Urteil des VG Münster vom 08.03.2001

VG Münster: raumordnung, allgemeines verwaltungsrecht, einkaufszentrum, stadt, landesplanung, befreiung, versorgung, genehmigung, gemeinde, erlass

Verwaltungsgericht Münster, 2 K 3122/99
Datum:
08.03.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
2 Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 3122/99
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 18. August 1999 und deren
Widerspruchsbescheid vom 23. November 1999 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, die 40. Änderung des
Flächennutzungsplanes der Klägerin zu genehmigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
3.500 DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin verfolgt mit der Klage die erforderliche Genehmigung der Beklagten zur 40.
Änderung ihres Flächennutzungsplanes, der die Grundlage der weiteren Bauleitplanung
und Genehmigungserteilung für ein Einkaufszentrum im Bereich des Standortes „H"
sein soll. Dieser Standort liegt an der O-Straße (B 0) in unmittelbarer Nähe der
Autobahn A 2 und ist bisher im Flächennutzungsplan als gewerbliche Baufläche
dargestellt. Die Klägerin ist im Landesentwicklungsplan Nordrhein- Westfalen vom 11.
Mai 1995 (LEP NRW) als Mittelzentrum ausgewiesen. Der Gebietsentwicklungsplan
Regierungsbezirk N - Teilabschnitt N -, Stand 6. Dezember 1999 (GEP N) ordnet
diesem Mittelzentrum die Grundzentren Ennigerloh und Wadersloh zu, Ennigerloh als
Grundzen-trum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums. Der GEP N stellt den Bereich
des Standortes „H" als Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereich dar.
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Ausgangspunkt der bauleitplanerischen Überlegungen der Klägerin war ein 1992
erstelltes Einzelhandelsstrukturgutachten der H1, welches einen
einzelhandelsbezogenen Kaufkraftabfluss aus dem Gebiet der Klägerin in die
Umlandgemeinden von jährlich 63,4 Millionen DM bei einer Gesamtkaufkraft von 383
Millionen DM konstatierte. Die Gutachter führten dies u.a. auf fehlende hochwertige
Angebotssegmente zurück und zogen daraus den Schluss, dass die Klägerin ihrer
Versorgungsaufgabe als Mittelzentrum nicht gerecht werde. Die H1 empfahl, die
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Einzelhandelsaktivitäten zu verbessern und zu diesem Zweck städtische Flächen
planerisch aufzubereiten. Hierfür wurde insbesondere der am östlichen Rand der
Altstadt gelegene Bereich des „P" vorgeschlagen; dort sollte ein großflächiges Angebot
mit Magnetwirkung geschaffen werden. Weitere Untersuchungen der H1 in den
Folgejahren ergaben einen geringeren Kaufkraftabfluss. Der Klägerin gelang es jedoch
nicht, Kaufkraftzuflüsse wie die benachbarten Mittelzentren B und P1 zu realisieren. Der
Rat der Klägerin fasste in seinem 1995 beschlossenen und 1997 fortgeschriebenen
Stadtentwicklungskonzept „C 2005" die planerischen Überlegungen zusammen. Er kam
zu dem Ergebnis, dass die von der H1 vorgeschlagene Ansiedlung eines Magneten in
der Innenstadt auf erhebliche Schwierigkeiten stoße. An den Fußgängerzonen,
insbesondere im Bereich der O- straße, stünden ausreichende Flächen nicht zur
Verfügung. Das Plangebiet „P" sei zu klein, um alle zu berücksichtigenden
Anforderungen an Städtebau, Verkehrsführung, gemeindliche Infrastruktur und
ökologische Verbesserung miteinander zu vereinbaren. Der Stadtteil O komme für einen
Magneten wegen fehlender wirtschaftlicher Tragfähigkeit und wegen der
Zentrenhierarchie nicht in Betracht. Die Stadt müsse deshalb ihre bisher ausschließlich
zentrumsbezogenen Aktivitäten erweitern und auch andere Standorte innerhalb des
Siedlungsschwerpunktes C, aber außerhalb der Innenstadt in den Blick nehmen.
Mitte der neunziger Jahre wandte sich ein Investor an die Klägerin, der im gesamten
Bundesgebiet eine Vielzahl von Warenhäusern und Baumärkten betreibt, und
bekundete sein Interesse an einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Bereich der
„H" (sog. H-Markt). Unter dem 2. April 1996 leitete die Klägerin das landesplanerische
Anpassungsverfahren nach § 20 Abs. 1 LPlG NRW ein und legte der Beklagten ihre
Absicht dar, den Flächennutzungsplan im Bereich südlich der BAB A 2 (Anschlussstelle
C/ O), beiderseits der O-Straße zu ändern. Statt gewerblicher Bau- und
landwirtschaftlicher Nutzflächen sollten Sondergebiete für ein Einkaufszentrum und
Hotel, Tagungszentrum und Badesee ausgewiesen werden. Hinsichtlich des
Einkaufszentrums ging man von einer Gesamtverkaufsfläche von zunächst 18.500 qm
aus, die später mit Blick auf den bekannt gewordenen Gem. RdErl. d. Ministeriums für
Stadtentwicklung, Kultur und Sport, d. Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand,
Technologie und Verkehr, d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft
u. d. Ministeriums für Bauen und Wohnen v. 7. Mai 1996, MBl. NW. S. 992, zur
Ansiedlung von Einzelhandelsgroßbetrieben, Bauleitplanung und Genehmigung von
Vorhaben (Einzelhandelserlass) auf 16.500 qm reduziert wurde. Als Einzelvorhaben in
dem Sondergebiet „Einkaufszentrum" wurden ein SB-Warenhaus mit 6.150 qm, eine
Shop-Zone im Warenhaus von 1.500 qm, ein Getränkemarkt von 500 qm, ein Baumarkt
mit 8.000 qm sowie eine Tankstelle mit Waschstraße angegeben.
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Am 18. April 1996 fasste der Rat der Klägerin nach kontroverser Debatte den
Aufstellungsbeschluss zur 40. Änderung des Flächennutzungsplans. Vorgesehen war
u.a. ein Sondergebiet nach § 11 Abs. 3 BauNVO für das beschriebene Einkaufszentrum
anstatt bisher dargestellter gewerblicher Bauflächen. Im Rahmen des
landesplanerischen Anpassungsverfahrens fand am 10. Dezember 1996 bei der
Beklagten als Bezirksplanungsbehörde ein Erörterungstermin statt, an dem neben der
Klägerin mehrere Nachbargemeinden, der Kreis Warendorf, die IHK Münster, die
Handwerkskammer Münster, der Einzelhandelsverband Ostwestfalen sowie die
Bezirksregierungen Arnsberg, Detmold und Münster teilnahmen. Hierbei trugen vor
allem die Nachbargemeinden der Klägerin Bedenken gegen das Vorhaben vor, weil sie
hiervon ausgehende Beeinträchtigungen für den eigenen Einzelhandel fürchteten.
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Nach einer Ortsbesichtigung mit Vertretern der Bezirksplanungsbehörde und der
Klägerin fasste der Rat der Klägerin am 10. Juni 1997 einen Grundsatzbeschluss, in
dem die Ablehnung von vier früher erwogenen Standorten begründet, auf den Verlust
des Kreissitzes und damit verbunden 400 Arbeitsplätzen sowie die insgesamt schlechte
Arbeitslosenbilanz hingewiesen wurde. Außerdem sah der Rat in dem Standort eine
befriedigende Antwort auf die atypische Gemeindesituation mit den beiden räumlich
getrennten Ortsteilen C und O.
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Mit Schreiben vom 31. Juli 1997 nahm die Bezirksplanungsbehörde zu der
landesplanerischen Anfrage der Klägerin Stellung und erhob unter näher bezeichneten,
von der Klägerin akzeptierten Voraussetzungen keine Bedenken gegen die 40.
Änderung des Flächennutzungsplans. In der Begründung der Stellungnahme führte die
Bezirksplanungsbehörde im Einzelnen aus, dass am Standort „H" die beabsichtigte
Errichtung von großflächigem Einzelhandel mit § 24 Abs. 3 LEPro NRW und dem
Einzelhandelserlass vereinbar sei.
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Nachdem das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NRW,
Funktionsvorgänger des Beigeladenen, die Klägerin bereits mit Schreiben vom 5.
August 1997 darauf hingewiesen hatte, die Anpassungserklärung der
Bezirksplanungsbehörde stehe unter dem Vorbehalt der abschließenden Bewertung
durch die Landesregierung, wies es die Bezirksplanungsbehörde mit Schreiben vom 12.
September 1997 an, die landesplanerische Anpassungserklärung vom 31. Juli 1997
zurückzuziehen und die Planung der Klägerin im Hinblick auf das SB- Warenhaus und
die Shop-Zone für landesplanerisch nicht angepasst zu erklären. Die Planung
entspreche nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 3 LEPro NRW, wonach das
Vorhaben räumlich einem Siedlungsschwerpunkt zugeordnet sein müsse. Zwar liege
der Standort „H" noch innerhalb des Siedlungsschwerpunktes C, er sei diesem aber
räumlich nicht mehr zugeordnet. Durch das Kriterium der räumlichen Zuordnung zum
Siedlungsschwerpunkt solle eine isolierte Lage am Rande eines
Siedlungsschwerpunktes vermieden und zugleich gesichert werden, dass eine
Beziehung zwischen geeigneter vorhandener oder geplanter Siedlungs- und
Versorgungsstruktur (Wohnen) und dem geplanten Vorhaben bestehe. Dies gelte
insbesondere für das nahversorgungsrelevante Sortiment (z.B. Lebensmittel). Hier solle
eine wohnungsnahe Versorgung im Umkreis von „wenigen 100 Metern" gesichert
werden. Ein der Größe der geplanten Nutzung entsprechendes Versorgungsgebiet sei
an diesem Standort nicht vorhanden und zukünftig auch nicht vorgesehen, da im Norden
der Stadt C nach dem GEP die Ansiedlung von Gewerbe (Gewerbepark H-Weg) geplant
sei. Die Vorstellung der Klägerin, der Standort sei sinnvoll für das Zusammenwachsen
der Ortsteile C und O widerspreche der Gesetzeslage. § 24 LEPro NRW und der
Einzelhandelserlass gingen davon aus, dass in einem Siedlungsschwerpunkt selbst
eine angemessene Versorgung geschaffen werde. Der Ansatz der Klägerin führe dazu,
dass bei Kommunen mit mehreren Zentren vermeintlich verbindende Standorte auf der
„grünen Wiese" ermöglicht würden. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom
Erfordernis der räumlichen Zuordnung zu einem Siedlungsschwerpunkt lägen nicht vor.
