Urteil des VG Münster vom 23.08.2002

VG Münster: datum, neubewertung, staatsprüfung, hausarbeit, klausur, vorverfahren, ausstellung, anfechtung, klagefrist, vollstreckung

Verwaltungsgericht Münster, 10 K 2540/99
Datum:
23.08.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 2540/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin bestand am 00.00.0000 vor dem Landesjustizprüfungsamt in Nordrhein-
Westfalen in E. die zweite juristische Staatsprüfung mit "ausreichend" (5,74 Punkte).
Darüber erhielt sie jeweils mit Datum vom 00.00.0000 ein Zeugnis und eine
Bescheinigung über die Einzelleistungen gem. § 37 a Abs. 4 JAO. Nach erfolgreicher
Anfechtung des Prüfungsergebnisses und der aufgrund des Urteils des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Az.: 22 A 4677/95;
Vorinstanz VG Münster 1 K 1722/92) nach Zurückweisung der
Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht (Az.: 6 B 44.98)
folgenden Neubewertung der Hausarbeit und der C-Klausur erzielte die Klägerin
nunmehr die Gesamtnote "ausreichend" (5,92 Punkte). Das Zeugnis sowie die
Bescheinigung über die Prüfungsleistungen im einzelnen, welche die Überschrift
"Bescheinigung gemäß § 37 Abs. 4 JAO" trägt, wurden ebenso wie der
zugrundeliegende Bescheid am 00.00.0000 ausgestellt und mit folgendem Wortlaut
unterschrieben: "Der Präsident des Landesjustizprüfungsamtes in Nordrhein-Westfalen -
M.d.W.d.G.b. S. (S. )." Der Bescheid mit Zeugnis und Bescheinigung wurde am
00.00.0000 zugestellt. Er enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, in der auf die
Möglichkeit eines Widerspruchs gegen die Entscheidung bei dem
Landesjustizprüfungsamt NRW in E. hingewiesen wurde.
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Die Klägerin hat ohne vorherige Einlegung eines Widerspruchs am 00.00.0000 Klage
erhoben. Sie ist der Auffassung, die Klage sei ohne Vorverfahren zulässig, weil § 19
JAG NRW keine Anwendung finde. Nach den Übergangsregelungen zu § 35 JAG NRW
komme die Anwendbarkeit des neuen Rechts nur in Betracht, wenn bei dessen
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Inkrafttreten der Vorbereitungsdienst noch angedauert habe, was nicht der Fall gewesen
sei. Gegen die Notwendigkeit eines Vorverfahrens spreche auch, dass die Frage eines
Vorverfahrens während des Rechtsstreits erörtert und entschieden worden sei, indem
die Klage "nicht als unzulässig zurückgewiesen" worden sei. Sie, die Klägerin, habe
auch zuvor keinen Antrag auf Abänderung stellen müssen. Eine vorherige
Antragstellung für die Abänderung von Zeugnis und Bescheinigung sei unvereinbar mit
der einen Widerspruch fordernden Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid und mit der
Verwaltungsgerichtsordnung, da das Erfordernis einer Antragstellung die Einhaltung der
Klagefrist erschweren könne oder bei fehlender Entscheidung über den Antrag vor
Ablauf der Klagefrist zwei Verfahren parallel geführt werden müssten. Inhaltlich greift die
Klägerin den Zusatz "M.d.W.d.G.b." und das Ausstellungsdatum des Zeugnisses und
der Bescheinigung an. Sie ist der Ansicht, die Abkürzung "M.d.W.d.G.b.", die nicht
allgemeinverständlich sei, erwecke den Eindruck, der Beklagte distanziere sich von der
Notenbezeichnung und dem Punktwert. Der Zusatz sei eine Abweichung von der Übung
des Beklagten und entspreche nicht der Verkehrssitte. Außerdem sei das Zeugnis auf
das ursprüngliche Ausstellungsdatum des 00.00.0000 zurückzudatieren, da es sich
immer noch um das alte Zeugnis handele. Ein Anspruch darauf ergebe sich aus der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Arbeitszeugnissen, wonach ein vom
Arbeitgeber berichtigtes Zeugnis auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum
zurückzudatieren sei, wenn die verspätete Ausstellung nicht vom Arbeitnehmer zu
vertreten sei; dies gelte auch dann, wenn der Arbeitnehmer zur Berichtigung gerichtlich
verurteilt werde. Ansonsten sei bei Vorlage des Zeugnisses anlässlich einer Bewerbung
zu befürchten, dass der Eindruck hervorgerufen werde, das Zeugnis sei erst nach
längeren Auseinandersetzungen ausgestellt worden, was den Inhalt des Zeugnisses
entwerte. Bei einer Bewerbung könne sich das gegenüber Mitbewerbern nachteilig
auswirken. Schließlich sei der Beklagte auch verpflichtet, in der Notenbescheinigung
die Gesetzesangabe § 37 a Abs. 4 Satz 2 JAO statt § 37 Abs. 4 JAO zu verwenden.
