Urteil des VG Mainz vom 11.06.2010

VG Mainz: aufschiebende wirkung, grundstück, bebauungsplan, geschlossene bauweise, befreiung, kindergarten, bauplan, belüftung, satzung, stadtrat

VG
Mainz
11.06.2010
3 L 547/10.MZ
Baunachbarrecht
Verwaltungsgericht
Mainz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
Prozessbevollmächtigte:
wegen Baugenehmigung
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der Beratung vom 11. Juni 2010, an der
teilgenommen haben
Richterin am Oberverwaltungsgericht Lang
Richter am Verwaltungsgericht Ermlich
Richter am Verwaltungsgericht Hildner
beschlossen:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen zu tragen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 3.750,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines am 9. Februar 2010 erhobenen
Widerspruchs gegen die der Beigeladenen unter am 9. August 2009 für das Grundstück T.-gasse X, Flur X
Nr. XXX, in M. ergangene Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes mit 15 Wohneinheiten
und integrierter Garage (14 Stellplätze) unter Erteilung von Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von
den Festsetzungen des Bebauungsplans „Zwischen K.-straße und R.-straße, Änderung“ (A 214 III Ä) der
Antragsgegnerin über die überbaubare Grundstücksfläche und die Anzahl der Vollgeschosse
anzuordnen, ist gemäß §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 212 a BauGB statthaft
und auch ansonsten zulässig. Insbesondere ist der vom Antragsteller erhobene Widerspruch nicht
offensichtlich unzulässig. Da ihm die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht bekannt gemacht
wurde, begann die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO für ihn nicht zu laufen, und er hat sein Recht
zur Erhebung des Widerspruchs auch nicht verwirkt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16. März 2010 –
4 B 5.10 –, juris [Rdnr. 8] m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, denn insoweit ergibt die in dem Verfahren nach §§ 80 a
Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Sach- und Rechtsprüfung, dass die der
Beigeladenen erteilte Baugenehmigung mit Blick auf die Nachbarschaft schützende Rechtsvorschriften
offensichtlich rechtmäßig ist. Unter diesen Umständen gebührt dem Interesse der Beigeladenen an der
sofortigen Vollziehung der ihnen erteilten Baugenehmigung – wie es in der durch § 212 a BauGB
getroffenen Wertung zu Ausdruck kommt – Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers, die
aufschiebende Wirkung seines gegen die Baugenehmigung eingelegten Widerspruchs anzuordnen (vgl.
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. März 1986 – 1 B 14/86 –, NVwZ 1987, 240). Die den
Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt nach überschlägiger Prüfung der Sach- und Rechtslage
keine Vorschriften, die gerade auch dem Interesse der Antragsteller zu dienen bestimmt sind.
Zunächst kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg darauf berufen, die Baugenehmigung sei bereits
deshalb rechtswidrig, weil er zum einen als Nachbar wegen der Befreiung von auch ihn betreffenden
Festsetzungen im Baugenehmigungsverfahren hätte beteiligt werden müssen und weil die
Baugenehmigung zum anderen keine Begründung hinsichtlich der in ihr enthaltenen Befreiungen
enthalte (vgl. S. 2, 3 der Antragsschrift vom 22. April 2010, Bl. 2, 3 der Gerichtsakten). Denn bei den
Vorschriften über die Beteiligung der Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren (§ 68 LBauO) und die
Begründung der Baugenehmigung (§ 70 Abs. 1 Satz 3 LBauO) handelt es sich um Verfahrensvorschriften,
die ausschließlich die Wahrung öffentlicher Belange bezwecken und nicht dem Schutz des Nachbarn zu
dienen bestimmt sind (vgl. Lang in: Jeromin, LBauO Rh-Pf., 2. Auflage 2008, § 68 Rdnr. 39; BVerwG,
Urteil vom 29. April 1993 – 7 A 2.92 –, BVerwGE 92, 258, 261 f.). Dass der Gesetzgeber diesen
Vorschriften ausdrücklich auch nachbarschützende Wirkung beimessen wollte (vgl. hierzu OVG Hamburg,
Urteil vom 26. September 2007 – 2 Bs 188/07 –, juris [Rdnr. 3]), lässt sich weder ihrem Wortlaut noch ihrer
Entstehungsgeschichte entnehmen.
