Urteil des VG Minden vom 25.10.2000

VG Minden: öffentliche aufgabe, verwaltung, stadt, informationsstand, realisierung, bebauungsplan, ergänzung, gemeindeordnung, ausschluss, bekanntmachung

Verwaltungsgericht Minden, 3 K 13/00
Datum:
25.10.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 13/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des
Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die
Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 250,00 DM
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in dieser
Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Rat der Beklagten beschloss am 29. März 1973 den Bebauungsplan Nr. 37 B, mit
dem das Gebiet "Auf dem E. " als Gewerbegebiet ausgewiesen wurde. Nachdem bereits
im Zuge der III. Änderung des Bebauungsplanes mit Beschluss vom 8. September 1994
bestimmte Nutzungen - darunter Geschäftsgebäude (Handelsbetriebe) einschließlich
Einzelhandelsverkaufsstellen für Nahrungs- und Genussmittel - ausgeschlossen worden
waren, beschloss der Rat am 10. Juni 1998 die VI. Änderung des Bebauungsplans mit
dem Ziel "Anlagen für kirchliche, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke sowie
Vergnügungs- und Gaststätten auszuschließen". Hintergrund war die Bauvoranfrage
eines Investors, der in dem Gebiet eine Mehrzweckhalle mit verschiedenen
Nebenanlagen errichten wollte. Die Änderung des Bebauungsplanes sollte nach der
Sitzungsvorlage dazu dienen, die Rechtsgrundlage für das Zurückstellen von
Baugesuchen gemäß § 15 BauGB bis zum Abschluss des
Bauleitplanänderungsverfahrens zu bieten. Der Investor zog seine Bauvoranfrage
daraufhin am 24. August 1998 zurück. Das Planaufstellungsverfahren ist bis heute nicht
abgeschlossen.
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Nachdem bekannt geworden war, dass der Investor nunmehr Interesse daran habe, statt
einer Mehrzweckhalle eine Eissporthalle mit Freizeitzentrum zu errichten, beauftragte
der Rat die Verwaltung im Frühjahr 1999, zu prüfen, wo ein solches Vorhaben realisiert
werden könne; eine Bauvoranfrage oder ein Bauantrag war seitens des Investors nicht
gestellt worden. Auf der Grundlage der daraufhin von der Verwaltung vorgelegten
Standortuntersuchung beschloss der Rat am 25. August 1999, die
Sortimentseinschränkung im rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 37 B (III.
Änderung) sowie den Beschluss des Rates vom 10. Juni 1998 über die VI. Änderung
des Bebauungsplanes mit den formulierten Ausschlüssen bestehen zu lassen.
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Die Freie Bürger-Initiative Q. veranlasste daraufhin ein Bürgerbegehren mit folgender
Fragestellung:
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"Ich unterstütze mit meiner Unterschrift das Bürgerbegehren für eine Eissporthalle mit
Freizeitzentrum "Auf dem E. " (Bebauungsplan 37B)!
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Begründung: Der Rat der Stadt Q. hat den Antrag eines privaten Investors, im Bereich
von Brachflächen "Auf dem E. " eine Eissporthalle mit Freizeitzentrum zu errichten, mit
den Stimmen von CDU, SPD und Grünen abgelehnt. Hiermit werden Investitionen in der
Größenordnung vom 50 Mio. DM, die dem Handwerk unserer Stadt zugute kommen
können, sowie Arbeitsplätze verhindert. Q. hätte um eine Attraktion reicher sein können,
aber die Parteien haben das aus ideologischen Gründen verhindert. Besucher der
Eissporthalle würden auch die Innenstadt mit Gastronomie und ihren
Einkaufsmöglichkeiten beleben.
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Kostendeckungsvorschlag: Die Kosten für das Freizeitzentrum trägt der Investor.
Folgekosten für die Stadt entstehen nicht."
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Als Vertretungsberechtigte des Begehrens sind beide Kläger angegeben worden.
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Am 6. Oktober 1999 wurden der Beklagten ca. 15.000 Unterschriften vorgelegt, von
denen die meisten am 26. Oktober 1999, dem Tag der Stichwahl der Kommunalwahlen,
vor den Wahllokalen gesammelt worden waren. Bauzeichnungen und Pläne betreffend
das Vorhaben lagen an diesem Tag nicht aus; diese konnten lediglich an einem
Informationsstand der Bürgerinitiative in der Innenstadt von Q. , der über vier Wochen
drei- bis viermal wöchentlich aufgestellt war, eingesehen werden.