Die Klägerin beantragt,
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1. den Beklagten zu verpflichten, seinen Bescheid vom 00.00.0000 über ihre zweite
juristische Staatsprüfung, LJPA. -I-890/91, Proz.-Liste 971, ihr zugestellt am 00.00.0000,
dahingehend zu ändern, dass das Zeugnis über das Ergebnis ihrer zweiten juristischen
Staatsprüfung nach § 37 a Abs. 4 Satz 1 JAO ohne den Zusatz M. d. W. d. G. b. und mit
dem Ausstellungsdatum 00.00.0000 sowie die Bescheinigung über die Bewertung ihrer
Prüfungsleistungen nach § 37 a Abs. 4 Satz 2 JAO ohne den Zusatz M. d. W. d. G. b.,
mit dem Ausstellungsdatum 00.00.0000 und mit der Gesetzesangabe § 37 a Abs. 4 Satz
2 JAO anstatt § 37 Abs. 4 JAO neu ausgestellt werden, und
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2.
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3. den Beklagten zu verpflichten, das Zeugnis vom 00.00.0000 über das Ergebnis ihrer
zweiten juristischen Staatsprüfung nach § 37 a Abs. 4 Satz 1 JAO, LJPA. -I- 890/91, ihr
zugestellt am 00.00.0000, ohne den Zusatz M. d. W. d. G. b. und mit dem
Ausstellungsdatum 00.00.0000 neu auszustellen, sowie die Bescheinigung über die
Bewertung ihrer einzelnen Prüfungsleistungen nach § 37 a Abs. 4 Satz 2 JAO, LJPA. -I-
890/91, ohne den Zusatz M. d. W. d. G. b., mit dem Ausstellungsdatum 00.00.0000 und
mit der Gesetzesangabe § 37 a Abs. 4 Satz 2 JAO anstatt § 37 Abs. 4 JAO neu
auszustellen.
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4.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, die Klage sei hinsichtlich der Abänderung des Bescheids wegen der
fehlenden Erhebung eines Widerspruchs unzulässig. Das Vorverfahren sei nicht
entbehrlich, da die Übergangsregelung des § 35 JAG keine Anwendung finde. Das
Widerspruchsverfahren sei bereits durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des
Juristenausbildungsgesetzes vom 16. Dezember 1992 eingeführt worden. Als
Übergangsregelung finde sich in Art. 2 dieses Gesetzes nur die Bestimmung, dass § 19
JAG NRW auf bereits durchgeführte Prüfungsverfahren keine Anwendung finde. Bei
Inkrafttreten des § 19 JAG NRW am 30. Dezember 1992 sei das Prüfungsverfahren der
Klägerin infolge der Anfechtung des Prüfungsbescheids noch nicht vollständig
durchgeführt worden. Hinsichtlich der Abänderung des Zeugnisses und der
Bescheinigung fehle es unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzinteresses an einem
vorherigen Antrag an den Beklagten. Der Beklagte sei im übrigen bereit, die
Gesetzesangabe in § 37 a Abs. 4 JAO zu korrigieren, da hier ein Schreibfehler
unterlaufen sei. Die Unzulässigkeit der Klage bezüglich des Bescheids ergebe sich
außerdem aus dem fehlenden Rechtsschutzinteresse der Klägerin. Die von der Klägerin
beanstandeten Punkte seien keine auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen
gerichteten Regelungen. Die Klage sei im übrigen unbegründet, da ein Anspruch der
Klägerin auf Abänderung nicht bestehe. Das Ausstellungsdatum könne nicht auf den
00.00.0000 zurückdatiert werden, da es erst nach dem Tag liegen könne, an dem das
Prüfungsergebnis bekannt sei; dies sei erst nach der Neubewertung der Hausarbeit und
der C-Klausur im Jahre 1999 der Fall gewesen. Die von der Klägerin zitierte
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betreffe eine völlig andere Fallkonstellation
und sei auf die Erteilung eines Zeugnisses über das Ergebnis einer Prüfung nicht
anzuwenden. Auch ein Anspruch auf Neuausstellung ohne den Zusatz "M.d.W.d.G.b."
bestehe nicht. Dieser Zusatz sei kein Geheimcode und enthalte keine Distanzierung
vom Inhalt. Er bedeute "Mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt" und habe zum
Zeitpunkt der Ausstellung von Herrn Leitenden Ministerialrat S. benutzt werden müssen,
weil er nach der Pensionierung des bisherigen Präsidenten des
Landesjustizprüfungsamts durch Beschluss des Kabinetts des Landes Nordrhein-
Westfalen mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten des
Landesjustizprüfungsamts betraut worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Soweit die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten begehrt, die Gesetzesangabe § 37
Abs. 4 JAO in § 37 a Abs. 4 JAO zu ändern, ist die Klage unzulässig, weil es an einem
Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin fehlt. Sie hat es vor Klageerhebung unterlassen,
einen Antrag an den Beklagten auf Abänderung zu stellen. Ein solcher Antrag an den
Beklagten wäre ein einfacherer Weg der Rechtsverfolgung auch noch in der mündlichen
Verhandlung gewesen, da die Vertreterin des Beklagten sich im Termin bereiterklärt hat,
die Bescheinigung insoweit abzuändern.