In bauplanungsrechtlicher Hinsicht verletzt das Bauvorhaben keine nachbarschützenden Vorschriften. Es
beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, denn es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Zwischen
K.-straße und R.-straße, Änderung“ (A 214 III Ä), der vom Stadtrat der Beigeladenen am 07. Februar 2001
als Satzung beschlossen und nach Ausfertigung durch den Oberbürgermeister am 06. April 2001 bekannt
gemacht wurde.
(1) Zunächst verstößt das Vorhaben der Beigeladenen hinsichtlich seiner Art der baulichen Nutzung nicht
zu Lasten des Antragstellers gegen drittschützende Vorschriften. Insbesondere kann sich der Antragsteller
nicht wegen des Umstandes, dass mit dem Vorhaben der Beigeladenen ein Wohngebäude auf einem
Grundstück verwirklicht werden soll, welches im Bebauungsplan als Gemeinbedarfsfläche „Kindergarten“
(§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) festgesetzt ist, auf den generell drittschützenden Gebietserhaltungsanspruch
berufen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Gebietserhaltungsanspruch grundsätzlich nur
zugunsten derjenigen Grundstückseigentümer wirkt, deren Grundstücke in einem Baugebiet liegen, denn
nur diese werden zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden und sollen die Beachtung der
planungsrechtlichen Vorgaben auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen können, weil und soweit
sie selbst in der Ausnutzbarkeit ihres Grundeigentums öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterliegen
(vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Dezember 2009 – 8 B 11243/09.OVG – m.w.N.).
Grundstücke, für die innerhalb eines Bebauungsplangebietes unterschiedliche Nutzungsarten festgelegt
sind, liegen hingegen nicht in einem Baugebiet, sondern in unterschiedlichen Baugebieten (vgl. OVG
Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. März 2006 – 7 A 3375/04 –, juris [Rdnr. 62]; Beschluss vom 28.
November 2002 – 10 B 1618/02 –, BRS 66 Nr. 168; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Oktober
1999 – 8 S 2396/99 –, BRS 62 Nr. 183) mit der Folge, dass der Gebietsgewährleistungsanspruch in einem
solchen Fall nicht greift. So liegt es hier.
Das Grundstück des Antragstellers liegt in einem Gebiet, welches im Bebauungsplan als „besonderes
Wohngebiet“ (§§ 1 Abs. 2 Nr. 4, 4 a BauNVO) festgesetzt ist. Demgegenüber liegt die für das
Baugrundstück festgesetzte Gemeinbedarfsfläche innerhalb eines eigenen, durch die Art seiner Nutzung
(Kindergarten) definierten und vom angrenzenden besonderen Wohngebiet abgrenzten Gebietes. Dies
geht eindeutig aus der in den zeichnerischen Festsetzungen der Planurkunde enthaltenen, die
Gemeinbedarfsfläche umgebenden „Perlschnur“ hervor, die als Planzeichen entsprechend Ziffer 15.14
der Anlage zur Planzeichenverordnung (PlanzV) zur Abgrenzung unterschiedlicher Nutzungen, z.B. von
Baugebieten, dient.
Der Antragsteller kann sich aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sogenannten
„gebietsübergreifenden Gebietsgewährleistungsanspruchs“ gegen das Vorhaben der Beigeladenen zur
Wehr setzen. Denn soweit ein gebietsübergreifender Gebietsgewährleistungsanspruch in der
Rechtsprechung anerkannt ist, setzt er voraus, dass die näheren Umstände der Aufstellung eines
Bebauungsplans, namentlich seine Begründung erkennen lassen, dass nachbarschützenden Wirkungen
der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung nicht auf die Grundstücke im Plangebiet/Baugebiet
beschränkt sind, sondern auch außerhalb davon gelegenen Grundstücken zugute kommen sollen (vgl.