Die Ausnahmemöglichkeiten seien im Einzelhandelserlass ausdrücklich aufgezählt.
Insbesondere komme eine Ausnahme in Betracht, wenn besondere
städtebauliche/siedlungsstrukturelle Gründe dies erforderten. Die von der Klägerin
genannten Gründe seien diesbezüglich nicht ausreichend. Abgrabungsflächen für die
Zementindustrie außerhalb der Besiedlung kämen nämlich für die Ansiedlung
großflächiger Einzelhandelsbetriebe ohnehin nicht in Frage, so dass sich die Frage von
Ersatzstandorten nicht stelle. Mit der gleichen Begründung könnten sonst Kommunen
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mit einem hohen Waldanteil oder mit einem hohen Anteil naturschutzwürdiger Flächen
eine Ausnahmeregelung reklamieren. Unter dem Gesichtspunkt der räumlichen
Zuordnung zu einem Siedlungsschwerpunkt sei auch nicht relevant, ob ein Vorhaben in
der gewünschten Größenordnung an einem anderen, zentraler gelegenen Standort
verwirklicht werden könne. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Nutzung in einer
Randlage dann verwirklicht werden könne, wenn sie nur groß genug dimensioniert
werde, um in zentraler Lage nicht verwirklicht werden zu können. Der
Einzelhandelserlass gehe davon aus, dass dann, wenn für die geplante Nutzung in der
gewünschten Größenordnung kein räumlich und funktional zugeordneter Standort in der
Stadt gefunden werde, das Vorhaben in dieser Größenordnung nicht realisiert werden
könne.
Unter Hinweis auf die ihr erteilte Weisung nahm die Bezirksplanungsbehörde ihre
Verfügung vom 31. Juli 1997 zurück und erklärte das Vorhaben durch Schreiben vom
19. September 1997 für landesplanerisch nicht angepasst. Am 9. Oktober 1997
beschloss der Rat der Klägerin, das landesplanerische Anpassungsverfahren
gleichwohl fortzuführen. Zugleich beauftragte er die Verwaltung, das
Bauleitplanverfahren zur 40. Änderung des Flächennutzungsplans weiter zu betreiben
und den Vorentwurf zur frühzeitigen Beteiligung der Bürger gem. § 3 Abs. 1 BauGB und
der Träger öffentlicher Belange gem. § 4 Abs. 1 BauGB vorzubereiten. Des Weiteren
erklärte der Rat seine Bereitschaft, auf entsprechenden Antrag ein Verfahren zur
Aufstellung eines Vorhaben- und Erschließungsplanes einzuleiten.
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In seiner Sitzung am 1. Dezember 1997 erörterte der Bezirksplanungsrat des
Regierungsbezirks Münster das Vorhaben der Klägerin und entschied, dass die
Planungsabsicht der Klägerin entgegen der ministeriellen Einschätzung vom 12.
September 1997 den Zielen der Raumordnung und Landesplanung angepasst sei.
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Am 18. Dezember 1997 beschloss der Rat der Klägerin die Aufstellung des
Bebauungsplans Nr. 38 „H - Sondergebiet Einkaufszentrum". Die
Aufstellungsbeschlüsse hinsichtlich der 40. Änderung des Flächennutzungsplans und
des genannten Bebauungsplans wurden sodann am 23. Dezember 1997 ortsüblich
bekannt gemacht.
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Mit Schreiben an die Klägerin vom 16. Februar 1998 wies die Beklagte als
Bezirksplanungsbehörde darauf hin, dass eine einvernehmliche Beurteilung des
Planungsvorhabens durch den Bezirksplanungsrat und die Bezirksplanungsbehörde
nicht zu Stande gekommen sei. Er habe deshalb die Sache dem Ministerium als
Landesplanungsbehörde zugeleitet, welches nun im Einvernehmen mit den fachlich
zuständigen Landesministerien die abschließende Entscheidung treffen müsse.
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Im Juni 1998 führte die Klägerin parallel zu dem laufenden landesplanerischen
Anpassungsverfahren die frühzeitige Bürgerbeteiligung, die Beteiligung der Träger
öffentlicher Belange und die Beteiligung der Städte und Gemeinden in den beiden
Bauleitplanverfahren durch.
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Durch Erlass vom 7. August 1998 stellte das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und
Landesplanung NRW als Landesplanungsbehörde im Einvernehmen mit den weiter
betroffenen Landesministerien im Verfahren des § 20 LPlG NRW abschließend fest,
dass die Planung der Klägerin, soweit das SB- Warenkaufhaus mit integrierter Shop-
Zone betroffen sei, nicht an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung angepasst
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sei. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, dass sich das Vorhaben an der
zentralörtlichen Gliederung orientiere. Die notwendige Tragfähigkeit habe die
Bezirksplanungsbehörde festgestellt und ein Gutachten der H1 vorgelegt, nachdem
keine unzumutbaren negativen Auswirkungen auf die Nachbarstädte zu erwarten seien.
Zwar sei an der Methodik und an den Ergebnissen des Gutachtens mehrfach Kritik
geübt worden. Die Landesplanungsbehörde könne aber nur feststellen, ob
offensichtliche Fehlannahmen vorlägen. Das sei nicht ersichtlich. Allerdings sei das
Vorhaben räumlich nicht dem Siedlungsschwerpunkt C zugeordnet. Die
Landesplanungsbehörde erläuterte in diesem Zusammenhang den Hintergrund des als
Bewertungsmaßstab dienenden Einzelhandelserlasses und vertiefte im Übrigen ihre
Überlegungen in der Weisung vom 12. September 1997.
Mit Schreiben vom 26. August 1998 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihre
Planungsabsichten auch unter Berücksichtigung des negativ verlaufenen
landesplanerischen Anpassungsverfahrens fortsetzen zu wollen. Sie verstehe den
Erlass vom 7. August 1998 so, dass gegen den Baumarkt keine Bedenken bestünden.
Man hoffe, im Laufe des weiteren Planänderungsverfahrens die gegen die räumlich und
funktionale Zuordnung des Vorhabens zum Siedlungsschwerpunkt C erhobenen
Bedenken ausräumen zu können. Gemäß dem Ratsbeschluss vom 17. Dezember 1998,
öffentlich bekannt gemacht am 29. Dezember 1998, wurden die Planunterlagen zur 40.
Änderung des Flächennutzungsplans in der Zeit vom 8. Januar 1999 bis zum 8. Februar
1999 im Rathaus der Klägerin öffentlich ausgelegt. In seiner Sitzung am 15. Juni 1999
befasste sich der Rat der Klägerin auf der Grundlage der Empfehlungen seines
Planungs- und Verkehrsausschusses mit den vorgetragenen Anregungen und
beschloss anschließend die 40. Änderung des Flächennutzungsplans mit dem
zugehörigen Erläuterungsbericht. Das Ergebnis der Behandlung wurde den Absendern
von Anregungen mit Schreiben vom 22. Juni 1999 mitgeteilt.
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Unter dem 7. Juli 1999 legte die Klägerin die 40. Änderung des Flächennutzungsplans
der Beklagten zur Genehmigung vor. Die Beklagte versagte die Genehmigung nach § 6
BauGB mit Bescheid vom 18. August 1999 unter Hinweis auf das Fehlen der
landesplanerischen Anpassung. Den unter dem 2. September 1999 erhobenen
Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 1999 als
unbegründet zurück.
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Mit ihrer am 22. Dezember 1999 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren
weiter. Zur Begründung trägt sie vor, in diesem Verfahren gehe es allein um die Frage,
ob das von ihr geplante Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel dem
Siedlungsschwerpunkt C im Sinne des § 24 Abs. 3 LEPro NRW zugeordnet ist. Die
anderen in dieser Norm genannten Ziele seien erfüllt. So entsprächen die im
Sondergebiet vorgesehenen Nutzungen nach Art, Lage und Umfang der angestrebten
zentralörtlichen Gliederung sowie der in diesem Rahmen zu sichernden Versorgung der
Bevölkerung. Bei ihren planerischen Überlegungen habe sie sich von den folgenden
Gedanken leiten lassen. Siedlungsschwerpunkt im Sinne von § 24 Abs. 3 LEPro seien
nicht nur die engeren zentralen Bereiche, in denen die öffentlichen und privaten
Einrichtungen der Versorgung, der Bildung und Kultur, der sozialen und medizinischen
Betreuung, des Sports und der Freizeitgestaltung räumlich gebündelt worden seien,
sondern der gesamte Ortsteilbereich, in dem sich Wohnen und Arbeitsstätten mit den
genannten zentralörtlichen Einrichtungen aufeinander ausgerichtet verbänden. Im
Hinblick auf die Frage der räumlichen Zuordnung sei davon auszugehen, dass
„zuordnen" weder „einordnen" bedeute noch dass der Standort im oder unmittelbar
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angrenzend am Siedlungsschwerpunkt liege. Funktional sei ein Handelsstandort einem
Siedlungsschwerpunkt zugeordnet, wenn dem bzw. gerade diesem
Siedlungsschwerpunkt die Verantwortung für die bedarfsgerechte Versorgung der
Bevölkerung zukomme. Räumliche Zuordnung zu einem Siedlungsschwerpunkt
bedeute, dass der Standort einen räumlichen Bezug eben zu diesem
Siedlungsschwerpunkt und nicht zu einem anderen Siedlungsschwerpunkt oder einem
Ortsteil, der nicht Siedlungsschwerpunkt sei, nehmen solle. Diese Voraussetzungen
lägen für den Standort „H" vor. Er sei dem nach der Einwohnerzahl größeren der beiden
Siedlungsschwerpunkte der Klägerin zugeordnet, nämlich dem Siedlungsschwerpunkt
C und nicht dem Siedlungsschwerpunkt O. Liege ein Standort innerhalb eines
Siedlungsschwerpunktes, sei er diesem auch zugeordnet. Diese Wortlautauslegung
ergebe sich auch aus Sinn und Zweck der Norm. Der Gesetzgeber unterstelle, dass von
Einzelhandelsgroßprojekten im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO stets die in dieser
Vorschrift genannten städtebaulichen und landesplanerischen Auswirkungen ausgehen.