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Auch ansonsten hat die Kammer erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Klage, da
die Klägerin hinsichtlich der Abänderung von Zeugnis und Bescheinigung statt eines
Leistungsantrags (die Klage wäre in diesem Falle gegen das Land Nordrhein-Westfalen
zu richten gewesen) in Ansehung des ihr in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich
gegebenen rechtlichen Hinweises einen Verpflichtungsantrag gestellt hat und - soweit
eine Verpflichtungsklage in Betracht käme - kein Vorverfahren gem. § 19 JAG, § 68
VwGO durchgeführt hat, das bereits seit Ende 1992 erforderlich ist. Die dafür allein
maßgebliche Übergangsvorschrift des Art. II des Zehnten Gesetzes zur Änderung des
Juristenausbildungsgesetzes vom 16. Dezember 1992 dürfte wohl nicht anwendbar
sein, weil das Prüfungsverfahren nach Aufhebung des alten Prüfungsbescheids erst
1999 vollständig durchgeführt wurde.
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Diese Fragen können aber offen bleiben, weil die Klage jedenfalls in der Sache keinen
Erfolg haben kann. Der Klägerin steht unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt ein
Anspruch auf Änderung des Zeugnisses und der Bescheinigung bzw. auf Verpflichtung
des Beklagten auf Erlass eines neuen Bescheids ohne den Zusatz "M.d.W.d.G.b." und
unter dem Datum des 00.00.0000 zu.
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Der Zusatz "M.d.W.d.G.b." ist als Abkürzung in der Verwaltung üblich. Durch
Nachfragen bei der Behörde können sowohl beim Prüfling wie auch bei einem
potentiellen Arbeitgeber anlässlich einer Bewerbung Missverständnisse hinsichtlich der
Bedeutung dieses Zusatzes ausgeräumt werden. Auch in der Sache ist die Abkürzung
nicht zu beanstanden, da Herr Leitender Ministerialrat S. am 00.00.0000 noch nicht
Präsident des Landesjustizprüfungsamtes in Nordrhein- Westfalen, sondern nur vom
Kabinett des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Wahrnehmung der Geschäfte des
Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes in Nordrhein-Westfalen beauftragt war.
Eine Unterschrift ohne den Zusatz "M.d.W.d.G.b." hätte insofern einen falschen Eindruck
erweckt. Einen Anspruch auf Ausstellung einer unzutreffenden Urkunde hat die Klägerin
nicht.
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Auch eine Rückdatierung auf den 00.00.0000 ist nicht geboten. Im
Juristenausbildungsgesetz und in der Juristenausbildungsordnung existiert - anders als
dies in anderen Prüfungsordnungen der Fall sein mag - keine Vorschrift, die vorsieht,
dass ein Zeugnis oder eine Bescheinigung das Datum der letzten erbrachten
Prüfungsleistung tragen müssen. Das Ausstellungsdatum nach Abschluss des
Prüfungsverfahrens ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Das Datum
00.00.0000 kennzeichnet das Datum des Prüfungsbescheids zum Abschluss des bis
dahin durchgeführten Prüfungsverfahrens. Der Bescheid vom 00.00.0000 schließt aber
erst das Prüfungsverfahren ab, das auf der Neubewertung der Hausarbeit und der C-
Klausur der Klägerin basiert; der alte Prüfungsbescheid wurde durch das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen aufgehoben. Der neue und
jetzt einzige Prüfungsbescheid kann erst zu einem Zeitpunkt nach der Neubewertung
erstellt werden. Insofern geht die Auffassung der Klägerin fehl, es handele sich bei dem
berichtigten Bescheid immer noch um die alte Prüfungsentscheidung. Auch die von der
Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Arbeitszeugnissen
führt nicht weiter, da diese von der Berichtigung eines Zeugnisses ausgeht, die ohne
das Hinzutreten einer neuen inhaltlichen Entscheidung vorgenommen wird. Im übrigen
bestehen erhebliche Unterschiede zwischen einem Arbeitszeugnis, dessen
nachträgliche Änderung womöglich Rückschlüsse auf vorangegangene
Unstimmigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zuläßt, und dem Zeugnis, das
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aufgrund der Ablegung von Prüfungsleistungen und deren Bewertung ausgestellt wird
und das, sollte es einen längeren Zeitraum zwischen Prüfungs- und Ausstellungsdatum
offenbaren, im Falle einer Bewerbung bei einem verständigen Arbeitgeber nur zu der
Annahme führen kann, der Kandidat habe gegenüber der Prüfungsbehörde die ihm
nach Recht und Gesetz zustehende Bewertung seiner Prüfungsleistung erstritten. Ein
Anspruch der Klägerin auf Änderung des Ausstellungsdatums besteht damit nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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