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 12. März 2009 – 1 LA 184/06 –, NVwZ-RR 2009, 630, 631). Hierfür
ergeben weder der Bebauungsplan selbst noch seine Begründung bzw. die Akten über die
Planaufstellung auch nur ansatzweise einen Anhaltspunkt.
(2) Aber auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ist das Vorhaben der Beigeladenen unter
nachbarschützenden Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die vom
Antragsteller beanstandeten Überschreitungen der im Bebauungsplan „A 214 III Ä“ festgesetzten Anzahl
der Vollgeschosse sowie der überbaubaren Grundstücksflächen, für die der Beigeladenen auf ihren
Antrag hin im Bauschein Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt wurden. Denn insoweit wird der
Antragsteller nicht in seinen nachbarschützenden Rechten verletzt.
Vorliegend wurde von der im Bebauungsplan festgesetzten Anzahl der Vollgeschosse (vgl. § 16 Abs. 2 Nr.
3 BauNVO) von einer Festsetzung des Bebauungsplans befreit, die das Maß der baulichen Nutzung
betrifft. Festsetzungen eines Bebauungsplans, die das Maß der baulichen Nutzung zum Gegenstand
haben, haben anders als die Festsetzung von Baugebieten kraft Bundesrecht grundsätzlich keine
nachbarschützende Funktion (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1995 – 4 B 52.95 –, BRS 57 Nr. 209);
insoweit ist zum Schutze der Nachbarn das partiell drittschützende Gebot der Rücksichtnahme
ausreichend, das den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützen soll. Damit ist jedoch
nicht ausgeschlossen, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nicht ausnahmsweise
auch drittschützende Wirkung haben können; Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich ein Wille des
Plangebers, die Festsetzung mit drittschützender Wirkung anzureichern, hinreichend deutlich aus dem
Bebauungsplan selbst bzw. seiner Begründung unter Berücksichtigung der konkreten Situation vor Ort
ergeben muss (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Januar 1995 – 3 S 3096/94 –, BRS 57
Nr. 210; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. Januar 2004 – 8 B 11939/03.OVG –, ESRIA).
Ein solcher Wille lässt sich – jedenfalls in Bezug auf das Grundstück des Antragstellers – weder der
Begründung des Bebauungsplans „A 214 III“ bzw des Änderungsplans „A 214 III Ä“ noch aus den
Planaufstellungsakten entnehmen. Wie sich den Planaufstellungsakten zum Bebauungsplan „A 214 III“
entnehmen lässt, befasste sich die Antragsgegnerin erstmals im Zusammenhang mit der öffentlichen
Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB mit der baulichen Ausnutzbarkeit des hier in Rede stehenden
Baugrundstücks (vgl. Aktenvermerk vom 19. September 1995). Die hier angestellten Überlegungen
mündeten hinsichtlich des hier in Rede stehenden Bereichs „T.-gasse/R.-straße“ in folgende Begründung:
„Die zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans sehen in den Einmündungsbereichen H.-
gässlein/R.-straße und T.-gasse/R.-straße die Möglichkeit von Aufstockungen bzw. Neubauten an der
Straßenflucht vor. Nur so lässt sich die geschlossene Straßenfront an der R.-straße wieder erkennbar
machen und die für das Gebiet typische Gassensituation der Verbindungswege zwischen K.-straße und
R.-straße verdeutlichen. Diese städtebaulichen Gründe erfordern auch die konsequente Verlängerung der
