Urteil des VG Münster vom 30.04.2010

VG Münster (grundsatz der gleichbehandlung, partg, eröffnung, öffentliche aufgabe, kläger, partei, politische partei, konto, gleichbehandlung, gewalt)

Verwaltungsgericht Münster, 1 K 993/08
Datum:
30.04.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 993/08
Schlagworte:
NPD Kontoeröffnung Untergliederung Partei Politische Partei
Kreisverband Gebietsverband
Normen:
PatG § 5 Abs. 1 S. 1 GG Art. 3 I
Leitsätze:
1. Der Gleichbehandlungsanspruch politischer, nicht verbotener
Parteien unterscheidet nicht nach deren Unterorganisationen.
2. Für den grundrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch zwischen den
nicht verbotenen politischen Parteien kommt es nur darauf an, dass ein
Träger öffentlicher Gewalt für örtliche Untergliederungen (Gebiets- oder
Gemeindeverbände) politischer Parteien Girokonten führt oder generell
die Bereitschaft zeigt, Girokonten für Gebietsverbände (auch unterer
Stufen) zu führen.
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, für den Kreisverband T. des Klägers ein
Girokonto zu eröffnen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor
der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger begehrt die Eröffnung eines Girokontos bei der Beklagten für seinen
örtlichen Kreisverband.
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Der Kläger gründete den Kreisverband T. als Organisationsuntergliederung, der im
gesamten Gebiet des Landkreises T. tätig ist und auch dort seinen Sitz hat. Unter
dem 11. Februar 2008 beantragte er bei der Beklagten die Eröffnung eines Girokontos.
Die Beklagte, eine Zweckverbandssparkasse des Kreises T. und verschiedener
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Städte und Gemeinden im Kreisgebiet, lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 14.
Februar 2008 ab.
Hiergegen hat der Kläger am 17. April 2008 die vorliegende Klage erhoben. Zur
Begründung trägt er vor: Gegen die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts stehe
ihm als Landesverband einer nicht verbotenen politischen Partei der
Verwaltungsrechtsweg offen. Er habe einen Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos,
weil er ohne ein solches nicht seine Aufgabe wahrnehmen könne, an der politischen
Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Das Girokonto sei bedeutsam für die
Parteienfinanzierung, die Wahlkampfkostenerstattungen und größere Spendenbeiträge.
So dürften Spenden ab einer Größenordnung von 1.000,- Euro nur unbar auf ein Konto
eingezahlt werden. Ferner seien die üblichen Geschäftsunkosten ebenfalls nur über ein
Konto abzuwickeln. Auch sein Kreisverband bedürfe eines eigenen Kontos, zumal die
Rechenschaftsberichte der Bundespartei sowie der Landes- und Kreisverbände
gesondert zu erfolgen hätten. Sein Kreisverband habe keine andere Möglichkeit ein
Konto zu eröffnen, weil den meisten seiner Untergliederungen die Konten gekündigt
worden seien
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und die Banken freiwillig nicht bereit seien, Konten erneut zu eröffnen. So seien
Kontoeröffnungsanträge von zwei Stadtsparkassen abgelehnt worden. Die Beklagte
habe er aufgrund ihres größeren Wirkungsbereiches ausgewählt. Die Banken als
Anstalten des öffentlichen Rechts seien an die Grundrechte gebunden, so dass für sie
auch der Grundsatz der Gleichbehandlung gelte. Die Beklagte unterhalte aber auch für
die Untergliederungen anderer politischer Parteien Girokonten, namentlich für den
Stadtverband J. der CDU und für die FDP B. . Zudem verfüge sein
Kreisverband nunmehr auch über eine Kassenwartin, die ihren Wohnort im
Wirkungsbereich der Beklagten habe.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, seinem Kreisverband T. ein Girokonto zu eröffnen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie tritt dem Vorbringen des Klägers wie folgt entgegen: In ihrem Bereich konkretisiere
sie das in den Sparkassengesetzen verankerte Regionalprinzip. Der Hinweis auf
getrennte Rechenschaftsberichte sei nicht zielführend, da es sich nicht um eine Frage
der Konteneröffnung oder –innehabung handele, sondern um eine solche nach der
Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben. Der Sitz des Kreisverbandes des Klägers
gehöre nicht zu ihrem Trägergebiet. Sie führe für keinen Kreisverband einer anderen
politischen Partei ein Girokonto. Für die Frage der Gleichbehandlung sei auf die Ebene
der Untergliederung abzustellen, da anderenfalls in unzulässiger Weise Ungleiches
miteinander verglichen würde. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege
demnach nicht vor. § 5 PartG komme nicht zur Anwendung. Der Kreisverband des
Klägers habe bei ihr nicht die Eröffnung eines Kontos für ihn, sondern für dessen
Schatzmeisterin als Kontoinhaberin beantragt. Die Schatzmeisterin habe ihren Wohnsitz
zudem nicht im Geschäftsgebiet der Beklagten, weshalb das Regionalprinzip nicht
erfüllt sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Der Berichterstatter konnte als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung in der Sache
entscheiden, nachdem sich die Beteiligten nach vorheriger Anhörung mit dieser
Verfahrensweise gemäß § 87 a Abs. 2, 3; 101 Abs. 2 VwGO einverstanden erklärt
haben.
