Urteil des VG Münster vom 17.08.2004

VG Münster: eidesstattliche erklärung, vorläufige einstellung, verwaltungsakt, rechtswidrigkeit, vertrauensschutz, herkunft, fahrlässigkeit, rechtsgrundlage, rücknahme, einzahlung

Verwaltungsgericht Münster, 5 K 1541/01
Datum:
17.08.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 1541/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 v. H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin stand seit 1984 im Sozialhilfebezug des Beklagten. Im Juni 2000 erhielt sie
Hilfeleistungen in Höhe von insgesamt 1.464,33 DM, worin pauschaliertes Wohngeld in
Höhe von 276,- DM enthalten war. Für die Monate Juli und August 2000 wurden jeweils
1.467,33 DM einschließlich jeweils 276,- DM pauschalierten Wohngeldes an sie
ausgezahlt. In diesem Zeitraum erließ der Beklagte lediglich für die Monate Juli und
August 2000 schriftliche Leistungsbescheide. Darin wurde die Klägerin ausführlich über
Mitteilungspflichten bei Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
informiert.
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Am 23. August 2000 wurde dem Beklagten von der Polizeidienststelle I mitgeteilt, dass
bei einer Hausdurchsuchung anlässlich eines Betrugsverdachts bei der Klägerin
festgestellt worden sei, dass sie ein Festgeldkonto bei der Dbank habe. Festgelegt
worden seien 20.000,- DM am 9. Juni 2000 sowie 25.600 DM am 14. Juni 2000. Nach
einer Festgeldvereinbarung der Klägerin mit der Dbank wurden 20.000 DM für 90 Tage
angelegt und erbrachten bei Fälligkeit am 9. September 2000 Zinsen in Höhe von 202,-
DM. Nach einer weiteren Festgeldvereinbarung ergab sich bei einer Anlage von 25.600
DM für 90 Tage bei Fälligkeit am 14. September 2000 ein Zinsgewinn in Höhe von
258,56 DM.
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Der Beklagte bat die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 23. August 2000 um eine
Vorsprache zur Klärung der Sozialhilfeangelegenheit und verfügte die vorläufige
Einstellung der Sozialhilfezahlungen ab September 2000. Die Klägerin meldete sich
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darauf nicht. Mit Schreiben vom 13. September 2000 teilte der Beklagte ihr mit, dass
angesichts der Spareinlagen in Höhe von 45.000 DM beabsichtigt sei, die
Sozialhilfebescheide für die Vergangenheit aufzuheben und die zu Unrecht gezahlte
Sozialhilfe zurückzufordern. Erst auf ein weiteres Schreiben vom 7. November 2000
reagierte die Klägerin und sprach am 10. November 2000 persönlich beim Beklagten
vor. Dabei gab sie an, sie habe das Geld am 9. bzw. 14. Juni 2000 von ihrer Mutter
bekommen. Dabei habe es sich um eine vorübergehende Auszahlung des Testaments
gehandelt. Da es bei der Dbank hohe Zinsen gegeben habe, habe sie das Geld dort
angelegt. Von den Zinsen habe sie einen Computerlehrgang machen wollen.
Inzwischen habe sie ihrer Mutter das Geld zurückgegeben. Das Geld habe sie von ihrer
Mutter ohne deren Wissen genommen - sie habe eine Kontovollmacht -, wofür sie
großen Ärger von ihrer Mutter bekommen habe.