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In seiner Sitzung vom 4. November 1999 stellte der Rat fest, dass das Bürgerbegehren
für eine Eissporthalle mit Freizeitzentrum "Auf dem E. " unzulässig sei.
Dementsprechend wurden die Kläger als Vertretungsberechtigte des Bürgerbegehrens
unter dem 22. November 1999 beschieden.
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Die Kläger erhoben am 30. November 1999 Widerspruch, den die Beklagte mit
Widerspruchsbescheiden vom 20. Dezember 1999 zurückwies.
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Die Kläger haben am 4. Januar 2000 Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, es liege
kein Ausschlussgrund nach § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO vor. Der Negativkatalog in § 26 GO sei
eng auszulegen, um das demokratische Mitwirkungsinstrument des Bürgerentscheides
nicht praktisch leer laufen zu lassen. Ihr Begehren sei nicht gegen die Beschlüsse des
Rates zur VI. Änderung des Bebauungsplanes, sondern auf eine konkret-individuelle
Einzelfallentscheidung, nämlich die Errichtung einer Eissporthalle, gerichtet. Die
Verwaltung habe in ihrer Beschlussvorlage für die Ratssitzung vom 25. August 1999
auch einen Weg aufgezeigt, der eine Verwirklichung des Vorhabens ohne
Bebauungsplanänderung ermögliche. Bundesrecht gebiete keine andere Beurteilung;
die maßgeblichen Regelungen fänden sich vielmehr in den Landesgesetzen. Dass ein
Bürgerentscheid das komplexe mehrstufige Planaufstellungsverfahren nicht ersetzen
könne, führe nicht dazu, dass ein Aufstellungsbeschluss nicht bürgerbegehrensfähig
sei. § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO erfasse allenfalls den Satzungsbeschluss, um den es hier aber
nicht gehe. Abgesehen davon, dass die Pläne an ihrem Informationsstand vier Wochen
ausgelegen hätten und jedem Interessierten erläutert worden seien, sei die Öffentlichkeit
durch Plakate und Presseartikel sowie Vorstellung der Pläne gegenüber den
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Ratsfraktionen informiert gewesen. Damit habe zum Zeitpunkt der Stichwahl jeder, der
unterschrieben habe, gewusst, worum es gegangen sei. Das zur Entscheidung gestellte
Bürgerbegehren ergebe mit hinreichender Deutlichkeit, dass eine
Grundsatzentscheidung im bauplanungsrechtlichen Bereich getroffen werden solle, die
es dem Investor ermögliche, im Gebiet "Auf dem E. " eine Eissporthalle zu errichten.
Die Kläger beantragen,
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die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 22. November 1999 und der
Widerspruchsbescheide vom 20. Dezember 1999 zu verpflichten, das Bürgerbegehren
für eine Eissporthalle mit Freizeitzentrum "Auf dem E. " für zulässig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, das Bürgerbegehren unterfalle jedenfalls der
Ausschlussvorschrift des § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO. Deshalb sei bislang davon abgesehen
worden, die vorgelegten Unterschriften zu prüfen; sie gehe aber davon aus, dass das
erforderliche Quorum erreicht sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Hefte) Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässigerweise erhobene Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die ablehnenden
Bescheide der Beklagten vom 22. November 1999 und 20. Dezember 1999 sind
rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Sie haben keinen Anspruch auf Feststellung
durch die Beklagte, dass das Bürgerbegehren für eine Eissporthalle "Auf dem E. "
zulässig ist.
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1. Dem Bürgerbegehren steht zunächst der § 26 Abs. 5 Nr. 6 der Gemeindeordnung für
das Land Nordrhein-Westfalen (GO) entgegen. Nach dieser Vorschrift ist ein
Bürgerbegehren über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von
Bauleitplänen unzulässig.
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Die Realisierung der begehrten Errichtung einer Eissporthalle im Gebiet "Auf dem E. "
macht eine Änderung der Ratsbeschlüsse vom 10. Juni 1998 und 25. August 1999
erforderlich, mit denen der Rat die VI. Änderung des Bebauungsplans Nr. 37 B
beschlossen bzw. aufrechterhalten hat. Mit dieser Bebauungsplanänderung sind (u.a.)