Andernfalls wäre das jeweilige Vorhaben nicht sonder- oder kerngebietspflichtig,
sondern könnte auch in Misch- oder Gewerbegebieten verwirklicht werden. Der typische
Fall der Ausweisung eines Sondergebietes für großflächigen Einzelhandel sei also
gerade nicht das Gebiet um den Marktplatz oder das Rathaus, sondern ein Platz an der
Peripherie. Zu bedenken sei auch, dass Einzelhandelsgroßprojekte mit erheblichem
Liefer- und Kundenverkehr verbunden seien und in der Regel über viele Stellplätze
verfügten. Im Sinne der in der BauNVO vorgenommenen Gebietsgliederung von
besonders schutzbedürftigen Gebieten bis zu Industriegebieten handele es sich um
wesentlich störende Betriebe, die unter immissionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten
mit Wohngebieten unverträglich seien und von ihnen einen ausreichenden Abstand
einhalten müssten. Das lasse eine Einpassung in zentrale Ortslagen als unerwünscht
erscheinen. Der Standort sei der am besten geeignete von den überprüften
Alternativstandorten. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 LEPro seien damit erfüllt.
Dem vom Beigeladenen und seiner Funktionsvorgängerin wiederholt hervorgehobenen
Einzelhandelserlass komme keine verbindliche Wirkung zu. Er stelle nicht mehr als eine
Norminterpretation durch die Landesverwaltung dar.
Unabhängig von diesem Ansatz sei bereits zweifelhaft, ob § 24 Abs. 3 LEPro NRW ein
verbindliches Ziel der Landesplanung sei, welches die Anpassungspflicht des § 1 Abs.
4 BauGB auslöse. Raumordnungsziele könnten keinen beliebigen Inhalt haben.
Raumordnung sei entsprechend der bundesgesetzlichen Vorgabe in § 3 Nr. 2 ROG
1998 Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes durch Raumordnungspläne,
d.h. in die Zukunft weisende Zuordnung von bestimmten Raumteilen zu bestimmten
Raumnutzungen. Raumordnung durch Raumordnungsziele sei somit Gesamtplanung
im Sinne einer sachlich und fachlich übergeordneten Koordinierung prinzipiell aller
raumbeanspruchenden und raumbeeinflussenden Kräfte und Faktoren. Raumordnung
sei hingegen nicht dazu da, fachliche Belange eigenständig zu formulieren. Vielmehr
habe die Raumordnung die fachlich vorgegebenen Belange zu ermitteln und als
vorgegeben hinzunehmen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze treffe § 24 Abs. 3
LEPro NRW keine raumordnerische Festlegung. Es handle sich vielmehr um eine
bodenrechtliche Regelung, für die dem Landesgesetzgeber die
Gesetzgebungskompetenz fehle.
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Zweifel an der Qualifizierung von § 24 Abs. 3 LEPro NRW als verbindliches Ziel der
Raumordnung ergäben sich in Anlehnung an die vor allem von Hoppe vertretene
Ansicht aus der Abfassung als Soll-Vorschrift. Eine Soll-Regelung schließe aus, sie als
eine abschließend abgewogene, konfliktbereinigte Letztentscheidung zu verstehen. Die
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Norm sei auch nicht hinreichend bestimmt, weil sie die Handlungspflichten der
Adressaten nicht deutlich und eindeutig erkennen lasse. Das zentralörtliche
Gliederungsprinzip und die in diesem Rahmen zu sichernde Versorgung der
Bevölkerung seien als Grundlage für ein Konkurrenzgebot und ein Integrationsgebot für
private Versorgungseinrichtungen nicht geeignet. Verfassungsrechtliche Bedenken
bestünden schließlich unter dem Aspekt der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden.
Halte man § 24 Abs. 3 LEPro NRW für ein wirksames Ziel der Landesplanung, das die
Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB auslöse, und seine Voraussetzungen für nicht
gegeben, so sei gleichwohl eine Ausnahme zuzulassen. Offenbar gehe auch die
Beklagte davon aus, dass in C ein Sondergebiet der geplanten Art und Größe
landesplanerisch grundsätzlich zulässig sei. Im Stadtzentrum finde sich jedoch nicht
genügend Raum für ein Projekt der geplanten Größenordnung, es sei denn, man
betreibe einen nicht erwünschten städtebaulichen Kahlschlag. Ihr Fall liege nicht anders
als der von den Behörden offenbar als Ausnahmefall gesehene Altstadtkern.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 18. August 1999 und vom 23.
November 1999 zu verpflichten, die 40. Änderung des Flächennutzungsplans zu
genehmigen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt das Ergebnis des landesplanerischen Anpassungsverfahrens und ist der
Ansicht, die räumliche Zuordnung des H-Marktes zum Siedlungsschwerpunkt C sei
nicht gegeben. Ein der Größe der geplanten Nutzung entsprechendes
Versorgungsgebiet sei nicht vorhanden und auch künftig nicht vorgesehen. Die
geeignete Siedlungs- und Versorgungsstruktur für ein derartiges Projekt befinde sich im
Süden C, da dort die Wohnbebauung konzentriert sei. Im Norden der Stadt sei nach
dem GEP N die Ansiedlung von Gewerbe geplant. Die Voraussetzungen für die
Zulassung einer Ausnahme lägen nicht vor. Besondere städtebauliche oder
siedlungsstruktuerelle Gründe seien in C nicht gegeben. Es werde ein überwiegend
zentren- und nahversorgungsrelevantes Sortiment angeboten; eine Ausnahme komme
nur in Betracht bei nichtzentrenrelevanten Sortimenten, wenn benachbarte Gemeinden
nicht beeinträchtigt werden.
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Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Er ist der Ansicht, die Beklagte habe die 40. Änderung des Flächennutzungsplans der
Klägerin nicht zu genehmigen, weil diese verbindlichen Zielen der Raumordnung und
Landesplanung widerspreche. Raumordnung und Landesplanung verfolge das Ziel, die
Siedlungstätigkeit auf Siedlungsbereiche und innerhalb dieser Siedlungsbereiche
wiederum auf Siedlungsschwerpunkte zu konzentrieren. Dies gelte auch für die
Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe. In NRW geschehe diese Steuerung
vor allem durch § 24 Abs. 3 LEPro NRW und den ihn konkretisierenden
Einzelhandelserlass. Der Einzelhandelserlass verfolge das Ziel, durch klare und
eindeutige Aussagen zu verhindern, dass eine von allen Beteiligten für notwendig
gehaltene Steuerung unterlaufen werde. Er solle möglichst unabhängig von etwaigen
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Gutachten anhand objektiver Kriterien eine Feststellung ermöglichen, ob ein Vorhaben
den landesplanerischen Zielsetzungen angepasst sei oder nicht. Die Landesregierung
verfolge mit verschiedenen Instrumenten das Ziel, den Einzelhandel stadt- und
regionalverträglich zu steuern und die traditionellen Stadt- und Stadtteilzentren
aufzuwerten und zu stärken. Mit mehreren Erlassen zu Einzelhandelsgroßbetrieben
habe das jeweils zuständige Ministerium seit 1969 den Gemeinden Planungs- und
Entscheidungshilfen zur sinnvollen Entwicklung und Steuerung an die Hand gegeben.
Im Vorfeld des jetzt geltenden Einzelhandelserlasses seien die Gebietskörperschaften
des Landes flächendeckend angehört worden. Sie hätten sich mit überwältigender
Mehrheit für die Fortschreibung ausgesprochen.
§ 24 Abs. 3 LEPro NRW enthalte ein bindendes Ziel der Raumordnung. Die
Ausgestaltung als Soll-Vorschrift führe zu einer Verpflichtung für den Regelfall und lasse
nur in eng begrenzten atypischen Fällen eine Ausnahme zu. Dieses Verständnis
entspreche vergleichbaren Normstrukturen im Bereich des Verwaltungsrechts. Auch die
Rechtsprechung, insbesondere diejenige des OVG NRW, verstehe § 24 Abs. 3 LEPro
NRW in diesem Sinne. Dem Zusammenhang mit § 11 LPlG NRW sei zu entnehmen,
dass die allgemeinen Ziele des zweiten und dritten Abschnitts des LEPro dieselben
Rechtswirkungen hätten wie die in den Landes- und Gebietsentwicklungsplänen
festgelegten Ziele. Der verbindliche Zielcharakter der Norm erschließe sich auch aus
der Entstehungsgeschichte. Erstmals sei 1964 ein Landesentwicklungsprogramm
beschlossen worden, zunächst als Verwaltungsvorschrift. Auf der Grundlage des LPlG
NRW von 1972 und aus verfassungsrechtlichen Gründen sei das
Landesentwicklungsprogramm 1974 als Gesetz verkündet worden. In der Begründung
des Gesetzesentwurfes zu § 24 Abs. 4 LEPro NW 1974, der mit dem heute geltenden §
24 Abs. 3 LEPro NRW praktisch identisch gewesen sei, sei ausgeführt, dass es aus
landesplanerischer Sicht notwendig sei, die Ausweisung von Sondergebieten für
Einkaufszentren und Verbrauchermärkte von der Erfüllung der in dieser Vorschrift
genannten Bedingungen abhängig zu machen. Das zeige den Willen des
Gesetzgebers, eine bestimmte, an Bedingungen geknüpfte, konkrete und damit auch
verbindliche Zielvorgabe zu schaffen.
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Auch der am 12. November 1998 bekannt gemachte GEP N enthalte ein textliches Ziel
zur Steuerung des großflächigen Einzelhandels in Abschnitt II, Kapitel 1.0, Ziffer 122.
