Urteil des VG Münster vom 02.10.2009

VG Münster (verordnung, kläger, verbindung, höhe, anlage, gebühr, inkrafttreten, rechtsgrundlage, verwaltungsgericht, bestimmtheit)

Verwaltungsgericht Münster, 7 K 2530/08
Datum:
02.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2530/08
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 30. Oktober 2008 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden,
sofern nicht zuvor der Kläger in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger betreibt auf seinem Grundstück B. -N. -Straße in O. eine
Heizölbehälteranlage. Das Grundstück befindet sich in einem Wasserschutzgebiet. Die
Heizölbehälteranlage unterfällt der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit
wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (VAwS). Teil der Genehmigung
war, dass alle fünf Jahre eine Überprüfung der Anlage durch einen Sachverständigen
vorzunehmen und der Prüfbericht dem Beklagten als Untere Wasserbehörde vorzulegen
ist. Bei der Überprüfung am 20. Oktober 2008 durch den TÜV Nord wurde festgestellt,
dass ein Antiheberventil nachzurüsten sei. Mit Ordnungsverfügung vom 30. Oktober
2008 forderte der Beklagte den Kläger unter anderem auf, bei der Anlage ein
Antiheberventil nachzurüsten. Für die Auswertung des Mängelberichtes setzte er
zugleich eine Gebühr in Höhe von 25,00 Euro fest. Die Erhebung dieser Gebühr stützte
er auf § 1 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit
Tarifstelle 28.1.4.9 der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO NRW).
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Gegen die Gebührenfestsetzung erhob der Kläger am 26. November 2008 Klage, zu
deren Begründung er vorträgt, die Heizölbehälteranlage sei bisher in einem
ordnungsgemäßen Zustand gewesen. Das fehlende Antiheberventil sei erst
vorgeschrieben worden durch die VAwS vom 20.03.2004. In § 17 dieser Verordnung sei
bestimmt, dass für bestehende Anlagen durch die Verordnung neu begründete oder
verschärfte Anforderungen erst aufgrund einer Anordnung der zuständigen Behörde
gelten. Hätte sich der Kreis T. an die Regelung gehalten, hätte er nach einer einfachen
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Anordnung die Anlage nachgerüstet und die Gebühren für den Mängelbericht wären
nicht angefallen.
Der Kläger beantragt,
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den Gebührenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 30. Oktober 2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es habe ein Mangel an der Heizölbehälteranlage vorgelegen. Diese müsse nach § 19 g
Abs. 1 und Abs. 3 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) mindestens entsprechend den
allgemein anerkannten Regeln der Technik beschaffen sein. Diese ergäben sich aus im
Einzelnen benannten technischen Regelwerken, nicht jedoch aus Festlegungen des
Gesetzgebers in der VAwS. Die Höhe der Gebühr entspreche der Mindestgebühr nach §
3 in Verbindung mit § 1 Gebührengesetz NRW und Tarifstelle 28.1.4.9 der allgemeinen
Verwaltungsgebührenordnung.
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Jedenfalls aber könne die Gebühr auf die Tarifstelle 30. 5 AGT gestützt werden, die
einen Auffangtatbestand darstelle.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage hat Erfolg.
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Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 30.10.2008 ist rechtswidrig und verletzt
den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es fehlt ihm an einer
gültigen Rechtsgrundlage. Die zur Begründung herangezogene Tarifstelle 28.1.4.9 des
Allgemeinen Gebührentarifs (AGT) zur Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung
Nordrhein-Westfalen (AVerwGebO) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Gebührengesetz NRW
(GebG) und § 1 Abs. 1 AVerwGebO kommt als Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Sie
benennt ausdrücklich nur die Auswertung des vorzulegenden Prüfberichtes gemäß § 23
Abs. 5 der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und
über Fachbetriebe (VAwS) und bezieht sich damit auf die Verordnung vom 12. August
1993. Diese ist mit Inkrafttreten der Nachfolgeverordnung zum 10. Juni 2004 außer Kraft
getreten. Die VAwS n. F. enthält zwar auch Regelungen zur Überprüfung von Anlagen.
Sie ist jedoch anders aufgebaut und enthält lediglich noch 18 Paragraphen. Daher sind
die Amtshandlungen unter 28.1.4 in Verbindung mit Paragraphen der VAwS a. F. nicht
ohne weiteres Amtshandlungen nach der VAwS in der jetzigen Fassung zuzuordnen.