Anlagen für sportliche Zwecke sowie Vergnügungs- und Gaststätten im Planbereich
ausgeschlossen worden, sodass der Errichtung einer Eissporthalle mit Freizeitzentrum
diese Beschlüsse entgegenstehen. Soweit die Kläger vorgetragen haben, die
Verwaltung habe in ihrer Beschlussvorlage für die Ratssitzung am 25. August 1999 eine
Möglichkeit aufgezeigt, eine Eissporthalle im Gebiet "Auf dem E. " ohne Modifizierung
des Beschlusses vom 10. Juni 1998 zuzulassen, ist dies unzutreffend. Sämtliche unter
Punkt 2 der Vorlage aufgeführten Beschlussvorschläge sehen eine Änderung oder
Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses zur VI. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 37
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B vor.
Dass sich das Bürgerbegehren seinem Wortlaut nach nicht gegen die Ratsbeschlüsse
vom 10. Juni 1998 oder 25. August 1999 wendet, sondern lediglich konkret die
Errichtung einer Eissporthalle mit Freizeitzentrum fordert, ändert am Eingreifen des
Ausschlusstatbestandes § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO nichts. Welchen Inhalt ein
Bürgerbegehren hat, kann schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht von seiner
Formulierung abhängig sein; zur Bestimmung dessen, was Gegenstand des Begehrens
ist, ist vielmehr eine materielle Prüfung erforderlich.
23
So auch Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 3. September 1999 - 4 K 2849/97 -,
Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 2000, 269 (270) m.w.N.
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Sonst könnten nahezu sämtliche gesetzlichen Vorschriften zu den formalen und
materiellen Anforderungen an Bürgerbegehren und Bürgerentscheid und damit auch an
sich bestehende Zulassungshindernisse durch eine entsprechende Formulierung
unterlaufen werden.
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Die Notwendigkeit, die Zulässigkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid anhand
deren materiellen Gehaltes zu beurteilen, folgt auch aus einer weiteren Überlegung.
Würde man ein Bürgerbegehren - und damit einen späteren Bürgerentscheid - über ein
konkretes, mit den Festsetzungen eines Bebauungsplanes unvereinbares Bauvorhaben
zulassen, käme es zu zwei unauflösbar widersprüchlichen Handlungsaufträgen an die
Verwaltung, die einerseits an die Entscheidungen im Bauleitplanverfahren gebunden
wäre und andererseits den diesen Entscheidungen zuwiderlaufenden, gemäß § 26 Abs.
8 Satz 1 GO mit den Wirkungen eines Ratsbeschlusses ausgestatteten Bürgerentscheid
umsetzen müsste.
26
Vgl. Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 3. September 1999, a.a.O. S. 270 f.
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Würde dieser Widerspruch zu Gunsten des Bürgerbegehrens aufgelöst werden, ließe
sich der Ausschlusstatbestand in § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO ungeachtet der materiell mit
einem Bürgerbegehren verbundenen Änderung eines Bauleitplanes immer dadurch
umgehen, dass formal ausschließlich an ein konkretes Bauvorhaben angeknüpft wird.
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Dass das Bürgerbegehren eine andere Entscheidung als die mit den Ratsbeschlüssen
vom 10. Juni 1998 und 25. August 1999 getroffene anstrebt und sich damit inhaltlich
gegen die VI. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 37 B richtet, ergibt sich aus den es
begleitenden äußeren Umständen. Das Bürgerbegehren wurde unmittelbar nach dem
Ratsbeschluss vom 25. August 1999 eingeleitet, und Anlass für diesen Ratsbeschluss
war gerade das nun mit dem Bürgerbegehren verfolgte Bauvorhaben. Auch die Kläger
selbst haben im gerichtlichen Verfahren ausführen lassen, es sei ihnen um eine
"Grundsatzentscheidung im bauplanungsrechtlichen Bereich" - die mit den o.g.
Ratsbeschlüssen bereits getroffen war - gegangen.
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Der Auffassung der Kläger, nach der gebotenen restriktiven Auslegung dürfe der
Ausschlusstatbestand § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO nicht eingreifen, wenn - wie hier - das
Planaufstellungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, kann nicht gefolgt werden.
