Urteil des VG Münster vom 19.08.2002

VG Münster: aufschiebende wirkung, in verkehr bringen, gefahr, marke, hauptsache, gesundheit, sicherheit, interessenabwägung, zwangsgeld, vollziehung

Verwaltungsgericht Münster, 9 L 1046/02
Datum:
19.08.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 L 1046/02
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin wird
bezüglich Ziffer III Satz 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners
vom 11. Juli 2002 wiederhergestellt; im Übrigen wird der Antrag
abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin wird bezüglich Ziffer
III Satz 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Juli 2002
wiederhergestellt; im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
1
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
3
G r ü n d e
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Der Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 11. Juli 2002 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,
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ist gemäß § 80 Absatz 5 VwGO zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang begründet.
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Die Anordnung, die im Lager befindlichen und die zurückgenommenen Tauchpumpen
zu vernichten, ist bei summarischer Prüfung rechtswidrig, weil sie unverhältnismäßig ist.
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Von den im Lager befindlichen Tauchpumpen geht keine Gefahr aus; außerdem stellt
die Ordnungsverfügung auch schon in Ziff. III Satz 2 eine evtl. andere Verwendung frei.
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Würden die Pumpen aber entsprechend Satz 1 vernichtet, wäre ein Rückgängigmachen
der Anordnung bei einem eventuellen Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht mehr
möglich.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ist im Übrigen rechtmäßig. Sie stützt sich
auf § 80 Absatz 2 Nr. 4 VwGO und entspricht hinsichtlich Form und Inhalt ihrer
Begründung den Anforderungen des § 80 Absatz 3 VwGO, indem sie auf die nicht bis
zum Abschluss eines eventuellen Hauptverfahrens hinzunehmenden möglicherweise
entstehenden Gefahren beim Gebrauch der beanstandeten Geräte hinweist.
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Die Entscheidung im Übrigen ergeht unabhängig von einer Bewertung der
Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig oder rechtswidrig auf Grund einer
allgemeinen Interessenabwägung. Diese fällt zum Nachteil der Antragstellerin aus.
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Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Untersagungsverfügung ist § 5 Absatz 1
Satz 2 des Gerätesicherheitsgesetzes - GSG -. Danach kann der Antragsgegner dem
Hersteller oder Einführer eines technischen Arbeitsmittels das in Verkehr bringen oder
Ausstellen desselben untersagen, so weit andere Maßnahmen nicht ausreichen um zu
verhindern, dass technische Arbeitsmittel in Verkehr gebracht oder ausgestellt werden,
die den Voraussetzungen des § 3 GSG oder den Voraussetzungen die in einer auf
Grund des § 4 GSG oder § 8 a GSG erlassenen Rechtsverordnung bestimmt sind, nicht
entsprechen. Die Beteiligten sind sich einig, dass die hier streitigen Modelle von
Tauchpumpen der Marke Libel nicht der Schutzklasse I der DIN EN60335-1 (VDE0700
Teil 1 - Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke - Teil
1: Allgemeine Anforderungen) in Verbindung mit EN60335-2-41 (VDE0700 Teil 41
Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke; Teil 2 - 41:
Besondere Anforderungen für Pumpen für Flüssigkeiten, die eine Temperatur von 35° C
nicht überschreiten) entsprechen. Insbesondere ist der unter Schutzklasse I erforderliche
Schutzleiteranschluss nicht normgemäß erfolgt. Der Antragsgegner befürchtet daher,
dass bei diesem unsachgemäßen Anschluss des Schutzleiters die Tauchpumpen eine
Gefahr für Leben und Gesundheit der Benutzer und Dritter darstellen. Dem gegenüber
bestätigt eine von der Antragstellerin eingeholte gutachterliche Stellungnahme von Prof.
Dr.-Ing. K, dass zwar nur die Voraussetzungen der Schutzklasse II der genannten Norm
eingehalten werden; dass die Pumpen aber die Anforderungen der Schutzklasse I
dennoch hinreichend erfüllten. Er kommt zu der Auffassung, dass die Pumpen ohne
Gefahr für Leib und Leben für Menschen und Nutztiere ihren Anwendungszwecken
entsprechend betreibbar sind, sofern die Bedienungsanleitung beachtet wird. Auch die
Tatsache, dass die Pumpen mit einer falschen Spannungsbezeichnung versehen sind,
führten nicht zu einer Gefährdung. Ebenso wenig wie die Ausführung des nicht
dauerhaften Typenschildes. Die Prüfberichte des Antragsgegners kommen hingegen zu
der - nicht bestrittenen - Feststellung, dass der Schutzleiteranschluss in den
beanstandeten Modellen nicht mit den Metallteilen des Motors verbunden ist, sondern
teilweise in der Vergussmasse endet oder zwischen dem Eisenkern und der Spule des
Motors eingeklemmt ist. Der Prüfbericht kommt zu dem Ergebnis, dass durch diesen
Mangel im Fehlerfall die Gefahr einer unzulässig hohen Berührungsspannung besteht.
