Urteil des VG Münster vom 01.08.2002

VG Münster: aufschiebende wirkung, privates interesse, öffentliches interesse, verfügung, wohnung, ruhe, vollziehung, behandlung, ermessensfehler, einfluss

Verwaltungsgericht Münster, 1 L 1132/02
Datum:
01.08.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 1132/02
Tenor:
1. Frau E, in T. wird beigeladen.
2. Der Antrag wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
1
I. Die Beiladung der Frau E. folgt aus § 65 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
2
II. Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende, sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3
die aufschiebende Wirkung eines noch einzulegenden Widerspruchs gegen die
Anordnung des Antragsgegners vom 28. Juli 2002 in der Fassung des Bescheides vom
30. Juli 2002 anzuordnen,
4
hat keinen Erfolg.
5
Mit Blick darauf, dass die angegriffene Verfügung als unaufschiebbare Anordnung bzw.
Maßnahme der Polizei einzuordnen ist, kann die gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO
entfallene aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs dann nach § 80 Abs. 5 VwGO
vom Verwaltungsgericht angeordnet werden, wenn der angegriffene Verwaltungsakt
offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an seiner
sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn - bei noch offener Rechtslage -
das private Interesse des Betroffenen daran, von der (weiteren) Vollziehung vorerst
verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Hiervon
ausgehend kann dem Begehren des Antragstellers nicht entsprochen werden, weil die
angegriffene Verfügung beim derzeitigen Kenntnisstand des Gerichts offensichtlich
rechtmäßig ist und deshalb ein das öffentliche Interesse am Sofortvollzug
überwiegendes privates Interesse nicht besteht.
6
Gem. § 34 a Abs. 1 S. 1 Polizeigesetz NRW (PolG NW) in der am 01. Januar 2002 in
Kraft getretenen Fassung des Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes vom 18. Dezember 2001 (GV.
NRW. S. 870) kann die Polizei eine Person zur Abwehr einer von ihr ausgehenden
gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person aus einer
Wohnung, in der die gefährdete Person wohnt, sowie aus deren unmittelbaren
Umgebung verweisen und ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen.
7
Zur Anwendbarkeit dieser Bestimmung vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Februar
2002 - 5 B 278/02 -.
8
Die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Ermächtigung liegen vor. Der Antragsteller
hat seine Lebensgefährtin, Frau E. bereits zum zweiten Mal nach einem erstmaligen
Vorfall am 5. Februar 2002 so stark körperlich misshandelt, dass sie das Krankenhaus
aufsuchen musste. Nach den von der Polizei getroffenen Feststellungen hat ihr der
Antragsteller am 28. Juli 2002 durch Faustschläge Blutergüsse am rechten Oberarm und
eine blau-violett gefärbte Schwellung des rechten Auges zugefügt. In beiden Fällen des
Eingreifens der Polizei musste die Lebensgefährtin des Antragstellers zur Behandlung
ihrer Verletzungen mit dem Rettungswagen in das Krankenhaus gebracht werden. Der
Antragsteller bestreitet diese Ereignisse nicht.
9
Ermessensfehler des Antragsgegners beim Erlass seiner Anordnung sind nicht
ersichtlich. Insbesondere sind die Verfügung vom 28. Juli 2002 und der auf Grund der
vom Antragsteller veranlassten Überprüfung des Rückkehrverbots ergangene Bescheid
vom 30. Juli 2002 nicht deswegen unverhältnismäßig, weil die durch die
Gewalthandlungen betroffene Lebensgefährtin des Antragstellers mit ihrer schriftlichen
Erklärung vom 31. Juli 2002 dargelegt hat, sie möchte gerne, dass der Antragsteller in
die Wohnung zurückkehre, sie fühle sich nicht von ihm bedroht. Die auf die befristete
Dauer angelegte Wohnungsverweisung soll es den Opfern häuslicher Gewalt
ermöglichen, sich in Ruhe und insbesondere ohne weitere Gewalttätigkeiten oder
Bedrohungen Klarheit über ihre persönliche Lebenssituation und das weitere Vorgehen
zu verschaffen sowie ferner zu überlegen, die Unterstützung welcher Behörden oder
sonstiger Hilfsorganisationen in Anspruch genommen werden soll. Gerade in
sogenannten stabilen Gewaltbeziehungen ist daher ein auf eine vorzeitige Aufhebung
der getroffenen Maßnahmen gerichteter Wille der gefährdeten Person unbeachtlich.
10
Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zu § 34 a PolG NW, Landtagsdrucksache
13/1525, Seiten 17 und 18.
11
Angesichts der danach zu Grunde zu legenden objektiven Gefährdungslage, wie sie
durch die in der Vergangenheit in der Wohnung des Antragstellers und seiner
Lebensgefährtin notwendig gewordenen Einsätze der Polizei belegt werden, kommt es
auf deren subjektive Einschätzung in ihrer Erklärung bei der rechtlichen Beurteilung
nicht an. Überdies ist davon auszugehen, dass die Erklärung der Lebensgefährtin des
Antragstellers unter seinem Einfluss zustande gekommen ist. Das legt bereits seine
Äußerung am 28. Juli 2002 gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten nahe. Dort
hatte er angegeben: "Die kommt auch wieder, wenn ich sie weiterschlage." Angesichts
dessen ist die Verwertbarkeit der Erklärung im vorliegenden Verfahren auch aus diesem
Grund ausgeschlossen. Frau E wird in der vorgesehen Frist Gelegenheit haben,
entsprechend der Wertung des Gesetzgebers in Ruhe und ohne Einflussnahme des
Antragstellers ihre Lebenssituation zu überdenken und gegebenenfalls Hilfe Dritter in
12
Anspruch zu nehmen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Angesichts der Vorläufigkeit des
Rechtsschutzverfahrens legt das Gericht die Hälfte des gesetzlichen Auffangstreitwerts
zu Grunde.
13
14