Urteil des VG Minden vom 08.11.2010

VG Minden (kläger, persönliche eignung, eignung, widerruf, körperliche integrität, auf lebenszeit, berufliche tätigkeit, verhalten, zweifel, vernehmung)

Verwaltungsgericht Minden, 4 K 994/09
Datum:
08.11.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 994/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht
der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der am geborene Kläger wurde am 01.09.2006 unter Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Widerruf zum L. ernannt.
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Nachdem gegen den Kläger am 04.02.2008 eine Strafanzeige wegen Gefährdung des
Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) erstattet worden war, teilte das Polizeipräsidium C. ihm
unter dem 26.02.2008 mit, es beabsichtige ihn wegen erheblicher Zweifel an seiner
charakterlichen Eignung aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen, und gab ihm
Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Das Ermittlungsverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft C. gemäß § 153 Abs. 1
StPO mit Verfügung vom 18.04.2008 eingestellt. Das Polizeipräsidium C. sah deshalb
von einer Entlassung des Klägers ab, sprach aber unter dem 18.07.2008 eine
Pflichtenmahnung aus: Der Kläger habe am 03.02.2008 durch überhöhte
Geschwindigkeit und mehrere riskante Überholmanöver ein rücksichtsloses und
unangemessenes Fahrverhalten an den Tag gelegt. Hierdurch seien andere
Verkehrsteilnehmer stark beeinträchtigt und gefährdet worden. Das daraufhin
eingeleitete Strafverfahren habe die Staatsanwaltschaft C. gemäß § 153 StPO
eingestellt. Die zuständige Staatsanwältin sei davon ausgegangen, dass er, der Kläger,
durch das bisherige Ermittlungsverfahren hinreichend beeindruckt und gewarnt worden
sei. Durch dieses Verhalten habe er gegen beamtenrechtliche Pflichten verstoßen. Er
habe ein Vergehen begangen, das er in Zukunft in seiner Eigenschaft als Q. selbst
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verfolgen und ahnden müsse. Man halte ihm zugute, dass er sein Fehlverhalten
eingesehen und Besserung dahingehend zugesagt habe, sich künftig eines
angehenden Q1. entsprechend zu verhalten, und sehe daher von der Fortführung des
Entlassungsverfahrens ab. Er werde jedoch ermahnt, künftig seiner außerdienstlichen
Wohlverhaltenspflicht nachzukommen und sich so zu verhalten, dass er der Achtung
und dem Vertrauen gerecht werde, die sein Beruf erfordere. Bei eventuellen erneuten
Verfehlungen werde man sich veranlasst sehen, unverzüglich ein erneutes
Entlassungsverfahren gegen ihn zu führen.
Mit Schreiben vom 22.01.2009 informierte die Staatsanwaltschaft C. das
Polizeipräsidium C. darüber, dass man Anklage gegen den Kläger erhoben habe. Der
Kläger werde beschuldigt, am 12.10.2008 vor der Diskothek in I. die Zeugin T. körperlich
misshandelt und sich hierdurch strafbar gemacht zu haben.
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Mit Schreiben vom 26.02.2009 teilte das Polizeipräsidium C. dem Kläger mit, dass
beabsichtigt sei, ihn aufgrund charakterlicher Ungeeignetheit durch Widerruf des
Beamtenverhältnisses gemäß § 35 LBG zu entlassen. Mit der Pflichtenmahnung vom
18.07.2008 habe man ihn ermahnt, zukünftig seiner außerdienstlichen
Wohlverhaltenspflicht nachzukommen und sich so zu verhalten, dass er der Achtung
und dem Vertrauen gerecht werde, die sein Beruf erfordere. Man habe nur deswegen
von der Fortführung des Entlassungsverfahrens seinerzeit abgesehen, da er sein
Fehlverhalten eingesehen und Besserung gelobt habe. Gleichzeitig sei er jedoch darauf
hingewiesen worden, dass man bei weiteren Verfehlungen ein erneutes
Entlassungsverfahren anstreben werde. Der Vorfall vom 12.10.2008 bestätige bereits
den in der Anhörung vom 26.02.2008 und der Pflichtenmahnung vom 18.07.2008
aufgeführten erheblichen Zweifel an seiner charakterlichen Eignung zur Ausübung des
Berufes eines Q1. . Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum
06.03.2009.
