Urteil des VG Münster vom 08.06.2005

VG Münster: politische verfolgung, entlassung aus der haft, verfolgung aus politischen gründen, vollzug der strafe, bundesamt für migration, vollstreckung der strafe, auskunft, bestrafung, anerkennung

Verwaltungsgericht Münster, 11 K 2898/00.A
Datum:
08.06.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 2898/00.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Der am 1. März 1975 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste nach
eigenen Angaben am 15. Juni 2000 aus dem Iran auf dem Luftwege in die
Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 21. Juni 2000 seine Anerkennung
als Asylberechtigter.
2
Zur Begründung gab der Kläger bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge)
im Wesentlichen an: Er sei im Alter von 11 Jahren mit homosexuellen Handlungen in
Berührung gekommen und habe in der Folgezeit mehrfach mit anderen Jungen den
Geschlechtsverkehr ausgeübt. Im Alter von 17 Jahren habe er ein Verhältnis mit einem
Klassenkameraden namens I gehabt. Sie seien von den Bassidij entdeckt,
festgenommen und brutal behandelt worden. Am nächsten Tag seien sie freigelassen
und von ihren Vätern abgeholt worden. Eine Anzeige sei nicht erfolgt.
3
Im Alter von 18 Jahren habe er ein Verhältnis mit einem Klassenkameraden namens S
gehabt. S habe noch einen Freund names N mitgebracht. Mit diesem habe er häufiger
geschlechtlich verkehrt. Eines Tages seien sie von einem Beamten des Monkerat-
Komitees zur Wache mitgenommen worden. Nachdem er 15 Tage in Haft gewesen sei,
habe man ihn zusammen mit S zur Staatsanwaltschaft gebracht. Dort seien sie zu 45
Peitschenhieben und 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Diese Strafen seien
auch vollstreckt worden. In der Folgezeit habe er in einem Lokal als Kellner gearbeitet.
4
Der Besitzer habe ebenfalls homosexuelle Neigungen gehabt und etwa einmal in der
Woche mit ihm geschlechtlich verkehrt. Er habe während dieser Zeit auch regelmäßig
mit einem Stammgast des Lokals namens N Geschlechtsverkehr gehabt. Er sei
zusammen mit N entdeckt, festgenommen und zu 9 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt
worden.
Im Gefängnis habe er im Sommer 1374 (= 1995) einen jungen Mann namens E kennen
gelernt. Nach der Entlassung aus der Haft habe er mit E einen Obstladen aufgemacht. E
habe eine Wohnung in Isfahan gehabt, in welcher auch er, der Kläger, gewohnt habe,
bis er Isfahan verlassen habe. Im 10. Monat des vergangenen Jahres (Dezember
1999/Januar 2000) habe er sich mit einem Mann namens N und dessen Freund O in
dieser Wohnung getroffen, um sexuell miteinander zu verkehren. Er sei gerade mit O am
Anfang gewesen, als das Haus vom Komitee gestürmt worden sei. O habe bekundet,
dass er nichts mit ihm gemacht habe. Er sei 7 Tage inhaftiert gewesen und gegen
Hinterlegung einer Besitzurkunde freigelassen worden. Im 12. Monat des vergangenen
Jahres (Februar/März 2000) habe er eine Vorladung zu einer Gerichtsverhandlung am
16. 12. (7. März 2000) erhalten. Sein Onkel habe einen Anwalt beauftragt. Sie hätten
beweisen können, dass er keinen Verkehr mit O gehabt habe. Er sei allerdings wegen
unsittlicher Berührung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden.
Außerdem habe er 10.000 Tuman bezahlen müssen und sei zu 100 Peitschenhieben
verurteilt worden. Die Strafe sei vollstreckt worden. Er sei nach Hause gegangen und
habe starke Schmerzen gehabt. E habe einige Fotos von seinem Rücken als Andenken
gemacht.
5
Eine Woche nach dem 13. Farwadin (= 2. April 2000) habe er in seiner Wohnung mit
einem Mann, der sich I genannt habe, zwei mal Analverkehr gehabt. Am nächsten Tage
habe er bei der Bank etwas zu besorgen gehabt. Auf dem Rückweg sei er kurz vor dem
Erreichen der Wohnung von jemandem gewarnt worden. Er habe erfahren, dass E mit
zwei weiteren Personen in Handschellen abgeführt worden sei und dass auch nach
ihm, dem Kläger gesucht werde. Er habe sich dann mit einem Onkel mütterlicherseits in
Verbindung gesetzt, der ihn abends nach Teheran zu einem Freund gebracht habe. Von
seinem Onkel habe er dann erfahren, dass es sich bei dem Jungen, der in ihrer
Wohnung gewesen sei, um den Sohn des stellvertretenden Gouverneurs gehandelt
habe. Er habe sich in Teheran zwei Monate lang verborgen gehalten. In dieser Zeit
habe sein Onkel einen Schlepper besorgt, der seine Ausreise organisiert habe.