Nach einem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Kontoauszug der Mutter der
Klägerin, Frau E, über ihr Konto Nr. 0 bei der T-Bank N war am 11. September 2000 ein
Betrag in Höhe von 24.700 DM und am 14. September 2000 ein Betrag in Höhe von
25.850 DM auf ihr Konto bar eingezahlt worden.
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Durch Bescheid vom 14. März 2001 nahm der Beklagte seine Bescheide über die
Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2000
zurück und forderte die Klägerin auf, die in dem genannten Zeitraum zu Unrecht
erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 3.570,99 DM sowie pauschaliertes
Wohngeld in Höhe von 828,- DM zu erstatten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass
die Klägerin während des Sozialhilfebezuges über Sparbücher mit Einlagen in Höhe
von insgesamt 45.000 DM verfügt habe. Die Klägerin könne sich nicht auf
Vertrauensschutz berufen, weil sie die Rechtswidrigkeit der der Sozialhilfegewährung
zu Grunde liegenden Verwaltungsakte gekannt habe bzw. hätte kennen müssen. Sie sei
schon bei Antragstellung sowie durch jeden Sozialhilfebescheid auf ihre Pflicht,
Änderungen in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen umgehend mitzuteilen,
hingewiesen worden.
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Dagegen legte die Klägerin unter dem 4. April 2001 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom
5. April 2001 teilte sie mit, das Geld habe ihr zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung
gestanden. Da ihre Bank ihr außergewöhnlich hohe Zinsen angeboten habe, habe sie
das Geld ohne Zustimmung ihrer Mutter für drei Monate bei ihrer Bank angelegt und es
sodann an die Mutter zurückgezahlt.
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Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 15.
Juni 2001 zurück. Darin wurde zur Begründung unter anderem ausgeführt, es lägen
rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte vor, weil die Klägerin das Sozialamt nicht
vom Vorhandensein eines Betrages von 45.000 DM, der ihr zur Verfügung gestanden
habe, in Kenntnis gesetzt habe. Die Entscheidung, die Verwaltungsakte
zurückzunehmen, sei nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen worden. Es könne vor
dem Hintergrund der Gleichbehandlung aller Hilfesuchenden sowie des Grundsatzes
des Nachrangs der Sozialhilfe nicht hingenommen werden, dass der Klägerin durch die
zu Unrecht erbrachten Sozialhilfeleistungen wirtschaftliche Vorteile verblieben. Die
Einlassung im Widerspruch der Klägerin rechtfertigten keine andere Entscheidung.
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Die Klägerin hat am 13. Juli 2001 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie unter
Bezugnahme auf eine entsprechende Erklärung ihrer Mutter vom 30. August 2001 vor,
dass sie sich den Betrag von 45.000 DM ohne deren Wissen und Einverständnis
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angeeignet habe, um bei einer anderen Bank durch eine dreimonatige Festanlage
besonders gute Zinskonditionen ausnutzen zu können. Während der Anlage des Geldes
sei es ihr unmöglich gewesen, etwas davon abzuheben. Nach Ablauf des
dreimonatigen Anlagezeitraumes sei das „geliehene Geld" sofort auf das Konto ihrer
Mutter wieder eingezahlt worden.
Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 14. März 2001 in der Gestalt seines
Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2001 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden
und trägt ergänzend vor, es seien nie aussagekräftige Nachweise über die Herkunft des
Vermögens vorgelegt worden. Zudem bestehe zwischen dem seinerzeit auf dem Konto
der Mutter festgelegten Betrag von 45.600 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 460,56 DM
und den nach den im gerichtlichen Verfahren nunmehr vorgelegten Kontoauszügen auf
das Konto der Mutter bar eingezahlten 50.550 DM eine Differenz in Höhe von 4.489,44
DM, bei der unklar sei, woraus sie resultiere. Auch nach Angaben der Mutter sei nur ein
Betrag von 45.000 DM von ihrem Konto von der Klägerin eigenmächtig an sich
genommen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der
Bescheid des Beklagten vom 14. März 2001 in der Gestalt seines
Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2001 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Die Rücknahmeentscheidung ist formell und materiell rechtmäßig. Sie ist zunächst in
formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere entspricht sie § 33 Abs. 1 SGB X.
Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
Das ist der Fall, wenn der in ihm zum Ausdruck gekommene Wille der Behörde für die
Verfahrensbeteiligten unzweideutig erkennbar und keiner unterschiedlichen subjektiven
Bewertung zugänglich ist. Der Verwaltungsakt muss insbesondere den Adressaten und
seinen Regelungsgehalt für diesen Adressaten unmissverständlich erkennen lassen.
