauf eines Klaviers
in Höhe von 8.350,- DM gewährt. Weiterhin hätten ihre Eltern ihr im Jahr 2001 ein
Darlehen für die Kosten des Erwerbs des Führerscheins in Höhe von 3.062,36 DM
gewährt. Außerdem habe sie im Jahre 2002 im Hinblick auf das angestrebte Studium
ein Notebook zum Preis von 1.299,- EUR erworben, wofür die Eltern der Klägerin ihr
ebenfalls ein Darlehen gewährt hätten. Diese Darlehen hätten sich insgesamt auf einen
Betrag von 7.134,05 EUR belaufen. Nach Fälligkeit des fest angelegten Geldes, habe
sie den Betrag von 9.393,54 EUR am 30. September 2002 auf das Konto ihrer Eltern
überwiesen. Erst am 10. Oktober 2002 habe sie den BAföG-Antrag gestellt und dabei zu
Recht kein Vermögen angegeben, da dieses nicht mehr ihr Vermögen darstellte.
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Mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 13. Januar 2009 wies dieser
den Widerspruch als unbegründet zurück. Dieser Bescheid ging dem Beklagten am 21.
Januar 2009 zu.
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Die Klägerin hat am 24. Februar 2009 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und
vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt sie aus,
dass die erwähnten Gegenstände (Klavier und Laptop) bzw. finanzierten
Dienstleistungen (Führerschein) der Klägerin nicht schenkungsweise überlassen
worden seien. Hinsichtlich des Differenzbetrages der Darlehenssumme und des an die
Eltern ausgezahlten Betrages (9.393,54 EUR - 7.134,05 EUR = 2.250,49 EUR) lägen
ebenfalls Vorfinanzierungen der Eltern vor. So habe sie im Zusammenhang mit der
Aufnahme ihres Studiums hinsichtlich der Wohnung in Münster Hausrat sowie eine
Grundausstattung für das Studium anschaffen und durch die Eltern vorfinanzieren
lassen müssen. Zum Zeitpunkt ihres Antrags auf Bewilligung von Ausbildungsförderung
am 10. Oktober 2002 sei die Schenkung der Großmutter aus dem Jahr 1999 bzw. das
daraus ermittelte Vermögen vollständig aufgebraucht gewesen. Die Klägerin verweist im
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Übrigen auf das nach § 170 Abs. 2 StPO wegen mangelnden hinreichenden
Tatverdachts eingestellte Strafermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stade.
Die Klägerin beantragt,
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die Bescheide des Beklagten vom 30. August 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 13. Januar 2009 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft der Beklagte sein bisheriges Vorbringen im
Verwaltungsverfahren. Er verweist darauf, dass die Maßstäbe für die Glaubwürdigkeit
eines Darlehensvertrages zwischen Familienangehörigen hoch anzusetzen seien und
die Beweislast bei der Klägerin liege. Auch nach nochmaliger Prüfung komme er zu
dem Schluss, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Konstrukt handele, welches
dazu dienen solle, die rechtsmissbräuchliche Übertragung von Kapital zum Zwecke der
Erlangung staatlich finanzierter Ausbildungsförderung zu rechtfertigen. So sei die
Rechnung für das angeschaffte Klavier ausdrücklich auf den Namen "Familie F. O. "
ausgestellt worden. Daraus sei zu entnehmen, dass das Klavier nicht ausschließlich zur
Verwendung durch die Klägerin bestimmt gewesen sei. Im Übrigen entspreche es nicht
allgemeinen Geflogenheiten, innerhalb von Familiendarlehensleistungen hinzugeben,
ohne deren Summe genau zu definieren und die Höhe der Rückzahlung von der Höhe
des Ersparten des Darlehensnehmers abhängig zu machen. Im vorliegenden Fall habe
es offenbar keinerlei Abreden gegeben. Schließlich spreche der enge zeitliche
Zusammenhang zwischen der Übertragung des Kapitals an die Eltern und der
Beantragung von Ausbildungsförderung dafür, dass es sich bei den behaupteten
Schuldverpflichtungen um eine Schutzbehauptung handele, die dazu dienen solle, die
rechtsmissbräuchliche Übertragung zu verschleiern.
