Urteil des VG Minden vom 24.06.2002

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Verwaltungsgericht Minden, 10 K 1310/00
Datum:
24.06.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 1310/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Gebühren für das Endurteil trägt der
Kläger. Die Kosten des Verfahrens im Übrigen trägt der Beklagte. Das
Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger, ein Arzt für J. N. , hat eine eigene Praxis. Das L. E. berief ihn mit Bescheid
vom 17. September 1999 für die Zeit vom 20. September, einem Montag, bis 30.
November 1999 mit dem Dienstgrad P. zu einer besonderen Auslandsverwendung - es
ging um eine Tätigkeit im L. - ein. Tatsächlich leistete der Kläger nur bis 31. Oktober
1999, einem Sonntag, Wehrdienst. In der Zeit seiner Abwesenheit wurde er in seiner
Praxis durch Dr. H. , ebenfalls Arzt für J. N. , vertreten. Dieser erhielt aufgrund eines mit
dem Kläger geschlossenen Vertrages dafür 500,00 DM täglich "durchgehend",
außerdem einen Leihwagen; der Kläger erstattete ihm zudem die Kosten für Unterkunft
und Verpflegung.
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Noch vor Dienstantritt war von dem Kläger, der sich in dieser Angelegenheit bereits im
April 1999 an den Beklagten gewandt und dabei eine Auskunft bezüglich der
Leistungen für Selbstständige bei Einberufung zu einer Wehrübung nach § 13 a USG
erhalten hatte, ein auf solche Leistungen zielender Antrag gestellt worden.
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Mit vorläufigem Bescheid vom 29. September 1999 bewilligte der Beklagte dem Kläger
gem. § 13 a Abs. 2 USG 5.328,00 DM (72 Tage à 74,00 DM). Dagegen erhob letzterer
"prophylaktisch" Wider-spruch für den Fall, dass es zu keinen weiteren Zahlungen
kommen sollte.
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Mit (endgültigem) Bescheid vom 08. Dezember 1999 bewilligte der Beklagte ihm
Leistungen in Höhe von (15.000,00 DM + 1.737,50 DM =) 16.737,50 DM; ausgezahlt
wurden (16.737,50 DM - 5.328,00 DM =) 11.409,50 DM. An Kosten für die Ersatzkraft
wurden dabei "entsprechend den regelmäßigen Öffnungszeiten der Praxis (montags -
freitags)" 30 x 500,00 DM (= 15.000,00 DM), nämlich für die Zeiträume vom 20. -
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24.09.1999, 27.09. - 01.10.1999, 04. - 08.10.1999, 11. - 15.10.1999, 18. - 22.10.1999
sowie 25. - 29.10.1999 anerkannt; den Teilbetrag von 1.737,50 DM gewährte der
Beklagte für Unterbringung und Verpflegung von Dr. H. .
Am 27. Dezember 1999 erhob der Kläger Widerspruch: Er habe sich seinerzeit
entschlossen, an einer mehrwöchigen Wehrübung im L. teilzunehmen, angesichts des
Unrechts, welches dort geschehen sei, etwa den Morden sowie den
Massenvergewaltigungen, obschon bei Einsatz eines Vertreters in der Praxis Einbußen
zu erwarten gewesen seien. Der Beklagte habe ihm unter dem 27. April 1999 mitgeteilt,
es könnten Aufwendungen bis zu einer Höchstgrenze von 600,00 DM je Wehrdiensttag
erstattet werden. Er, der Kläger, habe sich vorsorglich mit dem KV-Vorsitzenden des
Kreises M. beraten. Der habe ihm mitgeteilt, dass Beträge über 500,00 DM pro
Wehrdiensttag nicht plausibel seien. Deshalb habe er mit dem Vertreter eine
entsprechende Vergütung vereinbart. Somit beantrage er die Erstattung weiterer 500,00
DM pro Wehrdiensttag für die bislang nicht berücksichtigten Wochenenden (25., 26.09.;
02, 03.10.; 09., 10.10.; 16., 17.10.; 23., 24.10.; 30., 31.10.1999 = 12 x 500,00 DM).
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Darauf antwortete ihm der Beklagte: Sollte Dr. H. an den entsprechenden Wochenenden
tatsächlich tätig gewesen sein, bitte man um entsprechende Nachweise. Ggf. werde
dann eine Nachzahlung veranlasst.
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Nachdem der Kläger einen solchen Nachweis nicht geführt hatte, wies die
Bezirksregierung E. den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2000
unter Bezugnahme auf vorangegangenen Schriftverkehr zurück: Der Beklagte habe die
Rechtslage ausführlich und zutreffend dargestellt.
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Der Kläger hat am 14. April 2000 Klage erhoben: Sowohl die Informationsschrift des
Bundesministeriums der Verteidigung für Wehrübende als auch die gesetzlichen
Vorschriften sprächen immer von einer Verdienstausfallentschädigung "je
Wehrdiensttag". Angesichts dessen habe er davon ausgehen dürfen und müssen, dass
die Entschädigung auch je Wehrdiensttag gezahlt werde. Im Übrigen habe er auf die
entsprechende Auskunft des Beklagten (vom 27. April 1999) vertrauen dürfen. -
Außerhalb der Sprechzeiten fänden Untersuchungen statt, würden Hausbesuche
durchgeführt, Notfälle versorgt, Nacht- und Wochenenddienste verrichtet.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 08. Dezember
1999 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 an ihn weitere
6.000,00 DM zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Kläger habe den Vertrag mit seinem Vertreter nicht vorher mit der
Unterhaltssicherungsbehörde abgestimmt. Ihm sei auch nicht zugesagt worden, dass er
die vorgesehene Vergütung von 500,00 DM täglich auch für die Tage erstattet erhalten
werde, an denen der Vertreter keine Tätigkeit für die Praxis verrichte. - Wenn der Kläger
nachweise, an welchen Sonnabenden und Sonntagen sein Vertreter Dienst gehabt
habe, sei man bereit, für diese Tage den Betrag von 500,00 DM nachzuzahlen und ihn
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insoweit klaglos zu stellen. Das Gleiche gelte für die Sonnabende und Sonntage, an
denen der Vertreter nachweislich Patienten behandelt habe.