6
Durch Bescheid vom 4. Juli 2000, dem Kläger ausgehändigt am 10. Juli 2000, lehnte
das Bundesamt den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51
des Ausländergesetzes (AuslG) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht
vorlägen. Weiterhin wurde dem Kläger die Abschiebung in den Iran angedroht.
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Am 13. Juli 2000 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft seine
Angaben bei der Anhörung durch das Bundesamt und trägt unter Vorlage
entsprechender Bescheinigungen ergänzend vor: Er sei am 17. September 2001 zum
Christentum konvertiert und habe seitdem missionarische Tätigkeiten ausgeübt.
Außerdem sei er exilpolitisch tätig. Er sei seit dem 8. Juni 2002 in der sog. Persepolis
Organisation von Exiliranern tätig und habe an mehreren näher bezeichneten
Demonstrationen und Protestveranstaltungen teilgenommen.
8
Der Kläger hat ferner - auf Aufforderung des Gerichts - das Original eines Dokuments
vorgelegt, welches er bereits in Kopie beim Bundesamt eingereicht hatte und bei dem
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es sich nach Angaben des Klägers um das gegen ihn erlassene Strafurteil vom 7. März
2000 handeln soll. Hierzu trägt er vor: Das Urteil sei mit Hilfe einer beim Gericht
arbeitenden Amtsperson aus der Akte heraus entwendet worden. Der Richter habe ihm
das ausgefertigte Urteil nicht verkündet, sondern der Wache in die Hand gedrückt. Auf
der Fahrt zur Haftanstalt sei der Brief geöffnet worden und er habe von seiner
Verurteilung zu 100 Peitschenhieben erfahren. Er habe den Vollzugsbeamten gefragt,
ob man nicht etwas machen könne, damit die Strafe nicht so hart ausfalle. Der Beamte
habe daraufhin erklärt, dass möglicherweise der Auspeitscher, der sonst die Arbeit
mache, nicht da sei. Er sei sein Vertreter und man werde sehen, ob man etwas tun
könne. Dieser Beamte habe dann tasächlich auch die Strafe vollstreckt. Er habe dies
durchgestanden, ohne ohnmächtig zu werden. Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4. Juli 2000 zu verpflichten, ihn, den
Kläger, als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass ein
Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG besteht.
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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
12
Sie nimmt auf die angefochtene Entscheidung Bezug.
13
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft des Auswärtigen
Amtes zu den Fragen
14
1. ob es sich bei dem vom Kläger vorgelegten Schriftstück um ein ihn betreffendes
echtes Urteilsdokument des dort bezeichneten Gerichts handelt;
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2. ob der Inhalt dieses Schriftstücks als Urteil plausiblen Bezug zu dem vom Kläger im
Klageverfahren angeführten Vorbringen hat, er sei - nach zwei vorausgegangen
Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen - nach Durchführung einer
körperlichen Untersuchung durch eine Organisation „Persesh Ranuni" wegen
„verbotenen Beieinanderliegens" (Iawat) zu der „hierfür schärfsten Strafe", nämlich zwei
Jahren Haft auf Bewährung, 100 Peitschenhieben und 10.000 Tuman Geldstrafe,
verurteilt worden;
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3. ob das Vorbringen zutreffen kann, er sei noch am Tage der Verurteilung - ohne dass
die Bestrafung durch Auspeitschung ihm durch das Gericht verkündet worden sei - in
das Zed Alichan - Gefängnis in Isfahan verbracht worden, wo ihm im Hof des
Gefängnisses - auf einer Pritsche liegend, bekleidet mit einer langen Unterhose - die
Auspeitschung durch einen Vollzugsbeamten vollständig und ohne Unterbrechung mit
einer ca. 1,5 m langen Lederpeitsche und verteilt über die Körperrückseite beigebracht
worden sei;
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4. ob es plausibel erscheint, dass der Kläger bei dem Vollzug dieser Körperstrafe -
nachdem er dem Vollzugsbeamten den kostenlosen Bezug von Obst und Gemüse
zugesagt habe - zwar starke Schmerzen, Schwellungen und Blutergüsse erlitten bzw.
davongetragen habe, er jedoch nicht ohnmächtig geworden sei und auch keine offenen
Wunden aufgetreten seien, so dass er danach nach Hause habe gehen können, wo der
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Zustand seines Rückens durch Fotografien (Beiakte Heft I, Blatt 38) festgehalten worden
sei;
5. insbesondere ob es zutrifft, dass nach den Vollzugsregeln die Auspeitschung sofort
beendet werden müsse, wenn es dabei zu Blutungen kommt.