nördlichen Bauflucht des I.-gässchens (westlicher Teil) über die T.-gasse bis zur R.-straße. Das dort
vorgesehene festgesetzte Gebäude ist auf einer Fläche „für den Gemeinbedarf, kirchliche Einrichtungen“
zeichnerisch festgesetzt. Bei der Aufstellung des Bebauungsplans wurden insoweit die sozialen
Bedürfnisse der Bevölkerung im Sinne des § 1 Abs. 5 Nr. 3 BauGB besonders berücksichtigt. Die
vorgesehenen Einrichtungen erfordern das nach den zeichnerischen Festsetzungen zulässige und
notwendige Bauvolumen an dem festgelegten Standort sowohl aus Gründen des Lärmschutzes für die
dem geplanten Kindergarten zugeordnete Freifläche als auch aus Gründen der wirtschaftlichen
Realisierbarkeit. Dies schließt eine andere Lösung aus. Den Belangen der im Eckgebäude R.-straße XX
wohnenden und arbeitenden Menschen in Bezug auf die Belichtung, Besonnung und Belüftung der
Wohnungen und Arbeitsstätten (städtebauliches Sanierungsziel gemäß § 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB) wurde
insoweit ausreichend Rechnung getragen, als die viergeschossige Bauflucht des Neubaus in der T.-gasse
durch Festsetzung einer entsprechenden Baulinie auf 16 m Breite beschränkt ist.“ (vgl. S. 2 der
Begründung).
Der durch diese Begründung zum Ausdruck kommende planerische Wille der Antragsgegnerin wurde so
vom Stadtrat der Antragsgegnerin zum Gegenstand des Ratsbeschlusses über den Bebauungsplan „A
214 III“ gemacht und auch im Verfahren über die Änderung des Bebauungsplans (A 214 III Ä) nicht
verändert. Hieraus ergibt sich, dass nach dem Willen des Plangebers die Festsetzung der Anzahl der
Vollgeschosse auf dem Grundstück Parzelle XXX allein städtebauliche Ziele im Hinblick auf das
städtebauliche Erscheinungsbild des Gebietes verfolgt und allenfalls in Bezug auf das Grundstück R.-
straße XX auch den Schutz der Arbeits- und Wohnbevölkerung im Hinblick auf individuelle Belange vor
dem Hintergrund bestehender Sanierungsziele verfolgt.
Soweit die Antragsgegnerin des Weiteren der Beigeladenen eine Befreiung von den Festsetzungen über
die überbaubare Grundstücksfläche (§ 23 BauNVO) erteilt hat, ist festzuhalten, dass diese Festsetzungen
zugunsten des Antragstellers ebenfalls keine nachbarschützende Wirkung entfallen. Zwar kann die Frage,
ob die Festsetzung von Baulinien oder Baugrenzen neben ihrer städtebaulichen Ordnungsfunktion auch
nachbarschützende Wirkung hat, weder generell bejaht oder verneint noch im Sinne eines in der einen
oder anderen Weise ausgerichteten Regel-Ausnahme-Verhältnisses beantwortet werden. Ob der
Nachbarschutz zu verneinen oder zu bejahen ist, ist in jedem Einzelfall im Wege der Auslegung des
Schutzzwecks der Festsetzung im Bebauungsplan zu ermitteln. Hiernach istNachbarschutz anzunehmen,
wenn er aus dem Inhalt und der Rechtsnatur der Festsetzung selbst oder aus ihrem Zusammenhang mit
anderen Festsetzungen folgt, oder sich ein entsprechender Wille hinreichend deutlich aus der
Planbegründung oder aus anderen Unterlagen und Vorgängen im Zusammenhang mit dem Erlass des
Bebauungsplans ergibt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Januar 2010 – 8 B 11359/09.OVG
–, juris [Rdnr. 5]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juli 1994 – 10 B 10/94 –, BRS 56 Nr. 44).