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Die allgemeine Leistungsklage hat Erfolg.
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Sie ist zulässig, namentlich sind der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO
und die Klagebefugnis des Klägers analog § 42 Abs. 2 VwGO gegeben.
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Vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschl. v. 6. Juli 2005 – 3 B 77.05 -,
NVwZ 2005, 1201; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW), Beschl. v. 11. Mai 2004 – 8 E 379/04 -, juris; VG Göttingen, Urt. v. 10. Juni 2009 –
1 A 91/08 -, juris.
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Die Klage ist auch begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos bei der Beklagten nach §
5 Abs. 1 Satz 1 PartG. Danach sollen, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien
Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt, alle
Parteien gleichbehandelt werden. Diese Tatbestandsvoraussetzungen liegen im
vorliegenden Fall vor.
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Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen
(Sparkassengesetz – SpkG -) handelt es sich bei der Beklagten um eine Anstalt des
öffentlichen Rechts. Diese nimmt gemäß § 2 Abs. 1 SpkG die öffentliche Aufgabe wahr,
der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft,
insbesondere des Geschäftsgebietes und ihres Trägers zu
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dienen. Damit handelt es sich bei der Beklagten um einen Träger öffentlicher Gewalt,
der Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge wahrnimmt und einer unmittelbaren
Grundrechtsbindung unterliegt.
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Vgl. BVerfG, Beschl. v. 14. April 1987 – 1 BvR 775/84 -, NJW 1987, 879; ferner Ipsen,
PartG, 2008, § 5 Rn. 35 f..
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Die Ablehnung der Beklagten, für den Kreisverband des Klägers das beantragte
Girokonto zu eröffnen, führt zu einer unzulässigen Diskriminierung der Untergliederung
einer politischen Partei und stellt somit einen Verstoß gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung dar. Indem die Beklagte u.a. für andere politische Parteien bzw.
deren Untergliederungen Girokonten führt, gewährt sie diesen öffentliche Leistungen im
Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG.
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Das Gericht geht aufgrund der von der Klägerseite vorgelegten Internetausdrucke davon
aus, dass die Beklagte für Gebietsverbände anderer Parteien – namentlich für den
Stadtverband J. der CDU und dem Ortsverband B. der FDP – Girokonten
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unterhält. Dass es sich dabei nicht um Kreisverbände politischer Parteien handelt,
ändert nichts an dem Umstand, dass es sich ebenso wie bei dem Kreisverband des
Klägers um örtliche Untergliederungen politischer Parteien handelt. Für den Begriff der
"Untergliederung" einer nicht verbotenen politischen Partei kommt es nicht auf die
Vergleichbarkeit innerhalb des Gebietsverbandes und dessen jeweiliger Stufe an.
Vielmehr ist es für den Gleichbehandlungsanspruch innerhalb des § 5 PartG von
Bedeutung, dass die Parteien unabhängig von ihren Unterorganisationen grundsätzlich
gleichbehandelt werden. Bei dieser Zielsetzung liegt ein enges Normverständnis fern.
Vgl. OVG NRW, Urt. v. 14. Dezember 2009 – 16 A 1821/07 -.
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§ 5 Abs. 1 Satz PartG relativiert den Gleichbehandlungsanspruch nur nach der
Bedeutung der Parteien, nicht aber nach deren Unterorganisationen. Für den
grundrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch zwischen den nicht verbotenen
politischen Parteien kommt es demnach nur darauf an, dass ein Träger öffentlicher
Gewalt für örtliche Untergliederungen (Gebiets- oder Gemeindeverbände) politischer
Parteien Girokonten führt oder generell die Bereitschaft zeigt, Girokonten für
Gebietsverbände (auch unterer Stufen) zu führen, wie es die Beklagte offensichtlich
macht.
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Vgl. auch VG Sigmaringen, Urt. v. 30. Juli 2009 – 2 K 2558/07 -, juris; vgl. zu den nicht
näher differenzierten Unterorganisationen auch OVG NRW, Beschl. v. 27. Mai 1988 – 15
D 33/88 -, juris.