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Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die erteilte Auskunft des
Auswärtigen Amtes vom 18. Oktober 2004 Bezug genommen.
20
Der Kläger ist in den mündlichen Verhandlungen am 11. September 2003 und am 8.
Juni 2005 informatorisch zu seinen Asylgründen angehört worden. Insoweit wird auf die
Sitzungsniederschriften vom 11. September 2003 und vom 8. Juni 2005 Bezug
genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Gutachten
und Erkenntnisse.
21
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22
Die Klage ist unbegründet.
23
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat den Asylantrag des
Klägers zu Recht abgelehnt. Dem Kläger steht in dem für die gerichtliche Entscheidung
maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1. Halbsatz AsylVfG)
ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG nicht zu.
Auch liegen in seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vor.
24
Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne des Artikel 16 a Abs. 1 GG genießt, wer bei
seiner Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit
Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu
erwarten hat. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Staat oder
durch Maßnahmen Dritter, die dem Staat zuzurechnen sind, in Anknüpfung an seine
Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe,
politische Überzeugung oder vergleichbare persönliche Eigenschaften oder
Verhaltensweisen gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die nach ihrer Intensität
und Schwere die Menschenwürde verletzen, ihn aus der übergreifenden
Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen und in eine ausweglose Lage
bringen.
25
Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 -
, BVerfGE 54, 341, 347; Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -,
BVerfGE 80, 315 (334 f und 344 ff.).
26
Ist der Asylsuchende aus Furcht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer
Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines
Heimatlandes wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative nicht zumutbar, so ist
er als Asylberechtigter anzuerkennen, wenn die fluchtbegründenden Umstände
einschließlich des Nichtbestehens einer inländischen Fluchtalternative im Zeitpunkt der
tatrichterlichen Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen oder wenn sie
zwar entfallen sind, der Asylsuchende aber vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend
sicher sein kann. Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat jedoch unverfolgt
27
verlassen, ist er nur dann asylberechtigt, wenn ihm aufgrund beachtlicher
Nachfluchttatbestände politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. Juli 1989, a.a.O.;
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 15. Mai 1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE
85, 139 (140 f.).
28
Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflichten
gehalten, umfassend, detailliert und widerspruchsfrei die in seine eigene Sphäre
fallenden Ereignisse zu schildern, die seiner Auffassung zufolge geeignet sind, den
Asylanspruch zu tragen und insbesondere auch den politischen Charakter der
Verfolgungsmaßnahme festzustellen.
29
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 1984 - 9 C 141.83 -, NVwZ 1985, 36 sowie BVerwG,
Urteil vom 22. März 1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz Gliederungsnummer 402.24, Nr. 44 zu
§ 28 AuslG.
30
Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann nur festgestellt werden, wenn sich das
Gericht in vollem Umfange die Überzeugung von der Wahrheit des von dem
Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei
allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat
bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrages und der
Beweise angemessen zu berücksichtigen ist.
31
Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180.
32
In Anwendung dieser Grundsätze hat das Gericht nicht mit der erforderlichen
beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen können, dass dem Kläger Verfolgung aus
politischen Gründen in seinem Heimatstaat droht.
33
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus seinem
Herkunftsland Opfer gezielter, auf seine Person gerichteter politischer
Verfolgungsmaßnahmen gewesen ist bzw. dass ihm die Gefahr solcher
Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar drohte. Die Darlegungen des Klägers zu den
fluchtauslösenden Gründen erscheinen dem Gericht in wesentlicher Hinsicht
unglaubhaft. Der Kläger stützt seine Verfolgungsgeschichte im Kern auf die
Behauptung, im Iran bereits mehrfach wegen homosexueller Handlungen verurteilt und
bestraft worden zu sein und wegen eines weiteren entdeckten Verstoßes gegen die
einschlägigen Strafbestimmungen erneuter Strafverfolgung zu unterliegen. Im
Mittelpunkt dieses Vorbringens steht die Bestrafung des Klägers (u.a.) mit 100
Peitschenhieben aufgrund des angeblichen Urteils des Amtsgerichts Isfahan vom 7.