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Nach Anhörung des Personalrats und der Gleichstellungsbeauftragten entließ das
Polizeipräsidium C. den Kläger mit Verfügung vom 24.03.2009 wegen charakterlicher
Ungeeignetheit durch Widerruf des Beamtenverhältnisses gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2
i.V.m. § 34 Abs. 3 LBG mit Ablauf des 30.06.2009. Die in dem Ermittlungsverfahren
vorliegenden Zeugenaussagen spiegelten im Gesamtzusammenhang ein Verhalten des
Klägers wider, welches die Staatsanwaltschaft dazu bewogen habe, das öffentliche
Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen. Dieser Vorfall bestätige allein in seiner
bisherigen Aktenform die bereits in der Anhörung vom 26.02.2008 und der
Pflichtenmahnung vom 18.07.2008 aufgeführten erheblichen Zweifel an der
charakterlichen Eignung des Klägers zur Ausübung des Berufes eines Q1. . Trotz
mehrerer Personalgespräche, in welchen der Kläger wiederholt auf die bestehenden
Zweifel an seiner charakterlichen Eignung und die daraus möglicherweise resultierende
Konsequenz der Entlassung hingewiesen worden sei, habe er sich nicht veranlasst
gesehen, verstärkt auf ein makelfreies Verhalten zu achten. Die Androhung in der
Pflichtenmahnung, bei einem weiteren Fehlverhalten das Entlassungsverfahren erneut
aufzunehmen, habe bei dem Kläger keinerlei Eindruck hinterlassen. Insofern seien auch
die wiederholt getätigten Aussagen, sich in Zukunft bessern zu wollen, nachträglich als
oberflächliche Aussagen zu werten und zeichneten nicht das Bild einer inneren Einsicht
oder Reue. Aufgrund der nunmehr 2 1/2-jährigen Ausbildungsdauer hätte es anlässlich
der zahlreichen Warnungen und Hinweise der Vorgesetzten und der Ausbildungsleitung
zu einer offensichtlichen Verhaltensänderung kommen müssen, die ein weiteres
Fehlverhalten ausgeschlossen hätte. Statt dessen wirkten die einzelnen Verfehlungen
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fort und gäben ein Gesamtbild des Klägers ab, welches diesem die persönliche Eignung
für den Beruf des Q1. in jeglicher Hinsicht abspreche.
Mit Verfügung vom 07.04.2009 verbot das Polizeipräsidium C. dem Kläger unter
Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit die Führung der Dienstgeschäfte.
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Das Amtsgericht I. verurteilte den Kläger am 08.06.2009 wegen vorsätzlicher
Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35,00 EUR. Das
Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass der Kläger die Zeugin T. ohne
rechtfertigenden Grund mit der Faust derart stark gegen das Kinn geschlagen hatte,
dass diese zu Fall gekommen und an Wange und Kinn verletzt worden war. Auf die
Berufung des Klägers gegen dieses Urteil wurde das Verfahren vom Landgericht C. im
Januar 2010 gemäß § 153 a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage an die
Staatskasse in Höhe von 1.500,00 EUR eingestellt.
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Bereits am 20.04.2009 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er trägt vor, er
habe die Zeugin T. nicht geschlagen. Vielmehr habe die Zeugin ihn angegriffen und mit
der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, woraufhin er "in einer reflexartigen Reaktion"
seine Arme hochgerissen und die Zeugin so etwas zurückgestoßen habe, um einem
erneuten Schlag zu entgehen. Dass die Zeugin ihr Gleichgewicht verloren habe, sei
nicht allein durch ihn, sondern auch dadurch verursacht worden, dass sie unter
Alkoholeinfluss gestanden habe.
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Der Kläger ist weiter der Auffassung, infolge der im Strafverfahren letztlich erfolgten
Verfahrenseinstellung müsse die Unschuldsvermutung zu seinen Gunsten fortbestehen.
Er habe der Geldbuße nur aus verfahrensökonomischen Gründen zugestimmt und
ausdrücklich kein Geständnis abgegeben.
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Der Kläger beantragt,
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die Entlassungsverfügung des Polizeipräsidiums C. vom 24.03.2009 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Kammer hat durch Vernehmung der Zeugen W. , L1. , K. und der Zeuginnen T. und
C1. Beweis über die Geschehnisse vor der Diskothek in I. am frühen Morgen des
12.10.2008 erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 08.11.2010 verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Akte 4 K 995/09 der Akte der Staatsanwaltschaft C. 24 Js 2641/08 und
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Entlassungsverfügung des Beklagten vom 24.03.2009 ist rechtmäßig. Der Beklagte
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hat den Kläger zu Recht mit Ablauf des 30.06.2009 aus dem Beamtenverhältnis auf
Widerruf entlassen.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung bestehen
nicht. Der Kläger ist gem. § 28 VwVfG angehört und der Personalrat und die
Gleichstellungsbeauftragte sind vor Erlass der Entlassungsverfügung auch rechtzeitig
beteiligt worden.