Nach diesen Grundsätzen kommt den Festsetzungen des Bebauungsplans „A 124 III / A 214 III Ä“ über die
überbaubaren Grundstücksflächen in Gestalt von Baulinien und Baugrenzen keine nachbarschützende
Wirkung zu, denn weder der Begründung der Bebauungspläne noch den Planaufstellungsakten lässt sich
auch nur ansatzweise eine entsprechende Intention des Plangebers entnehmen. Dort heißt es vielmehr
lediglich, dass „das Maß der baulichen Nutzung im Bebauungsplan durch die Festsetzung der Größe der
Grundflächen der baulichen Anlagen (durch Baulinien und Baugrenzen) und die Zahl der
höchstzulässigen oder zwingend einzuhaltenden Vollgeschosse bestimmt“ wird (vgl. S. 2 der
Begründung). Soweit die Festsetzung der Baulinien und Baugrenzen hingegen der Umsetzung der
Sanierungsziele des im Bereich der Satzung der Antragsgegnerin über die förmliche Festsetzung des
Sanierungsgebietes „Südliche Altstadt/Teil B“ gelegenen Plangebietes dient, werden hiermit allein
städtebauliche Ziele verfolgt, die lediglich gleichsam reflexhaft den Einzelnen begünstigen können.
Schließlich ist die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen unter Erteilung der vorgenannten
Befreiungen auch nicht unter Berücksichtigung des sich aus § 31 Abs. 2 BauGB ergebenden,
Nachbarschutz vermittelnden Gebotes der Wahrung nachbarlicher Interessen zu beanstanden. Denn
insoweit gilt es zu berücksichtigen, dass Drittschutz des Nachbarn bei einer rechtswidrigen Befreiung von
einer nicht nachbarschützenden Festsetzung nur besteht, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht
hinreichend berücksichtigt worden sind; alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und
die auf ihr beruhende Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen
Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden. Unter welchen Voraussetzungen eine
Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist nach den Maßstäben zu beantworten, die das
Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 08. Juli 1998 – 4 B 64.98 –, NVwZ-RR 1999, 8).
In Ansehung dieser Grundsätze erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen dem Antragsteller
gegenüber nicht als rücksichtslos.
Dies gilt zunächst in Bezug auf die von ihm geltend gemachte Beeinträchtigung der Sichtbeziehung zur
nahegelegenen I.-kirche. Denn die Bewahrung einer ungestörten Aussicht ist grundsätzlich kein
Nachbarschutz vermittelnder Belang; dass die Antragsgegnerin vorliegend mit den Festsetzungen des
Bebauungspläne „A 214 III“ bzw. „A 214 III Ä“ ausnahmsweise etwas anderes bezwecken wollten, ist nicht
einmal im Ansatz ersichtlich.
Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Vorhaben der Beigeladenen zu
einer unzumutbaren Verschattung seines Grundstückes führen wird. Denn soweit er durch die Vorlage
einer Schattenwurfsimulation darzulegen versucht, dass die Verwirklichung des Vorhabens der
Beigeladenen entsprechend der genehmigten Planung zu einem erhöhten Schattenwurf auf sein
Grundstück führen wird, übersieht er, dass das Maß dessen, was an Verschattung hinzunehmen ist, durch
die – nachbarschützende – Abstandsflächenvorschrift des § 8 LBauO bestimmt wird, mit der u.a. eine
ausreichende Beleuchtung und Belüftung der Gebäude und ein effektiver Brandschutz gewährleistet
sowie die Anforderungen an gesunde Arbeits- und Wohnverhältnisse verwirklicht werden sollen (vgl. OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. November 1999 – 8 A 10951/99.OVG –, NVwZ-RR 2000, 580, 581). Ist die
nach § 8 Abs. 6 Satz 1 LBauO einzuhaltende Tiefe der Abstandsfläche eingehalten, so ist den durch § 8
LBauO geschützten Belangen Genüge getan. So liegt es hier. Wie sich aus dem von der Beigeladenen
vorgelegten Abstandsflächenplan (Plan-Nr. A-4abstand) ergibt – an dessen Richtigkeit die Kammer
keinen Anlass zu zweifeln hat –, hält das Vorhaben der Beigeladenen zum I.-gässchen und damit zum
Grundstück des Antragstellers die bei einer abstandsflächenrechtlich relevanten Wandhöhe von 14,20 m
(vgl. Bauplan „Ansicht Nordost“ [Plan-Nr. A-4Ano]) notwendige Abstandfläche von 5,68 m bei weitem ein.