März 2000. Das vom Kläger vorgelegte Dokument, bei dem es sich um das betreffende
Urteil handeln soll, ist zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht authentisch.
34
Das Auswärtige Amt hat in der eingeholten Auskunft vom 18. Oktober 2004 ausgeführt,
dass das verwendete Geschäftszeichen in seiner Zusammensetzung nicht der dem
Auswärtigen Amt bekannten Systematik entspreche und dass es nicht der Praxis der
iranischen Justizverwaltung entspreche, ein Urteil ungesiegelt und nicht unterfertigt an
Dritte weiter zu geben. Zweifel an der Authentizität ergäben sich zudem aus der
Häufigkeit der in dem Dokument enthaltenen Schreibfehler sowie dem unüblichen
Gebrauch näher bezeichneter juristischer Begriffe. Diese Anzeichen werden in ihrer
35
Beweiskraft durch die Einwendungen des Klägers nicht entkräftet.
Der Einwand des Klägers, das Urteil sei nur deshalb nicht gesiegelt und unterfertigt,
weil dieses Dokument aus dem Gericht gestohlen und nicht an Dritte weitergegeben
worden sei, vermag nicht zu überzeugen. Selbst wenn es der iranischen Justizpraxis
entsprechen sollte, dass das für die Gerichtsakten bestimmte Urteilsdokument nicht
gesiegelt und unterfertigt wird, so erklärt dies nicht, warum die bereits beim Bundesamt
vorgelegte Kopie des angeblichen Urteils ebenfalls keine entsprechenden Merkmale
aufweist. Der Kläger hat nämlich auf Befragen bestätigt, dass es sich hierbei um die
Kopie des Urteils handele, welches sein Rechtsanwalt erhalten habe.
36
Der Inhalt des angeblichen Urteils stimmt aber auch nicht mit dem Vorbringen des
Klägers zum Gegenstand der Verurteilung überein. Der Kläger hat in der ersten
mündlichen Verhandlung vorgetragen, er sei wegen „verbotenen
Nebeneinanderliegens" verurteilt worden. In der zweiten mündlichen Verhandlung hat
er erläutert, die Verurteilung sei wegen U und nicht wegen M erfolgt, weil es nur zu
Berührungen gekommen sei. Diesen Sachverhalt erfasst jedoch nicht der in dem
angeblichen Urteil zitierte Art. 121 des iranischen Strafgesetzbuches. Die Bezeichnung
„lawat" beschreibt den homosexuellen Verkehr unter Männern durch beischlafähnliche
Handlungen.
37
Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Sigmaringen vom 24. Juni 1999.
38
Art. 121 des iranischen Strafgesetzbuches sieht eine Strafe von 100 Peitschenhieben
für beischlafähnliche oder vergleichbare Handlungen zwischen zwei Männern ohne
Eindringen des Gliedes vor. Nur in dieser „Variante" ist der homosexuelle Verkehr
zweier Männer nach Art. 121 strafbar.
39
Vgl. Gutachten des Deutschen Orient-Instituts (DOI) vom 20. Dezember 2002 an das
Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg.
40
Dagegen wird der vom Kläger bezeichnete Sachverhalt allein durch Art. 123 des
iranischen Strafgesetzbuches erfasst, worauf auch das Auswärtige Amt in der
eingeholten Auskunft zu Recht hingewiesen hat. Der Versuch des Klägers, durch die
Annahme eines Schreibfehlers in dem angeblichen Urteil eine Verurteilung nach Art.
123 des iranischen Strafgesetzbuches zu konstruieren, erweist sich schon deshalb als
untauglich, weil dann das Strafmaß (100 Peitschenhiebe) nicht mehr stimmig wäre.
Denn Art. 123 sieht eine Bestrafung „nur" bis zu 99 Peitschenhieben vor.
41
Das iranische Strafrecht unterscheidet zwischen Hadd-Strafen und Tazir-Strafen. Die
Hadd-Strafen sind absolute Strafen, sich nach der islamischen Rechtsauffassung aus
dem Koran oder der aus der unstreitigen Lebenstradition des Propheten ergeben. Ihre
Tatbestände und deren Ahndung gehören zum religiösen Recht, das unantastbar ist.