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Hierauf entgegnet die Klägerin, dass das Klavier von den übrigen Familienmitgliedern
nicht genutzt worden sei, die kein Klavier spielen könnten. Vielmehr sei das Klavier
direkt in ihr damaliges Kinderzimmer transportiert worden. Da sie zum Zeitpunkt der
Anschaffung des Klaviers im September 2000 erst 16 Jahre alt und damit noch
minderjährig gewesen sei, sei die Rechnung auf Familie F. O. ausgestellt worden.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Eltern der Klägerin als Zeugen.
Hinsichtlich des Inhalts des Beweisbeschlusses und der Beweisaufnahme wird auf das
Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge
ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide des Beklagten
vom 30. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung
Köln vom 13. Januar 2009 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten
(§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
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Der Klägerin stand in den fraglichen Bewilligungszeiträumen die bewilligte
Ausbildungsförderung zu, sodass die Voraussetzungen für eine Rücknahme der
Bewilligungsbescheide gemäß § 45 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB X) nicht vorliegen. Danach darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht
oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender
Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den
Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung auch für die
Vergangenheit zurückgenommen werden.
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Nach §§ 1 und 11 Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes - BAföG - besteht
ein Anspruch auf individuelle Ausbildungsförderung nach Maßgabe dieses Gesetzes
nur dann, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine
Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Nach § 11 Abs.
2 BAföG ist auf diesen Bedarf unter anderem das Vermögen des Auszubildenden
gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG anzurechnen.
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Zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung am 10. Oktober 2002 war die Klägerin nicht
mehr Inhaberin der Inhaberschuldverschreibung der Oldenburgischen Landesbank AG.
Vielmehr war diese am 8. August 2002 fällig und von der Klägerin am 30. September
2002 auf ein Konto ihrer Eltern überwiesen worden.
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Grundsätzlich ist jedoch auch vor Antragstellung auf Dritte übertragenes Vermögen
zuzurechnen, wenn der Auszubildende, um eine Anrechnung zu vermeiden, Vermögen
an einen Dritten unentgeltlich überträgt, anstatt es für seinen Lebensunterhalt und für
seine Ausbildung einzusetzen. Gerade weil der Wert des übertragenen Vermögens dem
Auszubildenden für seinen Bedarf nicht (mehr) zur Verfügung steht, stellt sich eine
unentgeltliche Vermögenszuwendung an einen Elternteil als Rechtsmissbrauch dar.
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Gefestigte Rechtsprechung; vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom
13. Januar 1983 - 5 C 103/80 -; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg,
Urteil vom 21. Februar 1994 - 7 S 197/93 -; Bayrischer Verwaltungsgerichtshof (VGH
München), Beschluss vom 5. Oktober 2006 - 12 ZB 06.907 -.
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An die Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit der Behauptungen eines
Auszubildenden mit Blick auf seine Vermögensverhältnisse sind grundsätzlich hohe
Anforderungen zu stellen, um insbesondere Missbrauchsfällen bei behaupteten
Vertragsverhältnissen oder Verpflichtungen unter nahen Angehörigen
entgegenzuwirken. Der Auszubildende ist gehalten, durch objektive Tatsachen belegt
plausibel zu machen, dass es sich insoweit nicht um bloße Schutzbehauptungen oder
Scheingeschäfte handelt.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Februar 2007 - 4 E 1153/06 -, FamRZ 2007, 943,
m.w.N.
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Unter Anwendung dieser Grundsätze geht das Gericht davon aus, dass die von der
Klägerin behaupteten Darlehnsverträge wirksam zustande gekommen sind.