Den Gesetzesmaterialien ist eindeutig der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen,
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid über Angelegenheiten grundsätzlich
auszuschließen, die im Rahmen eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit
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Öffentlichkeitsbeteiligung zu entscheiden sind (vgl. § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO), weil für diese
ohnehin eine Bürgerbeteiligung durchzuführen ist. Zu diesen Verfahren gehören auch
die in § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO "wegen ihrer besonderen Bedeutung beispielhaft
aufgeführten Planfeststellungsverfahren (...) und Bauleitpläne".
LT-Drs. 11/4983, S. 8
31
Einen umfassenden Ausschluss aller Angelegenheiten im Zusammenhang mit der
Bauleitplanung gebieten des Weiteren die bundesrechtlichen Regelungen des
Baugesetzbuches (BauGB). Zum einen ist der dort vorgeschriebene, differenzierte
Planungs- und Abwägungsvorgang (vgl. §§ 1 Abs. 6, 3 und 4 BauGB) einer
unmittelbaren Entscheidung durch die Bürger nur schwer zugänglich
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- so Rehn/Cronauge/von Lennep, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
Kommentar, 2. Auflage (Stand: Mai 2000), § 26 Anm. VI 6 (S. 14) -,
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während es einem Repräsentativorgan leichter möglich ist, eine an der Sache orientierte
und eventuell auch einen Kompromiss enthaltende Entscheidung zutreffen,
34
vgl. auch Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. November 1997 - 7 A
1241/96 -..
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Zum anderen würde sonst durch § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO die Geltendmachung eines
Anspruchs auf Planung zugelassen, den § 1 Abs. 3 BauGB gerade ausschließt. Nach §
2 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat allein die Gemeinde die örtliche Planungshoheit; Abs. 3
bestimmt i.V.m. Abs. 4 der Vorschrift, dass niemand einen Anspruch auf Aufstellung,
Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bauleitplans hat. Dementsprechend
verneint das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung auch mit Blick auf
gesetzliche Regelungen außerhalb des Baugesetzbuches Ansprüche Dritter auf
bestimmte Planungsmaßnahmen: Die Gemeinde nehme mit der Bauleitplanung eine
öffentliche Aufgabe wahr, die ihr im Interesse der Allgemeinheit obliege. Wie § 1 Abs. 3
BauGB zeige, habe sich die Gemeinde dabei an der städtebaulichen Entwicklung und
Ordnung, nicht aber von individuellen Interessen Einzelner leiten zu lassen. § 2 Abs. 3
BauGB dulde daher keine Ausnahme.
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Beschluss vom 9. Oktober 1996 - BVerwG 4 B 180.96 -, Baurecht (BauR) 1997, 263
m.w.N.
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Gibt es danach keinen subjektiven Planungsanspruch, sondern haben Bürger nur
Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Interessen im Rahmen der Abwägung, dann kann
ein Anspruch auf bestimmte Planungsmaßnahmen auch nicht kollektiv über
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid geltend gemacht werden.
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So auch Looman, Bürgerbegehren auf Aufstellen oder Unterlassen von
Bebauungsplänen - Verstoß gegen die kommunale Planungshoheit?, NVwZ 1998, 1271
ff.
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2. Des Weiteren steht der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens § 26 Abs. 3 GO entgegen.
Danach muss ein Bürgerbegehren, das sich gegen einen Beschluss des Rates wendet,
innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntmachung bzw. - falls der Beschluss nicht
der Bekanntmachung bedarf - innerhalb von drei Monaten nach dem Sitzungstag
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eingereicht sein. Wie bereits dargelegt, stellt das Bürgerbegehren für eine Eissporthalle
"Auf dem E. " nach seinem materiellen Gehalt (auch) ein in diesem Sinne auf Kassation
eines Ratsbeschlusses gerichtetes Begehren dar, da die Realisierung eines positiven
Bürgerentscheides die Aufhebung des Beschlusses vom 10. Juni 1998 über die VI.
Änderung des Bebauungsplanes und des diesen Beschluss bestätigenden
Beschlusses vom 25. August 1999 erfordert. Der Annahme eines kassatorischen
Begehrens steht - erneut - nicht entgegen, dass diese Ratsbeschlüsse im Text des
Bürgerbegehrens nicht erwähnt werden.