Diesem gleichsam „göttlichen Recht" steht gegenüber das Tazir- Strafrecht. Tazir-Taten
sind alle Taten, die nicht unter das koranisch geregelte Strafrecht fallen. Hier hat der
Richter einerseits einen ganz normalen Strafzumessungsspielraum und auch die
Beweisanforderungen sind nicht so strikt wie beim Hadd.
42
Vgl. Gutachten des DOI vom 4. Oktober 2000 (Asylis- Fakten Nr. IRN20104002), vom
31. Januar 2001 (Asylis-Fakten Nr. IRN20976001); Lagebericht Iran des Auswärtigen
Amtes vom 22. Dezember 2004.
43
Da eine Tazir-Strafe unbedingt unter einer Hadd-Strafe liegen muss und die geringste
Hadd-Strafe bei 75 Peitschenhieben liegt, finden sich in dem die Tazir- Strafen
betreffenden 5. Buch des iranischen Strafgesetzbuches keine Strafandrohungen von
mehr als 74 Peitschenhieben. Eine Durchbrechung dieses Systems stellt Art. 123 des
Strafgesetzbuches dar, der eine Tazir-Strafe von bis zu 99 Peitschenhieben vorsieht,
wenn zwei nicht blutsverwandte Männer ohne Notwendigkeit unbekleidet unter einer
Decke liegen. Die vom Kläger behauptete und in dem angeblichen Urteil aufgeführte
Strafe von 100 Peitschenhieben kann also nicht auf einer Verurteilung nach Art. 123 des
iranischen Strafgesetzbuches beruhen, sondern ist nur als Hadd-Strafe nach Art. 121
vorstellbar.
44
Abgesehen davon, dass der vom Kläger geschilderte Sachverhalt gar nicht zu einer
Bestrafung nach Art. 121 des iranischen Strafgesetzbuches passt, wie oben bereits
ausgeführt ist, steht der Sachvortrag des Klägers aber auch der Annahme entgegen,
dass die hier geltenden strengen Beweisanforderungen im Hadd- Strafrecht erfüllt
worden waren. Die nach Art 121 unter Strafe gestellten homosexuellen Handlungen
können nur bewiesen werden durch das viermalige freiwillige Geständnis beider
Partner, das bestimmte qualifizierende Erfordernisse erfüllen muss oder das Zeugnis
von vier rechtschaffenen Männern, die den verbotenen Geschlechtsakt mit eigenen
Augen gesehen haben. Da diese Beweisanforderungen in aller Regel nicht erfüllt
werden können, sind Verurteilungen von Homosexuellen etwa seit Mitte der 90er Jahre
nach den vorliegenden Erkenntnissen nur dann bekannt geworden, wenn der
Homosexuelle nicht allein wegen entsprechender Betätigung, sondern wegen
gravierender Gewaltverbrechen oder wegen homosexueller Prostitution oder einem
Mixtum aus allen diesen Umständen verurteilt wurde.
45
Vgl. Gutachten des DOI an das Verwaltungsgericht Köln vom 15. April 2004.
46
Der Kläger hat auf Befragen erklärt, dass die Verhandlung an einem einzigen Tag
durchgeführt wurde und dass auch keine Zeugen anwesend waren. Nach dem Inhalt
des angeblichen Strafurteils beruhte die Verurteilung auf dem (wiederholten)
Geständnis des Klägers. Das für eine Verurteilung nach Art. 121 erforderliche viermalige
Geständnis kann aber nicht in einem einzigen Gerichtstermin abgegeben werden.
Vielmehr muss jedes Mal ein neuer Gerichtstermin angesetzt werden, wenn mehrere
Geständnisse erforderlich sind.
47
Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 24.
Juni 1999; Gutachten des DOI an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vom 27.
Februar 2003.
48
Das Vorbringen des Klägers zu seiner angeblichen Bestrafung mit 100 Peitschenhieben
weist aber noch weitere Ungereimtheiten auf, die das Bild einer - jedenfalls weitgehend
- erfundenen Geschichte abrunden. So hält das Gericht etwa die Angabe des Klägers, er
habe von dem Urteilsspruch, der dem Wachpersonal in einem verschlossenen
Umschlag mitgegeben worden sei, erst auf dem Wege zur Haftanstalt erfahren, für
äußerst unwahrscheinlich. Das Auswärtige Amt hat in der eingeholten Auskunft vom 18.