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Soweit die Klägerin vorgetragen hat, zur Anschaffung eines Klaviers und eines Laptops
sowie zur Finanzierung ihres Führerscheins Darlehnsverträge mit ihren Eltern
geschlossen zu haben, steht auf Grund der glaubhaften Aussagen der als Zeugen
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vernommenen Eltern der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bürgerlich-
rechtlich wirksame Darlehnsverträge abgeschlossen worden sind und es sich nicht in
Wirklichkeit um verschleierte Schenkungen handelte.
§ 488 Abs. 1 BGB setzt als Mindestinhalt eines Darlehensvertrags voraus, dass der
Darlehensgeber verpflichtet wird, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der
vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich Inhalt und Form verlangt das
BGB darüberhinaus keine weiteren Voraussetzungen. So müssen auch keine
Vereinbarungen über Laufzeit, Zinsen oder Sicherung des Darlehens getroffen werden.
Nach § 488 Abs. 3 BGB wird eine Rückzahlung des Darlehens ohne besondere
vertragliche Vereinbarung fällig, wenn das Darlehen von dem Gläubiger oder Schuldner
gekündigt wird. Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt 3 Monate. Der Hauptpflicht des
Darlehensgebers zur Darlehensgewährung steht die Hauptpflicht des
Darlehensnehmers gegenüber, das Darlehen zurück zu erstatten. Gemäß § 488 Abs. 2
BGB gehört die Zinszahlung nicht zum vorgeschriebenen Mindestinhalt des
Darlehensvertrages, ist jedoch gesetzlicher Regelfall.
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Darlehensverträge unter Angehörigen müssen auch nicht nach Inhalt und Form
denjenigen Darlehensverträgen entsprechen, die von Kreditinstituten verwendet
werden. Die Forderung nach Verträgen, die einem Fremdvergleich standhalten, wird
dem innerhalb einer Familie bestehenden besonderen Vertrauensverhältnis nicht
gerecht. Auf Grund des in der Regel bestehenden Vertrauensverhältnisses unter
Familienangehörigen wird gerade häufig auf eine schriftliche Fixierung der getroffenen
Vereinbarung verzichtet. Auch verlangen Eltern von ihren in Ausbildung befindlichen
Kindern häufig keine Zinszahlungen oder Sicherheiten,
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vgl. zu den Anforderungen für ein Darlehen unter Familiengehörigen: VG Münster, Urteil
vom 21. Juli 2006 - 6 K 5279/03 -, www.nrwe.de; VG Bremen, Urteil vom 25. Mai 2005 -
1 K 1477/03 - juris; BFH, Urteil vom 4. Juni 1991 - IX R 150/85 -; OVG Saarland,
Beschluss vom 24. April 2006 - 3 Q 60/05 -, juris.
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Im vorliegenden Fall hat die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für ein bloßes
Vorschieben in Wirklichkeit nicht geschlossener Darlehnsverträge ergeben. Vielmehr
haben sowohl die Mutter als auch der Vater der Klägerin nachvollziehbar erklärt, das
neue Klavier lediglich im Hinblick auf das seinerzeit fest angelegte Geldgeschenk der
Großmutter der Klägerin angeschafft zu haben. Entsprechend sei auch bei ihrem Sohn
bei besonderen Anschaffungen verfahren worden. Sowohl bei der Anschaffung des
Klaviers als auch bei der Anschaffung des Laptops sei zwischen den Eltern und der
Klägerin verabredet worden, dass diese den jeweiligen Kaufpreis nach Fälligkeit des
angelegten Geldes zurückzahlen solle. Das Gleiche gilt auch für die Kosten des
Führerscheins. So hat insbesondere der Vater der Klägerin darauf hingewiesen, dass
auch er seinen Führerschein erst gemacht habe, nachdem er die entsprechenden
finanziellen Mittel dazu habe. Da das Geld der Tochter angelegt gewesen sei, habe man
ihr das Geld lediglich vorgestreckt. Damit ist sowohl die Hauptpflicht des
Darlehnsgebers, nämlich die Hingabe eines Geldbetrags in der vereinbarten Höhe
(Kaufpreis des Klaviers, Kosten des Führerscheins, Kaufpreis des Laptops) als auch die
Hauptpflicht des Darlehnsnehmers, nämlich das Darlehn zurückzuerstatten, vereinbart
worden.