Danach seien großflächige Einzelhandelsbetriebe grundsätzlich
Siedlungsschwerpunkten räumlich und funktional zuzuordnen. Im Einzelhandelserlass
werde festgelegt, was unter räumlicher und funktionaler Zuordnung zum
Siedlungsschwerpunkt zu verstehen sei. Ein Vorhaben müsse sich zunächst im oder
unmittelbar am Siedlungsschwerpunkt befinden. Bei mehreren
Siedlungsschwerpunkten müsse der Standort in einem Siedlungsschwerpunkt liegen,
der von seiner Funktion und Größe dazu geeignet sei (funktionale Zuordnung). Die
räumliche Zuordnung sei gegeben, wenn sich der Standort nicht in isolierter Randlage
oder auf der „grünen Wiese" befinde, sondern in die Siedlungs- und Versorgungsstruktur
eingebettet sei. Während das in § 24 Abs. 3 LEPro NRW enthaltene Merkmal der
zentralörtlichen Gliederung eher auf den Schutz der benachbarten Kommunen abstelle,
bezwecke das Kriterium der räumlichen und funktionalen Zuordnung zum
Siedlungsschwerpunkt eher den Schutz der Siedlungszentren der
Ansiedlungsgemeinde. Erreicht werde damit auch ein verstärkter Schutz der anderen
Gemeinden, da räumlich und funktional zugeordnete Standorte tendenziell weniger die
Gefahr beinhalteten, Kaufkraft aus anderen benachbarten Kommunen abzuziehen als
isolierte Standorte in Randlage zu Nachbargemeinden. An diese Grundgedanken
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müssten auch die Zulassungsvoraussetzungen für eine Ausnahme anknüpfen. Bei
großflächigem Einzelhandel mit nichtzentrenrelevanten Sortimenten komme eine
Ausnahme eher in Betracht, weil Einzelhandel mit diesem Angebot in Innenstädten
kaum mehr vorhanden sei. Dagegen scheide die Zulassung einer Ausnahme bei
zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimenten wegen der Präzedenzwirkung aus.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei der Standort „H" dem
Siedlungsschwerpunkt C nicht räumlich zugeordnet. In der Nachbarschaft befinde sich
keine Siedlungs- und Versorgungsstruktur, in die ein Einzelhandelsprojekt eingebettet
werden könnte. Das ergebe sich sogar aus dem von der Klägerin selbst in Auftrag
gegebenen Gutachten der H1. Darin habe die H1 ausgeführt, das Projekt liege in
Ortsrandlage mit nur sehr geringem Nahpotential. Auch künftig seien im Umfeld keine
Wohnungen vorgesehen. In der Tat sei für die Standortwahl nicht die räumliche
Zuordnung zum Siedlungsschwerpunkt ausschlaggebend gewesen, sondern die Nähe
zur BAB A 2, die einen großen Einzugsbereich verspreche mit der Gefahr eines nicht
nur unerheblichen Kaufkraftabzuges aus den Nachbargemeinden. Voraussetzungen für
die Zulassung einer Ausnahme seien nicht gegeben. Besondere städtebauliche
Besonderheiten, wie eine historische Altstadt, die einen Innenstadtstandort
ausschlössen, seien in C nicht erkennbar. Nicht nutzbare Abgrabungsflächen lägen
nicht im Stadtzentrum und schieden als potentielle Standorte deshalb aus.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Die Klägerin besitzt den geltend
gemachten Anspruch auf Genehmigung der 40. Änderung des Flächennutzungsplans;
der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18. August 1999 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23. November 1999 verletzt die Klägerin in ihrer durch
Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 78 Abs. 1 LV NRW garantierten Planungshoheit.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung. Prüfungsmaßstab ist deshalb auch der erst 1998, also nach Beginn des
Bauleitplanverfahrens wirksam gewordene GEP N.
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Die Änderung des Flächennutzungsplanes der Klägerin mit der Darstellung eines
Sondergebietes für ein Einkaufszentrum bedarf gem. §§ 6 Abs. 1 und 2 Abs. 4 BauGB
der Genehmigung der Beklagten als höhere Verwaltungsbehörde. Die Genehmigung
darf nur versagt werden, wenn der Flächennutzungsplan nicht ordnungsgemäß zu
Stande gekommen ist oder in Widerspruch zu Rechtsvorschriften steht, § 6 Abs. 2
BauGB. Ein Versagungsgrund ist nicht gegeben. Zutreffend sind alle Beteiligten vom
ordnungsgemäßen Zustandekommen des Flächennutzungsplans ausgegangen, so
dass die Beklagte ihre Zustimmung nur bei einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften
verweigern durfte. Ein Rechtsverstoß liegt indes nicht vor.
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Als möglicherweise verletzte Vorschrift kommt hier allein § 1 Abs. 4 BauGB in Betracht.
Danach sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Die Ziele der
Raumordnung stellen eigenständige rechtliche Planungsschranken für die Gemeinden
dar, die nicht im Wege der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB überwunden werden
können.
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Vgl. BVerwG, Beschluss v. 20. August 1992 - 4 NB 20.91 -, BVerwGE 90, 329 ff.
36
Ziele der Raumordnung sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 2 ROG 1998
verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder
bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend
abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen
zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Da mit der Einleitung des
vorliegenden Bauleitplanverfahrens vor dem 1. Januar 1998 begonnen wurde, sind die
Vorschriften des ROG 1998 nach der Überleitungsvorschrift des § 23 Abs. 1 ROG 1998
nicht unmittelbar anzuwenden; vielmehr gelten für die vor diesem Stichtag eingeleiteten
raumbedeutsamen Planungen oder Maßnahmen die Vorschriften des
Raumordnungsgesetzes vom 8. April 1965 i.d.F. vom 23. November 1994 (ROG 1965)
weiter. Das ROG 1965 enthielt eine § 3 Nr. 2 ROG 1998 vergleichbare Legaldefinition
nicht. § 3 Nr. 2 ROG 1998 greift jedoch nach allgemeiner Auffassung lediglich die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf, wie sie bereits zur früheren
Gesetzeslage entwickelt wurde und vor allem in dem zitierten Beschluss vom 20.
August 1992 zum Ausdruck gekommen ist. Es bestehen deshalb keine Bedenken, die
Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 2 ROG auch in den Bauleitplanverfahren anzuwenden,
die nach dem ROG 1965 fortzuführen sind.
37
Der Einzelhandelserlass enthält kein Ziel der Raumordnung im Sinne von § 1 Abs. 4
BauGB und § 3 Nr. 2 ROG 1998. Er stellt kein Planungsträger und Gerichte bindendes
Außenrecht dar, und zwar weder für sich genommen noch in Verbindung mit einer
gesetzlichen Vorschrift. Der Beigeladene sieht im Einzelhandelserlass eine § 24 Abs. 3
LEPro NRW konkretisierende Verwaltungsvorschrift mit Außenwirkung und misst den in
ihm enthaltenen Regelungen Bindungswirkung für die Beteiligten eines
Bauleitplanverfahrens zu. Dem vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Der
Einzelhandelserlass hat (lediglich) norminterpretierenden Charakter. Er besitzt keine
Außenwirkung und kann deshalb für die gerichtliche Beurteilung der Anpassungspflicht
nach § 1 Abs. 4 BauGB kein Maßstab sein. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Lehre
von den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften verfassungsrechtlichen und
gemeinschaftsrechtlichen Bedenken standhält.
38
Vgl. hierzu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 1999, § 24 Rdnr. 25;
zurückhaltend BVerfG, Beschluss v. 21. Juni 1989 - 1 BvR 32/87 -, BVerfGE 80, 257,
265; EuGH, Urteile vom 30. Mai 1991 - Rs C-59/89 und C-361/88, NVwZ 1991, 866 und
868 (zur TA Luft); Sendler, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften im
Umweltrecht, UPR 1993, 321 ff; Rogmann, Die Bindungswirkung von
Verwaltungsvorschriften, Münster 1998, S. 57 ff.
39
Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften sind jedenfalls nur in den Fällen
denkbar, in denen der Gesetzgeber auf der Tatbestandsseite einer Rechtsnorm für die
Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe einen Beurteilungsspielraum eröffnet, den die
Verwaltung eigenverantwortlich und letztverbindlich ausfüllen muss. Die Zuweisung der
Letztentscheidung an die Verwaltung hat eine eingeschränkte Kontrolldichte der
Gerichte zur Folge. Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften könnten ein Mittel
zur Steuerung einheitlicher Letztentscheidungen durch die Verwaltung sein.
Beurteilungsspielräume werden von der Rechtsprechung schon mit Blick auf Art. 19
Abs. 4 GG und die Effektivität des Grundrechtsschutzes allerdings nur in
Ausnahmefällen angenommen. Das Bundesverfassungsgericht geht grundsätzlich
davon aus, dass die Regeln über die eingeschränkte Kontrolle des
Verwaltungsermessens nicht für die Auslegung und Anwendung unbestimmter
Rechtsbegriffe gelten. Ein begrenzter Entscheidungsfreiraum komme nur in Betracht,
40
wenn unbestimmte Rechtsbegriffe wegen der hohen Komplexität und der besonderen
Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der
Verwaltungsentscheidung so schwierig seien, dass die gerichtliche Kontrolle an die
Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt.
Vgl. BVerfG, Beschluss v. 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 -, BVerfGE 84, 34,
50.
41
Diese engen Voraussetzungen hat die verfassungs- und verwaltungsrechtliche
Rechtsprechung im Wesentlichen nur für unvertretbare Beurteilungen im Bereich des
Prüfungs- und Beamtenrechts, wertende Entscheidungen durch weisungsfreie, mit
Sachverständigen besetzte Ausschüsse sowie für Prognoseentscheidungen und
Risikobewertungen vor allem im Bereich des Umweltrechts, im eng damit verknüpften
technischen Sicherheitsrecht und im Gesundheitsrecht angenommen.
42
Vgl. die Übersichten bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, aaO, § 7 Rdnr. 37 ff,
Ossenbühl in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, § 65 Rdnr. 8, und
Rogmann, aaO, S. 20.
43
Die Voraussetzungen für Beurteilungsspielräume, die der Anwendung
normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften zugänglich sind, liegen im
Raumordnungsrecht nicht vor. Es gibt keine Anhaltspunkte für die normative Zuweisung
einer Letztentscheidung an die Verwaltung durch den Gesetzgeber in diesem
Rechtsbereich. Vielmehr ist die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe des
Raumordnungsrechts durch die Behörden von den Gerichten in vollem Umfang
überprüfbar. Die Bedeutung des Einzelhandelserlasses erschöpft sich deshalb in der
Funktion als verwaltungsinterne Auslegungshilfe für § 24 Abs. 3 LEPro NRW und
eventuell gleich lautende Vorschriften der Landes- und Regionalplanung. Ob in dem
Einzelhandelserlass an anderer Stelle auch Erfahrungswerte enthalten sind, die für die
Rechtsprechung als Orientierungswerte herangezogen werden können,
44
so BayVGH, Urteil vom 7. Juni 2000 - 26 N 99.2961 u.a. -, UPR 2001, 80 (nur Leitsatz),
für einen vergleichbaren bayerischen Erlass,
45
bedarf keiner Entscheidung, weil es im vorliegenden Fall nicht um die Verwertung von
Erfahrungssätzen der Verwaltungspraxis geht.