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Rechtsgrundlage für die angefochtene Entlassungsverfügung ist § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG
a.F., der vorliegend Ausgangspunkt der materiellrechtlichen Beurteilung ist. Nach dieser
Vorschrift kann ein Beamter auf Widerruf jederzeit entlassen werden, wobei die
fehlerfreie Ausübung des Ermessens vor allem erfordert, dass hierfür ein sachlicher
Grund gegeben ist.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.06.2010 - 6 A 470/08 -, juris.
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Dabei genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die
persönliche oder fachliche Eignung für sein Amt besitzt. Des Nachweises eines
konkreten Dienstvergehens bedarf es nicht.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1981 - 2 C BVerwG 48.78 -, BVerwGE 62, 267.
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Dies gilt auch, soweit der Beamte auf Widerruf einen Vorbereitungsdienst für eine
Beamtenlaufbahn ableistet. Das dem Dienstherrn durch § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG a.F.
eingeräumte weite Ermessen ist dann allerdings durch § 35 Abs. 2 Satz 1 LBG a.F.
allerdings eingeschränkt. Hiernach soll dem Beamten auf Widerruf Gelegenheit
gegeben werden, (im Beamtenverhältnis) den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die
Prüfung abzulegen. Diese Sollvorschrift bedeutet eine Einschränkung des dem
Dienstherrn nach § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG a.F. eingeräumten weiten Ermessens dahin,
dass eine Entlassung des Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst grundsätzlich
nur aus einem solchen sachlichen Grund in Betracht kommt, der mit dem Sinn und
Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang steht. Insbesondere wenn der
Vorbereitungsdienst zugleich Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG
und zudem auch Voraussetzung für die Ausübung eines Berufs außerhalb des
öffentlichen Dienstes ist, kommt eine Entlassung nur in begründeten Ausnahmefällen in
Betracht.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.08.2007 - 6 B 887/07 -, juris.
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Sie kann aber auch in diesem Fall dann gerechtfertigt sein, wenn begründete Zweifel an
der gesundheitlichen und persönlichen Eignung für die angestrebte Beamtenlaufbahn
bestehen, wobei diese Eignung nicht nur an den Anforderungen des
Vorbereitungsdienstes, sondern auch an denen des dem Beamten auf Lebenszeit zu
übertragenden Amtes zu messen ist. Insoweit ist der Entlassungsschutz kein stärkerer
als derjenige eines Probebeamten, der entlassen werden kann, wenn er sich in der
Probezeit wegen mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung nicht
bewährt.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 48.78 -, a.a.O.
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Die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte hinsichtlich der Frage, ob der Dienstherr von
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berechtigten Zweifeln an der Eignung eines Widerrufsbeamten ausgehend konnte, ist
eingeschränkt. Während von den Verwaltungsgerichten in vollem Umfang der den
angenommenen Zweifeln von dem Dienstherrn zugrunde gelegte Sachverhalt auf seine
Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden kann, ist die Kontrolle im Übrigen
darauf beschränkt, ob der Dienstherr den Rechtsbegriff der Eignung verkannt oder er bei
der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht
beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat. Maßgebend für die Prüfung der
Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung ist hierbei die Sach- und Rechtslage zum
Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, BVerwGE 61, 176 ff. und Urteil vom
09.06.1981 - 2 C 48.78 -, a.a.O.
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Das beklagte Land ist bei seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass dem
Kläger die persönliche Eignung für die angestrebte Laufbahn eines Polizeibeamten
fehlt, da diesbezüglich erhebliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung bestehen.
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Die Kammer ist auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt,
dass die vom Beklagten gegen den Kläger in der Entlassungsverfügung vom
24.03.2009 erhobenen Vorwürfe berechtigt sind.
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Sie sieht es als erwiesen an, dass der Kläger am 12.10.2008 vor der Diskothek in I. die
Zeugin B. -F. T. derart geschlagen hat, dass diese rücklings zu Boden stürzte. Dies
ergibt sich bereits aus den im wesentlichen übereinstimmenden und glaubhaften
Angaben der Zeugen W. , L1. , T. und C1. . So haben die Zeugen W. und L1. , die zum
fraglichen Zeitpunkt als Türsteher vor bzw. in der Discothek gearbeitet hatten,
übereinstimmend davon berichtet, dass der Kläger der Zeugin T. nach einem Streit
einen Faustschlag versetzt hatte, so dass diese zu Boden ging. Auch die Zeugin C1. hat
dies bei ihrer Aussage im Wesentlichen bestätigt: Sie wisse zwar nicht, ob es ein
Schlag mit der Faust oder mit der flachen Hand gewesen sei, jedenfalls habe der Kläger
ihrer Freundin "eine rein gehauen", so dass diese zu Boden stürzte. Auch die Zeugin T.