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Soweit die Klägerin weiter vorträgt, im Hinblick auf die Aufnahme ihres Studiums in
Münster und das dort angemietete WG-Zimmer Anschaffungen getätigt zu haben, jedoch
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nicht mehr alles belegen zu können, ist dies nicht von vorn herein schädlich. Auch ohne
entsprechende Nachweise ist nachvollziehbar, dass die Klägerin zu Studienbeginn
Anschaffungen tätigen musste. Allerdings erweckt die von der Klägerin vorgelegte
Aufstellung den Eindruck, dass im nachhinein die Überweisung des Gesamtbetrages
plausibel gemacht werden sollte. So enthält die Aufstellung auch Ausgaben, die erst
nach Überweisung des Geldbetrages an die Eltern getätigt wurden sowie die Kosten
eines Ski-Urlaubs im Januar 2003. Im Hinblick darauf werden lediglich die bis Ende
September 2002 entstandenen weiteren Kosten in Höhe von 1.706,48 EUR
zugrundegelegt, die durch die Eltern der Klägerin vorfinanziert worden sind.
Gegen die Annahme der Vereinbarung eines diesbezüglichen Darlehnsvertrages
spricht auch nicht der Umstand, dass die Klägerin den gesamten Betrag des bei der
Oldenburgischen Landesbank AG C. fällig gewordenen Betrages von 9.393,54 EUR auf
das Konto ihrer Eltern überwiesen hat, obwohl nach der Überzeugung des Gerichts
lediglich Darlehnsverträge in Höhe von insgesamt 8.840,53 EUR gegenüberstanden.
So hat die Mutter der Klägerin glaubhaft und überzeugend ausgeführt, dass sie
seinerzeit der Meinung gewesen sei, dass den Eltern der gesamte Geldbetrag
zugestanden habe, weil sie für ihre Tochter über die abgeschlossenen Darlehnsverträge
hinaus sehr viel Geld aufgewandt hätten. So habe der Musik- und Gesangsunterricht der
Klägerin sehr viel gekostet. Sie habe jedoch darüber nicht Buch geführt.
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Dem Guthaben der Klägerin vor der ersten Antragstellung in Höhe von 9.373,- EUR
standen somit Forderungen in Höhe von insgesamt 8.840,53 EUR gegenüber (Klavier
zum Preis von 4.269,28 EUR, Führerscheinkosten in Höhe von 1.565,75 EUR, Laptop
von 1.299,- EUR und Anschaffungen/Mietkaution pp. von 1.7o6,48,- EUR). Der danach
verbleibende Restbetrag von 553.01 EUR zuzüglich der zum Zeitpunkt der jeweiligen
Antragstellungen vorhandenen weiteren Guthaben von 415,- EUR in 2002, 965,53 EUR
in 2003 und 589,87 EUR in 2004, lag jeweils unter dem Vermögensfreibetrag von
5.200,- EUR.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das Klavier der Klägerin auch kein
Luxusgegenstand, der diesen Vermögensbeträgen zuzurechnen wäre. Vielmehr stellt
das Klavier, wie auch sonstige Musikinstrumente, einen Haushaltsgegenstand im Sinne
des § 27 Abs. 2 Nr. 4 BAföG dar. Dies entspricht der Entstehungsgeschichte des BAföG.
So hing die förderungsrechtliche Vermögensanrechnung seinerzeit von der
Vermögenssteuerzahlungspflicht ab. Luxusgegenstand kann deshalb ein Klavier nur
dann sein, wenn es sich um ein besonders kostbares Instrument mit entsprechendem
Wert handelt.
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Vgl. dazu Rothe/Blanke, BAföG, Kommentar, Rdnr. 15 zu § 27 m. w. Nachw..
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2, 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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