Oktober 2004 mitgeteilt, dass es in der iranischen Justiz nicht üblich sei, einem
Angeklagten die verhängte Strafe nicht mitzuteilen. Vielmehr sei eine Verkündung durch
das Gericht vor einer Vollstreckung obligatorisch. Dies deckt sich auch mit den in der
mündlichen Verhandlung eingeführten Erkenntnissen zur Verkündung von
49
Gerichtsurteilen.
Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 14. November 2001 und an das Verwaltungsgericht
Regensburg vom 28. Juni 1999.
50
Ganz erheblichen Zweifeln begegnen aber auch die Schilderungen des Klägers vom
Vollzug der Strafe. Das Gericht teilt die Einschätzung des Auswärtigen Amtes in der
eingeholten Auskunft vom 18. Oktober 2004, wonach die Angabe des Klägers, er sei
während der Vollstreckung der Strafe nicht ohnmächtig geworden, nicht nachvollziehbar
ist. Nach allen vorliegenden Erkenntnissen kann eine Bestrafung von 100
Peitschenhieben nicht in einem Akt vollstreckt werden, weil die Delinquenten je nach
körperlichem Durchhaltevermögen nach 10 bis 20 Peitschenhieben ohnmächtig
werden.
51
Vgl. Gutachten des DOI an das VG Regensburg vom 20.Dezember 2002.
52
In der eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes heißt es, die Erfahrung zeige, dass
die Delinquenten in der Regel nicht mehr als sechs Peitschenhiebe ertragen könnten,
ohne ohnmächtig zu werden. Vor diesem Hintergrund hält das Gericht die Angabe des
Klägers, er habe die Prügelstrafe mit 100 Peitschenhieben bei vollem Bewusstsein
durchgestanden und sei anschließend nach Hause gegangen, auch unter
Berücksichtigung seiner diesbezüglichen Erklärungsversuche - geringeres
Schmerzempfinden und Bestechung des dadurch etwas gnädiger gestimmten
Auspeitschers - im Ergebnis für unglaubhaft. Auch die von ihm eingereichten Fotos, die
dem Gericht allerdings nur in Kopie vorliegen, zeigen nicht das Bild eines mit 100
Peitschenhieben malträtierten Rückens. Zudem besagen sie auch nichts darüber, wann
und wie die Striemen entstanden sind.
53
Der Kläger ist auch eine plausible Antwort darauf schuldig geblieben, warum er sich
nach der behaupteten schweren Bestrafung gleich wieder zu einer neuen
homosexuellen Betätigung hat hinreißen lassen, zumal er hätte wissen müssen, dass er
es sich angesichts der (behaupteten) dreimaligen Vorverurteilung auf keinen Fall leisten
konnte, erneut in dieser Weise aufzufallen. Vollends unverständlich ist es, dass der
Kläger in dieser Situation das Risiko eingegangen sein will, sich mit einer ihm völlig
fremden Person einzulassen. Dass es sich bei dieser Person - wie sich angeblich
nachträglich herausgestellt hat - um den Sohn des stellvertretenden Gouverneurs
gehandelt haben soll, verstärkt den Eindruck einer konstruierten Geschichte.
54
Das Gericht hat im Übrigen auch gewichtige Zweifel an der behaupteten homosexuellen
Prägung des Klägers, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte
Verfolgungsgeschichte zieht. Es mag zwar sein, dass sich der Kläger in der
Vergangenheit irgendwann homosexuell betätigt und entsprechende Kontakte
unterhalten hat. Der Annahme einer homosexuellen Prägung in dem Sinne, dass der
Kläger auf eine homosexuelle Triebbefriedigung festgelegt und außer Stande wäre,
eine gleichgeschlechtliche Betätigung zu unterlassen, stehen aber schon die eigenen
Angaben des Klägers in der zweiten mündlichen Verhandlung entgegen. Er hat offen
erklärt, dass er jetzt wohl Interesse an Frauen habe, weil die Frauen in Deutschland
anders herumliefen. Er sei vier bis fünf Monate mit einer Frau zusammen gewesen und
wünsche sich auch wieder eine neue Beziehung zu einer Frau. Diese Äußerungen
haben dem Gericht den Eindruck vermittelt, dass der Grund für mögliche homosexuelle
55
Kontakte des Klägers in der Vergangenheit - falls es sie überhaupt gegeben hat - wohl
eher in den besonderen iranischen Lebensverhältnissen, insbesondere der strikten
Geschlechtertrennung, zu suchen sind. In diesem Sinne dürfte auch die Äußerung des
Klägers zu verstehen sein, dass es im Iran „mit Männern leichter gewesen" sei; man sei
nicht so schnell erwischt worden.