46
§ 24 Abs. 3 LEPro NRW ist kein Ziel der Raumordnung im Sinne des § 1 Abs. 4 BauGB.
Die Kammer vermag sich der entgegenstehenden Ansicht des OVG NRW nicht
anzuschließen.
47
S. OVG NRW, Urteile v. 7. Dezember 2000 - 7a D 60/99.NE -, 22. Juni 1998 - 7a D
108/96.NE -, BRS 60 Nr. 1, und 11. Januar 1999 - 7 A 2377/96 -, UPR 1999, 359.
48
Es kann offen bleiben, ob § 24 Abs. 3 LEPro NRW bereits aus gesetzessystematischen
Gründen kein bindendes Ziel der Raumordnung ist. Gem. § 3 Nr. 2 ROG 1998 sind Ziele
der Raumordnung textliche oder zeichnerische Festlegungen in Raumordnungsplänen.
Außerhalb von Raumordnungsplänen ist damit für verbindliche landesrechtliche
Zielbestimmungen auf Grund der bundesgesetzlichen Vorgabe kein Platz.
Raumordnungspläne sind gem. § 3 Nr. 7 ROG 1998 nur der Raumordnungsplan für das
Landesgebiet nach § 8 und die Pläne für Teilräume der Länder (Regionalpläne) nach §
49
9. Legt man die Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 7 ROG 1998 zu Grunde, könnte § 24
Abs. 3 LEPro NRW allenfalls Teil des Raumordnungsplanes für das Landesgebiet sein.
Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 ROG 1998 ist für das Gebiet eines jeden Landes ein
zusammenfassender und übergeordneter Plan aufzustellen. Diese Funktion erfüllt in
Nordrhein-Westfalen der 1995 in Kraft getretene LEP NRW. Darin heißt es, mit dem LEP
NRW seien die Ziele der Raumordnung und Landesplanung in einem
Landesentwicklungsplan konzentriert und sowohl textlich als auch zeichnerisch
dargestellt. Es spricht Manches dafür, dass es sich bei dem LEPro NRW oder Einzelnen
seiner Vorschriften nicht um einen Raumordnungsplan für das Land handelt. Zwar ist
gem. § 7 Abs. 1 S. 2 ROG 1998 und war gem. § 5 Abs. 1 S. 2 ROG 1965 auch die
Aufstellung räumlicher oder sachlicher Teilpläne zulässig. Das LEPro NRW und der
LEP NRW sind jedoch offensichtlich nicht als sachliche Teilpläne eines einheitlichen
Landesraumordnungsplanes erlassen worden. Dafür gibt es weder im Wortlaut noch in
der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und des Planes irgendeinen Anhalt. Der
Beigeladene hat dies in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt und
erläutert, aus seiner Sicht stünden das LEPro NRW und der LEP NRW nebeneinander
und seien nicht Teil eines Gesamtplanes; dabei stufe er das LEPro NRW als „etwas
ranghöher" ein.
Vgl. Runkel in Bielenberg/Erbguth/Söfker, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht
des Bundes und der Länder, Band 2, K § 3 Rdnr. 278, zur generellen Möglichkeit, ein
Landesraumordnungsprogramm als sachlichen Teilplan aufzustellen.
50
Das ROG 1965 kannte allerdings keine § 3 Nr. 7 und § 8 ROG 1998 vergleichbare
Vorgabe, wonach für den Bereich des Landes ein zusammenfassender Plan
aufzustellen ist; vielmehr ließ § 5 ROG 1965 Programme und Pläne zu, woraus sich
historisch das Nebeneinander eines Landesentwicklungsprogrammes in Gesetzesform
und eines Landesentwicklungsplanes erklären mag. Wendet man aus diesem Grunde
die in § 3 Nr. 7 ROG 1998 enthaltene Definition für Raumordnungspläne nicht an, so
müsste das Land NRW bis zum Ablauf dieses Jahres seiner Verpflichtung nach Art. 75
Abs. 3 GG und § 22 ROG 1998 nachkommen und einen der bundesgesetzlichen
Vorgabe des § 8 ROG 1998 entsprechenden übergeordneten und zusammenfassenden
Raumordnungsplan für das Land schaffen, wobei es die Möglichkeit von sachlichen
Teilplänen nutzen kann. § 11 LPlG NRW dürfte in seiner jetzigen Fassung mit § 8 ROG
1998 jedenfalls nicht in Einklang stehen. Die landesrechtliche Anpassungspflicht gilt
auch für die in § 7 Abs. 1 S. 3 ROG 1998 vorgeschriebene Kennzeichnung für Ziele der
Raumordnung.
51
§ 24 Abs. 3 LEPro NRW enthält keine Kennzeichnung als verbindliches Ziel der
Raumordnung; die Kennzeichnung dürfte allerdings nur deklaratorische und keine
konstitutive Bedeutung besitzen; es spricht jedoch wenig dafür, eine Regelung als
bindendes Ziel der Raumordnung zu verstehen, wenn der Plangeber selbst sie nicht als
solche angesehen und deshalb gekennzeichnet hat.
52
Letztlich kann die Frage der inhaltlichen Anwendbarkeit (auch) von § 3 Nr. 7 ROG 1998
offen bleiben, weil § 24 Abs. 3 LEPro NRW aus anderen Gründen kein Ziel der
Raumordnung ist.
53
Ziele der Raumordnung im Sinne von § 1 Abs. 4 BauGB und § 3 Nr. 2 ROG 1998
können nur Festlegungen sein, die bestimmt oder bestimmbar und abschließend vom
Plangeber abgewogen sind. Solche Ziele legen in Richtung auf die örtliche Planung
54
Rahmenbedingungen fest, die tendenziell auf weitere Konkretisierung angelegt sind.
Sie bieten Lösungen, die auf landesplanerischer Ebene keiner Ergänzung mehr
bedürfen, auf der nachgeordneten Planungsstufe der Bauleitplanung jedoch
grundsätzlich noch einer Verfeinerung und Ausdifferenzierung zugänglich sind. Wie
groß der Spielraum ist, der der Gemeinde für eigene planerische Aktivitäten verbleibt,
hängt vom jeweiligen Konkretisierungsgrad der Zielaussage ab. Je nachdem, ob ein
Ziel eine eher geringe inhaltliche Dichte aufweist, die Raum für eine Mehrzahl von
Handlungsalternativen lässt, oder durch eine hohe Aussageschärfe gekennzeichnet ist,
die der Bauleitplanung enge Grenzen setzt, entfaltet es stärkere oder schwächere
Rechtswirkungen. Diese relative Offenheit der Zielvorgaben ändert nichts daran, dass
die örtlichen Planungsträger an die Ziele der landesplanerischen Letztentscheidungen
strikt gebunden sind und ihre Bauleitplanung an sie anzupassen haben. Ziele der
Raumordnung können nicht im Wege der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB
überwunden werden.
Vgl. BVerwG, Beschluss v. 20. August 1992, aaO.
55
Ob § 24 Abs. 3 LEPro NRW unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ein Ziel der
Raumordnung ist, kann nur durch Auslegung der Norm ermittelt werden. Soweit die
Rechtsprechung sich mit dem Wortlaut der Norm befasst hat, geht sie übereinstimmend
davon aus, dass es dem in der Rechtsanwendung üblichen Verständnis entspreche, die
an das Wort „soll" angeknüpfte Rechtsfolge als grundsätzlich, d.h. im Regelfall
verbindlich („muss") anzunehmen; nur für den atypischen Ausnahmefall sei die
Rechtsfolge nicht zwingend angeordnet.
56
So OVG NRW, Urteil v. 7. Dezember 2000, aaO; für das bayerische Landesrecht auch
BayVGH, Urteil v. 25. November 1991 - 14 B 89.3207 -, BayVBl. 1992, 529, und VG
Ansbach, Urteil v. 2. November 1983 - Nr. AN 9 K 83 A. 0114 -, BayVBl. 1984, 603; in
der Literatur auch Goppel, Ziele der Raumordnung, BayVBl. 1998, 289, 292.
57
Dieses Wortverständnis verkennt den grundlegenden Unterschied zwischen normativen
Konditional- und Finalprogrammen. Konditionalprogramme enthalten grundsätzlich
einen Tatbestand, bei dessen Vorliegen eine im Gesetz näher bestimmte Rechtsfolge
eintritt. Sie sind nach dem Wenn-Dann-Schema aufgebaut und führen zu direkten
Verhaltensregeln mit abstrakt-genereller Vorwegprogrammierung. Für Regelungen mit
konditionalem Charakter, die den größten Teil des öffentlichen Rechts bestimmen, gilt
das beschriebene Verständnis von Sollvorschriften im Sinne einer strikten Bindung des
Normanwenders und der Eröffnung eines Entscheidungsspielraumes für atypische
Sachverhalte. Die Normen des Planungsrechts sind dagegen anders strukturiert. Die
Andersartigkeit verbietet eine schlichte Übertragung des Verständnisses von Soll-
Vorschriften.
58
Planung ist Gestaltung komplexer Situationen in die Zukunft hinein. Gestaltung setzt
Freiräume voraus, deren Interessengefüge gesetzlich nicht vorentschieden ist, weil die
Besonderheit und Unübersehbarkeit der bereichsspezifischen Lage einer umfassenden
legislatorischen Determination entgegenstand. Der Gesetzgeber hat sich hier damit
begnügen müssen, nur die Ziele von Planungen in der Form von Richtpunkten und
Direktiven vorzugeben. Den Weg zu diesen Zielen muss die planende Verwaltung
selbst herausfinden.
59
Vgl. Söfker in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand 64. Lieferung 2000, § 1 Rdnr.
60
181.
Planungsrechtsnormen weisen damit überwiegend instrumentale und finale
Komponenten auf. Das eröffnet eine größere Anzahl von Entscheidungsmöglichkeiten
als bei konditional strukturierten Rechtsnormen. Die Entscheidungsmöglichkeiten
bestehen nicht nur in atypischen Fällen, sondern bei jeder Planungsentscheidung, auf
die die Planungsvorschrift Anwendung findet.
