Urteil des VG Münster vom 05.01.2010

VG Münster (gvg, gerichtsbarkeit, grund, verwaltungsgericht, öffentlich, zuständigkeit, zivilsache, bundesrecht, vorschrift, begehren)

Verwaltungsgericht Münster, 8 L 650/09
Datum:
05.01.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 L 650/09
Schlagworte:
Freiheitsentziehung Rechtsweg Verwaltungsrechtsweg öffentlich-
rechtliche Streitigkeit Zivilsache Abschiebungshaft Sicherungshaft FGG-
Reformgesetz
Normen:
AufenthG § 62 VwGO § 40 Abs 1 S 1 GVG § 13 GVG § 23a
Leitsätze:
Nach Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes sind die Amtsgerichte
weiterhin für Haftsachen nach dem Aufenthaltsgesetz sachlich
zuständig.
Tenor:
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist unzulässig.
Das Verfahren wird an das Amtsgericht Paderborn verwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
G r ü n d e
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I.
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den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts zu
verpflichten, unverzüglich anzuordnen, ihn aus der Abschiebungshaft zu entlassen,
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ist unzulässig, weil der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben ist (§ 40 VwGO), so dass
die Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten festzustellen ist (§ 17
a Abs. 2 Satz 1 GVG).
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Bei Haftsachen nach § 62 AufenthG handelte es sich bis August 2009 um öffentlich-
rechtliche Streitigkeiten, die jedoch durch die zum 1. September 2009 außer Kraft
getretenen §§ 3, 12 FEVG der ordentlichen Gerichtsbarkeit, nämlich den Amtsgerichten,
ausdrücklich zugewiesen waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1981 - 1 C 93.76 -,
BVerwGE 62, 317 = InfAuslR 1981, 242 = NJW 1982, 536; OVG NRW, Beschluss vom
28. Juni 2006 18 B 1088/06 , www.nrwe.de = InfAuslR 2007, 110 = NWVBl. 2006, 459).
An der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat sich durch das am
1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Verfahrens in
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Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom
17. Dezember 2008 (FGG-Reformgesetz; BGBl. I S. 2586) im Ergebnis nichts geändert.
Aus der in § 13 GVG in der Fassung des Art. 22 FGG-Reformgesetz enthaltenen
Legaldefinition folgt, dass eine Freiheitsentziehungssache eine Zivilsache ist (vgl.
Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. September 2007, BT-Drucksache 16/6308,
Seite 318). Nach dieser Vorschrift gehören vor die ordentlichen Gerichte u. a. die
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder
die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist
oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder
zugelassen sind. Ist eine Freiheitsentziehungssache nach einer Entscheidung des
Bundesgesetzgebers, die nach dem Erlass des § 40 VwGO erfolgte, eine Zivilsache,
kann sie keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO
mehr sein.
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Der Antrag erstreckt sich auf eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind Verfahren in
Freiheitsentziehungssachen nach § 415 des Gesetzes über das Verfahren in
Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamFG
(vgl. § 23 a Abs. 2 Nr. 6 GVG). Freiheitsentziehungssachen sind nach § 415 Abs. 1
FamFG Verfahren, die die auf Grund von Bundesrecht angeordnete Freiheitsentziehung
b e t r e f f e n , soweit das Verfahren bundesrechtlich nicht abweichend geregelt ist.
Das Begehren des Antragstellers betrifft eine vom Amtsgericht auf Grund des § 62
AufenthG und damit auf Grund von Bundesrecht angeordnete
Freiheitsentziehungsmaßnahme. Dass der Antragsteller sein Begehren gegenüber dem
Antragsgegner verfolgt, ändert nichts an dem Umstand, dass letztendlich eine vom
Amtsgericht angeordnete Freiheitsentziehungsmaßnahme nicht durch den
Antragsgegner, sondern durch das Amtsgericht aufgehoben werden soll (vgl. § 426 Abs.
2 Satz 2 FamFG).
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Eine abweichend von § 13 GVG wegen Abschiebungshaftsachen die Zuständigkeit der
Verwaltungsgerichte begründende Vorschrift ist nicht gegeben (vgl. auch § 106 Abs. 2
AufenthG).
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II.
Rechtsschutzverfahren nach Anhörung der Beteiligten an das sachlich und örtlich
zuständige Amtsgericht Paderborn zu verweisen (§ 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG). Das
Amtsgericht ist gem. § 23 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 6 GVG sachlich und gem. §
416 Satz 2 FamFG örtlich zuständig.
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