So auch Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 31. Mai 1999 - 4 K 7677/96 -, NWVBl.
2000, 155 (157) m.w.N.
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Die damit gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 GO zum Zuge kommende Frist von sechs Wochen
ist durch das am 6. Oktober 1999 eingereichte Bürgerbegehren nicht gewahrt worden.
Der Aufstellungsbeschluss vom 10. Juni 1998, der Anlagen für sportliche Zwecke im
Gebiet "Auf dem E. " ausschließt und zur Realisierung einer Eissporthalle aufgehoben
werden müsste, ist am 17. Juni 1998 öffentlich bekannt gemacht worden, sodass die
Frist am 17. September 1998 ablief. Der Ratsbeschluss vom 25. August 1999 hat diese
Frist nicht erneut in Lauf gesetzt. Der Rat hat sich zwar erneut mit der Sachlage,
insbesondere mit der von der Verwaltung vorgelegten Standortuntersuchung
beschäftigt. Gegen die Behandlung des Ratsbeschlusses vom 25. August 1999 nach
den Regeln über einen sog. Zweitbescheid mit der Folge, dass die Frist des § 26 Abs. 3
GO erneut zu laufen beginnt, spricht aber, dass es sich nicht um dieselbe Entscheidung
wie die vom 10. Juni 1998 handelt. Mit dem letztgenannten Beschluss hat sich der Rat
für die Änderung des Bebauungsplanes Nr. 37 B durch den Ausschluss von bestimmten
Anlagen ausgesprochen. Der Beschluss vom 25. August 1999 trifft diese Entscheidung
jedenfalls nicht insgesamt neu, sondern bestätigt lediglich den damaligen Beschluss
und die - bereits 1994 beschlossene - Sortimentseinschränkung durch die III. Änderung
des Bebauungsplanes. Dementsprechend ist der Beschluss vom 25. August 1999 nicht
- was bei einem (erneuten) Planaufstellungsbeschluss erforderlich gewesen wäre -
öffentlich bekannt gemacht und auch das bereits in Gang gesetzte förmliche Verfahren
nicht von vorne begonnen worden. Es wird vielmehr an den vorangegangenen
Ratsbeschluss und die nach wie vor von diesem ausgehenden Wirkungen angeknüpft.
Dies verdeutlicht, dass auch ein gegen einen wiederholenden Beschluss erhobenes
Bürgerbegehren in Wirklichkeit immer noch gegen den ersten Ratsbeschluss gerichtet
ist; der wiederholende Beschluss bekräftigt lediglich die bereits bestehenden
Rechtswirkungen, ohne neue zu erzeugen.
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Vgl. Rehn/Cronauge/von Lennep, a.a.O. § 26 Anm. IV (S. 9).
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Des Weiteren sprechen Gründe des Bestands- und Vertrauensschutzes und der
Verwaltungsökonomie sowie die ansonsten bestehenden Missbrauchsmöglichkeiten
dafür, auf den ersten Beschluss abzustellen. Zum einen könnte § 26 Abs. 3 GO sonst
dadurch umgangen werden, dass "die Initiatoren eines Bürgerbegehrens im
Zusammenwirken mit einer Ratsfraktion (...) eine erneute Debatte des Rates über eine
an sich nicht mehr bürgerbegehrenfähige Angelegenheit erzwingen"
44
- vgl. Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 19. November 1999 - 4 K 7263/97 -, NWVBl.
2000, 193 (194) -;
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auf der anderen Seite würde eine solche Möglichkeit dazu führen, dass der Rat es mit
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Blick auf den sonst wieder beginnenden Fristlauf a priori ablehnen wird, sich auf den
Antrag von Minderheitsfraktionen erneut mit Sachverhalten zu befassen, die bereits
Gegenstand einer Beschlussfassung waren. Dies wäre aber mit den Grundsätzen für
eine geordnete Ratsarbeit nicht zu vereinbaren.
Eine seit der (ersten) Entscheidung des Rates so wesentlich geänderte Sachlage, dass
sich damit die Erwägung begründen ließe, die kassierende Wirkung des
Bürgerbegehrens sei gegenüber seinem Ziel, adäquat auf geänderte Umstände zu
reagieren, in den Hintergrund getreten,
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vgl. dazu Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 31. Mai 1999, a.a.O. S. 156 f.,
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ist nicht gegeben. Vielmehr entsprach die Sachlage zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung am 10. Juni 1998 nahezu derjenigen, die zu dem bestätigenden
Beschluss vom 25. August 1999 führte; Hintergrund war in beiden Fällen, dass der
Investor eine Sportanlage im Gebiet "Auf dem E. " errichten wollte.