Im vorliegenden Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass sich der Kläger
während seines nunmehr fast fünfjährigen Aufenthaltes in Deutschland in keiner Weise
öffentlich für die Rechte von Homosexuellen in seinem Heimatland engagiert hat.
Ausgehend von seinem Sachvortrag, homosexuell veranlagt und im Iran bereits
mehrfach wegen homosexueller Aktivitäten bestraft worden zu sein, verwundert es, dass
der Kläger in einem Land, in dem die Homosexualität erlaubt und weitgehend
enttabuisiert ist, keinerlei Aktivitäten gegen die Unterdrückung von Homosexuellen im
Iran entfaltet hat, hingegen für die monarchistische Bewegung auf die Straße gegangen
ist, obwohl er in seinem Heimatland nie als Anhänger der Monarchisten in Erscheinung
getreten ist.
56
Hiernach fehlt es zugleich an den Voraussetzungen für die Annahme eines
Nachfluchtgrundes unter dem Gesichtspunkt einer homosexuellen Veranlagung. Nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
57
Urteile vom 15. März 1988 - 9 C 278/86 -, NVwZ 1988, 838, und vom 17. Oktober 1989 -
9 C 25/89 -, NVwZ-RR 1990, 375,
58
kann eine homosexuelle Veranlagung die Annahme einer asylrelevanten
Verfolgungsgefahr bei Rückkehr in den Iran auch dann rechtfertigen, wenn den
iranischen Behörden hiervon bislang nichts bekannt geworden ist. Vorausgesetzt wird
jedoch die Feststellung, dass die homosexuelle Veranlagung des Asylsuchenden
unumkehrbar ist und dessen insoweit auch im Falle der Rückkehr zu erwartende
homosexuelle Betätigung den iranischen Behörden in Zukunft mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit bekannt würde.
59
Vgl. hierzu auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW), Beschluss vom 13. Mai 2003 - 5 A 1932/03.A
60
Eine solche Feststellung kann hier jedoch nicht getroffen werden, wie sich aus den
oben stehenden Ausführungen ergibt.
61
Für den Kläger liegen auch keine sonstigen asylrechtlich relevanten Nachfluchtgründe
vor.
62
Der Kläger hat nicht etwa deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrechtlich
erhebliche Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr in den Iran zu befürchten, weil
er ausweislich der vorgelegten Taufbescheinigung vom 17. September 2001 zum
christlichen Glauben übergetreten ist.
63
Das Gericht geht in Übereinstimmung mit anderen obergerichtlichen und
erstinstanzlichen Entscheidungen davon aus, dass eine solche im Ausland erfolgte
Abkehr vom islamischen Glauben - wenn sie, etwa im Zusammenhang mit behördlichen
Nachfragen zur Religionszugehörigkeit im Iran bekannt werden sollte, nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen auslöst.
64
Vgl. dazu: OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2004 - 5 A 4223/04 -, 5. September
2001 - 6 A 3293/01.A -, Beilage I zu NVwZ 1/2002, S. 10; 23. Oktober 2000 - 6 A
4899/00.A - und 3. August 1998 - 9 A 1496/98.A -, OVG Lüneburg, Urteil vom 26.
Oktober 1999 - 5 L 3180/99 -, Verwaltungsgerichtshof (VGH) München, Beschluss vom
5. März 1999 - ZB 99.30678 -; Sächsisches OVG, Urteil vom 4. 5.005 - A 2 B 524/04 -;
VG Münster, Urteile vom 26. Januar 2005 - 5 K 2463/01.A -,10. Dezember 2002 - 5 K
3970/98.A -, und 19. September 2000 - 5 K 2712/96.A -; VG Bremen, Urteil vom 24.
November 1998 - 3 K 23125/96 -.
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Allerdings droht Christen bzw. Konvertiten dann Verfolgung im Iran, wenn sie
gegenüber Moslems in hervorgehobener Stellung erfolgreich und nachhaltig
missionarische Aktivitäten entfalten, die nach außen erkennbar mit Erfolg ausgeübt
werden.
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Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2004 - 5 A 4223/04 -, 5. September
2001 - 6 A 3293/01.A -; Sächsisches OVG, Urteil vom 4. 5.005 - A 2 B 524/04 -;
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Dass der Kläger hervorgehobene missionarische Aktivitäten in dem vorbezeichneten
Sinne entfaltet hätte, ist jedoch nicht dargetan. Die von dem „Beauftragten für die
Seelsorge an Iranern der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers" in seinem Schreiben vom
24. Juli 2003 bescheinigten Aktivitäten (u.a. Vorstellung von zwei Taufbewerbern)
heben sich in keiner Weise von der missionarischen Tätigkeit anderer Apostaten ab.