als Geschädigte wusste bei ihrer Vernehmung davon zu berichten, dass der Kläger ihr
nach einem Streit mit der Hand einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzt hatte. Die
Kammer hat keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen zu zweifeln, zumal
sie bereits bei ihrer polizeilichen Vernehmung und bei ihrer zeugenschaftlichen
Einvernahme vor dem Amtsgericht I. den Geschehensablauf im Kernbereich genauso
geschildert hatten. Auch bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung kam bei
der Kammer aufgrund des besonnenen und zurückhaltenden Aussageverhaltens der
Zeugen zu keinem Zeitpunkt der Eindruck auf, dass diese Zeugen von nicht wirklich
Erlebten berichtet oder den ganzen Vorfall zu Lasten des Klägers "aufgebauscht"
hätten. Demgegenüber ist die Aussage des Zeugen K. wenig ergiebig. Sie ist
unglaubhaft, und der Zeuge wirkte unglaubwürdig. Er verfolgte erkennbar das Ziel, den
Kläger, mit dem er befreundet ist, zu entlasten bzw. das ganze Geschehen zu
verharmlosen: So blieben die Angaben des Zeugen zu dem Kerngeschehen wie auch
schon bei seiner polizeilichen Vernehmung und seiner zeugenschaftlichen
Einvernahme vor dem Amtsgericht I. sehr vage und oberflächlich, obwohl er sich
während der Auseinandersetzung in unmittelbarer Nähe der "Kontrahenten" befunden
hatte.
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Ob die Zeugin T. dem Kläger vor dessen Schlag selbst eine Ohrfeige versetzt hatte,
kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn die Zeugin den Kläger zuvor geohrfeigt
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haben sollte, wäre dessen Reaktion hierauf - auch angesichts seiner körperlichen
Überlegenheit - vollkommen unangemessen und nicht gerechtfertigt gewesen.
Polizeibeamte haben die Aufgabe, die Rechtsordnung und die Rechtsgüter Einzelner,
zu welchen u.a. die Ehre und die körperliche Integrität zählen, zu schützen und gegen
diese Rechtsgüter gerichtete Straftaten zu verhindern bzw. zu verfolgen. Von einem mit
solchen Aufgaben und entsprechenden Befugnissen betrauten Beamten erwartet die
Öffentlichkeit, dass er sich selbst straffrei hält und insbesondere auch keine
Körperverletzungen oder Beleidigungen begeht. Tut er dies doch, so handelt er seinem
Auftrag in grober Weise zuwider. Polizeibeamte sind in einem durch das
Gewaltmonopol des Staates geprägten Kernbereich der öffentlichen Verwaltung tätig,
sie müssen in deeskalierenden und Verteidigungstechniken besonders geübt sein und
über die hierzu benötigte Grundeinstellung verfügen oder sich diese aneignen. Ein
Polizeivollzugsbeamter, bei dem aufgrund seiner Ausbildung und dem charakterlichen
Anforderungsprofil gerade das Gegenteil erwartet werden muss, darf nicht in der
Öffentlichkeit ein von Aggressivität und Unbeherrschtheit gegen Menschen
gekennzeichnetes Verhalten an den Tag legen, wie es der Kläger bei dem Vorfall am
frühen Morgen des 12.10.2008 getan hat, indem er die Zeugin T. so ins Gesicht schlug,
dass sie stürzte.
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Wenn der Beklagte aus diesem zur Überzeugung des Gericht nachgewiesenen Vorfall
in Zusammenhang mit dem in der (bestandskräftigen) Pflichtenmahnung vom
18.07.2008 festgestellten weiteren außerdienstlichen Fehlverhalten auf die
charakterliche Ungeeignetheit des Klägers schließt, ist dies rechtlich nicht zu
beanstanden, zumal der Kläger sich augenscheinlich durch die Pflichtenmahnung nicht
hat beeindrucken lassen.
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Der vom Beklagten auf dieser Grundlage verfügten Entlassung des Klägers aus dem
Beamtenverhältnis auf Widerruf steht § 35 Abs. 2 Satz 1 LBG a.F. nicht entgegen. Das
Durchlaufen des Vorbereitungsdienstes für den Polizeivollzugsdienst bzw. das
Bestehen der entsprechenden Laufbahnprüfung ist keine - rechtliche - Voraussetzung,
um eine berufliche Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes auszuüben.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.01.2006 - 1 B 1893/05 -, juris.
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Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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