Eine erforderliche Anpassung an die geänderte Rechtslage ist noch nicht erfolgt.
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Die Gebührenerhebung kann auch nicht auf die Tarifstelle 30.5 AGT gestützt werden.
Dabei kann dahinstehen ob dies noch durch Nachschieben im gerichtlichen Verfahren
erfolgen könnte. Diese Tarifstelle, die die Gebührenpflicht für „Amtshandlungen, für die
keine andere Tarifstelle vorgesehen ist und die nicht einem von der handelnden
Behörde wahrzunehmenden besonderen öffentlichen Interesse dienen," bestimmt, stellt
nach der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land
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Nordrhein-Westfalen trotz ihrer sehr weitgehenden Formulierung einen wirksamen
Auffangtatbestand dar und widerspricht insbesondere nicht rechtsstaatlichen
Grundsätzen über die Bestimmtheit gesetzlicher Grundlagen.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Beschluss
vom 09. Oktober 1997 - 9 A 2976/97 - und Urteil vom 30. November 1983 - 3 A 2247/82 -
.
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Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht in einer neueren Entscheidung ergänzend
ausgeführt:
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„Unabhängig davon, ob weiterhin von der Wirksamkeit der Tarifstelle 30.5 AGT
auszugehen ist, bedarf sie im Hinblick auf die Ermächtigungsgrundlage in § 2 Abs. 1
Gebührengesetz NRW und das darin zum Ausdruck kommende rechtsstaatliche
Bestimmtheitsgebot zumindest einer einschränkenden Auslegung. Nach § 2 Abs. 1
Gebührengesetz NRW sind die einzelnen Amtshandlungen, für die Gebühren erhoben
werden, und die Gebührensätze unter Beachtung der §§ 3 bis 6 in Gebührenordnungen
zu bestimmen. Damit verlangt das Gesetz dem Verordnungsgeber die Festlegung
einzelner gebührenpflichtiger Amtshandlungen ab und gibt zumindest für den Regelfall
ein gewisses Maß an inhaltlicher Bestimmtheit vor. Zwar gelingt es angesichts der
Vielgestaltigkeit und Kompliziertheit aller zu erfassenden Vorgänge nicht immer, einen
Abgabetatbestand mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Wo dies nicht
möglich ist, mögen auch allgemeiner gefasste Gebührentatbestände noch den
Anforderungen an die gebotene Bestimmtheit genügen können, wenn die verbleibenden
Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln beantwortet werden
können. Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber vom Normgeber, die einzelnen
Gebührentatbestände so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden
Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Diesen Vorgaben
entsprechend hat sich der Verordnungsgeber bemüht, den Katalog der
gebührenpflichtigen Amtshandlungen so erschöpfend wie möglich zu fassen.
Demgegenüber soll und darf die Tarifstelle 30.5 AGT allenfalls solche Fallgestaltungen
erfassen, die nicht konkret vorhersehbar waren und nur deshalb nicht rechtzeitig
genauer geregelt werden konnten."
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 09. April 2008 - 9 A 111/05 - mit weiteren Nachweisen.
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Gemessen an diesen Vorgaben, denen sich das Gericht anschließt, kommt die
Tarifstelle 30.5 AGT für die im Jahr 2008 vorgenommene Überprüfung einer Anlage
gemäß § 12 VAwS als Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Für den Normgeber war
nämlich konkret voraussehbar, dass sich ab dem Inkrafttreten der Verordnung im Juni
2004 die Frage der Gebührenpflichtigkeit ausdrücklich geregelter Überprüfungen von
Anlagen gemäß § 12 und weiterer Amtshandlungen stellen würde. Diese
Amtshandlungen ließen sich auch erkennbar präzise regeln. Es bedurfte insoweit nur
gewisser Umformulierungen der zu der VAwS a. F. ergangenen Tarifstellen unter
Nummer 28.1.4 AGT. Der Gesetzgeber hätte beispielsweise die Änderung des
allgemeinen Gebührentarifs bereits zum Gegenstand des Verordnungsverfahrens
machen können. Jedenfalls ist aber angesichts des Zeitablaufes von Inkrafttreten der
VAwS n. F. im Juni 2004 bis zum Zeitpunkt der gebührenauslösenden Amtshandlung im
Oktober 2008 eine genügend lange Zeitspanne zur Anpassung der Gebührenordnung
gegeben gewesen, sodass keine Notwendigkeit bestand, auf die Auffangtarifstelle 30.5
AGT zurückzugreifen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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