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Dass es sich bei dem Kläger und seinem Kreisverband um Untergliederungen einer
bislang nicht verbotenen politischen Partei handelt, steht außer Frage, so dass sie im
Grundsatz die durch die vorgenannten Bestimmungen gewährleistete
Gleichbehandlung einfordern können. Ebenso wenig ist ersichtlich oder vorgetragen,
dass sich der für den Kreisverband des Klägers abzuschließende Kontoführungsvertrag
wesentlich von den mit anderen örtlichen Gebietsverbänden anderer politischer
Parteien geschlossener Verträge unterscheidet. Insofern liegt ein vergleichbarer
Sachverhalt vor, wenn die Beklagte für einen örtlichen Gebietsverband einer anderen
politischen Partei eine solche Leistung erbringt.
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Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG ist im vorliegenden Fall auch anwendbar. Der
Einzelrichter folgt der Auffassung der Beklagten nicht, wonach das beantragte Girokonto
nicht für den Kreisverband des Klägers als Inhaber selbst, sondern für dessen
Schatzmeisterin beantragt worden sei. Der Antrag ist auslegungsfähig. Ausweislich des
Briefkopfes ist der Antrag vom Kreisverband des Klägers "vertreten durch" die
Schatzmeisterin gestellt. Auch der Betreff geht von der Eröffnung eines
Kreisverbandskontos aus. Die Schatzmeisterin selbst bittet in ihrer Funktion "um die
Eröffnung eines Guthabengirokontos für den Kreisverband T. ". Als Kontoinhaberin
genannt wird dann die "NPD-KV-T. " und darunter der Name und die Anschrift der
Schatzmeisterin. Bei einer solchen Benennung ist ohne weiteres davon auszugehen,
dass nicht die Schatzmeisterin alleine und persönlich Inhaberin des beantragten
Girokontos sein soll, sondern der Kreisverband des Klägers, vertreten durch seinen
jeweiligen Schatzmeister.
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Dass die beantragende Schatzmeisterin unter einer Adresse in einer Gemeinde auftritt,
die nicht Gründungsmitglied des Zweckbandes der Beklagten ist, steht dem
Gleichbehandlungsanspruch ebenfalls nicht entgegen – unabhängig davon, dass sich
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dies mittlerweile gewandelt hat. Die Beklagte unterliegt dem Regionalprinzip gemäß §§
1 Abs. 2, 3 SpkG. Dass sich die Tätigkeit der Beklagten nach § 2 Abs. 1 SpkG
insbesondere auf ihr Geschäftsgebiet bezieht, steht einem Anspruch des Klägers auf ein
Girokonto bei der Beklagten ebenso wenig entgegen. Wie vorstehend ausgeführt, ist
das Konto für den Kreisverband des Klägers in T. beantragt. Ein örtlicher Bezug
zwischen dem Geschäftsgebiet der Beklagten und dem Tätigkeitsgebiet des Klägers
ergibt sich bereits daraus, dass beide im selben Kreisgebiet tätig sind.
Vgl. dazu im weiteren auch OVG NRW, Urt. v. 14. Dezember 2009 – 16 A 1821/07 -.
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Bei der Eröffnung und Führung eines Girokontos handelt es sich auch um eine
öffentliche Leistung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG.
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Vgl. OVG NRW, Urt. v. 14. Dezember 2009 – 16 A 1821/07 -; OVG Berlin/Brandenburg,
Urt. v. 14. Dezember 2007 – 3 B 7.06 -, NJ 2008, 232 = juris.
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Rechtsfolge der von der Beklagten anderen Parteien durch die Führung eines
Girokontos gewährte Leistung ist, dass alle Parteien gleichbehandelt werden sollen,
mithin auch der Kläger. Da nicht ersichtlich ist, dass ein anderes Geldinstitut innerhalb
des Wirkungsbereiches des Kreisverbandes des Klägers bereit wäre, einen Girovertrag
mit dem Kläger zu schließen, ergibt sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz dessen
Verpflichtungsanspruch gegenüber der Beklagten.
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Da weitere Einwendungen der Beklagten gegen diesen grundsätzlichen Anspruch des
Klägers nicht erhoben werden und beiden Beteiligten die obergerichtliche Entscheidung
zu der Problematik der Konteneröffnung bekannt ist, verweist der zur Entscheidung
berufene Einzelrichter zur Vermeidung weiterer Wiederholungen im Übrigen auf die
Grundsatzentscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 14. Dezember 2009 – 16 A 1821/07 –.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung der
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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