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Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 1998 - 8 A 940/96 -, FEVS 49, 6 m.w.N.
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Diesen Anforderungen genügt der Rücknahmebescheid, weil er sich auf die im Zeitraum
Juni bis August 2000 der Klägerin gewährte laufende Hilfe zum Lebensunterhalt sowie
das gewährte pauschalierte Wohngeld bezieht. Weil für diesen Zeitraum die
Bewilligungsbescheide vollumfänglich aufgehoben und die gewährte Hilfe insgesamt
zurückgefordert wird, steht der Bestimmtheit auch nicht entgegen, dass im insoweit
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maßgeblichen Widerspruchsbescheid keine monatsweise Aufgliederung vorgenommen
wird.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist § 45 SGB X. Soweit
ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet hat
(begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er
unanfechtbar geworden ist, gemäß § 45 Abs. 1 SGB X unter den Einschränkungen der
Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die
Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen liegen hier vor.
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Die Bewilligungsentscheidungen waren begünstigende Verwaltungsakte. Dies gilt auch
in Bezug auf die Leistungen für den Monat Juni, die ohne förmlichen Bescheid auf der
Grundlage des EDV-Protokolls ausgezahlt wurden und den Leistungen in den
Vormonaten entsprachen. Bei einer solchen Verfahrensweise werden Verwaltungsakte
im Sinne des § 31 SGB X entsprechend § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X „in anderer Weise"
erlassen.
22
Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 24. März 1993 - 24 A 1093/90 - FEVS 44, 330.
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Die der Bewilligung in den Monaten Juni bis August 2000 zu Grunde liegenden
Verwaltungsakte waren rechtswidrig, weil die Klägerin in diesem Zeitraum keinen
Anspruch auf die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt sowie von pauschaliertem
Wohngeld hatte. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt nur
demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht
ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und
Vermögen, beschaffen kann. Vermögen im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes ist
gemäß § 88 Abs. 1 BSHG das gesamte verwertbare Vermögen. Das Vermögen ist dann
als verwertbar anzusehen, wenn sein Wert in angemessener Frist eingesetzt werden
kann, um den Bedarf des Hilfesuchenden zu befriedigen.
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Die Klägerin verfügte zur Überzeugung des Gerichts im streitgegenständlichen Zeitraum
über einsetzbares Vermögen, das auch ausreichte, um ihren notwendigen
Lebensunterhalt in den jeweiligen Bedarfszeiträumen Juni, Juli und August 2000
sicherzustellen. Dass es sich bei den angelegten Beträgen in Höhe von insgesamt
45.600 DM um Geld ihrer Mutter handelte, hält das Gericht nicht für glaubhaft.
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Die Klägerin wusste seit August 2000, dass der Beklagte Kenntnis von ihren
Sparanlagen hatte. Die - mittels Kontoauszügen nachgewiesenen - Bareinzahlungen
auf das Konto der Mutter im September 2000 vermögen das Gericht nicht davon zu
überzeugen, dass Festanlagen und Bareinzahlungen miteinander korrespondierten und
dass es sich bei dem angelegten und im September 2000 auf das Konto der Mutter
eingezahlten Geld um (wirtschaftlich gesehen) Vermögen der Mutter handelte. Es
erscheint schon äußerst ungewöhnlich und daher in besonderer Weise
erklärungsbedürftig, dass sich eine Tochter von ihrer Mutter, die ihr immerhin so weit
vertraut, dass sie ihr sogar eine Kontovollmacht erteilt, einen Betrag von 45.600 DM
ohne deren Einverständnis - vorübergehend - aneignet. Das Geld für den Computerkurs
hätte sich die Klägerin auch auf andere Weise - zum Beispiel mit Hilfe eines Darlehens
der Mutter - beschaffen können. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die
Bareinzahlungen auf das Konto der Mutter erst erfolgten, nachdem die Klägerin wusste,
dass der Beklagte Kenntnis von ihren Geldanlagen hatte. Insgesamt ist das Vorbringen
der Klägerin nicht plausibel, substantiiert und in sich stimmig, so dass ihr nicht geglaubt
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werden kann, bei den angelegten Beträgen habe es sich nicht um ihr Vermögen
gehandelt.