61
Vgl. Hoppe/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 5 Rdnr. 6; Hoppe, „Ziele der
Raumordnung", NWVBl. 1998, 461,464.
62
Planungsrechtliche Soll-Vorschriften enthalten anders als konditional programmierte
Normen eine Abwägungsstruktur, die die Planungsbehörde als vorgegebenes Ziel in
ihren Entscheidungsprozess einstellen muss. Eine verbindliche Leitsatzstruktur im
Sinne einer der Abwägung vorgelagerten Letztentscheidung ist planungsrechtlichen
Soll-Vorschriften dagegen fremd.
63
S. beispielsweise § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, der ebenfalls nicht konditional formuliert ist
und nicht als Regel-Ausnahme- Vorschrift verstanden wird.
64
Die Bestimmung von verbindlichen Zielen der Raumordnung kann daher nicht durch
Soll-Vorschriften, sondern nur durch eindeutige Ist-Formulierungen in den
Raumordnungsplänen getroffen werden.
65
Dieses Wortverständnis planungsrechtlicher Vorschriften wird vom Bundesgesetzgeber
offenbar geteilt. Mit dem BauROG 1998 wurde in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB das Instrument
des Eignungsgebietes eingeführt, mit dessen Hilfe die Gemeinden die Ansiedlung
privilegierter Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB steuern können. In der
ursprünglichen Fassung des Gesetzesentwurfs wurde das Eignungsgebiet dadurch
definiert, dass bestimmte raumbedeutsame Maßnahmen an anderer Stelle im
Planungsraum „in der Regel ausgeschlossen sein sollen". Der Bundestagsausschuss
für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau empfahl eine andere, eindeutige
Formulierung, um sprachlich zu verdeutlichen, dass es sich bei der Darstellung oder
Ausweisung von Eignungsgebieten um Ziele der Raumordnung im Sinne von § 3 Nr. 2
ROG handele.
66
S. BT-Drucksache 13/589, S. 24.
67
Der Bundestag ist dieser Beschlussempfehlung ausdrücklich gefolgt und hat eine
Formulierung gewählt, die die gesetzgeberische Letztentscheidung im Sinne einer
verbindlichen Zielbestimmung auch sprachlich dokumentiert.
68
Dieses Wortlautverständnis kommt auch in einem Schreiben des Bundesministeriums
für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau an das Sächsische Staatsministerium für
Umwelt
69
und
70
Landesentwicklung zum Ausdruck, wonach die Zulässigkeit von Soll-Vorschriften im
Regionalplan Westsachsen für verbindliche Ziele wegen der Notwendigkeit
„abschließend abgewogener Festlegungen" ausdrücklich verneint wird, zitiert nach
71
Goppel, aaO.
Schließlich hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem bereits zitierten
Beschluss vom 20. August 1992 erkannt, dass die von § 1 Abs. 4 BauGB erfassten
landesplanerischen Ziele nicht auf eine Stufe mit den städtebaulichen Zielen des § 1
Abs. 5 S. 1 und 3 BauGB zu stellen sind, die lediglich Optimierungsgebote und damit
Abwägungsdirektiven enthalten. Zur Begründung seiner Ansicht hat sich das
Bundesverwaltungsgericht ausschließlich auf den Wortlaut des § 1 Abs. 5 BauGB
berufen und die fehlende Letztverbindlichkeit der städtebaulichen Zielvorgabe durch die
Hervorhebung des Wortes „soll" betont.
72
Vgl. BVerwG, Beschluss v. 20. August 1992, aaO, S. 332.
73
Diese am Wortlaut orientierte Auslegung besäße wenig Überzeugungskraft, wenn die
Formulierung einer planerischen Letztentscheidung auch in Gestalt von Soll-
Vorschriften erfolgen könnte.
74
Gesetzessystematische Gründe stehen dem Verständnis von § 24 Abs. 3 LEPro NRW
als für den Regelfall bindende, Ausnahmen aber ermöglichende Planungsentscheidung
des Landesgesetzgebers entgegen. Der Bund hat in § 11 ROG 1998 ein
Zielabweichungsverfahren vorgesehen. Danach kann von einem Ziel der Raumordnung
in einem eigenständigen Verfahren abgewichen werden, wenn die Abweichung unter
raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht
berührt werden. Wie sich aus dem Wortlaut und diesen unterstützend der
Entstehungsgeschichte der Norm ergibt, hat der Gesetzgeber damit die
planungsrechtliche Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB auf der Ebene des
Raumordnungsrechts nachgebildet. Die Grenze zwischen einem Zielabweichungs- und
einem Zieländerungsverfahren entspricht danach weitgehend der zwischen einer
Befreiung von den Festsetzungen und der Änderung eines Bebauungsplanes.
75
Vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/6392, A.II. zu § 11 ROG.
76
Die Zulässigkeit einer Befreiung nach § 31 BauGB setzt nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass es sich in
bodenrechtlicher Hinsicht um einen atypischen Sonderfall handelt. Das Rechtsinstitut
der Befreiung rechtfertigt sich überhaupt nur daraus, dass die mit einer Normierung
regelmäßig verbundene Abstraktion und Verallgemeinerung unvermeidbar zu
Differenzen zwischen dem Regelungsinhalt und dem hinter der Regelung stehenden
Schutzgut führen können, weil und soweit sie besonders gelagerten Sachverhalten, die
aus tatsächlichen Gründen - atypisch - „aus der Regel fallen", nicht gerecht werden. Um
im Einzelfall diesem Mangel abhelfen zu können, bedarf es der Möglichkeit, in solchen
atypischen Fällen von der Einhaltung der Norm, auch von den Festsetzungen eines
Bebauungsplanes, zu befreien. Die Befreiung setzt damit voraus, dass ein Sonderfall
vorliegt. Für die Regelfälle dagegen ist das, was nach den Festsetzungen des
Bebauungsplanes Rechtens ist, einer Befreiung nicht zugänglich. Eine planerische
Festsetzung, von deren Einhaltung selbst in Regelfällen befreit werden müsste, dürfte in
Wahrheit bereits als Norm ungültig sein. Durch die Entgegensetzung von Regelfällen
und Sonderfällen wird auch die Grenze zwischen der Befreiung und der etwa
erforderlichen Planänderung markiert: Ist die Befreiung auf atypische Sonderfälle
beschränkt, so folgt daraus, dass in allen übrigen Fällen zulässige Abweichungen von
den Festsetzungen eines Bebauungsplanes nur mit Hilfe eines
77
Planänderungsverfahrens bewirkt werden können.
So grundlegend BVerwG, Beschluss v. 9. Juni 1978 - 4 C 54.75 -, BVerwGE 56, 71 ff;
zur fortdauernden Aktualität dieser Rechtsprechung trotz Änderung der Norm Schmaltz
in Schrödter, Baugesetzbuch, 6. Aufl. 1998, § 31 Rdnr. 19.
78
Hat der Gesetzgeber das raumordnungsrechtliche Zielabweichungsverfahren dem
städtebaurechtlichen Befreiungsverfahren nachgebildet, so sind atypische Fälle nach
der eindeutigen gesetzlichen Intention in diesem eigens geschaffenen Verfahren zu
lösen. Das schließt es zugleich aus, bindende Zielvorgaben mit einer Öffnungsklausel
für Sonderfälle zu schaffen. Anderenfalls würde die aus § 3 Nr. 2 und § 11 ROG 1998
folgende bundesgesetzliche Vorgabe durch den Landesgesetzgeber unterlaufen. Das
gerade für atypische Fälle vorgesehene Zielabweichungsverfahren müsste weitgehend,
wenn nicht in vollem Umfang funktionslos bleiben. Es tritt hinzu, dass das
Zielabweichungsverfahren von der für die Raumordnung zuständigen Stelle
durchzuführen ist, während sich etwa das Planungsziel des § 24 Abs. 3 LEPro NRW an
den Planungsträger richtet, mithin die Frage nach dem Vorliegen eines atypischen
Sachverhaltes (zunächst) von ihm zu beantworten ist. Angesichts dessen handelt es
sich bei der Bewältigung atypischer Sachverhalte nicht um Planungsphilosophie,
sondern darum, auf welcher Ebene Letztentscheidungen zu treffen sind.
79
So auch Schroeder, Die Wirkung von Raumordnungszielen, UPR 2000, 52, 53; Hoppe,
Kritik an der textlichen Fassung und inhaltlichen Gestaltung von Zielen der
Raumordnung in der Planungspraxis, DVBl. 2001, 81, 89; aA Goppel, aaO.
80
Mit Blick auf das gesetzlich geregelte Verhältnis von Zielbestimmung und
Zielabweichung in jeweils eigenständigen Verfahren vermag die Kammer auch nicht
dem OVG NRW zu folgen, wonach es in atypischen Fällen bereits an einer
Zielbestimmung fehlt. § 24 Abs. 3 LEPro NRW soll nach dieser Rechtsprechung nur für
den Regelfall ein verbindliches Ziel der Raumordnung sein, in atypischen Fällen
hingegen soll es an einer verbindlichen Zielvorgabe überhaupt fehlen.
81
Vgl. OVG NRW; Urteil v. 7. Dezember 2000, aaO, S. 45, 46 des amtl. Abdrucks.
82
Nach der dem Bundesgesetzgeber vorschwebenden Konzeption führt ein atypischer
Sachverhalt aber nicht zum Verlust des Ziels, sondern zu einer bewussten Abweichung.