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3. Schließlich ist das Bürgerbegehren auch deshalb unzulässig, weil es unbestimmt ist.
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Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 GO muss das Bürgerbegehren neben der Entscheidung zu
bringenden Frage auch eine Begründung enthalten. Zwar ist den Klägern zuzugeben,
dass an die Formulierung und die äußere Form des Bürgerbegehrens keine
übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Der Inhalt des Begehrens muss
dem Text aber mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, da die Bürger wissen
müssen, welches Anliegen sie mit ihrer Unterschrift unterstützen.
51
Vgl. Rehn/Cronauge/von Lennep, a.a.O. § 26 Anm. III.
52
Größe, Planungsstand oder Standort der Eissporthalle sind aus dem Text des
Bürgerbegehrens ebenso wenig ersichtlich wie sich ihm entnehmen läßt, was im
Einzelnen im Rahmen eines "Freizeitzentrums" verwirklicht werden soll. Selbst wenn
diese Informationen nicht notwendigerweise im Text des Bürgerbgehrens selbst
enthalten sein müssen und es ausreicht, die Unterzeichner darüber etwa durch bei der
Unterschriftsleistung vorliegende Pläne zu informieren,
53
- verneinend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15. November 1999 -
8 TZ 3237/99 -, S. 5 des Entscheidungsabdrucks -,
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führt dies nicht zu einer für die Kläger günstigeren Beurteilung. Denn Pläne und
Bauzeichnungen haben jedenfalls bei der Hälfte aller Unterschriftsleistungen nicht
vorgelegen; ob allein an dem Informationsstand der Bürgerinitiative in der Innenstadt, an
dem diese Unterlagen zur Verfügung standen, eine nach § 26 Abs. 4 GO ausreichende
Zahl von Unterschriften zusammengetragen worden ist, kann das Gericht nicht
feststellen. Der Vortrag der Kläger, jedenfalls durch Plakatinformationen und
umfangreiche Presseberichterstattung "wusste jeder, der unterschrieb, worum es ging",
kann weder durch allgemeine Erfahrungssätze noch konkret belegt werden und stellt
sich als Spekulation dar.
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Das Bürgerbegehren genügt den Anforderungen des § 26 Abs. 2 Satz 1 GO im Übrigen
auch deshalb nicht, weil es entgegen seiner Begründung keinen "Antrag eines privaten
Investors, (...) eine Eissporthalle mit Freizeitzentrum zu errichten", und demzufolge auch
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keine Ablehnung dieses Antrags durch den Rat gab. Eine im Jahre 1998 gestellte
Bauvoranfrage des Investors bezog sich auf eine Mehrzweckhalle mit verschiedenen
Nebenanlagen und ist ebenfalls nicht abschlägig beschieden, sondern im Vorfeld
zurückgezogen worden; im Zusammenhang mit einer Eissporthalle hat es zu keinem
Zeitpunkt eine Bauvoranfrage oder einen Bauantrag gegeben. Diese unzutreffende
Sachdarstellung kann nicht von vornherein als für die Unterstützung des
Bürgerbegehrens unerheblich angesehen werden, sodass nicht ausgeschlossen
werden kann, dass die Unterzeichner maßgeblich durch die vermeintliche
Antragsablehnung zur Unterschrift bewegt worden sind. Insoweit erscheint es auch
möglich, dass das Bürgerbegehren nicht von der erforderlichen Anzahl von Bürgern
unterschrieben worden wäre, wenn nicht fälschlicherweise in der Begründung von einer
Ablehnung eines Antrags die Rede gewesen wäre. Auch dies rechtfertigt es, das
Bürgerbegehren als unbestimmt zu qualifizieren ist, weil letzten Endes unklar ist, wofür
bzw. wogegen seine Unterstützer eintreten.
Vgl. dazu Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15. November 1999,
a.a.O. S. 3 des Entscheidungsabdrucks; Oberverwaltungsgericht Rheinland- Pfalz,
Urteil vom 25. November 1997, a.a.O. S. 789 f.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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