Während die Klägerin ursprünglich angegeben hatte, es habe sich um die
vorübergehende Auszahlung des Testaments gehandelt, war davon später nie wieder
die Rede. Die Klägerin hat - trotz entsprechender Hinweise des Beklagten - keinerlei
aussagekräftige Nachweise über die Herkunft des Vermögens vorgelegt. Hätte sich der
Sachverhalt tatsächlich so wie von der Klägerin geschildert zugetragen, hätte nichts
näher gelegen, als entsprechende Belege vorzulegen, woher das Geld genau stammte.
Die Klägerin hat aber weder unmittelbar nach der entsprechenden Aufforderung zur
Vorsprache im August 2000 - was nahe gelegen hätte - noch im Klageverfahren
irgendwelche Nachweise, wie etwa Kontoauszüge vom Konto der Mutter, vorgelegt.
Dies hätte ihr aber ohne größere Schwierigkeiten möglich sein müssen, da sie nach
eigenen Angaben über eine Kontovollmacht über das Konto der Mutter verfügte. Sie hat
auch nicht vorgetragen, dass und aus welchen Gründen ihr die Vorlage von Belegen
nicht möglich war.
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Die handschriftlich von der Klägerin vorgefertigte und von der Mutter lediglich
unterzeichnete Erklärung vom 30. August 2001, dass es sich um Geld der Mutter
gehandelt habe, vermag das Gericht nicht von der Wahrheit des klägerischen
Vorbringens zu überzeugen. Sie ist gänzlich vage und oberflächlich, weil weder die
Herkunft des Geldes angegeben noch zur angeblichen Kontovollmacht und deren
Hintergründen etwas ausgeführt wird, sondern lediglich davon die Rede ist, die Tochter
habe sich „45.000 DM von mir genommen". Wie im Folgenden näher erörtert, ging es
auch nicht um 45.000 DM und es wurde zudem nicht „das Geld" wieder auf das Konto
eingezahlt, sondern ein viel höherer Betrag.
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Der - angesichts der Vorfertigung durch die Klägerin logischerweise - dem Inhalt dieser
Erklärung entsprechende Vortrag der Klägerin weist zahlreiche Unstimmigkeiten auf.
Fest angelegt waren Beträge in Höhe von 45.600 DM. Sowohl die Klägerin als auch ihre
Mutter sprechen aber von 45.000 DM - wie es fälschlich auch sowohl im
Anhörungsschreiben vom 13. September 2000 als auch in den streitgegenständlichen
Bescheiden des Beklagten heißt. Es drängt sich daher der Eindruck auf, die Klägerin
habe mit ihrem Vortrag sowie der von ihr vorgefertigten Erklärung ihrer Mutter, sie habe
sich 45.000 DM „genommen", lediglich auf das Vorbringen des Beklagten reagiert und
nicht einen realen Vorgang geschildert.
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Auch die vom Beklagten aufgezeigten erheblichen Differenzen zwischen den
angelegten Beträgen und den nach den vorgelegten Kontoauszügen auf das Konto der
Mutter bar eingezahlten Beträgen hat die Klägerin nicht plausibel erklären können.
Während bei der zweiten Festgeldanlage noch eine weit gehende Übereinstimmung
feststellbar ist - am 14. September 2000 wurden insgesamt 25.858,56 DM (25.600 DM
zuzüglich 258,56 DM Zinsen) fällig, am selben Tag wurden 25.850 DM auf das Konto
der Mutter eingezahlt - ist dies bei der ersten nicht der Fall. Fällig wurden am 9.
September 2000 insgesamt 20.202 DM (20.000 DM zuzüglich 202 DM Zinsen). Bar
eingezahlt auf das Konto der Mutter der Klägerin wurde zwei Tage später, am 11.