Antragsgegnerin und Beigeladene durften bei der Bemessung der Abstandsfläche auch zu Recht das als
Staffelgeschoss vorgesehene Dachgeschoss unberücksichtigt lassen, denn dieses ist mit seiner zum I.-
gässchen zugewandten Dachneigung von 45° gemäß § 8 Abs. 4 Satz 5 LBauO bei der Ermittlung des der
einzuhaltenden Abstandsfläche zugrunde liegenden Maßes nicht erhöhend zu berücksichtigen. Soweit
das Vorhaben hingegen in dem an der R.-straße zugewandten Teil zum I.-gässchen hin eine
Dachneigung von 60° aufweist, führt dies ebenfalls nicht zu einem Verstoß gegen § 8 LBauO, da in
diesem Bereich durch den Bebauungsplan geschlossene Bauweise festgesetzt wird, mithin nach § 8 Abs.
1 Satz 2 Nr. 1 LBauO Abstandsflächen gar nicht erforderlich sind.
Ferner wirkt das Vorhaben der Beigeladenen entgegen der Auffassung des Antragstellers in Bezug auf
sein Grundstück auch nicht erdrückend. Denn eine erdrückende Wirkung eines die
bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen einhaltenden Gebäudes kann nur angenommen werden, wenn
eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein
benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn
für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden"
Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der
erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück
nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene
baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.
Februar 2009 – 10 B 1713/08 –, NVwZ-RR 2009, 459, 460 m.w.N.). Hiervon kann im vorliegenden Fall
trotz eines Höhenunterschiedes nach Angaben des Antragstellers von 4,70 m nicht ausgegangen werden,
weil der rückwärtige Teil des Baukörpers in Bezug auf das Grundstück des Antragstellers einen Abstand
von zwischen 10,90 m und 11,70 m einhält, so dass von einer im obigen Sinne beschriebenen
Ausnahmesituation nicht die Rede sein kann.
Schließlich erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen auch im Hinblick auf das vom Antragsteller
befürchtete höhere Verkehrsaufkommen nicht als rücksichtslos. Insoweit gilt es nämlich zu
berücksichtigen, dass die Zufahrten zu den Stellplätzen und Garagen (vgl. hierzu den Bauplan „Grundriss
Erdgeschoss [Plan-Nr. A-4G00]) im Wesentlichen an der T.-gasse liegen und lediglich 6 Stellplätze über
den von der T.-gasse abzweigenden Teil des I.-gässchens angefahren werden. Aufgrund dieser
Anordnung ist es bereits nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Antragsteller, dessen Anwesen durch
den Baukörper des geplanten Neubaus auf der Parzelle XXX in Bezug auf die an der T.-gasse
befindlichen Doppelparker abgeschirmt wird, durch den mit dem Vorhaben verbundenen Verkehrslärm
mehr als nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Da es sich bei diesen Stellplätzen um notwendige
Stellplätze i.S. von § 47 Abs. 1 Satz 1 LBauO handelt, sind die hiervon ausgehenden Emissionen
grundsätzlich als sozialaäquat hinzunehmen; objektive Anhaltspunkte dafür, dass diese zu unzumutbaren
und nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigungen des Antragstellers führen werden, sind nicht ersichtlich
und von diesem im Übrigen auch nicht substantiiert vorgetragen worden.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG
i.V. mit Ziffern 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.).