Die Kammer hat dem Kläger mit Beschluss aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.
Januar 2001 aufgegeben, detailliert zu beschreiben, welche Tätigkeiten er im Rahmen
seiner Praxis zu erledigen hat und - ausgehend davon - was sein Vertreter Dr. H.
insoweit nicht zu erledigen hatte. Nachdem die entsprechenden Angaben mit Schriftsatz
vom 28. März 2001 unterbreitet worden sind, hat die Kammer eine Auskunft des
Hauptgeschäftsführers der Ärztekammer X. -M. (vom 20. Mai 2002) eingeholt. Wegen
der zugrunde liegenden Anfrage wird auf Blatt 71 - 76 der Gerichtsakte, wegen der
Antwort auf Blatt 77, 78 und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes auf die Gerichtsakte im Übrigen, den Verwaltungsvorgang des Beklagten
(1 Heft) und den bei der Bezirksregierung E. geführten Widerspruchsvorgang (1 Heft)
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
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Der Kläger hat im Zusammenhang mit der Vertretung, zu der es während seiner
wehrdienstbedingten Abwesenheit in der Zeit vom 20. September bis 31. Oktober 1999
gekommen ist, keinen Anspruch auf weitere Leistungen nach dem
Unterhaltssicherungsgesetz. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus § 13 a Abs. 2
USG.
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Der Bestimmung zufolge wurden in dem hier relevanten Zeitraum dem Wehrpflichtigen
zur Fortführung des Betriebs oder der selbstständigen Tätigkeit während des
Wehrdienstes die angemessenen Aufwendungen für eine Ersatzkraft, die an seiner
Stelle tätig wird, ... bis zu 600,00 DM pro Wehrdiensttag erstattet. Daraus folgt, dass der
von der Unterhaltssicherungsbehörde zu leistende Betrag der Höhe nach in doppelter
Hinsicht begrenzt ist: Das eine Limit ergibt sich aus dem in der Bestimmung normierten
Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit. Mehr als die angemessenen Aufwendungen
werden dem Wehrpflichtigen auf keinen Fall erstattet. Auch diese werden aber nicht
stets in vollem Umfang übernommen. Insgesamt erhält der Wehrpflichtige insoweit nicht
mehr als 600,00 DM je Wehrdiensttag. Liegen die angemessenen Aufwendungen über
dieser Grenze, so findet bezüglich des übersteigenden Teilbetrages eine Erstattung
nicht statt. Allein in der beschriebenen Wirkung erschöpft sich die Bedeutung des
gesetzlichen Tatbestandsmerkmals "bis zu 600,00 DM je Wehrdiensttag". Insbesondere
ist es also nicht so, dass sich aus dieser Wendung etwas für die Frage ergibt, wie hoch
die angemessenen Aufwendungen für die Ersatzkraft sind. Diese Frage ist auf der
Grundlage der konkreten Verhältnisse zu beantworten.
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Im vorliegenden Falle entnimmt die Kammer der von ihr eingeholten amtlichen Auskunft
der Ärztekammer X. - M. vom 20. Mai 2002, dass die angemessenen Aufwendungen für
eine Ersatzkraft im Herbst 1999 nicht über dem Betrag lagen, den der Beklagte dem
Kläger bislang erstattet hat. Danach haben deren Recherchen ergeben, dass j. Vertreter
in einer Größenordnung von EUR 130,00 bis zu EUR 250,00 pro Tag bezahlt werden,
und zwar nur für die Tage, an denen tatsächlich vertreten wurde.
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Was der Kläger danach jeweils für die Zeiträume von Montag bis Freitag zu erhalten
hatte, hat er bekommen. Dass sein Vertreter Dr. H. in der Zeit vom 20. September bis 31.
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Oktober 1999 jemals an einem Wochenende als Praxisvertreter tätig geworden ist, ist
auszuschließen. Der Beklagte hat dem Kläger wiederholt erklärt, es fände eine weitere
Erstattung statt, wenn in dieser Hinsicht ein entsprechender Nachweis geführt würde.
Das ist seitens des Klägers unterblieben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 5, 154 Abs. 1 VwGO.
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Weder der Beklagte noch die Widerspruchsbehörde haben die Frage, was im
vorliegenden Fall "angemessene Aufwendungen für eine Ersatzkraft" sind, geklärt
(obschon sie um die Notwendigkeit entsprechender Ermittlungen wussten - vgl. die
Auskunft des Beklagten vom 27.04.1999 -). Es kam durchaus in Betracht, dass es üblich
ist, den Vertreter "durchgehend" zu bezahlen (mit einem dann niedrigeren Betrag), statt
nur für die Tage, an denen er effektiv tätig wird (mit einem dann höheren Betrag). Weil
es seitens der beteiligten Behörden insoweit nicht zu Feststellungen gekommen ist,
haben sie objektiv (und im Übrigen schuldhaft) den Widerspruch sowie die
Klageerhebung veranlasst. Das rechtfertigt die Anwendung von § 155 Abs. 5 VwGO zu
Lasten des Beklagten. Die Urteilsgebühr trägt der Kläger, weil er den Prozess fortgeführt
hat, obschon die Kammer die Auskunft vom 20. Mai 2002 eingeholt hat und er darauf
hätte reagieren können.
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Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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