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Ob der Übertritt des Klägers zum Christlichen Glauben wirklich ernst gemeint ist und auf
einer inneren Überzeugung beruht, mag dahingestellt bleiben. Denn auch unter dem
Gesichtspunkt der Wahrung des religiösen Existenzminimums kann der Kläger hieraus
keinen asylrelevanten Nachfluchtgrund herleiten. Das religiöse Existenzminimum eines
in Deutschland vom moslemischen zum christlichen Glauben übergetretenen iranischen
Staatsangehörigen ist im Falle der Rückkehr in den Iran auch dann gewahrt, wenn der
Apostat dort seinen neuen christlichen Glauben ausüben und nicht verleugnen will.
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Vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 4. 5.005 - A 2 B 524/04 -
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Die vorgetragenen und - durch Fotos und Bescheinigungen nachgewiesenen -
exilpolitischen Aktivitäten sind ebenfalls nicht asylbegründend. Auf Grund dieser
Betätigung droht ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.
Exilpolitische Aktivitäten niedrigen Profils begründen keine Gefährdung bei einer
Rückkehr in den Iran. Nach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen,
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vgl. z.B. Beschlüsse vom 16. April 1999 - 9 A 5338/98.A -, vom 15. Februar 2000 - 9 A
4615/98.A -, vom 4. April 2001 - 6 A 1064/01.A - und vom 8. Mai 2002 - 5 A 1779/02.A -,
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der das erkennende Gericht aufgrund eigener Auswertung der einschlägigen
Erkenntnisse folgt, sind iranische Staatsangehörige von politischer Verfolgung im
Hinblick auf exilpolitische Aktivitäten niedrigen Profils nicht mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit bedroht. Danach ist davon auszugehen, dass eine rechtlich
beachtliche exilpolitische Aktivität nicht schon allein dann gegeben ist, wenn ein
Asylbewerber Aktivitäten wie Mitgliedschaft in Exilorganisationen von im Iran
verbotenen Parteien, Teilnahme an Veranstaltungen dieser oder anderer
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regimefeindlicher Organisationen, an regimekritischen Demonstrationen mit Tragen von
Plakaten und Rufen von Parolen, Betreuung von Büchertischen in Fußgängerzonen
oder Verteilung von Flugblättern in Fußgängerzonen entfaltet hat. Ist in diesem
Zusammenhang für die Annahme einer hervorgehobenen Aktivität entscheidend, dass
ein Hervortreten in der Öffentlichkeit festgestellt werden kann, das nach der
Persönlichkeit des Asylsuchenden, der äußeren Form seines Auftretens und nicht
zuletzt dem Inhalt der in der Öffentlichkeit abgegebenen Erklärungen den Eindruck
erweckt, dass der Asylsuchende allein oder im Zusammenwirken mit anderen zu einer
Gefahr für den Bestand des Mullah-Regimes wird,
vgl. OVG NRW, a.a.O.,
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sind die Aktivitäten des Klägers, die sich in der Teilnahme an einzelnen
Demonstrationen erschöpfen, nicht als beachtlich zu werten. Die Voraussetzungen des
§ 60 Abs. 1 AufenthG sind für den Kläger nicht erfüllt. Nach dem in dieser Bestimmung
festgeschriebenen Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter darf ein Ausländer nicht
in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen
seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Begriff der
politischen Verfolgung in Art. 16 a Abs. 1 GG ist, soweit es um die Verfolgungshandlung,
das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung geht, identisch
mit dem des § 51 Abs. 1 AuslG. Daher sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des
Abschiebungsverbots aus den vorstehend zur fehlenden Asylberechtigung ausgeführten
Gründen nicht erfüllt.
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Für das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte. Allein die Asylantragstellung in
Verbindung mit einem längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland reicht zur
Begründung von Abschiebungsschutz nach den genannten Bestimmungen nicht aus.
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Vgl. zu § 53 AuslG a.F.: OVG NRW, Urteil vom 16. April 1999 - 9 A 5338/98.A - (mit
weiteren Nachweisen).
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Die Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34
AsylVfG und § 59 AufenthG. Die gesetzte Ausreisefrist von einem Monat ist durch § 38
Abs. 1 AsylVfG vorgegeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i. V. m. den §§
708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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