September 2000, ein Betrag in Höhe von 24.700. Daraus ergibt sich ein Differenzbetrag
von 4.498 DM. Nimmt man beide Bareinzahlungen zusammen, ergibt sich bei einer
Saldierung eine „Überzahlung" in Höhe von insgesamt 4.498,44 DM. Nach Angaben der
Mutter und der Klägerin selbst hatte die Klägerin sogar nur 45.000 DM eigenmächtig an
sich genommen. Danach hätte sich sogar eine Differenz von 5.098,44 DM ergeben.
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Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegte „eidesstattliche Erklärung" der
Mutter der Klägerin vom 22. Februar 2002, die Geldsumme in Höhe von 4.489,44 DM
habe aus ihrem Privatvermögen gestammt und sie habe ihre Tochter gebeten, diese
Summe auf ihr Konto bei der T-Bank einzuzahlen, ist - wie auch die andere Erklärung -
als bloße Gefälligkeitsbescheinigung einzuordnen. Sie vermag das Gericht von der
Wahrheit des Vorbringens der Klägerin, es habe sich insgesamt um Vermögen der
Mutter gehandelt, nicht zu überzeugen. Die - erneut handschriftlich von der Klägerin
vorgefertigte und von der Mutter lediglich unterzeichnete - Erklärung erfolgte (wiederum)
als Reaktion auf das Vorbringen des Beklagten, es lägen nicht erklärbare
betragsmäßige Unstimmigkeiten vor. Der Beklagte hatte mit Schriftsatz vom 19.
November 2001 auf die Differenz zwischen Anlage und Bareinzahlung in Höhe von
4.489,44 DM hingewiesen. Daraufhin setzte die Klägerin, die ebenso wie ihre Mutter in
der Erklärung vom 30. August 2001 stets davon gesprochen hatte, „das Geld" sei nach
90 Tagen zurückgezahlt worden, am 22. Februar 2002 die erwähnte Erklärung auf, die
Mutter habe der Klägerin diesen Betrag zur Einzahlung auf ihr eigenes Konto
übergeben. Vorher war von einem solchen Betrag nie die Rede gewesen. Es erscheint
auch nicht glaubhaft, dass eine Mutter, die verärgert darüber ist, dass ihre Tochter mehr
als 40.000 DM zur Erwirtschaftung von Zinsgewinnen eigenmächtig verwendet, ihrer
Tochter nur kurze Zeit später einen Barbetrag in Höhe von fast 4.500 DM zur Einzahlung
auf ihr (der Mutter) eigenes Konto übergibt. Ungeachtet der Tatsache, dass nicht erklärt
wurde und es sich dem Gericht auch nicht erschließt, warum die Mutter nicht selbst
diesen Betrag auf ihr eigenes Konto eingezahlt hat bzw. woher diese derart „krumme"
Summe Bargeld stammte, wurde tatsächlich auch gar kein Betrag in Höhe von 4.489,44
DM bar eingezahlt. Vielmehr wurden nur Belege über zwei Bareinzahlungen in Höhe
von 24.700 DM sowie 25.850 DM vorgelegt. Der Betrag in Höhe von 4.489,44 DM kann
auch nicht zusammen mit dem Guthaben aus einer der beiden Festgeldvereinbarungen
eingezahlt worden sein, denn er ist lediglich die bei einer Saldierung ermittelte Differenz
zwischen den Festanlagen und beiden oben genannten Bareinzahlungen.
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Das Vermögen war auch in den streitgegenständlichen Zeiträumen verwertbar.