Damit bleibt das raumplanerische Ziel weiterhin uneingeschränkt verbindlich. Es wird
lediglich für den Einzelfall eine Ausnahme zugelassen, wenn die Grundzüge der
Planung nicht berührt werden. Dies entspricht der Rechtslage bei der Befreiung nach §
31 BauGB, die den Gesetzgeber bei der Schaffung des § 11 ROG 1998 geleitet hat.
Liegt bei der planungsrechtlichen Beurteilung eines Vorhabens im Geltungsbereich
eines Bebauungsplanes ein atypischer Fall vor, so bleibt die Regelung des
Bebauungsplans auch dann wirksam, wenn von ihr abgewichen wird. Atypische
Sachverhalte müssen sich deshalb auch weiterhin an der für den Regelfall geltenden
Norm messen lassen. Abweichungen führen nicht zur Verdrängung der den Normalfall
regelnden Vorschrift, sondern setzen ihre Existenz geradezu voraus. Deshalb führen
raumordnungsrechtlich atypische Sachverhalte nicht zum Verlust des einmal für
verbindlich erklärten raumordnungsrechtlichen Ziels. Im Übrigen bleibt unklar, ob das
OVG NRW Zielabweichungsverfahren im Anwendungsbereich von § 24 Abs. 3 LEPro
NRW für obsolet hält, was mit § 19a LPlG NRW und § 11 ROG 1998 bzw. § 5 Abs. 5
ROG 1965 kaum vereinbar sein dürfte. Unklar ist schließlich auch, wer in Nordrhein-
83
Westfalen ein Zielabweichungsverfahren durchzuführen hätte, wenn von einer
Zielbestimmung des LEPro NRW, insbesondere von § 24 Abs. 3 LEPro NRW
abgewichen werden soll. Regelungen finden sich in § 19a LPLG NRW nur für
Zielabweichungsverfahren bei Gebietsentwicklungsplänen und bei den
Landesentwicklungsplänen, zu denen der Gesetzgeber das in § 11 LPlG NRW
eigenständig aufgeführte Landesentwicklungsprogramm nicht rechnet. Diese Frage
stellt sich lediglich dann nicht, wenn man dem LEPro NRW nicht den Charakter eines
Raumordnungsplanes zubilligt oder darin kein verbindliches Ziel der Raumordnung
definiert sieht.
Schließlich berücksichtigt die Kammer bei der Auslegung von § 24 Abs. 3 LEPro NRW,
dass durch die Bestimmung von Zielen der Raumordnung die gemeindliche
Planungshoheit aus Art. 28 II GG und Art. 78 I LV NRW eingeschränkt wird. Das
begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die kommunale
Planungshoheit nur im Rahmen der Gesetze Gewähr leistet wird.
84
Vgl. BVerfG, Beschluss v. 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 und 1628/83 -, BVerfGE
79, 127 ff.
85
Den Gesetzesvorbehalt konkretisieren hinsichtlich der Bauleitplanung verschiedene
Regelungen des BauGB. Dazu zählt auch § 1 Abs. 4 BauGB. Erweisen sich
Planungsregelungen hinsichtlich ihres Bestehens und/oder ihres Umfangs als
auslegungsbedürftig, so ist aber derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die der
grundsätzlich gegebenen verfassungsrechtlichen Gewährleistung am besten Rechnung
trägt. Sieht man in § 24 Abs. 3 LEPro NRW kein Ziel der Raumordnung im Sinne des §
1 Abs. 4 BauGB, so dürfte es sich um einen von der Gemeinde im Rahmen der
Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB zu beachtenden (allgemeinen) Grundsatz der
Raumordnung handeln.
86
Vgl. hierzu Hoppe, Kritik an der textlichen Fassung und inhaltlichen Gestaltung von
Zielen der Raumordnung in der Planungspraxis, aaO, S. 87.
87
Grundsätze der Raumordnung binden die Gemeinden in einem geringeren Umfang als
die verbindlichen und nicht im Wege der Abwägung überwindbaren Ziele der
Raumordnung. Ist deshalb - wie hier - die Auslegung einer Rechtsnorm als Grundsatz
der Raumordnung möglich, wenn nicht gar naheliegend, so spricht der Aspekt einer
möglichst umfassenden Gewährleistung verfassungsrechtlich verbürgter Rechte für eine
die gemeindliche Planungshoheit weniger einschränkende Auslegung.
88
Vgl. auch BVerwG, Urteil v. 18. Februar 1994 - 4 C 4.92 -, DVBl. 1994, 1136 ff, 1139,
wonach hinsichtlich der Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit durch
Beteiligungsrechte ein strenger Maßstab anzulegen ist.
89
Ziele der Raumordnung, die der Änderung des Flächennutzungsplans entgegenstehen,
ergeben sich nicht aus dem LEP. Dieser macht zu großflächigen
Einzelhandelsbetrieben keine spezifischen Aussagen.
90
Auch der GEP N enthält kein Ziel der Raumordnung, das der Ausweisung des
geplanten Sondergebietes entgegensteht. Allerdings ist in diesem Regionalplan ein
textliches Ziel in Abschnitt II, Kapitel 1.0, Nr. 122 formuliert. Danach sind
Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige
91
Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO grundsätzlich
Siedlungsschwerpunkten räumlich und funktional zuzuordnen. Durch die Ansiedlung
von Vorhaben der genannten Art darf die zentralörtliche Versorgungsfunktion anderer
Zentren nicht beeinträchtigt werden. Damit wird auf der Ebene der Regionalplanung der
in § 24 Abs. 3 LEPro enthaltene Planungsgrundsatz aufgegriffen und umgesetzt. Die
Kammer lässt offen, ob das textliche Ziel so bestimmt formuliert ist, dass es den
Anforderungen an eine Zielbestimmung im Sinne des § 1 Abs. 4 BauGB und § 3 Nr. 2
ROG 1998 genügt. Bedenken ergeben sich vor allem aus der Formulierung, wonach
das Integrationsgebot nur „grundsätzlich" gilt. Sie lässt sich in einem ähnlichen Sinne
verstehen wie die Soll-Vorschrift des § 24 Abs. 3 LEPro NRW und wäre bei diesem
Verständnis mit denselben Problemen behaftet wie die Gesetzesnorm, die ihr
offensichtlich als Vorbild diente. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Plangeber
bewusst eine andere Wortwahl als der Gesetzgeber getroffen hat, etwa um ein größeres
Maß an Verbindlichkeit zu dokumentieren. Die Zielbestimmung lässt andererseits aber
auch die Auslegung zu, dass das Integrationsgebot abschließend und verbindlich für
den Rechtsanwender vorgegeben ist, wobei im Einzelfall Ausnahmen zugelassen
werden können. Bei diesem Regelungsverständnis enthielte das textliche Ziel in der
Sache neben der letztverbindlichen Zielbestimmung lediglich den Hinweis auf die
Möglichkeit von Ausnahmeentscheidungen. Dass sie verfahrenstechnisch in einem
Zielabweichungsverfahren zu verfolgen sind, bedurfte keiner Erwähnung. Das ergibt
sich unmittelbar aus dem Gesetz, §§ 11, 23 Abs. 2 ROG 1998 bzw. § 19a LPlG NRW.
Einer Entscheidung bedarf die Frage nicht, weil der H-Markt dem Integrationsgebot
entspricht und deshalb auch dann zulässig ist, wenn es sich bei der Zielbestimmung im
GEP um ein verbindliches Ziel der Raumordnung handelt.
Alle Verfahrensbeteiligten sind davon ausgegangen, dass die Ansiedlung eines
Einkaufszentrums die zentralörtliche Versorgungsfunktion anderer Zentren nicht
beeinträchtigt. Die Klägerin hat hierzu ein Gutachten der H1 erstellen lassen, das von
der Genehmigungsbehörde und in dem vorangegangenen landesplanerischen
Anpassungsverfahren von der Landesplanungsbehörde geprüft worden ist.
Auswirkungen von Gewerbebetrieben auf das zentralörtliche Gliederungssystem
können nur prognostisch beurteilt werden. Die prognostische Einschätzung eines
Planungsträgers, die als Entscheidungsbasis dient, ist vom Gericht als rechtmäßig
hinzunehmen, soweit sie methodisch einwandfrei zu Stande gekommen und in der
Sache vernünftig ist. Vom Gericht kann deshalb eine Prognose nur darauf überprüft
werden, ob der maßgebliche Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt,
entscheidungserhebliche Gesichtspunkte erkannt und der mögliche Verlauf der
Entwicklung nicht offensichtlich fehlerhaft eingeschätzt wurde.
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Vgl. BayVGH, Urteil v. 7. Juni 2000, aaO; Stüer in Hoppenberg, Handbuch des
öffentlichen Baurechts, Stand März 1999, Kapitel B Rdnr. 731, m.w.H.
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Diese Grundsätze gelten auch für die Behörden im bauleitplanerischen Genehmigungs-
und landesplanerischen Anpassungsverfahren. Sowohl die Beklagte als auch der
Funktionsvorgänger des Beigeladenen haben in Anwendung des beschriebenen
Prüfungsmaßstabes keine durchgreifenden Bedenken gegen das Gutachten der H1
gefunden. Das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NRW hat dies
in der landesplanerischen Letztentscheidung vom 7. August 1998 ausdrücklich
festgestellt. Da sich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens keine neuen Gesichtspunkte
ergeben und insbesondere alle Verfahrensbeteiligten an ihrer Einschätzung
festgehalten haben, bedarf es insoweit keiner darüber hinausgehenden gerichtlichen
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Prüfungen und Ausführungen. Das gilt auch hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales der
erforderlichen funktionalen Zuordnung des Einkaufszentrums zum
Siedlungsschwerpunkt C.
Das geplante Sondergebiet ist dem Siedlungsschwerpunkt C räumlich zugeordnet.
Siedlungsschwerpunkte sind gem. § 6 S. 1 LEPro NRW solche Standorte, die sich für
ein räumlich gebündeltes Angebot von öffentlichen und privaten Einrichtungen der
Versorgung, der Bildung und Kultur, der sozialen und medizinischen Betreuung, des
Sports und der Freizeitgestaltung eignen. Die Landesplanung legt nicht fest, wo die
einzelnen Gemeinden ihren Siedlungsschwerpunkt haben. Sie setzt vielmehr voraus,
dass die Gemeinden ihre Siedlungsschwerpunkte als Ausfluss ihrer Planungshoheit
selbst bestimmen. Dabei ist der Bestimmungsort nicht festgelegt. Die Gemeinden haben
sich dabei ganz überwiegend an dem Runderlass des Innenministers vom 5. August
1976 - V C 2 - 901.11, MBl. NW 1976 S. 1774, „Siedlungsschwerpunkte und
Berücksichtigung landesplanerischer Dichteangaben" orientiert und ihre
Siedlungsschwerpunkte in den Flächennutzungsplänen dargestellt. Werden in einer
Gemeinde mehrere Siedlungsschwerpunkte festgelegt, so ist deren funktionale
Aufgabenstellung - soweit erforderlich - zu differenzieren - etwa: Stadtzentrum,
Stadtteilzentrum, Nahversorgungszentrum. Die Vorstellungen über den Ausbau der
Siedlungsschwerpunkte sollten im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan
dargelegt werden. Auch die Klägerin ist nach den Vorgaben dieses Erlasses verfahren
und hat in ihrem ersten Flächennutzungsplan 1977 die beiden Siedlungsschwerpunkte
C und O dargestellt. Dabei hat sie die räumliche Begrenzung der beiden
Siedlungsschwerpunkte nicht gekennzeichnet.