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Offen ist daher, ob die hier im Streite stehenden Tauchpumpen den anerkannten Regeln
der Technik entsprechen. Als anerkannte Regeln der Technik lassen sich diejenigen
Prinzipien und Lösungen bezeichnen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und
sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben. Die DIN- Vorschriften und
sonstige technische Regelwerke kommen hierfür als geeignete Quellen in Betracht. Sie
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haben aber nicht schon Kraft ihrer Existenz die Qualität von anerkannten Regeln der
Technik und begründen auch keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Sie begründen eine
tatsächliche Vermutung dafür, dass sie als Regeln, die unter Beachtung bestimmter
verfahrensrechtlicher Vorkehrungen zu Stande gekommen sind, sicherheitstechnische
Festlegungen enthalten, die einer objektiven Kontrolle standhalten; sie schließen den
Rückgriff auf weitere Erkenntnismittel aber keineswegs aus.
vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 1996 - 4 B 175/96 - DÖV 97, 303 mwN.
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In diesem nur summarischen Verfahren ist eine abschließende Beurteilung der
aufgezeigten Widersprüche in der Gefahreneinschätzung durch die Gutachter nicht
möglich. Eine Klärung muss einem eventuellen Hauptsacheverfahren vorbehalten
bleiben. Die Entscheidung ist daher im Rahmen einer Interessenabwägung zu treffen.
Die auf Seiten der Antragstellerin einzustellenden Interessen sind im Wesentlichen
wirtschaftlicher Natur. Die Antragstellerin will vermeiden, Kosten auf sich zu nehmen,
von denen sich später herausstellen kann, dass sie - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt -
unnötig gewesen sind. Durch die Rückrufaktion ist mit Umsatzeinbußen zu rechnen.
Auch eventuelle Kundenbenachrichtigungen durch allgemeine Warnungen können zu
einer gewissen Rufschädigung führen.
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Diesem Interesse steht das öffentliche Interesse gegenüber, mögliche Risiken für die
menschliche Gesundheit, die von den Pumpen in ihrem derzeitigen Zustand ausgehen
könnten, zu verringern. Würde die sofortige Vollziehung insgesamt ausgesetzt, so
könnten in der Zwischenzeit bis zur unanfechtbaren Entscheidung in der Hauptsache
Schadensfälle eintreten. Würde sich später in der Hauptsache die Rechtmäßigkeit der
Anordnung herausstellen, so hätte sich die mit ihr bekämpfte Gefahr schon verwirklicht,
wären u. U. irreparable Schäden eingetreten.
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Die Abwägung dieser gegenläufigen Interessen fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der angeordneten Maßnahmen für die Antragstellerin
sind zwar nicht nur geringfügig; die Belastung lässt sich aber dadurch verringern, dass
zum einen eine andere Kennzeichnung angebracht wird und die Tauchpumpen dieser
Typklasse anderweitig verwendet werden, evtl. nur insoweit zum Verkauf angeboten
werden, als sie den niedrigeren Sicherheitsanforderungen genügen. Auch ein
Ausweichen der Kundschaft auf gar nicht von der Antragstellerin hergestellte
Tauchpumpen ist nicht zu befürchten, da die Antragstellerin auch Tauchpumpen (der
Marke Elite 500) herstellt, bei der keine erheblichen Sicherheitsmängel festgestellt
worden sind (bei der lediglich die Kennzeichnungen geändert werden müssten).
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Die mit der Ordnungsverfügung unter I - IV angeordneten Maßnahmen sind auch
geeignet, die von dem Antragsgegner befürchteten Schadensfälle zu verhindern.
Gleichzeitig berücksichtigen sie ausreichend das Interesse der Antragstellerin, die
Tauchpumpen gegebenenfalls anderweitig zu verwerten oder umzurüsten. Bedenken
gegen diese Anordnungen sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht. Auch
die Androhung von Zwangsgeld begegnet keinen Bedenken. Das Zwangsgeld ist in
unterschiedlicher Höhe, abhängig von der angeordneten Maßnahme, angedroht
worden. Es bewegt sich bezüglich der Höhe im Rahmen des § 60 Absatz 1 des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVG NRW.
Die Anordnung ist auch nachvollziehbar begründet, indem darauf hingewiesen wird,
dass angesichts der voraussichtlichen Aufwendungen die Höhe des angedrohten
Zwangsgeldes die Antragstellerin zur Einhaltung der Anordnungen der
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Ordnungsverfügung anhalten werde. Ebenso begegnet die Fristsetzung keinen
Bedenken. Sie bietet hinreichend Zeit, den Anordnungen nachzukommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1, 155 Absatz 1 S. 3 VwGO. Die
Anordnung zur Vernichtung ist kostenmäßig nicht besonders anzusetzen, weil schon die
Ordnungsverfügung eine Alternative ermöglicht hatte.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Absatz 3, 13 Absatz 1 des
Gerichtskostengesetzes; die Höhe entspricht der Hälfte des geschätzten wirtschaftlichen
Interesses der Antragstellerin.
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