Verwertbar ist Vermögen nur dann, wenn es im jeweiligen Bedarfszeitraum - das ist auf
der Grundlage der vom Beklagten gehandhabten Verwaltungspraxis der jeweilige
Kalendermonat - einsetzbar ist, um den Bedarf zu decken, der gemäß § 12 BSHG zum
notwendigen Lebensunterhalt gehört. Dies ist vorliegend auch angesichts der Tatsache,
dass das Geld für 90 Tage fest angelegt war, der Fall. Die Klägerin hat schon nicht
dargelegt, dass eine Auflösung der Festgeldvereinbarung oder auch eine Beleihung
nicht möglich gewesen wäre. Unabhängig davon wäre, verneinte man die unmittelbare
Verwertbarkeit in den streitgegenständlichen Zeiträumen, allenfalls die Gewährung
eines Darlehens nach § 89 BSHG, nicht aber eines Zuschusses in Betracht gekommen.
Die rechtswidrige Zuschussgewährung könnte aber schon deshalb nicht rückwirkend in
ein (ggf. rechtmäßiges) Darlehen, das die Klägerin ohnehin nach Ende der
Festgeldvereinbarung hätte zurückzahlen müssen, umgewandelt werden, weil die
Sicherung des Rückzahlungsanspruches nicht mehr möglich wäre.
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Die Rechtswidrigkeit der Bewilligung erstreckt sich auch auf die Gewährung
pauschalierten Wohngeldes gem. § 31 Abs. 1 WoGG in der seinerzeit maßgeblichen
Fassung, weil dieses nur gewährt wird, wenn und solange jemand laufende Leistungen
der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG erhält.
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Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB
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X sind gegeben, insbesondere hat der Beklagte die Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X
eingehalten.
Zwar darf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ein rechtswidriger begünstigender
Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den
Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem
öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist; nach § 45 Abs. 2 Satz 2
SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte
Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr
oder nur unter unzumutbaren Nachteilen wieder rückgängig machen kann. Die Klägerin
kann sich indes gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauensschutz nach
diesen Bestimmungen berufen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich der
durch einen Verwaltungsakt Begünstigte unter anderem nicht auf Vertrauen berufen,
soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in
wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Ferner kann sich
nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen, wer die
Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht
kannte. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Vertrauensschutzes liegen hier
jedenfalls hinsichtlich der 2. Alternative vor. Selbst wenn die Klägerin die
Rechtswidrigkeit der Bewilligungen nicht gekannt haben sollte, beruhte ihre Unkenntnis
zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls auf grober Fahrlässigkeit.
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Vgl. zur Auslegung dieses Begriffs näher Bundessozialgericht, Urteil vom 8. Februar
2001 - B 11 AL 21/00 R -, FEVS 52, 494.
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Die Klägerin konnte angesichts ihres erheblichen Vermögens nicht darauf vertrauen,
Soziahilfe zu erhalten. Sie hätte vielmehr wissen müssen, dass sie Leistungen nicht
beanspruchen konnte, soweit und so lange sie über Vermögen verfügte. Die Klägerin
stand bereits seit Jahren im Hilfebezug und ist auch immer wieder über ihre Pflicht,
Änderungen in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen unverzüglich
mitzuteilen, belehrt worden. Es musste sich ihr vor diesem Hintergrund jedenfalls im
Sinne einer groben Fahrlässigkeit aufdrängen, dass sie jegliches Vermögen
unverzüglich dem Beklagten mitzuteilen hatte und dass es rechtswidrig war, trotz des
vorhandenen Vermögens Leistungen zu beziehen.
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Die Rücknahmeentscheidung ist schließlich auch frei von Ermessensfehlern. Der
Beklagte hat das ihm gemäß § 45 Abs. 1 SGB X zustehende Ermessen, gemessen am
Maßstab der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung nach § 114 VwGO,
sachgerecht ausgeübt. Er hat ausweislich der Gründe des insoweit maßgeblichen
Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2001 seinen Ermessensspielraum erkannt und
von ihm in einer dem Zweck des § 45 Abs. 1 SGB X - Sicherung des Nachrangs von
Leistungen nach dem BSHG gegenüber vorrangigen eigenen Mitteln des
Hilfeempfängers - entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
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Rechtsgrundlage für die Rückforderung des Betrages in Höhe von 4.398,99 DM ist § 50
Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein
Verwaltungsakt - wie hier - aufgehoben worden ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung
bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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