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Insoweit kann nicht auf den Erlass v. 5. August 1976 zurückgegriffen werden, weil er
hinsichtlich der einzelnen Symbole widersprüchlich ist. Während nach dem Text des
Erlasses eine räumliche Begrenzungslinie durch das Planzeichen 2 darzustellen ist,
ordnet die Darstellung der Planzeichen in der Anlage zu diesem Erlass die
flächenmäßige Begrenzung dem Planzeichen 1 zu.
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Das ergibt sich aus den Änderungen und Ergänzungen zum Erläuterungsbericht auf
Grund der Entscheidung des Rates der Klägerin vom 26. September 1978. Danach
haben die Bestandssituation der Besiedlung und die Zielsetzung für den
Flächennutzungsplan zur Festsetzung von zwei Siedlungsschwerpunkten geführt,
nämlich im Stadtteil C und im Stadtteil O. Die Differenzierung der beiden Schwerpunkte
erfolgte entsprechend der jeweiligen Bedeutung. Der Siedlungsschwerpunkt C wurde
als Stadtzentrum und der Siedlungsschwerpunkt O als Stadtteilzentrum ausgewiesen.
Für diese Differenzierung war u.a. bestimmend, dass die vorhandene Infrastruktur im
Stadtteil C Bedeutung für das gesamte Stadtgebiet und in Teilbereichen darüber hinaus
besaß und dass der Stadtkern C nach dem damals im Entwurfstadium befindlichen
Landesentwicklungsplan I/II Versorgungszentrum für 50 - 100.000 Einwohner sein
sollte. Eine exakte räumliche Begrenzung des Siedlungsschwerpunktes sollte
erkennbar nicht erfolgen.
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Es kann offen bleiben, ob der geplante Standort „H" innerhalb des auf oben
beschriebene Weise bestimmten Siedlungsschwerpunktes C liegt oder geringfügig
außerhalb. Er ist jedenfalls dem Siedlungsschwerpunkt C planungsrechtlich
zugeordnet. Stellt die Gemeinde ihre Siedlungsschwerpunkte im Flächennutzungsplan
nicht mit räumlicher Begrenzungslinie dar, scheidet in der Regel eine parzellenscharfe
Bestimmung der Grenzen eines Siedlungsschwerpunktes aus. Das dürfte auch für den
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hier in Rede stehenden Siedlungsschwerpunkt C gelten. Die Verfahrensbeteiligten
haben durchgängig und übereinstimmend angenommen, das Einkaufszentrum solle
innerhalb des Siedlungsschwerpunktes, aber an dessen Rand liegen. Folgt man dem,
so wäre der Standort dem Siedlungsschwerpunkt ohne weiteres räumlich zugeordnet.
Räumlich zugeordnet sind nämlich zumindest alle Punkte innerhalb eines
Siedlungsschwerpunktes.
So offenbar auch OVG NRW, Urteil v. 7. Dezember 2000, aaO, S. 47 d. amtl. Abdrucks;
danach sind innerhalb eines Siedlungsschwerpunktes gelegene Standorte nicht nur
räumlich zugeordnet, sondern werden vom Siedlungsschwerpunkt umfasst.
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Das gilt jedenfalls dann, wenn die Gemeinde sich bei der Darstellung von
Siedlungsschwerpunkten im Flächennutzungsplan an den gesetzlichen Kriterien
ausgerichtet hat, der Flächennutzungsplan insoweit also wirksam ist. Hiervon ist im
vorliegenden Fall auszugehen.
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Nichts anderes gilt im Ergebnis, wenn man wegen der Randlage des Standortes zur
vorhandenen Bebauung annimmt, dieser liege außerhalb des Siedlungsschwerpunktes.
Die Formulierung des Planungsziels - ebenso die Formulierung des ähnlich lautenden
Planungsgrundsatzes in § 24 Abs. 3 LEPro NRW - legt die Annahme nahe, dass
großflächiger Einzelhandel nicht nur innerhalb von Siedlungsschwerpunkten ermöglicht
werden soll. Dies hätten Gesetz- und Plangeber entsprechend ausdrücken können.
Vielmehr gibt es auch Standorte für großflächigen Einzelhandel, die (schon) außerhalb
des Siedlungsschwerpunktes liegen, diesem gleichwohl aber räumlich zugeordnet sind.
Die planungsrechtliche Vorgabe im GEP zum großflächigen Einzelhandel hat
hinsichtlich des Integrationsgebotes eine geographische und eine funktionale
Komponente. Die geographische Komponente drückt sich im Merkmal der räumlichen
Zuordnung aus. Sie setzt für den großflächigen Einzelhandel den allgemeinen
Grundsatz des § 6 S. 1 LEPro NRW um, wonach sich die Entwicklung der
Siedlungsstruktur auf Siedlungsschwerpunkte hin ausrichten soll. Räumlich zugeordnet
sind deshalb alle diejenigen Standorte, die unter Berücksichtigung der
Siedlungsstrukturentwicklung einer Gemeinde auf einen bestimmten
Siedlungsschwerpunkt hin ausgerichtet sind. Insoweit besteht zwischen § 6 LEPro
NRW und § 24 Abs. 3 LEPro NRW bzw. einem entsprechenden Ziel der Raumordnung
auf einer nachgeordneten Planungsebene ein normativer Zusammenhang. Weitere
inhaltliche Anforderungen lassen sich aus dem Tatbestandselement der räumlichen
Zuordnung nicht ableiten. Insbesondere ist für die Annahme der räumlichen Integration
nicht erforderlich, dass ein Einkaufszentrum einem Wohnsiedlungsbereich innerhalb
des Siedlungsschwerpunktes räumlich zugeordnet ist.
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Das Stadtgebiet von C ist siedlungsstrukturell relativ klar gegliedert. Neben
weiträumigen Freiflächen, die den größten Teil der Stadt einnehmen, gibt es vier
Ortsteile, nämlich den Stadtkern von C, das 1969 eingemeindete W sowie das bis 1975
selbständige O mit dem benachbarten S. W und S sind wegen ihrer untergeordneten
Bedeutung nicht als Siedlungsschwerpunkte bestimmt. Die durch das Stadtgebiet der
Klägerin führende A 2 verläuft ungefähr in der Mitte zwischen den beiden
Siedlungsschwerpunkten C und O und bildet quasi eine natürliche Trennlinie. Deshalb
hat die Klägerin den südöstlich der Autobahn gelegenen Standort dem richtigen der
beiden denkbaren Siedlungsschwerpunkte zugeordnet. Es bedarf keiner Entscheidung,
ob sämtliche südöstlich der Autobahn befindlichen Standorte noch dem
Siedlungsschwerpunkt C räumlich zugeordnet sind. Die „H" jedenfalls ist es. Sie
102
schließt an die vorhandene Bebauung an, die zu Wohnzwecken oder gewerblich
genutzt wird. Unmittelbar gegenüber dem geplanten Einkaufszentrum befinden sich als
Ende einer bandartigen Bebauung der O-Straße (B 0) Wohnhäuser; ausweislich des
Kartenmaterials dürfte es sich dort planungsrechtlich um ein Gebiet im Sinne des § 34
BauGB handeln. Dieser im Zusammenhang bebaute Ortsteil ist eindeutig zum
Stadtzentrum C ausgerichtet. Die räumliche Zuordnung des Standortes drückt sich auch
in der zur Zeit geltenden Raum- und Bauleitplanung aus. Die „H" ist im aktuellen
Flächennutzungsplan nicht etwa als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt, sondern
als gewerbliche Baufläche. Mit Hilfe dieser Bauflächenausweisung sollte eine langfristig
ins Auge gefasste Nutzung als Gewerbe- oder Industriegebiet vorbereitet werden.
S. S. 31 des Erläuterungsberichtes zum Flächennutzungsplan der Klägerin.
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Der Rat der Klägerin sah bei seiner Bauleitplanung die Gewerbeflächen im Norden des
Stadtteils C als Abrundung der Siedlungsentwicklung. Speziell der hier in Rede
stehende Bereich wurde als „Eingangstor" zur Stadt C empfunden, der in besonderem
Maße qualitativ zu gestalten sei, um ein positives Erscheinungsbild für den Zugang zur
Stadt zu Gewähr leisten.
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S. 22 des Erläuterungsberichtes zum Flächennutzungsplan der Klägerin.
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Die bisherige Bauleitplanung hätte deshalb ohne weiteres die Festsetzung eines
Gewerbegebietes in einem aus dem Flächennutzungsplan zu entwickelnden
Bebauungsplan zugelassen. Das entspricht den raumplanerischen Vorgaben des GEP
N, der die Flächen der „H" als Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereich darstellt (Bl.
30 der zeichnerischen Darstellungen). Die beschriebenen raumplanerischen und
bauleitplanerischen Darstellungen sind unter Beachtung von § 6 S. 1 LEPro NRW nur
zulässig, weil durch sie die städtebauliche Entwicklung räumlich auf den
Siedlungsschwerpunkt C ausgerichtet wird. Von einem räumlich nicht integrierten
Standort „auf der grünen Wiese" kann bei der „H" nicht die Rede sein. Der Beigeladene
kommt zu seiner entgegenstehenden, maßgeblich durch den Einzelhandelserlass
inspirierten Rechtsansicht nicht dadurch, dass er die geographischen Verhältnisse
anders beurteilt, sondern durch eine (unzulässige) qualitative Auffüllung des Begriffs der
räumlichen Zuordnung. Die Vermeidung einer isolierten Lage am Rande des
Siedlungsschwerpunktes, die Sicherung einer siedlungsräumlichen Konzentration
(optimale Ausnutzung von Infrastruktur/Erreichbarkeit/sparsamer Flächenverbrauch) und
eine möglichst ausgewogene und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung,
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vgl. Ziffer 3.1.2.2 des Einzelhandelserlasses,
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sind keine Kriterien, die sich dem Tatbestandsmerkmal der räumlichen Zuordnung eines
Standortes zu einem Siedlungsschwerpunkt entnehmen lassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten
des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil dieser keinen eigenen Sachantrag
gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, §
162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO iVm § 709 ZPO.
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